Tag 4 – Tokyos andere Seiten

Tokyo, ist die Stadt, die niemals schläft. Sie hat viele Menschen, hohe Häuser und nirgends gibt es einen Ort der Ruhe. Dies sind Argumente, die man oftmals über Tokyo vorgetragen bekommt. Oftmals wird dies gleich noch als Grund angebracht, die Stadt nicht zu besuchen. Falscher geht es nicht und ich hoffe, dass die Beiträge aller drei Japanreisen, die Dennis und ich unternommen haben, wenigstens einen kleinen Anteil daran hatten und haben werden, die Vorurteile, die gegen dieses exotische Land gehegt werden zu reduzieren oder zu überwinden. Obengenannte können wir auf jeden Fall kategorisch ausschließen. Ab kurz vor eins am Morgen schläft Japan wirklich. Nicht ohne Grund wurden fragwürdige Errungenschaften wie die Kapselhotels gerade in Tokyo eingeführt. Da ab 1 Uhr kein Zug mehr in der Stadt fährt und dies bis um fünf anhält, waren Geschäftsleute, die die Sperrstunde überschritten, gezwungen, irgendwo übernachten. Kapselhotels waren dafür die Lösung. Vorgestern war es da fast für uns soweit und mit einer der letzten Bahnen erreichten wir gerade noch unser Hotel. Den Plan, heute früh den Fischmarkt aufzusuchen, mussten wir aus dem gleichen Grund streichen, da eine erwartete Ankunft um fünf Uhr nur per Taxi oder Hotel nahe des Fischmarktes möglich gewesen wäre.

Die weiteren Punkte, von vielen Menschen, hohen Häusern und keinen Orten der Ruhe, haben wir daraufhin heute widerlegt. Unser Weg führte uns nach Yanaka, zwei Stationen von Ueno und damit im nördlichen Teil der Innenstadt Tokyos gelegen. Yanaka? Was ist das? Das werden jetzt wohl viele der geneigten Leser fragen. Asakusa, Ueno, Shibuya und Akihabara, das sind Namen, die jeder schon einmal irgendwie über Tokyo vernommen haben könnte. Yanaka ist nur ein Geheimtipp. Im Gegensatz zur restlichen Stadt befinden sich in diesem Gebiet die Überreste des alten Toykos. Kaum Hochhäuser oder Shoppingkomplexe sind zu sehen, dafür enge verwinkelte Gassen, wenig Menschen und eine Ruhe, wie man sie in der Weltstadt Tokyo nicht unbedingt erwartet. Die Geschäfte sind zudem meist kleinste Läden, mit Verkaufsständen auf der Straße und überall riecht es nach frischen Essen. Die Gerüche werden durch gewiefte Geschäftsleute mit Fächern in Richtung der Passanten gewedelt. Neben der Einkaufsstraße zeichnet sich das Viertel durch einen hohen Anteil an kleinsten Tempeln, Schreinen und Friedhöfen aus. Berühmtestes Grab dieser Friedhöfe dürfte das Grab des letzten Herrschers der Tokugawa sein. Die Tokugawa waren ein Adelsgeschlecht, welches zweihundert Jahre den Titel des Shoguns auf sich vereinte und unter anderem die Abschließung Japans vom Rest der Welt bewirkte. Erst 1868 verlor die Familie ihren Stand und musste die Herrschaft des Landes an Kaiser Meiji abgeben. Wie durch ein Wunder schafften wir es dabei sogar, alle Sehenswürdigkeiten dieser Region zu besichtigen, indem wir blindlings die Gegend erkundeten. Auf jeden Fall tat uns der nette Japaner in der Touristeninformation unrecht, dem wir unseren bisher gegangenen Weg schilderten. Er meinte, wir sollen ihn wieder aufsuchen, falls wir uns erneut verlaufen. Wie kann man sich verlaufen, wenn man gar keinen Weg geplant hatte? Der Weg war das Ziel und genau das hatten wir erreicht.
Nach dem Besuch in Yanaka benötigten wir den Gegenentwurf zu der Ruhe. Es ging nach Shibuya. In Shibuya existiert eine Treppe, die wir in fast identischen Winkeln in jedem Urlaub wieder fotografieren, so auch dieses Mal. Wir wollten zur Abwechslung aber wirklich mal shoppen. Alle Mütter, die sich ungläubig die Augen reiben, bitte schnell weiterlesen, es ging nur um eine Geldbörse. Das war ein gar nicht so leichtes Unterfangen. Eine Geldbörse in Japan ist zumeist so groß, dass die Scheine umgeknickt in ihr transportiert werden können. Kein Problem bei dem Trend in Japan, dass Männer auch Handtaschen, meist sogar aus europäischem Verständnis weibliche, mit sich herumtragen. Hinzu kommt, dass fast alle Geldbörsen geschmückt sind und so sehr ich Dennis auch gut zuredete, weder mit Edelsteinen noch mit übergroßen Totenköpfen konnte und wollte er sich anfreunden. Letztlich fanden wir doch noch etwas geeignetes, wenn auch es nicht zu japanischen Verhältnissen passte, da Dennis noch nicht einmal den an vielen Männerbörsen zu findenden rosa Nahtstreifen wollte.

Zum Abschluss des Abends wollten wir in Odaiba zum Baden gehen. Wir erinnerten uns, dort schon einmal Schwimmer gesehen zu haben. Leider war das Schwimmen aber verboten, so gingen wir halt ein wenig spazieren. Wir hatten unser Pensum eh noch nicht erreicht. Auf dem Weg stießen wir auf Diver City, einen Einkaufstempel mit sieben Etagen, gegen den das Allee-Center nur ein schlechter Witz ist. Highlight dieses Centers war aber eine 18 Meter hohe Kampfroboterstatue. Diese stammt aus einer alten Kinderserie und ist noch heute sehr berühmt. Für ein Jubiläum wurde nun diese Statue aufgestellt und ist ein echter Touristenmagnet. Besonders bei japanischen Männern ist die Statue sehr beliebt, wie sich auch in der 7. Etage des Einkaufszentrums zeigte. Dort gab es eine Ausstellung aller Figuren, die je zu dieser Serie als Bausätze herausgegeben wurden. Werden in Deutschland Schiffe und Flugzeuge gebaut, sind es in Japan halt die Kampfroboter.

imgp3254klein

Als lustige Info am Rande: Vor einem Jahr wurde in einem chinesischen Vergnügungspark eine identische Statue, nur in Gelb, gefunden. Sogar die Aufschrift war gleich. Auf Drohung einer Klage durch den Produzenten veränderten die Chinesen die Statue, so dass sie anders aussah. Laut ihrer Aussagen war dies aber von vornherein so gedacht gewesen und die Gleichnisse purer Zufall. Neben der Statue fand gerade auch ein Konzert einer sehr jungen Girlband statt. Als jemand, der das erste Mal eine Girlband live in Aktion gesehen hat, beziehungsweise überhaupt eine Band mit einem Altersdurchschnitt von unter 30, muss ich schon sagen, dass diese Posen schon ziemlich seltsam anmuteten. Die Musik war aber nicht so schlecht, wie der erste Blick auf das durch den Laien als Gehampel bezeichnete Bild auf der Bühne erwartete. Odaiba war so auf jeden Fall eine Tour wert und passte perfekt zu dem Tag der Gegensätze, wie wir ihn heute hatten.

Morgen werden wir dann wirklich sagen können, wir sind zu Hause, denn morgen steht ein Kurzbesuch bei Orsolya in Sendai an.

Tag 3 – Das kann doch nicht weit sein?.

Ein bekanntes Problem bei durch Dennis und mich veranstalteten Touren ist die Tatsache, dass Karten immer kleiner und ungefährlicher aussehen, als es die Strecken in der Realität sind. Als vor einigen Monaten in Göttingen das Flugticket geholt wurde kam die Nachfrage, ob wir körperliche Beschwerden hätten oder ob diese Plätze im Flugzeug für uns unbedenklich sind. Für den Hinflug konnte ich es garantieren, für den Rückflug allerdings nicht mit hundertprozentiger Sicherheit, was die Verkäuferin verwunderte. Heute bewiesen wir erneut, warum für unsere körperliche Verfassung nie garantiert werden kann.

Nach den langläufigen Gewaltmärschen der letzten beiden Tage entschieden wir uns für etwas Entspannung. Ziel des heutigen Tages war Hakone. Hakone ist ein kleiner, in mehrere Stadtteile aufgeteilter Ort, welcher in der Nähe des Fuji an einem See liegt. Bei klarem Wetter hat man einen grandiosen Blick auf den Fuji. Ausländer und auch Japaner, welche Entspannung vom Stress in Tokyo suchen, verbringen dort ihre Freizeit. Besonders die heißen Quellen dieser Region sind dabei legendär. Ruhe und Entspannung, dies sind wiederum zwei Worte, die in unserem Wortschatz nicht vorkommen. Nachdem wir unseren JR Pass das erste Mal für den Shinkansen eingeweiht hatten, erreichten wir den ersten Teilabschnitt von Hakone. Mit einer kleinen Eisenbahn ging es auf engsten Bergfaden langsam immer weiter in die Höhe. Wir erreichten die Verbindung von der Eisenbahn zum See Ashi, mit Blick auf den Fuji. Diese Verbindung sollte eigentlich mithilfe einer Kabelbahn und einer Seilbahn geschehen, wir entschieden uns aber zu unorthodoxeren Mitteln, denn fahren kann schließlich jeder. Wir beide beschlossen, dem Pfad entlang des Ortes zu folgen, welcher komplett gerade verlief und ein Verlaufen ausschloss. Warum kein einziger Japaner uns folgte erschien uns seltsam, aber mit der Zeit erschloss es sich uns doch. Wir folgten einem schmalen Weg, welcher nur bergauf ging. Bei 35-40 Grad Celsius und einer Steigung von 25 bis teilweise fast 40 Grad ging es auf eine Höhe von knapp 1 Kilometer. Die Berge hatten gerufen und ich erinnerte mich schon leicht an die japanischen Alpen. Der Schweiß floss und die Beine wurden schwerer. Eigentlich wollten wir in solchem Fall einfach an den Haltestellen in die Kabelbahn einsteigen. Doch wir hatten es geschafft, den Berg auf der falschen Seite zu besteigen und nur eine Abfahrt war möglich. Es wollte sich partout kein Übergang finden lassen. Nun gut, so sind wir einige der wenigen Ausländer, die wohl jemals den Berg Hakone bestiegen haben. Schon alleine die Tatsache, dass es einen Berg mit dem Namen gibt, überraschte uns. In unseren Führern sah die ganze Strecke wie eine schöne Spaziertour aus.

Unsere Anstrengungen sollten sich aber lohnen. Nachdem wir die Seilbahn erreichten, war ein Wandern keine Option mehr. Mit einigen Japanern ging es mit der Seilbahn in Richtung See. Unsere Mitfahrer wollten uns zwar einfach nicht glauben, dass wir gelaufen waren, aber wir hatten so wenigstens eine witzige Fahrt. Unterbrochen wurde die Fahrt von einer Reihe von Schwefelfeldern. Diese ließen sich besichtigen, auch wenn ein Warnschild vor der Gefährlichkeit der Dämpfe der Felder für Kranke und Angeschlagene warnte. Da wir uns bis auf schwere Beine aber im besten Zustand befanden, folgten wir den Pfaden und ließen es uns nicht nehmen, in echten Schwefelquellen gekochte Eier zu erstehen und gleich zu verspeisen. Das war ein sehr interessanter Geschmack, muss man sagen und so eine Gelegenheit konnten wir uns doch nicht entgehen lassen.

imgp3009kleinimgp3017klein
Weiter mit der Seilbahn erreichten wir den See, der uns etwas enttäuschte. Trotz der genialen Temperaturen stand der Fuji im Nebel, wodurch die Sicht stark eingegrenzt war. Die Fahrt mit einem Schiff lohnte sich aber trotzdem. So gab es mal wieder ein Tor im Meer zu sehen, wie es auch in der Nähe von Hiroshima auffindbar war. Erschöpft ging es im Anschluss zurück nach Tokyo, um mit unserer ersten Portion Ramen den Tag würdig zu beenden. Ein Wunder eigentlich, dass dieses einfache, aber füllende Gericht bis heute nicht den Weg nach Deutschland gefunden hat. Wir würden es sehr begrüßen!

Tag 2 – Wo kommen die ganzen Bäume her?

Tag 2 der Japantour und was geschieht als erstes? Die Hälfte des Teams verschläft! Egal, der Jetlag und das Alter der beiden Reisenden rechtfertigt das Geschehen – wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. Den Namen des Langschläfers (Dennis) erwähne ich jetzt der Gerechtigkeit wegen nicht. Die Morgenstunden sind gelaufen und wir befinden uns in einer Stadt, die viel zu bieten hat. Sie wurde aber in zwei vorherigen Besuchen schon gut erkundet, was also sollten wir machen? Der Kriegsrat entschied kurzfristig, die Gegend zu erkunden. Ganz in der Nähe unseres Hotels befindet sich ein komischer Bau, welcher wohl als moderne Kunst zu bewerten ist. Eben jenes Gebäude beinhaltet ein Museum zur Thematik Edo und Tokyo. Edo, der alte Name für die Stadt Tokyo, welches übersetzt einfach Hauptstadt des Ostens bedeutet, wurde im neunzehnten Jahrhundert umbenannt. Gerade diesen Zeitraum habe ich auch in meiner Masterarbeit bearbeitet, deshalb erklärte sich Dennis dankbarerweise bereit, das Museum mit mir zu besichtigen.

Das Museum selber verteilt sich über zwei Etagen und verfügt über eine Reihe von Nachbauten japanischer Häuser der Epoche. Auch ansonsten befindet sich das Museum auf dem neuesten Stand der Technik. Audiovisuell braucht es sich vor keinem Museum der Welt zu verstecken und jederzeit stehen kostenlose Führer bereit, um die Reisende in einer von sechs Sprachen durch das Museum zu führen. Einziges Manko ist dabei die Tatsache, dass keine dieser Führungen in Deutsch stattfindet. Dies sollte uns nicht aufhalten, denn alle Stücke sind gleichzeitig in Englisch beschriftet. Viele Selbstversuche lockern das Museum auf. Dies erlaubt auch Kindern, die Zeit dort zu genießen. Dennis und mir hatte es dabei besonders ein Ausflugsfahrrad angetan. Es blieb nur die Frage: Wer fährt und wer darf hinten sitzen?

imgp2748klein
Im Anschluss an dieses großartige Museum ging es für uns beide nach Kamakura . Das ist eine der vielen alten Hauptstädte Japans, die sich besonders durch eine große Buddhastatue auszeichnet. Leider hatte ich die Stadt schon im letzten Jahr besucht und meine Befürchtungen besagten, dass ich mich etwas langweilen könnte. Dem war aber keinesfalls so. Wir stiegen etwas früher aus und folgten einem Wanderweg, der an fünf alten Zen-Tempeln vorbeiführte. Drei dieser Tempel besichtigten wir dabei. Das Spektrum der Tempel war sehr vielfältig. Es gab unter anderem einen Scheidungstempel. Wenn im Mittelalter Frauen dort drei Jahre verbrachten, durften sie sich trotz Scheidungsverbot scheiden lassen. Weiterhin gab es einen Tempel für die Liebe und einen Tempel der Geldwäsche. Geldwäsche??? Moment, das hat in Deutschland aber einen faden Beigeschmack! Und in Japan weiht man dafür einen Tempel? Tja, was sollen wir sagen, Japan ist halt manchmal etwas anders. In diesem Tempel fließt eine Quelle, die von einer Glücksgöttin geweiht wurde. Geld, das mit dem Wasser dieser Quelle gewaschen wurde, soll laut dem Volksglauben Glück bringen und sich im Wert verdoppeln. Viele Japaner waschen sogar Geldscheine im Wert von umgerechnet 100 Euro in der Quelle, für unser Glück beließen wir es aber bei Kleingeld. Wenn uns nach dieser Tour das Glück nicht hold ist, weiß ich auf jeden Fall auch nicht mehr. Problematisch an der Tour war eigentlich nur, dass sie sich zu einer Bergwanderung entwickelte. Es ging auf teils ungesicherten Pässen nur hoch und runter und das bei einer trockenen Hitze, dass ohne regelmäßige Wasserversorgung wohl ein Kreislaufkollaps vorherzusehen gewesen wäre. Zum Glück können uns Wanderungen schon lange nicht mehr schocken und schon jetzt haben wir uns wohl mehr bewegt, als in den letzten zwei Wochen zuvor.

imgp2923klein
Den Abschluss des Abends bildete ein Restaurantbesuch. Anders als letzten Abend wollten wir keine Rentner vor der Schließzeit ärgern und kamen rechtzeitig in ein gut besuchtes Restaurant. Wie der Zufall so wollte, war ich vor einem Jahr mit meinen Eltern schon einmal dort. Dieses Mal fehlte uns aber ein Übersetzer. Auch die Tatsache, dass der Oberkellner seiner armen Angestellten bei unserem Eintritt ?Viel Spaß, dass sind deine? wünschte, half in der Sache überhaupt nicht. Mit meinen Japanisch-Kenntnissen und der Frage nach den Favoriten der Kellnerin, bekamen wir aber eine sehr leckere Kombination von Grillgütern, welche wir im vollwertigen Holzkohlegrill vor unserer Nase selber grillen durften. Ein Grill zwanzig Zentimeter vor der eigenen Nase ist bei Abendtemperaturen von dreißig Grad übrigens nicht so angenehm, wie man sich das vorstellt. Nachdem wir noch bei der Übersetzung für andere Ausländer mithalfen, hatten wir abgingen uns zwei Köche und der Oberkoch bei der Zubereitung unseres Essens bereitwillig zur Hand. Dies war normalerweise eine tolle Sache, da man bei einigen Sachen wie Shiitakepilze mit einer Soßenfüllung oder Paprika mit Bonitoflockendip nicht unbedingt die Zubereitung kennt. Aber das elendige auf die Finger schauen beim Essen ist wirklich anstrengend. Gestern wurden wir ja schon von einer Person bei jedem Bissen gemustert, bei drei Leuten heute war es aber weitaus anstrengender. Übrig blieb neben einem vollen Magen vom leckeren Essen die Erkenntnis, dass mein Japanisch wenigstens zu ein paar Sachen gut ist. Es gab auch ganz viele Verbeugungen der Mitarbeiter, die erleichtert waren, uns überstanden zu haben. Gleichzeitig waren sie auch dankbar für die Hilfe im Hinblick auf die restlichen Ausländer. So hatte Dennis nun endlich auch einmal ein Restaurant, welches eher nach seinem Geschmack war. In den letzten zwei Urlauben hatte ja mein Vegetarismus doch meist die Auswahl der Restaurants etwas geprägt .

Tag 1 ? Japan, wir kommen.

Am 30.07.2012 hatten meine Eltern die Freundlichkeit, uns zum Flughafen nach Hannover zu bringen. Zur Abwechslung gab es die günstigsten Flüge über Amsterdam bzw. Paris, wodurch unser erster Flug relativ kurz war. Zu meinem großen Leid war der Flug fast ausgebucht wodurch wir gezwungen waren, in einer Dreierreihe mit einem Japaner Platz zu nehmen. KLM ist in vielen Belangen nicht mit Ethiad vergleichbar. Die Gerätschaften sind etwas älter und die Höflichkeit ist bei Ethiad auch etwas stärker als es bei diesem Flug war. Dies bedeutet aber nicht, dass KLM schlecht ist, in keinster Weise. Der Flug Richtung Japan verlief sehr angenehm und es gab keinen Grund zu klagen, außer über die sehr langsamen Bildschirme. Halt, doch eine Klage höre ich da gerade von Dennis, dem der Vegetarierbonus nicht zusagte. Obwohl wir beide fast identische Essen erhielten, erhielt Dennis durch unglückliche Umstände sein Essen über eine halbe Stunde später als ich. Das Essen war aber auf jeden Fall essbar und der Flug verlief sehr ruhig.

imgp2446-klein

Der Flughafen in Amsterdam kann nicht unbedingt mit dem Flughafen in Abu Dhabi konkurrieren, aber er hat sehr nette Ecken. Es gibt zum Beispiel einen Abschnitt, der unter dem Motto Ökoentspannung steht. Grüne Wände, Vogelgezwitscher und eine Reihe von Rollrasenschlafwiesen laden zum Verweilen ein. Wenigstens diese Entspannungsoase war kostenfrei, über die restlichen Preise verlieren wir lieber kein Wort. Wozu innerhalb der Transitareale noch die Bordkarte gescannt werden muss, wenn man nur ein Getränk kauft, brauchen wir wohl nicht verstehen. Dafür trat Dennis den Sprüchen, ich würde gefährlich aussehen, entgegen. Beim Boarding kontrollierte der Flughafen erneut das Handgepäck und ließ die Fluggäste durch einen Metalldetektor laufen. Vor mir mussten alle die Schuhe ausziehen, nur ich durfte sie überraschend anbehalten. Dennis dagegen versuchte es ebenfalls mit Schuhen, wurde vom Sicherheitspersonal aber zurück beordert und musste sie ebenfalls ausziehen. Ein weiteres Beispiel dafür, wer gefährlich er aussieht!

Um 8 Uhr japanischer Zeit und damit 19 Stunden ohne Schlaf, erreichten wir endlich Japan. Es schien, als wollte man uns gar nicht so recht ins Land lassen. Wir warteten ewig, bis unser Gepäck doch noch als Letztes das Flugzeug verließ. Dies wäre nicht so schlimm gewesen, wäre nicht alle zwei Minuten ein Drogenspürhund an unseren Füßen herumgelaufen. Wir können ja nichts für den Fußgeruch nach dem Flug, da muss der Hund uns nicht immer noch darauf hinweisen! Jedenfalls war dies unsere einzige Erklärung, für den häufigen Besuch des Hundes.

9.30 Uhr, nach über einem Jahr betrat ich endlich wieder den geheiligten Boden Japans. Das obligatorische Küssen des Bodens ließ ich aus Furcht vor den Blicken der anwesenden Japaner und Polizeibeamten lieber aus und dafür begnügten sich Dennis und ich mit den ersten Getränken auf japanischem Boden. Was wäre japanischer als ein Calpis? Ja, wir waren wirklich da und schafften es auch gleich in den Zug Richtung Ueno. Und das Ganze ohne, wie Dennis und meine Eltern ein Jahr zuvor, von der Polizei abgefangen und kontrolliert zu werden. Unser Hotel liegt dieses Mal in der Nähe der Sumohalle in Ryogoku. Das Hotel ist nicht groß, erfüllt aber unsere Anforderungen. Dadurch verlängerten wir den Aufenthalt gleich am ersten Tag noch um einen Tag. Neben der Sumohalle auf der anderen Seite der Straße, befindet sich ein Museum über Edo und ganz in der Nähe eines über Feuerwerke. Dies alles entdeckten wir, als wir unsere Koffer untergestellt hatten und etwas die Gegend erkundeten. Vier Stunden sollten wir verbringen und wie wäre dies besser gemacht, als mit einem kleinen Gewaltmarsch in das zwei Eisenbahnstationen entfernte Akihabara. Akihabara war noch genau, wie wir es in Erinnerung hatten und eine große Erkundungstour begann. Auf dem Weg verfranzten wir uns zwar, wir sahen aber auch einiges Neues und erstanden eine Uhr für Dennis. Mal schauen, wie der erste Batteriewechsel für ihn verläuft. Die Uhr verfügt über eine Tagesanzeige in Kanji. Wehe dem Uhrmacher, der das falsch einstellt! Für das wenige investierte Geld, kann sich die Uhr aber echt sehen lassen. Akihabara bewies einmal mehr, dass sich dort wirklich alles billiger finden lässt.

Nach dem Check In und einiger Zeit des Ausruhens, ging es doch noch einmal los für uns. Zwei Ziele galt es zu erreichen: den Magen füllen und noch etwas sehen. Von unserem Hotel kann man den Tokyo Skytree sehen, was spricht also dagegen diesen zu besichtigen. imgp2573kleinGesagt, getan, nur sollten wir langsam mal lernen, dass der höchste Turm der Welt vermutlich überall gut zu sehen ist. Der Fußmarsch wurde länger und länger und aus dem helllichten Tag wurde schon gegen achtzehn Uhr dreißig Nacht. Was nun, war die Frage. Dennis und ich beschlossen kurzfristig, dass uns etwas Dunkelheit nicht schocken kann und wir erreichten den Skytree gerade rechtzeitig, als seine Beleuchtung angeschaltet wurde. Im Allgemeinen würde ich schon alleine von den Kosten her weiterhin das Rathaus als Aussichtspunkt empfehlen, schon aufgrund der hohen Besucherdichte am neu errichteten Skytree. Aber der Ausblick aus über 450 Metern war schon beeindruckend. Nur so bekommt man ein Gefühl von der nicht enden wollenden Stadt. Einziges Manko des beeindruckenden Arrangements auf dem Turm war unser unzureichendes Equipment. Auf der einen Seite sind Digitalkameras klein und handlich und für schnelle Schnappschüsse super, in solchen Situationen wie hier verfluchten wir sie aber und wünschten uns eine Spiegelreflex mit Stativ. Wie einige Japaner mit Handykameras oder gar I-Pad-Kameras dort etwas auf den Fotos sehen wollen, kann ich mir einfach nicht erklären. Wäre nicht schon die Höflichkeit und Freundlichkeit der Japaner klares Zeichen der Rückkehr in das Land der aufgehenden Sonne gewesen, hier im Turm wären wir endgültig angekommen. Über 30 verschiedene Angestellte, alleine 15 für die zwei Etagen mit Fahrstühlen, haben wir gezählt. Mit Händen und Füßen erzählten sie jedes Detail des Turms und klangen dabei immer motiviert und freundlich.

imgp2526-klein

Mittlerweile war es nach neun und unsere Mägen meldeten sich. Was tun, denn in Japan schließen viele Gaststätten zwischen neun und zehn. Kurzerhand marschierten wir nach Asakusa, welches das nächste Stadtviertel am Skytree ist und Dennis und mir wie unsere Westentasche bekannt ist. Dort musste etwas Essbares zu finden sein. Schon der Weg verlief abenteuerlich, da ein von uns befragter Jugendlicher erst einmal alle auf der Straße befindlichen Japaner befragte, um uns garantiert den richtigen Weg weisen zu können. Unsere Befürchtungen sollten sich in Asakusa zudem auch noch bewahrheiten. Fast alle anständigen Gaststätten waren zu. Dennis und ich waren fast bereit, in einen Ramen-Schnellimbiss zu gehen, als unser Blick auf ein Okonomiyaki-Restaurant mit angeschaltetem Licht fiel. Wer es bis heute noch nicht mitbekommen haben sollte, Okonomiyaki ist so ziemlich mein Lieblingsessen, egal welcher Küche. Kurzentschlossen betraten wir das leere Restaurant und erkundigten uns nach etwas Essbarem. Ein alter Großvater stand uns mit seiner Frau gegenüber und erfragte, ob wir denn Japanisch können, sonst wird das nichts. Japanisch, da war doch was? Natürlich, ich hab meine Sprachbemühungen vom Auswärtsspiel mit B1, der zweithöchsten Sprachstufe, die man in Göttingen erreichen konnte, angerechnet bekommen und es ist sogar die Sprache, die ich als zweite moderne Fremdsprache für meinen Master angegeben habe. Ob ich nach mehr als einem Jahr, in dem ich kaum gesprochen habe, aber noch in der Lage bin in ihr zu kommunizieren, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Todesmutig und hungrig, sagten wir aber zu und prompt wurde für uns die Küche noch einmal angeworfen. Daran, dass der Laden schon schließfertig gemacht wurde, während wir auf das Essen warteten, erkannte man schon, dass man uns einen großen Gefallen tat.

Okonomiyaki ist ein Gericht, wo man die Zutaten auf seinen Platz bekommt und selber zubereitet, genau wie in diesem Laden. Kurze Zeit nach unserer Bestellung saß der alte Herr also neben uns und ließ uns kochen oder besser gesagt kochte für uns. Gleichzeitig wollte er sich unterhalten und in Aufbringung aller Kräfte gelang es sogar, ein Gespräch zu führen. Dass man mein Japanisch lobte, möchte ich in diesem Zusammenhang aber der japanischen Höflichkeit zuordnen. Frisch gestärkt und mit vielen Verbeugungen und Glückwünschen durch das alte Paar verabschiedet, ging es zurück zum Hotel. Natürlich gab es die Möglichkeit zu fahren, aber wer fährt schon, wenn man laufen kann? Die Einkäufe im 24-Stunden-Supermarkt gesattelt und zurück ging es zum Hotel, es sind doch nur vier Stationen. Zwei Stunden und einen Marsch in die komplett entgegengesetzte Richtung später, erreichten wir um Mitternacht endlich unser Hotel, wo wir nur noch erschöpft wieder einschliefen. Erschreckend ist, dass normalerweise ich für die ausgeprägten Spaziergänge, in denen nur die Richtung stimmen muss, zuständig war. Mittlerweile hat Dennis ebenfalls Geschmack an diesen gefunden und besonders die Abendtour zurück zum Hotel verlief auf sein Geheiß. Mein Einfluss ist also bemerkbar, ich bin stolz auf mich. Damit bleibt mir an dieser Stelle nur eines zu sagen: Wir sind wieder hier!

Verlängerung

Am 10. März 2011 erhob sich ein Flugzeug vom Flughafen Tokyo Narita. An Bord hatte es einen armen Deutschen, der nach einem Jahr sein Austauschjahr hinter sich lassen sollte. Wie aber sollte man ein Jahr an Erfahrungen hinter sich lassen? Dieser Frage wollte er im anstehenden freien Monat nachgehen und sich dann frohen Mutes in das Abenteuer Masterarbeit stürzen. Oft aber kommt es anders, als man denkt.

Einen Tag später, ich befand mich gerade in Abu Dhabi, erfuhr ich von den Katastrophen, die Japan heimgesucht hatten. Aus der Eingewöhnung in Deutschland wurde nichts. Jeder Fernsehsender erinnerte mich regelmäßig an Japan. Der Kontakt mit den zurückgeblieben alten Freunden wie Shimizu, Orsolya und Victoria wurde dringender als je zuvor. So startete meine letzte Phase des Studiums ohne wirkliche Erholung, sondern mit körperlicher Anwesenheit und vielen Gedanken an Japan. Viele mussten das ertragen, egal ob die tausend Geschichten über das Land oder die anfängliche Zeit des nicht Meldens nach der Rückkehr, für die ich mich ja schon in einem vorherigen Blockeintrag entschuldigt habe.
Im Sommer fand mein bester Freund und Tutor aus Japanzeiten den Weg nach Göttingen. Shimizu machte einen Monat Sprachkurs in Göttingen und zeigte mir erneut, wie sehr ich alle wiedersehen möchte. Auch der restliche Kontakt verläuft intensiv wie eh und je und alle engeren Freunde haben die Unglückszeit heil überstanden. Mit Shimizus Abreise kam der Masterarbeitsstress und einige Zeit ging ins Land. Aber in mir wuchs immer stärker der Wunsch, das Studium so aufzuhören, wie ich es angefangen habe:

Vor sechs Jahren, im Juni 2006 entschlossen sich zwei Siemensianer, das letzte Stück Freiheit zu nutzen, welches ihnen vor dem Studium bleibt. Als Land ihrer Wahl entschieden sie sich für Japan, ein Land in der Zeit vor Sushi, Anime und Kagawas, welches nicht unbedingt zu den Standardländern für Urlaubsreisen gehörte. Als Belohnung für das Abi und zum Abschalten vor dem Studium stellt sich das Land als perfekt für die beiden Reisenden heraus. Dies ging soweit, dass einer der beiden vier Jahre später eine zweite Reise in das Land der aufgehenden Sonne unternahm. Dieses Mal sollte es aber gleich ein Jahr in der Millionenstadt Sendai werden. Sein alter Mitstreiter wiederum, ließ es sich nicht nehmen, ihm im August 2010 einen Besuch abzustatten. So also begann meine Verbindung mit Japan.
Wer also wäre besser geeignet, mich auf meiner Rückkehr in das Land der aufgehenden Sonne zu begleiten, als Dennis? Wir beide haben seit kurzem unserer Studium absolviert, Dennis sogar schon seinen Mastertitel und eine Arbeit. Im Gegensatz zu 2006 benötigte ich dieses Mal noch nicht einmal zwei Monate, um Dennis von einer Reise zu überzeugen. Eine SMS und schon stand er zu meiner Freude bereit.

Es wird also Zeit, dass das Auswärtsspiel, welches mich zwischen 2010 und 2011 nach Japan brachte, eine Verlängerung findet. Ein Spiel hat neunzig Minuten. Wenn im Falle eines Pokalspiels in diesen neunzig Minuten kein Ergebnis erreicht wurde, findet eine zweimal fünfzehn Minuten lange Verlängerung statt, in der der Sieger ermittelt werden soll. Nichts könnte unsere erneute Reise nach Japan besser beschreiben, als eine Verlängerung. Es wird ein Erinnerungstrip, aber auch ein Erkundungstrip, um neue Seiten und Orte in Japan kennenzulernen. Wie jede Verlängerung wird aus diesem Grund jeweils zwei Halbzeiten gespielt. Die erste Halbzeit umfasst meine Reise mit Dennis durch Japan. Es geht von Tokyo zum Tanabatafestival nach Sendai. Dann hoffen wir, dass es uns nach Hokkaido verschlägt. Dies ist eine wunderschöne Region, welche wir beide bisher leider noch nie besichtigen konnten. Nach 15 Tagen kehrt Dennis zurück nach Deutschland, da ihm seine Arbeit keine längeren Urlaube erlaubt. Ich selber werde noch bis zum 27. August meine Zeit in Sendai und Umgebung verbringen, einige der eingeforderten Besuche absolvieren und hoffentlich neue Erfahrungen sammeln. Von Shimizu über Mayumi bis hin zu Orsolya heißt es zu sehen, was sich verändert hat. In einem Jahr kann dies viel sein, wie mir meine gute Freundin Rieko beweist, die innerhalb eines Jahres heiratete, kurz in München lebte und nun stolze Mutter eines Sohnes ist und wieder in Akita bei ihren Eltern lebt.

Was bleibt mir noch weiter übrig als zu sagen, dass ich mich schon einmal für jeden Leser bedanke, der mir auf diesem Weg die Treue hält. Ich freue mich über jeden Kommentar.

Nachlese

Wir schreiben die 341. Minute und der Schiri pfeift das Auswärtsspiel frühzeitig ab. Frühzeitig genug, um das Chaos, was in der anschließenden Zeit in Japan herrscht, genau um 18 Stunden zu verpassen. Der Trainer ist mit dem Abpfiff und dem Wunsch der Spieler, schnell nach Hause zu kommen, aber bei weitem noch nicht zufrieden und beordert alle noch einmal zur ausführlichen Nachbesprechung. Hier ist er nun, der lange versprochene Abschlussbericht über 341 Tage in Japan:

Angespannte Nerven, entnervte Deutsche, aber auch viel Spaß und Freunde fürs Leben sollten meine Zeit in Japan prägen. Erst einmal aber zu den unschönen Themen, die aktuelle Situation. Bis auf die Familie, die mich freundlicherweise im Fußballstadion in ihrer Mitte aufgenommen hatte, habe ich mittlerweile von allen Freunden aus Japan gehört. Mayumi geht es genauso wie Nobu, Rieko und den Leuten aus meinem Büro gut. Die Ausländer auf der anderen Seite haben zum Großteil das Land verlassen und viele werden wohl nicht wieder kommen, ein großer Verlust für sie. Ein großer Verlust? Viele Ausländer planen nur einen Halbjahresaufenthalt in Japan. Das ist eine Zeit, die nie ausreicht, um die Erfahrungen die dieses Land bietet alle mitzunehmen. Aus diesem Grund hatten viele den Aufenthalt auch verlängert, nur um jetzt doch notgedrungen abbrechen zu müssen. Damit verpassen sie leider viel zu viel von diesem wunderschönen Land.

Wir schreiben den 4.4.2010. Ein junger Deutscher, bewaffnet mit FCM-Fahne und genug Sachen für ein Jahr Auslandsaufenthalt steht bereit auf dem Frankfurter Flughafen, bereit sein Heimatland solange zu verlassen, wie er es noch nie gemacht hatte. Bis es zu diesem Punkt kommen konnte, war es ein sehr langer Weg. Viele Hindernisse, zum Beispiel die gesamte Bewerbung, mussten aus dem Weg geräumt werden, nur um viel zu kurzfristig die Zusage für den Aufenthalt zu bekommen. Fahren oder nicht fahren, das war jetzt die Frage. Japan ist weit weg und Leute, die einen verstehen, sind auch nicht gerade dicht gesät in Japan. Einige Beratungsgespräche später – ich muss in diesem Zusammenhang meinen Eltern und besonders Daniel, der trotz Diplomarbeit immer Zeit hatte, danken – stand fest, warum sollte ich eigentlich nicht fliegen? Freunde finden ist immer möglich, das Japanisch wird vor Ort schon besser und im Notfall gibt es immer Wege, die Heimreise anzutreten. Endlich, nach fast drei Jahren Vorbereitung, konnte es also losgehen, in eines der modernsten, aber auf der anderen Seite auch traditionellsten Länder der Welt.

Es kam, wie es kommen musste und das Glück war mir hold. Ich bekam die beste Wohnung, die man als ausländischer Student bekommen kann und die FCM-Fahne an der Wand macht den Raum gleich wohnlich. Sendai im Regen und die verzweifelte Suche nach dem Wohnheim machte zwar nicht den besten ersten Eindruck auf mich. Eine Stadt mit eigenem Flughafen und trotzdem noch ländlichen Regionen, die man aus dem Zug sehen konnte, machten aber doch schon Eindruck. Aber auch in der restlichen Zeit sollte mir das Glück hold sein. Trotz oder gerade wegen meiner Verspätung am ersten Tag zur Anmeldung mit Group Mori kam ich mit Amanda und Orsolya ins Gespräch, wobei letztere Bekanntschaft eine meiner besten Freundinnen während des gesamten Aufenthalts werden sollte. Natürlich hatte sie einige Ticks, die mich zur Verzweiflung brachten, wie der berühmte Gulaschkocheinsatz, zu dem sie sich anmeldete und mich schuften lies. Trotzdem war sie immer für mich erreichbar und hatte immer ein offenes Ohr für meine Probleme. Auch echte Probleme, wie mein fortlaufender Privatkrieg mit der Verwaltung der Fakultät, hatten ihre guten Seiten. Zwar verschreckte ich viele meiner Mitstudenten durch meinen ersten alleinigen Auftritt im Büro, trotzdem gewann ich mit Kaori dadurch eine perfekte Tutorin, die immer bereit stand, um mir mit meinen Problemen zu helfen. Besonders, da sie sich wirklich kümmerte und dazu auch noch gut aussah, war sie über das Jahr der Grund des Neids vieler ausländischer Mitstudenten. Aber auch ansonsten entwickelte sich vieles zum Guten. Die wenigen Deutschen hielten zusammen und standen immer zur Verfügung, wenn ich mit meinem genialsten Einkauf, meinem unzerstörbaren Fahrrad, mal wieder irgendwo in der Pampa verloren war und eine Wegbeschreibung anfordern musste. Aber auch die Japaner fanden Gefallen an dem etwas größeren Deutschen, so dass es mir nie an Gesprächspartnern fehlte. Besonders Shimizu und Mayumi sind dabei zu nennen. Ich hoffe, dass Shimizu trotz der Vorkommnisse im Sommer in Deutschland vorbeischaut.

Alles lief das erste halbe Jahr also so ziemlich perfekt, besonders nachdem ich das MafuMafu entdeckte und dank dieser Bekanntschaft noch weiter in die japanische Kultur eintauchen konnte. Alles lief perfekt? Nein, natürlich nicht, ich machte garantiert auch genug Fehler. Und ich fragte mich später oft genug, wieso ich dieser oder jener Beschäftigung nicht schon eher nachgegangen bin oder wieso ich so gehandelt habe, wie ich gehandelt habe. Wieso bin ich nicht noch mehr gereist? Weshalb habe ich nicht noch viel mehr Fußballspiele gesehen? Alles Fragen, die ich mir des öfteren stellte, die aber alle einen Lernprozess darstellten. Wer erwartet, dass er alles richtig macht, der ist einfach unrealistisch. Und viel zu oft hat sich ergeben, wenn sich eine Tür schloss, dass sich eine andere öffnete. So war die Woche, in der meine Eltern sich zuerst in Sendai zeigen sollten, im Endeffekt die Woche, in der mich mein Büro endgültig als fester Bestandteil aufnahm. Oft genug ergab es sich auch, dass ich eine Veranstaltung schwänzte, nur um interessante Personen oder Orte innerhalb von Sendai zu finden. Meiner Meinung nach kann man auf so einer Reise gar nichts falsch machen. Natürlich kann man immer etwas anders machen, solange man aber mit dem Endergebnis zufrieden ist, hat doch alles den richtigen Weg genommen.

Nun heißt es aber, jeder Auslandsaufenthalt gliedert sich in drei Phasen. Die erste ist das Hoch in einem unbekannten Land zu sein und sich wirklich in das Land zu verlieben. Die folgende Phase ist das absolute Tief. Nach gewisser Zeit hat man genug vom Land, ist durch die Sitten genervt und wünscht sich nur die Rückkehr. So schlimm wurde es bei mir zum Glück nie, trotzdem hatte ich auch solch ein Tief, wo mich eine Rückkehr nicht so sehr gestört hätte. Der Sommer hatte Japan erfasst. Vielen Touren ans Meer und Spaß mit Freunden, folgte die große Ernüchterung. Von dem gesammelten Freundeskreis verabschiedeten sich 70 Prozent Richtung Heimat, die anderen 30 Prozent befanden sich im Urlaub und reisten mit ihren Freunden. Gepaart mit einer Ansammlung von Technikdefekten, die mir zwei Laptops zerstörten, dem dazugehörigen Internetverlust und den dadurch entstehenden fehlenden Kontakten in die Heimat und noch einige seltsamen kleine medizinischen Probleme, die von den japanischen Ärzten seltsam behandelt wurden, das kann schon deprimieren. Ein zeitweiliges Hoch kam zwar mit dem Besuch meiner Freunde und besonders die Fahrt nach Hachinohe wird wohl noch eine lange Zeit eine meiner Lieblingsanekdoten sein, doch um so seltsamer war der Abschied. Ich hasse Abschiede und bei ausländischen Freunden weiß mein leider auch, dass der Abschied entweder für lange oder für immer sein wird. Diese Phase war auf jeden Fall geprägt durch ein seltsames Gefühl. Auf der anderen Seite führte sie aber dazu, dass ich das darauf Folgende mehr genießen sollte und damit war sie ein notwendiges Übel.

Dieser Tiefphase folgte aber eine ansteigende Formkurve nach. Meine Eltern schafften es nach Startschwierigkeiten doch noch ins Land und auch die nachfolgenden Ausländer waren o.k.. Wirklich die Stimmung gehoben haben aber zwei Leute: Shimizu, der mich immer mehr in das Büroleben einband und Rieko. Rieko hatte ich schon weit vorher kennengelernt, widrige Umstände sorgten aber dafür, dass ich erst jetzt herausfand, dass sie in meinem Büro saß. Sie sollte meine Kontaktperson und beste Freundin im zweiten Halbjahr werden und der Grund, warum ich anfing, Japan mehr als je zuvor zu genießen. Natürlich waren aber auch zum Beispiel die Touren mit Melanie, die immer Sachen vorschlug, die sonst niemand meiner Freunde gemacht hätte, immer wieder absolute Highlights. Das zweite Halbjahr sollte so noch besser werden als das erste Halbjahr.

Soviel zu einem kleinen Abriss über ein Jahr Japan aus emotionaler Sicht. Wie verlief das Jahr aber sonst? Gehen einem die Japaner mit der Zeit wirklich mit ihrer übertriebenen Höflichkeit auf die Nerven, hat mir das Jahr Uni-technisch etwas gebracht? Diese und andere Fragen möchte ich im Folgenden beantworten. Mein größtes Problem vor meiner Abreise war wohl die Feststellung, dass die Geschichte der Uni mich nicht aufnehmen wollte. Wie sollte ich studieren, wenn ich bei den Germanisten herumsitze? Diese Problematik verfolgte mich wohl noch das gesamte Jahr, insbesondere nachdem die Geschichte mir sogar den Zutritt zu ihren Seminaren verwehren wollte. Trotz allem hat es sich aber gelohnt, vermutlich sogar noch mehr, als wenn ich in der Geschichte gesessen hätte. Menschen, die die eigene Sprache ein wenig verstehen, erleichtern das Lernen ungemein und einiges Fachliche, aber insbesondere viele Ideen und Erkenntnisse über den Unialltag und die Gesellschaftsstrukturen Japans konnte ich durch meine Zeit in der Germanistik der Tohoku Uni mitnehmen. Da mein Hauptforschungsthema die Moderne darstellt, ist dies ein unverzichtbares Material. Genug Quellen und Materialien für mehrere Arbeiten über das Land habe ich auch gewonnen, so dass mir eigentlich nur die Beurteilung bleibt, dass es natürlich ein noch effektiveres Jahr hätte sein können, aber es sich trotz allem auch aus fachlicher Sicht gelohnt hat. Aber auch ansonsten gehöre ich wohl zu den Menschen, die mit der japanischen Lebensweise fast mehr anfangen können, als mit der deutschen. Die Höflichkeit und auch Herzlichkeit der Menschen ist einfach beachtlich. Natürlich gibt es so etwas auch in Deutschland und in Europa, in Japan war es aber noch viel stärker wahrzunehmen. Überdrüssig könnte ich diesen Charaktereigenschaften wohl nie werden, trotzdem verstehe ich komplett die Probleme, die andere mit der Kultur haben. Nie kann man sagen, was andere denken, keine leichte Situation. Außerdem sind die Japaner nicht von sich aus offen und herzlich, man muss sie schon davon überzeugen. Aus diesem Grund kann ich nur allen Japanreisenden in der Zukunft empfehlen, bewaffnet euch mit Almondnüssen, die sind in großer Anzahl in der Verpackung, geht zu einer öffentlichen Veranstaltung und bietet sie euren Nachbarn an. Ich verspreche, für mich hat es sich immer gelohnt und nette Gespräche ergeben.

Das soll es fürs Erste mit meinem kleinen Überblick über ein verrücktes, aber wunderschönes Jahr in Japan sein. Ich hatte großen Spaß und würde es zu jeder Zeit wieder tun. Ich könnte mir sogar vorstellen, für eine Weile in Japan zu leben, aber das ist ein Punkt für die weit entfernte Zukunft. Bis dahin danke ich allen Lesern und insbesondere den Kommentatoren, die meine meist viel zu langen geistigen Ergüsse ertragen haben und mich auf diesen 341 Tagen begleitet haben. Ich habe mich über jeden Kommentar und jede Meldung aus der Heimat gefreut, auch wenn ich aus zeitlichen Gründen nicht immer auf alle Kommentare antworten konnte. Insbesondere auch noch mal einen Dank an meine Eltern, die mir besonders in meiner PC-losen Zeit, das Veröffentlichen meiner Einträge erst ermöglicht haben und natürlich noch einmal allen Stammkommentatoren. Ich hoffe ihr hattet alle etwas Spaß, mir auf meinen Abenteuern zu folgen und ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich für die Aufmerksamkeit aller.

?????????????

Zur Lage der Nation

Eine Ankunftsnotiz, eine Zusammenfassung des Jahres und dann ist der Blog abgerundet. Dementsprechend sahen meine Pläne für den Blog aus, bis ich von den aktuellen Ereignissen eingeholt wurde. Es ist 12.00 Uhr Ortszeit in Abu Dhabi. Mein letzter Blogeintrag ist gerade fertiggestellt und mein Flug in Richtung Heimat ist gleich abflugbereit. Die letzten Minuten bis zum Abflug könnte man natürlich noch mit etwas zu essen überbrücken und im Elektronikladen gab es doch auch noch ein paar interessante Angebote, vorher aber noch mal kurz über aktuelle Sportereignisse informieren. Das war ein großer Fehler, wie sich herausstellen sollte. Schon auf der Startseite starrte mich eine große Schlagzeile über Erdbeben in Japan an. Erdbeben? Ich hatte doch gerade noch mit Orsolya darüber gesprochen, dass diese endlich aufgehört hätten. Eine kurze Prüfung später stand das Unfassbare fest. Die Erdbeben hatten ihr Epizentrum nahe Sendai und es ist davon auszugehen, dass es sich um das große Seebeben handelt, dass mir Daniel schon lange angekündigt hatte und hier von jedermann erwartet wurde. Was also tun? Kurzerhand wurde das Handy angeschmissen und alle Handymailadressen, die mir in die Hand fielen, angeschrieben. Natürlich gab es keine sofortige Antwort und ich war gezwungen, den Weg zum Flug anzutreten. Nur wie sollte ich an Neuigkeiten herankommen? Mein deutsches Handy würden meine Eltern nicht mit zum Flughafen bringen und in Frankfurt gibt es kein Internet. Kurzerhand wurde mit Daniels Hilfe ein Notfallplan geschmiedet und ich konnte mich beruhigt, aber trotzdem nicht weniger besorgt um meine Freunde, auf den Weg zum Flieger machen. Dabei erleichterte ich einen Baguettestand sogar noch um Einnahmen. Um etwas Anständiges zwischen die Zähne zu bekommen wollte ich ein Baguette kaufen, nur meine Dollar waren auf einmal verschwunden. Kein Problem, Euro werden auch genommen, aber der Preis hat einen Centbetrag bei der Umrechnung. Da ich nur Großgeld hatte, wurde mir kurzerhand der Centbetrag erlassen. Gut gestärkt konnte ich mich nun auf den langen und für die Nerven nicht guten letzten Teilabschnitt des Fluges begeben.

17.00 Uhr deutscher Ortszeit erreichte ich nun endlich Frankfurt. Ich wollte nur endlich raus und die neuesten News hören. Keine schlechte Idee, hätte ich nicht meinen Pass verloren. Zusammen mit den Flugbegleitern ging es auf die Suche und die anderen Gäste mussten im Bus auf mich warten.Zurück in Deutschland Schade eigentlich, aber immerhin fand er sich an und ich konnte endlich unbeschadet den Flughafen verlassen, wo mich meine Eltern schon erwarteten. Zum Glück gab es kurze Zeit später dann auch schon die Entwarnung von Daniel, dass Rieko und auch Orsolya in Sicherheit sind. Wirklich genießen konnte ich die Heimkehr aber trotz dieser guten Nachrichten nicht. Die gesamte Nacht verbrachte ich mit der Informationsbeschaffung und die nächsten Tage vergingen bis auf ein paar Stunden Schlaf eigentlich auch nicht anders.

Am Montag sollte sich aber alles ändern. Nach einigen Presseanfragen besann sich die Uni Göttingen doch einmal darauf, dass sie ja auch Studenten in Sendai hatten und nach einigem Hin und Her stimmte ich zu, dass man mich für Presseanfragen nennen darf. Ab diesem Zeitpunkt wurde es stressig und ich durfte einige Radiointerviews geben. Der größte Brocken war aber eine Anfrage des NDR, die am nächsten Tag kurzerhand hier bei meinen Eltern aufschlugen und knapp drei Stunden lang ein Interview mit mir drehten. O.k., aufgrund neuester Ereignisse wie der Rückkehr Olgas nach Deutschland, die echte Norddeutsche ist, wurde der Beitrag auf 120 Sekunden gekürzt, aber immerhin kann ich jetzt sagen, wie Fernsehinterviews gedreht werden. Mal schauen, ob ich meiner Universität für diesen Einsatz nicht noch ein paar Creditpoints für Medienkompetenzen abringen kann, schließlich habe ich für sie Arbeit erledigt.

Viel wichtiger ist aber, dass ich mitlerweile bis auf die Mitglieder meiner Fußballfamilie eigentlich alle für mich wichtigen Bewohner Sendais erreichen konnte und es ihnen den Umständen entsprechend gut geht. Trotzdem sind einige auf der Flucht und einige in die Heimat zurück gekehrt. Den geneigten Leser gegenüber dagegen kann ich nur um Verzeihung bitten und ein Fazit kommt bestimmt noch, aber erst, wenn ich wieder etwas Positives schreiben kann, weil meine Freunde und Bekannten außer Gefahr sind.

Letzte Minuten der Nachspielzeit auf japanischem Boden

Mhh, o.k. trotz des gut gemeinten Angebotes von Daniel werde ich das Yakuzadasein wohl lieber nicht anfangen. Jeder, der schon einmal den Film Ichi The Killer gesehen hat, wo ein Mitglied eben jener sich für ein Vergehen selber ein Stück der Zunge abschneidet, der dürfte diese Ablehnung wohl verstehen. Damit bleiben mir nicht mehr viele Alternativen, als mich ein leben lang bei Orsolya im Zimmer zu verstecken oder Lehrer in einer Sprachschule zu werden. Da gehe ich wohl doch lieber erst einmal nach Hause und fliehe dann wieder rüber, wenn Vegalta doch einmal einen neuen Trainer benötigt. Aufgrund einer Abflugzeit um 21 Uhr hatte ich kurzerhand beschlossen, erst am 10.03. direkt zum Flughafen zu fahren. Zwar hatte ich von Kazaoka ein Angebot, bei ihm zu übernachten, aber eine freundliche Anfrage mit Süßigkeit in der Hausverwaltung brachte mir noch viel schneller eine Lösung. Ich durfte noch eine Nacht länger im Zimmer bleiben und hatte damit einer Ausnahmeregelung erhalten, die es sonst nie gibt. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass ich das Zimmer eigentlich gar nicht brauche. Nach dem Abschiedssushi gestern ging es kurzerhand zu Orsolya rüber, wo David, Orsolya und ich im Endeffekt die Nacht durchmachten und quatschten und an den Konsolen spielten. Hätte ich das gewusst, hätte ich mir den Ärger mit der Wohnung auch sparen können, aber egal, so war die Sache doch viel einfacher und schlafen hätte ich eh nicht gekonnt. Um 8 Uhr war es dann so weit. In einem feierlichen Abschied wurde der letzte Artikel aus dem Zimmer genommen. In einem Flaggengang, wie es sich für Nationalflaggen gehört, rollte ich die FCM-Fahne ein und verabschiedete mich dadurch von meiner Wohnung, die mir fast ein Jahr lang sehr gute Dienste geleistet hatte.

Punkt 9 Uhr stand ich unten und wartete auf mein Taxi, aber in bester Studentenmethode hatte mein Taxiorderdienst in Form von Rieko versagt, so dass mir die Verwaltung eines rufen musste. Kurze Zeit später kam auch Orsolya, deren Abschiedsgeschenk ich bewusst auf ihrem Tisch vergessen hatte und die sich so genötigt fühlte, doch noch mit zum Bus zu kommen. Rieko wachte auch noch rechtzeitig auf und so ging es zu dritt los. Dank der Hilfe der beiden fand ich auch in Rekordzeit den Bus und sie halfen mir bei diesem schweren Gang. Schwer kann man dabei sogar im doppelten Sinne verwenden, da mein gesamtes Gepäck vermutlich an der 50 kg Grenze entlang schrammte. Umso schwerer war das manövrieren in Tokyo nach 5 Stunden Fahrt und unzähligen Abschieds-E-Mails dann auch zu bewerten. Irgendwie schaffte ich es aber nach Narita, wo ich sehr zu meiner Überraschung sogar mit meinem klaren Übergewicht im Handgepäck durchgekommen bin und man mir gleich auf Anhieb einen Sitzplatz in der Notausgangsreihe verschaffen konnte.

Was will man mehr? Noch einen letzten Abschied und der kam in Form von einem Anruf von Shimizu. Er war einen Tag vorher nach Chiba gekommen und von da aus nach Narita um mich zu verabschieden. Gemeinsam wurden die letzten Erledigungen getan und ich gab noch einen Drink aus. Wir schafften es sogar, mit unseren vier Sachen genau das Kleingeld in meiner Börse zu verbrauchen, so dass ich nur mit Scheinen zurück komme, was ziemlich praktisch ist. Von Shimizu gab es dann noch einen Fächer zum Abschied, viel überraschender kam aber eine Nachricht von einem Mitstudenten, die Shimizu mitbrachte. Horikawa, ein absoluter Autofreak, bedankte sich in dieser für meine Hilfe bei seiner Bachelorarbeit, ohne die er laut eigener Aussage nie bestanden hätte. Ich bin zwar anderer Meinung, aber gut. Auf jeden Fall bekam ich noch ein Gruppenbild und ein Spielzeugauto geschenkt. Der Name des Spielzeugautos in gesprochener Form? Rai ku, also genau wie Japaner meinen Vornamen aussprechen würden. Unter Eindruck dieses Geschenkes und vieler Eindrücke von einem Jahr Japan musste ich mich nun in den Flieger schmeißen und auf geht es Richtung Heimat. Jetzt muss ich noch viel zu viele Stunden im Flieger überstehen, eh ich wieder festen Boden unter den Füßen habe. Wenn alles glatt geht, bin ich aber bald wieder in Deutschland anzutreffen.

Die Erde bebt, der Himmel brennt

Ich bin dann in zwei Tagen zurück, es sei denn, ich tauche noch bei der Yakuza unter. Diese Worte stammen aus dem Jahr 2009 von Daniel, als er Sendai verlassen musste. Damit hat er ganz offensichtlich meine Ideen entwendet, denn irgendwie muss ich wohl auch so vorgehen, sonst wird das nichts. Seit Tagen schlafe ich schlecht und meine Lust auf die Heimat nähert sich „0“ an. Alle Leute ziehen es vor, Göttingen zu verlassen (Ja Daniel, ich spreche mit dir und Lars will auch in 6 Monaten gehen!). Damit bietet die Stadt immer weniger, das mich von einer Rückkehr überzeugen könnte. Als Yakuza wäre ich aber vermutlich zu auffällig. Wer will schon immer der Schuldige sein, wenn der Polizei wieder von einem großen Ausländer erzählt wird. Aus diesem Grund bleibt wohl nur die Laufbahn als Einsiedler, Mönch oder doch noch Fußballtrainer. Was Herr Funke kann, kann ich doch wohl schon lange!

Auf jeden Fall scheint sich das Land auch auf meine Rückkehr einzustellen und hat beschlossen, mich mit einem Knall zu verabschieden. Die Erde bebte heute mit einer 7.2 auf der Richterscala und wir armen Ausländer wurden von der Heimat verrückt gemacht, ob alles in Ordnung ist. Erdbeben gehören aber zu Japan und sind nach einem Jahr gar nicht mehr so erschreckend, wie sie es früher einmal waren, als ich sie noch nicht selbst erlebt hatte. Aus diesem Grund war für mich, als das Beben begann, auch eher die Frage interessant, bebt die Erde wirklich oder bilde ich mir das nur ein. Im Nachbarzimmer wird gerade renoviert und ich benötigte eine Weile um zu merken, dass es sich wirklich um ein Erdbeben handelte. Kein Problem aber und auch die vielen Nachbeben überstanden wir locker. Um die gesamte Sache noch rund zu machen, begann gleichzeitig auch noch ein Eisregen, wie ich ihn lange nicht erlebt hatte. Da ich mit dem Rad unterwegs war, fuhr ich zehn Minuten fast blind, da ich rein gar nichts sehen konnte. Auch die Autofahrer hielten teilweise an der Seite an, um das Unwetter abzuwarten. Irgendwie schaffte ich es aber in die Uni, wo ich mich ein letztes Mal von allen verabschiedete und dann auf meine finale Zimmerinspektion wartete. Diese verlief zu meiner großen Freude auch ziemlich posiiv, so dass ich offiziell ausziehen konnte.

Um ein Jahr in Japan richtig abschließen zu können, konnte ich aber nicht Riekos Vorschlag, Pizza zu essen folgen, da Pizza ganz und gar nicht das war, wonach mir beim Abschied aus Japan zumute ist. Kurzerhand gingen wir Kaitensushi essen und trafen noch den Rest der Bande. Gemeinsam wurde es eine sehr lustige Runde und ein langer Abend, der nur durch den Kellner, der schließen wollte, unterbrochen wurde und deshalb in Orsolyas Zimmer weitergeführt werden musste. Egal, was auch manchmal schief gelaufen ist, ich werde die gesamte Bande sehr vermissen!!!

Die Zeit wird eng

Es stimmt also doch, wie man sich bei Ämtern gutstellen kann. Seit Monaten erkläre ich, dass einem die Damen der Verwaltung des Wohnheims bei der richtigen Bestechung auch wirklich helfen können, wenn man es denn wirklich benötigt, aber niemand hat es mir geglaubt. Nein, um den Gegenbeweis anzutreten war es bei David sogar vielmehr noch so, dass er trotz eines schon bezahlten Hotelzimmers in Tokyo seine Vorinspektion nicht verlegen durfte. Irgendwie verstehe ich da aber nicht, was da schief gegangen ist. Mir wird dagegen immer irgendwie geholfen. So hatte ich den ursprünglichen Auszugstermin auf den morgigen Nachmittag gelegt. Da ich aber Sendai nicht so früh verlassen wollte und meine Freunde mich nicht wirklich beherbergen konnten, musste ich kurzerhand improvisieren. Natürlich wäre eine Jugendherberge oder durchmachen eine mögliche Lösung des Problems gewesen. Nur wer möchte denn wirklich freiwillig das fällige Extrageld bezahlen? Ich nicht und aus diesem Grund musste ich mir etwas einfallen lassen. Es ging also zur Verwaltung, wo ich mein Problem kurz schilderte. Der Zimmerkontrolleur erkannte in mir den Fußballfan wieder, mit dem er sich vor kurzem unterhalten hatte und kurzerhand wurde für mich eine Sonderregelung geschaffen. Als Ausnahmefall darf ich auch nach der Inspektion in meinem Zimmer bleiben. Normalerweise wäre das unmöglich, aber in meinem Fall wird das einmal möglich sein. Damit wäre wieder ein Problem aus der Welt geschafft, jetzt muss ich nur noch irgendwie meine Sachen rechtzeitig zur Kontrolle morgen Abend fertig zusammengeräumt haben. Das könnte noch einmal eng werden, habe ich doch mehr Sachen, als mir lieb ist.

Aus diesem Grund stand der heutige Tag auch unter dem großen Motto aufräumen. Ewig lange versuchte ich, in meinem Zimmer klar Schiff zu machen, was mir mehr oder weniger erfolgreich auch gelang. Plötzlich erhielt ich aber einen Anruf und ein alter Kumpel, Tetsu, fuhr heute für einige wenige Tage nach Hause und ließ anfragen, ob er mich noch einmal treffen könnte. Da kann ich natürlich nicht nein sagen und spontan ging es mit dem Fahrrad in die Innenstadt. Eigentlich jedenfalls, denn das Fahrrad war nicht an seinem Platz. In diesem Moment erinnerte ich mich, dass ich mein Rad gestern am Campus stehen lassen hatte. Eine schlechte Idee, bedenkt man, dass ich gestern zum wiederholten Male das Fahrradschloss knacken musste. Das Rad war also ungesichert. Der Schlüssel war beim Bankaccount schließen leider in der Bank liegen geblieben und die Bank geschlossen. Auf das Rad bin ich aber immer angewiesen und so war guter Rat teuer. Der Schraubenzieher in meiner Hosentasche gab mir schnell die Lösung, wie ich am besten vorgehen könnte. Einen Blick später und komplettes Ignorieren der Passanten und nach 20 Sekunden konnte ich das Rad knacken. Viel mehr macht mir aber Sorgen, wie viele die Aktion sahen, aber nichts sagten. Fahrräder können wirklich schnell verschwinden. Da scheint mein hoher Sattel eine echte Abschreckung. So verabschiedete ich auf jeden Fall Tetsu mit etwas Verspätung.

Nach Tetsu war dann noch das Mafumafu dran. Eigentlich sollte das heute der letzte Besuch werden, das Personal bettelte aber, ich solle doch morgen noch einmal erscheinen. Dafür brauche ich aber eine Sache, die ich leider überhaupt nicht habe, Zeit. Mal schauen, wie ich das kläre. Mich heute aber auch unter anderem von Melanie zu verabschieden, machte mein Herz noch schwerer, als es sowieso schon war. Mit ihr Berge zu erklimmen war immer sehr lustig. Das werde ich trotz der kleinen Probleme, die immer mal wieder auftraten, nicht vergessen.