Tag 4 – Tokyos andere Seiten

Tokyo, ist die Stadt, die niemals schläft. Sie hat viele Menschen, hohe Häuser und nirgends gibt es einen Ort der Ruhe. Dies sind Argumente, die man oftmals über Tokyo vorgetragen bekommt. Oftmals wird dies gleich noch als Grund angebracht, die Stadt nicht zu besuchen. Falscher geht es nicht und ich hoffe, dass die Beiträge aller drei Japanreisen, die Dennis und ich unternommen haben, wenigstens einen kleinen Anteil daran hatten und haben werden, die Vorurteile, die gegen dieses exotische Land gehegt werden zu reduzieren oder zu überwinden. Obengenannte können wir auf jeden Fall kategorisch ausschließen. Ab kurz vor eins am Morgen schläft Japan wirklich. Nicht ohne Grund wurden fragwürdige Errungenschaften wie die Kapselhotels gerade in Tokyo eingeführt. Da ab 1 Uhr kein Zug mehr in der Stadt fährt und dies bis um fünf anhält, waren Geschäftsleute, die die Sperrstunde überschritten, gezwungen, irgendwo übernachten. Kapselhotels waren dafür die Lösung. Vorgestern war es da fast für uns soweit und mit einer der letzten Bahnen erreichten wir gerade noch unser Hotel. Den Plan, heute früh den Fischmarkt aufzusuchen, mussten wir aus dem gleichen Grund streichen, da eine erwartete Ankunft um fünf Uhr nur per Taxi oder Hotel nahe des Fischmarktes möglich gewesen wäre.

Die weiteren Punkte, von vielen Menschen, hohen Häusern und keinen Orten der Ruhe, haben wir daraufhin heute widerlegt. Unser Weg führte uns nach Yanaka, zwei Stationen von Ueno und damit im nördlichen Teil der Innenstadt Tokyos gelegen. Yanaka? Was ist das? Das werden jetzt wohl viele der geneigten Leser fragen. Asakusa, Ueno, Shibuya und Akihabara, das sind Namen, die jeder schon einmal irgendwie über Tokyo vernommen haben könnte. Yanaka ist nur ein Geheimtipp. Im Gegensatz zur restlichen Stadt befinden sich in diesem Gebiet die Überreste des alten Toykos. Kaum Hochhäuser oder Shoppingkomplexe sind zu sehen, dafür enge verwinkelte Gassen, wenig Menschen und eine Ruhe, wie man sie in der Weltstadt Tokyo nicht unbedingt erwartet. Die Geschäfte sind zudem meist kleinste Läden, mit Verkaufsständen auf der Straße und überall riecht es nach frischen Essen. Die Gerüche werden durch gewiefte Geschäftsleute mit Fächern in Richtung der Passanten gewedelt. Neben der Einkaufsstraße zeichnet sich das Viertel durch einen hohen Anteil an kleinsten Tempeln, Schreinen und Friedhöfen aus. Berühmtestes Grab dieser Friedhöfe dürfte das Grab des letzten Herrschers der Tokugawa sein. Die Tokugawa waren ein Adelsgeschlecht, welches zweihundert Jahre den Titel des Shoguns auf sich vereinte und unter anderem die Abschließung Japans vom Rest der Welt bewirkte. Erst 1868 verlor die Familie ihren Stand und musste die Herrschaft des Landes an Kaiser Meiji abgeben. Wie durch ein Wunder schafften wir es dabei sogar, alle Sehenswürdigkeiten dieser Region zu besichtigen, indem wir blindlings die Gegend erkundeten. Auf jeden Fall tat uns der nette Japaner in der Touristeninformation unrecht, dem wir unseren bisher gegangenen Weg schilderten. Er meinte, wir sollen ihn wieder aufsuchen, falls wir uns erneut verlaufen. Wie kann man sich verlaufen, wenn man gar keinen Weg geplant hatte? Der Weg war das Ziel und genau das hatten wir erreicht.
Nach dem Besuch in Yanaka benötigten wir den Gegenentwurf zu der Ruhe. Es ging nach Shibuya. In Shibuya existiert eine Treppe, die wir in fast identischen Winkeln in jedem Urlaub wieder fotografieren, so auch dieses Mal. Wir wollten zur Abwechslung aber wirklich mal shoppen. Alle Mütter, die sich ungläubig die Augen reiben, bitte schnell weiterlesen, es ging nur um eine Geldbörse. Das war ein gar nicht so leichtes Unterfangen. Eine Geldbörse in Japan ist zumeist so groß, dass die Scheine umgeknickt in ihr transportiert werden können. Kein Problem bei dem Trend in Japan, dass Männer auch Handtaschen, meist sogar aus europäischem Verständnis weibliche, mit sich herumtragen. Hinzu kommt, dass fast alle Geldbörsen geschmückt sind und so sehr ich Dennis auch gut zuredete, weder mit Edelsteinen noch mit übergroßen Totenköpfen konnte und wollte er sich anfreunden. Letztlich fanden wir doch noch etwas geeignetes, wenn auch es nicht zu japanischen Verhältnissen passte, da Dennis noch nicht einmal den an vielen Männerbörsen zu findenden rosa Nahtstreifen wollte.

Zum Abschluss des Abends wollten wir in Odaiba zum Baden gehen. Wir erinnerten uns, dort schon einmal Schwimmer gesehen zu haben. Leider war das Schwimmen aber verboten, so gingen wir halt ein wenig spazieren. Wir hatten unser Pensum eh noch nicht erreicht. Auf dem Weg stießen wir auf Diver City, einen Einkaufstempel mit sieben Etagen, gegen den das Allee-Center nur ein schlechter Witz ist. Highlight dieses Centers war aber eine 18 Meter hohe Kampfroboterstatue. Diese stammt aus einer alten Kinderserie und ist noch heute sehr berühmt. Für ein Jubiläum wurde nun diese Statue aufgestellt und ist ein echter Touristenmagnet. Besonders bei japanischen Männern ist die Statue sehr beliebt, wie sich auch in der 7. Etage des Einkaufszentrums zeigte. Dort gab es eine Ausstellung aller Figuren, die je zu dieser Serie als Bausätze herausgegeben wurden. Werden in Deutschland Schiffe und Flugzeuge gebaut, sind es in Japan halt die Kampfroboter.

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Als lustige Info am Rande: Vor einem Jahr wurde in einem chinesischen Vergnügungspark eine identische Statue, nur in Gelb, gefunden. Sogar die Aufschrift war gleich. Auf Drohung einer Klage durch den Produzenten veränderten die Chinesen die Statue, so dass sie anders aussah. Laut ihrer Aussagen war dies aber von vornherein so gedacht gewesen und die Gleichnisse purer Zufall. Neben der Statue fand gerade auch ein Konzert einer sehr jungen Girlband statt. Als jemand, der das erste Mal eine Girlband live in Aktion gesehen hat, beziehungsweise überhaupt eine Band mit einem Altersdurchschnitt von unter 30, muss ich schon sagen, dass diese Posen schon ziemlich seltsam anmuteten. Die Musik war aber nicht so schlecht, wie der erste Blick auf das durch den Laien als Gehampel bezeichnete Bild auf der Bühne erwartete. Odaiba war so auf jeden Fall eine Tour wert und passte perfekt zu dem Tag der Gegensätze, wie wir ihn heute hatten.

Morgen werden wir dann wirklich sagen können, wir sind zu Hause, denn morgen steht ein Kurzbesuch bei Orsolya in Sendai an.

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