Tag 5 – Tadaima

Ich bin zuhause! Diesen Schrei musste Dennis am heutigen Tag mehrmals ertragen. Es stimmt aber auch, nach über einem Jahr betrat ich erstmals wieder den Boden meiner zweiten Heimat Sendai. Bis es dazu kommen konnte, floss aber noch viel Wasser die Elbe herunter. Nach dem morgendlichen Auschecken ging es für Dennis und mich zum Shinkansen. Da kann ja nicht viel schiefgehen, sollte man meinen, doch weit gefehlt. Unser Zug sollte erst in über einer Stunde fahren, ein Umstand der uns wahrlich nicht zusagte. Kurzerhand nahmen wir die Dinge selber in die Hand, ließen unsere Reservierung verfallen und fragten in Ueno nach einer anderen Verbindung. Uns wurde gesagt, ein Zug wäre gleich nach Sendai unterwegs. Wegen Überfüllung sei dieser aber nicht reservierbar, wir sollen es doch so versuchen. Was die gute Frau vergaß zu erwähnen war, dass ganze drei Züge innerhalb von 5 Minuten das gleiche Gleis verlassen wollten. Welcher war nun unserer? Unser Vordermann konnte es auch nicht genau sagen und deshalb ging es kurzerhand in den erstbesten. Was sollte schon schief gehen? Viel, wie sich herausstellte. Der Zug fuhr zwar in die richtige Richtung, aber nur die halbe Strecke. Es hieß, irgendwo in der Pampa ausharren, bis ein Zug uns mitnehmen konnte. Dies hätte wirklich nervtötend sein können, hätte sich nicht Momoko vorgestellt. Momoko ist eine junge Beamtin aus Yamagata, welche gerade mit dem Zug Richtung Yamagata und damit nach Sendai unterwegs war. Sie sprach uns an und es entwickelte sich ein witziges Gespräch mit der jungen Dame. Ihr Englisch war bei weitem nicht das Beste, aber sie versuchte verzweifelt, uns zu verstehen und sich etwas mit uns zu unterhalten, ohne Japanisch zu verwenden.

Zu unserem Leid oder auch Glück hatte sie nach dem Umsteigen, welches viel zu schnell verging, reservierte Plätze, so dass wir uns trennen mussten. Zwar tat es uns etwas leid, dass wir nicht mehr mit ihr sprechen konnten. Aber so hatten wir aber wenigstens etwas Zeit, Plan B in Kraft treten zu lassen ? wir machten den obligatorischen Zwischenstopp. Einfach nur nach Sendai zu fahren, war uns zu langweilig. Außerdem lagen uns ja einige unserer Freunde in den Ohren, was wir eigentlich in Japan wollen beziehungsweise es gab Sprüche der Art ?Aber ihr fahrt doch nicht nach Fukushima?? Wer mich kennt weiß, dass derartige Sprüche immer als Herausforderung gewertet werden. Kurzerhand stiegen wir in Fukushima aus, um uns die Stadt anzuschauen. Bevor bei den geneigten Lesern die grauen Haare überhand nehmen und man uns nicht mehr in die Heimat zurücklassen möchte – wir sind keine Gefahren eingegangen! Die ganze Aktion war mehr eine Gegenmaßnahme gegen die Propaganda der deutschen Presse. Wenn man vom letztjährigen Unglück liest oder hört, heißt es immer: das Unglück in Fukushima.

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Damit wird eine, zugegeben nicht wunderschöne, aber doch nette und mal ganz anders erscheinende Großstadt diskreditiert. Die Stadt Fukushima liegt weit entfernt von besagten Atomkraftwerken und die unabhängigen Messungen verschiedener Institute konnte keine höhere Strahlenbelastung als vergleichsweise in Berlin und München feststellen. Trotzdem ist die Stadt für das Ausland ein rotes Tuch. Der Aufenthalt selber gestaltete sich sehr entspannt und wir bemerkten, wie für japanische Verhältnisse die Bewohner der Stadt noch freundlicher und zuvorkommender zu Ausländern sind. Während unserer Zeit in der Stadt haben wir auch nur genau einen weiteren Ausländer gesehen und dieser musste die Stadt zum Umsteigen nutzen. Selbst einfache Dinge wie das Rückgeld im Combini, wurde förmlich zelebriert. Der eigentliche Plan war es, besagten Freunden Postkarten direkt aus der Stadt zu schicken. Leider gibt es kaum welche in Japan. Unsere Suche beschäftigte zwar einen ganzen sieben Etagen großen Einkaufsmarkt, der wie wild rumtelefonierte, um welche zu entdecken, aber die Suche sollte erfolgslos bleiben. Im Endeffekt zeigte sich die Touristeninformation aber gütig und fand noch welche, die mir auch gleich geschenkt wurden. Abschicken werden wir sie aber wohl erst die nächsten Tage.

Anschließend an Fukushima erreichten wir Sendai. Kaum war ich in meiner Millionenstadt angekommen, fühlte ich mich schon zuhause. Erste Amtshandlung sollte sein, Orsolya zu suchen. Die versuchte irgendwo in der Stadt, Salami an den Mann zu bringen. Zu diesem Zweck ging es in die Touristeninformation, welche mir den Weg aufzeichnete. Sie verwiesen auch gleich darauf, bei mir ja Japanisch sprechen zu können, denn ich hätte sie ja bisher angeblich immer verstanden. Das erste Mal wurde ich also nach fünf Minuten wiedererkannt. Darf ich bitte feststellen, dass ich in einer Millionenstadt lebte und dass eigentlich schon über ein Jahr her ist! Nach der Wiedersehensfreude mit Orsolya stand die Frage im Raum, wie man den Tag verbringt. Entweder, wir gehen mit Orsolya nach ihrem Job gleich essen oder wir schauen zum Spiel von Vegalta Sendai. Orsolya war gleich klar, wie meine Antwort sein würde und obwohl ich mir Bedenkzeit erbat, war es doch klar. Dennis und ich machten uns auf zum Fußball. Was wir nicht bedachten, war die Frage nach den Karten. Dennis und ich waren so spät in Sendai und konnten wegen Orsolya und unseren Koffern das Spiel auch nicht wirklich planen, deshalb waren kurz vor unserer Ankunft alle billigen Karten ausverkauft. Bei aller Liebe zum Spiel und auch dem riesigen Herzschmerz, für 45 Euro pro Karte gehe selbst ich nicht mehr ins Stadion. Als Ausgleich kaufte ich mir dafür gleich Karten für das nächste Heimspiel, denn sowas passiert mir ja nicht noch einmal! Und mein Maulen würde wohl dann auch keiner mehr ertragen.

Wir konnten also Orsolya treffen. Da uns keine coolen Geschenke eingefallen waren, luden wir sie kurzerhand zum Essen ein. Das war der Dank dafür, dass sie uns mehrere Tage beheimatet, mich sogar über eine Woche. Ziel war ein Fleischrestaurant, welches mich schon mit meinen Eltern und mit Olga als Gast gesehen hat. Das Personal war zum Glück auch noch das Gleiche und das Essen wurde zu einem Festschmaus. Viel schockierender für meine Begleiter war aber die Verabschiedung. Die Kellnerin hatte mich wiedererkannt. Du warst hier doch schon häufiger, war die Meldung ihrerseits. Als wir gehen wollten, drückte sie uns kurzerhand drei riese Kaugummipackungen für den Weg in die Hand, verabschiedete uns minutenlang und gab noch Tipps für die Feste morgen und übermorgen. Wenn ich ein Restaurant in Sendai empfehlen müsste – Leute geht in das rein! Zum Abschluss war der Plan, noch eine Runde die alten Zeiten aufleben zu lassen und an der Videokonsole den beiden anderen zu zeigen, dass sie mich nicht schlagen können. So weit kam es aber gar nicht, plötzlich gab es ein lautes REIK-san!!!! und ein Japaner schüttelte meine Hand. Erst langsam erkannte ich Kuma, Vater der süßen Künstlerin vom Fußball, welcher hocherfreut war, mich zu sehen. Kurzerhand schoss er mehrere Fotos, die jetzt an meine Fußballfreunde verschickt wurden. Jetzt weiß jeder, dass ich wieder da bin. Und ich bleibe dabei: die Welt ist klein. Das Autorennen unternahmen wir natürlich trotzdem und meine Quote blieb erhalten – als ob Dennis und Orsolya eine Chance gegen mich hätten.

2 Kommentare

    • laas auf 5. August 2012 bei 14:26

    ohrringe… das ist doch nicht so schwer… ich bin n bischen enttäuscht, dass dir das nicht eingefallen ist… du scheinst dir n bischen den geist abgelaufen zu haben^^

    • admin auf 9. August 2012 bei 02:12
      Autor

    Ohrringe gab es erst zum Geburtstag. Mein Geschenk war aber auch nicht so verkehrt, denn ihr hat das Essen gut gefallen und es war etwas, was man nicht oft macht. Du brauchst also nicht enttäuscht sein und mein Geist wird durch etwas Laufen erst richtig in Betriebstemperatur gebracht. Wenigstens kann ich mir im Gegensatz zu anderen die Fitnessstudiogebühren sparen :-P.

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