Mit dem Alter kommt die Erfahrung heißt es. Offensichtlich scheint sich diese alte Binsenweisheit zu bestätigen. Nach der berühmten Staubschlacht von Göttingen galt es heute, die Vorkontrolle meines Zimmers zu bestehen. Schon der erste Schock stellte sich ein, als der ältere Japaner zu meinem Unfreude nur Japanisch sprach. Aber mein koreanischer Mitbewohner war schnell zur Hand, auch wenn ich ihn im Endeffekt kaum benötigte. Mein Zimmer ist sauber und sogar so extrem sauber, dass er es mit den Mädchenzimmern verglich, da Jungenzimmer doch viel dreckiger sind, besonders bei Vorkontrollen. Wenigstens scheint sich die Reinigung des Zimmers gelohnt zu haben, wobei ich die Kontrolle auch sehr schnell von ihrem eigentlichen Ziel ablenken konnte. Bekanntlich hängt in meinem Zimmer eine große Fahne des besten Teams der Welt und so etwas erregt natürlich Aufmerksamkeit. Geschlagene 10 Minuten philosophierten wir aus diesem Grund über deutschen und auch japanischen Fußball, nachdem ich mich als Vegalta Fan outete. Offensichtlich hatte er so viel Spaß an der Unterhaltung, dass er die Kontrolle als abgeschlossen bewertete und das Zimmer verlies. Mir soll es recht sein, er sollte eh alles Wichtige gesehen haben.
Der heutige Tag dagegen stand unter zwei Vorzeichen. Das erste Ziel hieß Shimizu, der heute Geburtstag hatte. Da das Büro eh aufgrund der Aufnahmeprüfungen geschlossen war, hatten wir den Nachmittag verplant. Shimizu hat noch nie einen Döner gegessen, aus diesem Grund machten wir uns auf den Weg zum einzigen Döner Kebab der Stadt. Leider geschah das Übliche und es war mal wieder geschlossen. So langsam verzweifle ich an diesem Geschäft. Jedes Mal wenn ich vorbei komme, haben sie zu. Langsam lege ich das als feindselige Handlung aus. Kein Problem für uns, bei Kaffee und etwas Essbarem brachten wir den Nachmittag trotzdem gut über die Runden. Als Geschenk hatte ich ihm auch etwas Besonderes gekauft. Shimizu kommt ja nun im Sommer nach Deutschland und in einem Buchladen hatte ich einen deutschen Bierführer gesehen. Nachdem dort sogar die wichtigsten Phrasen zum Biertrinken im Fußballstadion erklärt waren, musste ich einfach zugreifen. Für den Magdeburger Fußball sollte er so sehr gut gewappnet sein. Einziger Schwachpunkt des Werkes ist eigentlich nur die Fixierung auf Süddeutsche Biersorten. Nur wenige nördliche Vertreter werden erwähnt und wenn nicht mal Köstritzer bei den schwarzen Biersorten oder für die Bremer Freunde das Becks, außerhalb der Mixgetränke, erwähnt werden, ist das schon eine schwache Leistung. Dementsprechend gab ich noch eine Einführung in Nord- und Ostdeutsche Bierkunde, er soll ja richtig gewappnet sein.
Das zweite Ziel des Tages lautet Kazaoka. Das ist ein Bekannter aus dem Büro, der mit mir eine Abschiedsfeier machen wollte. Aus diesem Grund hatte er zwei Plätze in einem Odenrestaurant bestellt. Eine sehr gute Wahl, hatte ich doch Oden bis heute nur einmal und da eher skeptisch gegessen. Das Restaurant war sogar so beliebt, dass wir reservieren mussten, dafür war das Essen auch genial. Oden sind in Fischbrühe gedünstetes Gemüse und Fleisch, die einen ganz eigenen Geschmack entwickeln. Ausländer sind in diesem Restaurant, trotz der hohen Frequentierung, aber offensichtlich trotz allem Mangelware, so dass uns das Personal immer wieder in Gespräche verwickelte. Der perfekte Aufhänger hing auch an der Wand, ein Foto der Hauptköche mit einem Vegaltaspieler. Einer der Köche war großer Fußballfan und wir unterhielten uns deshalb besonders über das Thema, aber auch ansonsten wurden wir gut ausgefragt. Ein Ausländer muss natürlich auch bei Laune gehalten werden, also erhielt ich noch einen auf besondere Weise und extra für mich hergestellten Eisrettich, den in der Weise noch nicht mal mein japanischer Kumpel gegessen hatte. Zur Verabschiedung kam sogar der Koch dann noch einmal aus seiner Kochecke heraus, unterhielt sich mit uns an der Tür und verabschiedete uns per Handschlag und das alles trotz übervollen Ladens. Der Besuch hatte sich also sehr gelohnt und beim anschließenden Kaffee wurde klar, dass es wirklich schade ist, dass Kazaoka das erste halbe Jahr meines Aufenthaltes in Deutschland war. Es wäre mit ihm wohl sehr lustig geworden. Trotzdem bin ich froh, dass er wenigstens immer mal ein wenig Zeit hatte.