Lehrstunde vom Sushimeister

Eine Rückkehr ins eigene Land setzt viele zu erledigende Dinge voraus, schlecht nur, wenn man für diese Dinge eigentlich gar keine Zeit mehr hat. Aus diesem Grund ging es heute sehr früh heraus und auf zum Yamaya. Eine Abschiedsfeier des Büros stand an und für meine zwei Betreuer wollte ich noch eine Kleinigkeit besorgen. O.k., mit Professor Morimoto hatte ich kaum etwas zu tun, aber das gehört sich halt so. Kurzentschlossen griff ich zum Eiswein für meinen obersten Boss, während mein zweiter Betreuer eine selbst zusammengestellte Sammlung deutscher Biere erhielt. Diese Entscheidung fand ich ziemlich passend, da mein zweiter Professor sehr jung ist und gerne Bier trinkt. Gesagt, getan und weiter konnte die Tour gehen. Nächstes Ziel stellte die 77 Bank dar. Vor mittlerweile 11 Monaten wurden wir gezwungen, bei ihr ein Konto zu eröffnen, schließlich konnte die Miete für das Wohnheim nur bei dieser Bank eingezogen werden. Wieso die Tohoku so unbedingt mit dieser einen Bank zusammenarbeitet, verstehe ich aber beim besten Willen nicht. Für beide Seiten sollte es aber ein lohnendes Geschäft sein – die einen bekommen Kunden und für die Uni gibt es so Vergünstigungen. Mysteriös ist solch ein Monopolvorgehen aber trotzdem. Auf jeden Fall schaffte ich es auf diesen Weg, mein Konto aufzulösen und bis auf die Kündigung des Handyvertrags bleibt dann nicht mehr viel zu erledigen.

Dass kaum noch etwas zu tun ist, ist auch besser für mich. Nicht umsonst gilt es noch, meine gesammelten Sachen irgendwie nach Deutschland zu verfrachten. Packen konnte ich bisher noch nicht wirklich, da es entgegengesetzte Hinweise gab. Laut einigen anderen Ausländern und der Post hier in der Nähe ist es nur gestattet, echte Postkisten nach Deutschland zu verschicken. Das wäre wirklich schlecht, da diese so klein sind, dass sie unpraktikabel wären. Kurzerhand schickte ich Shimizu noch einmal vor um heraus zu bekommen, ob diese Aussage wirklich stimmt und nein, es war natürlich falsch. Die Post hier vor der Tür ist wirklich entweder inkompetent oder hat sich wirklich zum Ziel gesetzt, die Ausländer zu ärgern, jedenfalls erscheinen ihre andauernden Fehler langsam in diesem Licht. Auf jeden Fall benötigte ich jetzt eine Kiste für meine Sachen und der COOP an der Uni hatte auch vernünftige, nur diese wollten natürlich transportiert werden. Insbesondere da Rieko auch drei benötigte, wurde es eine unangenehme Tour mit dem Rad in der einen und vier großen Kisten in der anderen Hand. Der Ausgleich ist es aber immer wert.

In diesem Fall handelte es sich dabei um ein Essen mit Professor Morimoto und den meisten Studenten meines Büros. Zusammen ging es in ein sehr gutes Restaurant, wo uns die verschiedensten Dinge gereicht wurden und es wurde eine sehr entspannte Runde. Eine der Ruhigsten des gesamten Büros hatte mir sogar eine Kleinigkeit zum Abschied besorgt, eine Sache mit der ich nicht gerechnet hatte. So blieb mir nichts anderes übrig, als eine Abschiedsrede zu improvisieren und Shimizu wurde von den anderen gezwungen eine Gegenrede zu halten. Wieso alle gelacht haben als er davon sprach, dass er immer mein Tutor sein wird, kann ich wirklich nicht verstehen. Unsere Taten haben sich doch immer irgendwie ausgeglichen, die anderen sahen es aber offensichtlich nicht ganz so. Auf jeden Fall ging es nach diesem Essen noch in eine zweite Runde. Mein zweiter Betreuer lud in eine Sushibar ein. Mit Japanern macht solch ein Essen auch gleich doppelt soviel Spaß. Normalerweise hatte ich kaum mal einen Plan, was ich esse. Dieses Mal wurde ich aber vorgewarnt, was für seltsame und eklige Dinge mir von den anderen bestellt wurden. Von Haiflossensushi, über Kaviar und Cremes, wo ich lieber gar nicht wissen wollte woraus die hergestellt werden, war alles vertreten. Dem Sushimeister imponierte diese Versuchsanordnung auf jeden Fall so, dass er sich kurzerhand beteiligte und mir alle Schritte und Unterschiede erklärte. Kurzerhand bekam ich sogar Proben von undefinierbaren Dingen, um sie einmal auszuprobieren. Gut, dass ich einen starken Magen habe, sonst hätte ich heute wohl Probleme bekommen. Auf der anderen Seite habe ich aber auch nicht alles probiert, Walfleischsushi war mir dann doch zu seltsam. Eins bleibt aber auf jeden Fall immer bestehen: echtes Sushi in Japan ist eine Erfahrung, mit der keine Sushibar Deutschlands mithalten kann. Irgendwie ist der Unterschied erschlagend. Wer also kein Sushi in Deutschland isst, sollte das wenigstens nachholen, falls er Japan betritt.

Nachspielzeit

Was soll hier heißen, ich war im Fernsehen? Gestern Nachmittag nach dem Reporteranschlag hatte ich gleich die Nachricht an einen Kumpel hier in Sendai bereit, dass ich fast interviewt wurde. So seltsam war das gesamte Ereignis, dass ich es ihm berichten musste. Viel besser wurde es aber einige Stunden später. David hat eine Freundin getroffen und eben jene berichtete, dass sie das Spiel im Fernsehen verfolgt hat. Daraufhin kam David auch zu Wort und berichtete von mir, meiner Reise und dass ich auch im Stadion war. Mit der darauf folgenden Antwort hatte er aber nicht gerechnet. Seine Freundin gab ihm zu verstehen, dass sie sehr wohl Bescheid weiß, dass ein großer Ausländer auf Seiten Sendais im Stadion war, schließlich hat sie mich im TV gesehen. Wie bitte kann man da nicht weiterbohren David? Jetzt möchte ich es genau wissen! Wurde mein Interview gezeigt oder wurde nur die Kamera auf mich gerichtet? In der einen Liveübertragung war ich schon mal nicht drin, die hat schließlich Mayumi gesehen. David hat natürlich jetzt den Auftrag bekommen weiterzubohren, schließlich möchte ich wissen, was Sache war. Aber offensichtlich bin ich jetzt TV-Star und habe vermutlich noch nicht einmal die Chance zu sehen, in welcher Form. Die Welt kann schon ungerecht sein!

Gerade jetzt finden ansonsten die schlimmsten Tage in Sendai statt, die Abschiedsfeiern. Bekanntlich bin ich kein großer Fan von Abschiedsfeiern, da solche nur eine leicht wehmütige Stimmung aufkommen lassen. Aus diesem Grund würde ich unter normalen Umständen einfach bis zum letzten Tag so tun, als ob nichts wäre und dann schnell die Koffer packen und gehen. In Göttingen hat diese Ausführung bis auf ein Essen mit Adam und Achim auch genau so geklappt, in Sendai würde das sowieso nicht klappen. Schon vor Wochen hatten Nobu und Rieko festgestellt, dass sie meine Abschiedsparty ausrichten wollen. Eigentlich wollten wir die Party in meiner Unit abhalten, aufgrund von Platzproblemen und dadurch, dass Nobu für eine wichtige Tagung nach Okinawa mußte und deshalb nichts vorbereiten konnte, wurde heute in einem Gemüserestaurant gegessen. Gemüserestaurant? Richtig gelesen! Rieko hatte sogar für unseren Veganer mitgedacht und alle Eventualitäten berücksichtigt. So gab es heute Abend also eine Abschiedsparty mit 9 Leuten, bei gutem Essen. Da immerhin 4 der Anwesenden Sendai verlassen werden, wurden auch fleißig Abschiedsgeschenke verteilt. Von Rieko und meinen Mitbewohnern habe ich ein größeres Plüschtier und eine tolle Karte mit Nachrichten von allen bekommen. Von Orsolya und Victoria gab es dazu noch ein Fotoalbum mit einem Best of aus einem Jahr Sendai. Da waren alle drei, die eines der Alben bekommen haben, sehr gerührt. Wobei ich mich immer noch frage, wieso ich als Paparazzi geführt werde. So viele Bilder habe ich nun auch wieder nicht gemacht!

Ein letztes Auswärtsspiel – 1.246 km für den Fußball

Es ist endlich soweit, der langersehnte Tag ist angebrochen. Was könnte einer meiner Hauptmotivationspunkte gewesen sein, kurz vor der Heimkehr ins ferne Deutschland noch einmal den langen Trip nach Hiroshima auf mich zu nehmen? Natürlich, Hiroshima ist eine schöne Stadt und vor allem das Tor im Wasser wollte ich unbedingt noch einmal sehen, aber in Sendai stapelt sich die Arbeit. Freunde wollen getroffen werden, Sachen gepackt werden und viele Abschiedsfeiern stehen auch noch auf dem Plan. Eigentlich kann man sich da kaum eine Reise in eine Stadt 1.000 km entfernt erlauben. Natürlich gibt es aber einen Punkt, der alle Bedenken mit einem Handstreich entfernen kann. Ich glaube, den meisten Lesern sollte mittlerweile klar sein, welcher das sein kann. Der Titel des Blogs stand für mich heute an, es ist Zeit für ein ?Auswärtsspiel?. Seit Wochen bereite ich es mittlerweile schon vor. Im letzten Dezember hörte die Fußballsaison 2010 in Japan offiziell auf und auch Baseball wird bis Ende des Monats nicht mehr gespielt. Als ich vor einem Monat dann den Spielplan der J-League erhielt kam der große Schock, Sendai hat zwei Tage nach meinem Heimflug ein Heimspiel gegen den amtierenden japanischen Meister aus Nagoya. Das ist eine absolute Ungerechtigkeit, die mich am liebsten den ganzen Flug hätte umbuchen lassen. Natürlich wäre dieses Vorgehen etwas zu teuer geworden. Umso begeisterter war ich, als ich die Pläne für eine etwaige Reise nach Hiroshima durchspielte. Wie der Zufall beziehungsweise die JFA so wollte, spielt Vegalta Sendai dieses Wochenende in eben genau dieser Stadt. Sanfrecce Hiroshima heißt der Gegner, mir noch wohlbekannt aus seinem letztjährigen Spiel gegen die Yokohama F. Marinos. Keine Frage, dass die Reise so nach hinten verlegt wurde, dass ich auf jeden Fall beim Spiel dabei sein kann. Damit sollte wohl auch die Frage geklärt sein, warum ich noch unbedingt ein Vegaltatrikot benötigte.

Heute war es endlich so weit. Im Hotel ausgecheckt und zum großen Schock der Mitarbeiter erst einmal gemütlich zur eine Stunde entfernten JR-Station gejoggt. Dort wartete auch schon der Shuttlebus auf mich, um mich zum ersten Spiel der Saison zu bringen. Das Stadion selber liegt etwas außerhalb der Stadt und wird Big Arch genannt, was seiner Bogenform geschuldet ist. 18.000 Besucher verirrten sich heute ins Stadion, was aber hauptsächlich den Sendaifans anzulasten ist, die eventuell vierhundert für die 1.200 km Reise mobilisieren konnten und einer davon war ein Deutscher. Diese Sensation sprach sich schnell herum und erreichte auch die Reporter vor Ort. Nie habe ich meine begrenzten Japanischkenntnisse mehr verflucht als heute. Zwei Kamerateams kamen in voller Ausstattung zu mir angerannt, um einen Interviewversuch zu starten. Ein ausländischer Sendaifan in Hiroshima und mit kompletter Fanausstattung, das wäre doch der Bericht gewesen. Ob eventuell etwas darüber geschrieben wird, kann ich leider nicht sagen, aber TV-Interviews hätte ich maximal in Englisch hinbekommen, zu genau muss man dafür antworten. Wo sind Shimizu oder Rieko auch, wenn man sie mal braucht? Aber auch während des Spiels fiel ich auf und hatte immer Gesprächspartner. Ein großer Ausländer, schimpfend und zusammen mit ein paar Ultras kurzärmlig, das regte doch mehrere zu Gesprächen oder auch Fotoanfragen an. Besonders leiden mussten aber der Manager und ein Spieler von Sendai unter mir. Sie machten doch wirklich den Fehler, sich 5 Meter von mir Platz zu nehmen. Der Manager, der auch öfter Fotos der Fans schoss, schoss auch einige von mir, wie ich mich in bekannter Manier aufregte. Falls ich demnächst wieder mal nach Sendai verschwinde, nicht wundern, dann habe ich einen Trainerposten übernommen.

Das Spiel selber zeigte wirklich komplett andere Gesichter der Mannschaften. Hiroshima hat vor Beginn der neuen Saison wichtige Spieler verloren, insbesondere auch ihren wichtigsten Abwehrmann nach Europa und stand aus diesem Grund nicht gerade sicher. Ebenfalls fehlte der Spieler mit der 11 (Sato) – Kapitän und wichtigster Mann des Teams – wegen Verletzung. Auf der anderen Seite war Sendai bis auf den Spieler mit der 9 (Nakahara) in Bestbesetzung. War letztes Jahr die Abwehr sehr gut und der Sturm nur ein laues Lüftchen, hat man dieses Jahr einen Hochkaräter für den Sturm verpflichtet. Der Stürmer Marquinos, gekommen von dem Rekordmeister Kashima Antlers, stellt zwar den Inbegriff eines Fußballsöldners dar, hat in seinen knapp 200 Pflichtspielen hier in Japan aber schon beachtliche 120 Tore geschossen. Da der Stamm der alten Spieler bis auf den Mittelfeldveteran Naoki Chiba zusammen geblieben ist, könnte aus diesem Grund eine gute Platzierung herausspringen. Ansätze dafür zeigte das Team auch heute schon. Besonders Marquinos war quirlig giftig und zeigte mit einem harten Spiel der gegnerischen Abwehr ein ums andere Mal, wieso er in Japan so viele Tore geschossen hat. Zu Toren sollte es aber heute auf beiden Seiten nicht reichen. Hiroshima konterte im eigenem Stadion und tat das gefällig, scheiterte aber mehrmals am glänzend aufgelegten Sendaier Torwart. Auf der anderen Seite versuchte Sendai das Spiel zu gestalten und hatte öfter die Führung auf dem Fuß, spielte aber, wie sich der Teammanager öfter anhören durfte, viel zu viel durch die Mitte. Die Außen wurden im ganzen Spiel zweimal geschickt, dann brannte es im gegnerischen Strafraum aber auch lichterloh. Wieso das so selten kam, weiß wohl nur die Mannschaft. Genauso wieso Sendai erst in den letzten 5 Minuten wechselte und den blassen zweiten Stürmer rausnahm, obwohl er sichtlich platt war und man locker eher schon auf Sieg hätte spielen können. In der letzten Minute auswechseln hätte da auch nicht mehr sein müssen, schließlich war man im Angriff, aber wie gesagt, der Trainer wird sich schon etwas dabei gedacht haben. So blieb es beim enttäuschenden 0:0.

Nach dem Spiel hieß es rennen. Ich hatte nur eine Stunde, um den Hauptbahnhof zu erreichen, wollte ich nicht 8 Stunden in Tokyo auf den Anschlusszug warten. Bei vollen Bussen war das ein Ding der Unmöglichkeit. Im Laufschritt schaffte ich es aber, fast alle Japaner zu überholen und mehr als rechtzeitig da zu sein. 10 Minuten hatte ich noch, um den ganzen Bahnhof zu durchqueren. Das war schaffbar, aber eng. Nicht eng genug für mich. Am Haupteingang des Bahnhofes gibt es eine Bäckerei, die das hochgradig süchtig machende Okonomiyakibrot anbietet. Das sind Brötchen mit Kohl, Okonomiyakisauce und Kazuboshi. Das musste für die Fahrt sein, also ging die Rennerei los. Ein Sturm in die Bäckerei, zwei Minuten später ein Lauf durch den Bahnhof und dann auch noch schnell Omiyage mitbringen, für die Organisatoren des Trips. Dank des Omiyageeinkaufs schaffte ich es genau 50 Sekunden vor der Abfahrt in den Zug, aber erreicht ist erreicht. Trotzdem saß ich im richtigen Zug und kann so 5 Stunden im super bequemen Shinkansen nach Sendai zurück legen.

Schönste Orte Japans, Anlauf Nummer 2

Die drei schönsten Landschaften Japans, dem einen oder anderen Stammleser wird meine Meinung über diese Würde noch all zu gut bekannt sein. Matsushima, Teil dieser Aufzählung kann ich bekanntlich zwar mittlerweile recht gut leiden, aber gibt es doch einige Orte in Japan, die meiner Meinung nach schöner sind. Da ich mich eh gerade in Hiroshima befinde dachte ich, dass ich die Zeit nutzen kann und mir einen weiteren dieser drei schönsten Orte anschauen kann. Dann kann ich feststellen, ob auf diesen Ort die Beschreibung besser passt. Aus diesem Grund ging es heute am frühen Morgen mit der Fähre nach Miyajima, der Schreininsel. Passenderweise befindet sich genau vor meinem Hotel gerade eine Direktanbindung zu dieser Insel, die die Anfahrt noch erleichtert. So drängte ich mich also in dieses viel zu kleine Schiff und machte mich auf den Weg, um noch einmal richtig zu beten. Man kann ja nie wissen, wozu es mal gut ist.

Miyajima dürfte den meisten Lesern ein Begriff sein, ohne dass sie den Namen der Insel schon einmal gehört haben. Egal, weshalb man etwas von Japan hört, in den meisten Fällen wird Miyajimas wichtigste Sehenswürdigkeit gezeigt. Es handelt sich um das 596 erstmals erwähnte große rote Tor des Itsukushima-Schreins. Zwar handelt es sich natürlich nicht mehr um das Orginaltor, aber das momentane Tor ist mittlerweile auch schon seit 1875 in Nutzung. Es handelt sich um ein großes rotes Tor, das auf sechs Pfeilern steht und bei Flut komplett von Wasser umgeben ist. Bei Ebbe dagegen ist es auch so zu erreichen. Dieser Zustand des im Wasser Stehens macht dieses Tor zu einer besonderen Sehenswürdigkeit und es stellt aus diesem Grund die am meisten fotografierte Sehenswürdigkeit Japans dar. Kein Zweifel also, dass ich bei dieser Art von Sehenswürdigkeit auch anwesend sein muss, um Fotos zu schießen.

Aber auch ohne das Tor hätte die Anfahrt sich gelohnt. Die Insel selbst ist sehr ruhig und fast unbewohnt, hat aber auch seltsame Regeln. Bis ins zwanzigste Jahrhundert waren Frauen auf der Insel nicht gestattet, genau so wie der Tod oder die Geburt auf der Insel nicht gestattet waren. Wie das kontrolliert wurde, ist mir zwar noch nicht ganz klar, aber gut, solche Regeln waren zu dieser Zeit nicht unbekannt. Zuerst war aber das Tor mit dem anschließenden Tempel dran. Selbst ohne Tor wäre der Schrein sehr ansehenswert, wobei er besonders auf Liebesdinge spezialisiert ist. Aber auch eine fünfstöckige Pagode und mehrere Tempel konnten sich sehen lassen. Da der Tag noch frisch war, beschloss ich kurzerhand die ewige Flamme auf dem Berg der Insel zu sehen. Gesagt, getan und schon marschierte und kletterte ich den Berg hoch, bis zur Spitze mit dem guten Ausblick. Die ewige Flamme wurde angeblich von einem Mönch vor 1.200 Jahren entzündet und ist seit dieser Zeit immer an gewesen. Aus diesem Grund wurde für die Flamme am Friedenspark hier in Hiroshima ebenfalls das Feuer von diesem Schrein zum Anzünden genutzt. Leider wurde nach dem Aufstieg aber meine Zeit knapp, so dass ich auf dem Rückweg die Seilbahn nehmen musste. Wieder zurück nahm ich noch die örtliche Spezilität, eine Teigtasche mit Füllung, zu mir und anschließend setzte ich per Fähre über zum Festland, um mit dem Zug zum nächsten Ziel zu fahren. Iwakumi lautet der Name des Ziels.

Iwakumi? Diesen Namen dürfte kaum jemand zuvor gehört haben, dabei hat die Stadt eine ziemlich interessante und in Japan bekannte Sehenswürdigkeit – die Kintai-Brücke. Diese Brücke wurde erstmalig 1673 errichtet und symbolisiert mit ihren 5 Bögen Honshu. In Auftrag gegeben mit dem Ziel den Feinden in der Nähe die Größe des amtierenden Herrschers der Stadt zu zeigen, kam die Brücke über 300 Jahre ohne einen einzigen Metallnagel aus. Um dies zu erreichen, wurde das Holz so angepasst, dass es perfekt ineinander passt und Nägel überflüssig sind. Die Brücke wurde dann aber 1950 zerstört, aber mit alten Techniken und Methoden wieder hergestellt. Das ist ein imposanter Bau, keine Frage. Ein Schloss besitzt die Stadt zwar auch noch. Es wurde aber auf einen Berg verlegt, damit es ein besseres Motiv abgibt. Diesen Berg zu besteigen, dafür fehlte mir dann aber endgültig die Zeit. Abgeschlossen wurde der Abend dann noch mit einem letzten Okonomiyaki. Es war eine Deluxvariante mit Mochi, Käse, drei Sorten Fisch und anderen Dingen – ein genialer Geschmack. Ich muss in deutschland unbedingt ein Okonomiyakirestaurant ausfindig machen! Selbst wer wie ich kaum Fisch mag, würde es in dieser Variante mit hoher Wahrscheinlichkeit mögen.

Museum mit Wirkung

Ein ganz normaler Tag in einem Museum und eine Gruppe von Mädchen heult hemmungslos, was war da geschehen und wieso war mein Gedanke dazu, dass die Leitung des Museums alles richtig gemacht hat? Aber der Reihe nach. Nachdem ich gestern mit Schrecken festgestellt hatte, dass das Atombombenmuseum leicht seltsam anmutende Öffnungszeiten hat beschloss ich heute früh, mir selber ein Bild des Ganzen zu machen. Das Museum selbst ist ziemlich nahe an meinem Hotel gelegen und gilt als die Attraktion Hiroshimas. Das sind mehrere Gründe, die für einen Besuch sprechen. Wieso wir es 2006 nicht schafften das Museum zu besuchen, kann ich aus heutiger Sicht schon kaum noch sagen. Eine Mischung aus Geiz, Sehenswürdigkeitsmüdigkeit, Menschenmassen, Zeitproblemen und Krankheit führten damals wohl dazu, dass wir einen Bogen um das Museum machten. Schon der erstgenannte Grund erwies sich heute als falsch. O.k., der im Flyer angekündigte freie Eintritt traf nicht zu, aber 50 Yen (umgerechnet in etwa 44 Cent) sind nun keine Hausmarke, die einen Interessierten vom Besuch abhalten könnte. Das kleine Gebäude dagegen schon. Auf dem ersten Blick sieht das Museum ziemlich klein, unbedeutend und langweilig aus, im Inneren ändert sich das Bild dann aber schlagartig.

Viele verschiedene Gegenstände, gepaart mit einem unaufdringlichen Multimediaeinsatz – die Japaner wissen, was sie tun. O.k., der einen Kritik im Gästebuch des Museums muss ich beipflichten: die Ursachen für die Bombardierung werden zwar kurz angesprochen, aber die eigene Schuld kam doch recht kurz. Viel verwunderlicher aus europäischer Sicht war die Verwendung von Trickfilmen, um das Problem darzustellen. In Deutschland wird viel zu häufig noch jeder Trickfilm mit Disney gleichgesetzt. Hierzulande wird mit Trickfilmen alles gezeigt und in Ermangelung von Orginalvideos stellen diese Filme die beste Methode dar, um die Gewalt der Bombe und das Chaos danach anschaulich zu machen. Das Ergebnis war ein beeindruckender Film, der zum Nachdenken anregt und alles sehr plastisch macht. Auch ansonsten legte man viel Wert auf Anschauung. Es gab viele verschiedene Gegenstände, gut beschildert und möglichst interessant verteilt, so das ess nie langweilig wurde. Probegegenstände und die Darstellung der Atomkraft per Geigerzähler rundeten das Gesamtbild der Ausstellung ab. Wie oben erwähnt, weinten viele der Besucher aus der Mittelschule nach dem Museumsbesuch fürchterlich. Auf der einen Seite ist das ein Zeichen, dass die Ausstellung ihr Ziel erreicht und auf der anderen Seite stellt sich die Frage, welcher Lehrer seine Schüler ohne Vorbereitung und Kontrolle durch die Ausstellung rennen lässt.

Anschließend an das Museum musste ich meine Tagesplanung leicht anpassen, da das Wetter für einen Meerbesuch nicht mitspielte. Kein Problem, kurzerhand ging es in einen großen Japanischen Garten. Selbst zu so einer Jahreszeit, wo nichts gewachsen ist oder blüht, lohnen sich solche Besuche immer und es stellte sich heraus, dass die Vermutung mit dem Blühen einen Fehler hatte: im Garten blühte ein Teilgebiet ebenfalls schon sehr stark. Weitere Kurzbesuche des Mazda Stadiums und des Schlosses der Stadt schlossen den Tag gemütlich ab.

Alle Sehenswürdigkeiten zu finden war gar nicht so einfach, lag vieles doch arg versteckt. Da ich zum Glück einen Block und einen Stift dabei hatte, war das alles aber kein Problem. Der Block, Teil eines Weihnachtsgeschenkes von Lars und Familie, das nach zwei Monaten doch noch in Sendai angekommen ist, hat mir da beste Dienste geleistet. Auf diesem Weg übrigens auch noch einmal nach Weyhe einen großen Dank und ich habe mich sehr über die Post gefreut! Auf jeden Fall haben einige sogar kurzerhand einen Plan für mich gezeichnet, wo ich hingehen muss. Auch das allgemeine Aufschreiben der Zielnamen erwies sich als günstiger, da so gar nicht erst überlegt werden musste, in welcher Sprache man antworten muss, da die Kanjis klar eine Antwort in Japanisch erlaubten. Mehr Sehenswürdigkeiten als Sendai hat Hiroshima auf jeden Fall schon mal. Lustig fand ich auch das Okonomiyaki-Viertel, wo es nur Okonomiyaki-Restaurants gibt. Hier wird wenigstens die eigene Spezialität gefördert. Diese Verbundenheit geht bis zum Okonomiyaki-Brot. Das ist ein Brötchen mit Kohl, Fischflocken, Okonomiyakisauce und Mayo. Das hört sich verboten an, war aber ziemlich lecker.

Auf Tour in Hiroshima

Manchmal gibt es Dinge, die sich unerledigt oder unvollständig anfühlen, obwohl man sie gemacht oder besucht hat. Für mich stellt Hiroshima so einen Ort dar. Vor mittlerweile fast 5 Jahren, bei meinem ersten Besuch Japans, war ich mit Dennis schon einmal in Hiroshima. Damals machten wir einen Tagesabstecher aus Osaka und die Stadt gefiel mir wirklich. Genießen konnte ich es damals aber nicht, da Dennis und ich durch einen dummen Zufall mich gerade vergifteten und ich dank eines schlechten Tees nicht hundertprozentig fit war. Aus diesem Grund haben wir in diesem Urlaub einiges nicht gesehen, was wir eigentlich geplant hatten. Als sich jetzt die Möglichkeit ergab, noch einmal zu reisen war mir ziemlich schnell klar, dass ich das Versäumte nachholen möchte.

Aus diesem Grund ging es heute sehr früh mit dem Shinkansen in Richtung Hiroshima. Shinkansen fahren ist sowieso eine super Angelegenheit, ist er doch ziemlich bequem, hat Steckdosen am Sitz und die Sitzreihen lassen sich sogar umdrehen, dass man aus Prinzip immer in Richtung der Fahrtrichtung sitzen kann. Wenn jetzt nicht der Preis für ein Ticket so hoch wäre, ich wäre noch viel häufiger mit ihm gefahren. Auf jeden Fall verlief die Fahrt aber ruhig und ich konnte am Nachmittag meinen Fuß auf den Boden von Hiroshima setzen. Schon nach den ersten Schritten war es aber so, als ob ich nie weg war. Ich war zwar bisher vielleicht nur 6 Stunden in Hirsohima, aber ich konnte mich noch an alle Kleinigkeiten erinnern und die Wege auch sehr schnell finden. Diese Wegfindungsroutine sollte sich auch als sehr nützlich erweisen, da mich die Touristeninformation zu meinem Hotel mit dem Taxi oder mit der Straßenbahn fahren lassen wollte. Aus meiner Sicht sieht man aber viel mehr, wenn man läuft und so entschied ich mich kurzerhand zu einem Gewaltmarsch zum Hotel.

Das Hotel selbst überraschte mich aber sehr positiv. Einige werden sich noch an meine Flüche über die Jugendherberge erinnern. Hier in Hiroshima habe ich ein Einzelhotelzimmer, das 300 Yen weniger als ein Teil eines Zimmers in der Jugendherberge kostet, das ich mit 6 anderen Personen teilen musste. Dafür habe ich ein eigenes Zimmer, das normalerweise als Doppelzimmer genutzt wird, viel Platz und eine geniale Lage, 5 Minuten vom Hiroshima Dome und von der Innenstadt. Man könnte also schon sagen, dass ich einen absoluten Glücksgriff mit dem Hotel gemacht habe. So sollte es sich leben lassen, auch wenn es alleine etwas langweiliger werden dürfte, als sonst mit meinen Freunden. Gleichzeitig spielte mir die Lage für den heutigen Tag absolut in die Hände. Da ich spät da war und erst einmal die Taschen loswerden wollte, hatte ich wenig Zeit für die Stadt. Aus dem Grund fiel die Entscheidung, den Atombombenpark direkt neben meinem Hotel zu besichtigen. Als im Jahr 1945 die Bombe über der Stadt explodierte und fast alles zerstörte, da fand die Explosion ungefähr 800 Meter über diesem Park statt. Da damals nur wenige Gebäude überhaupt noch irgendwie standen und erkennbar waren, entschied die Regierung kurzerhand, eines der Gebäude als Mahnmal stehen zu lassen, den sogenannten Hiroshima Dome. Er wurde mit Stahlstreben gestützt und stellt ein ständiges Denkmal gegen das Vergessen dar. Ein weiteres prominentes Mahnmal für den Abwurf der Bombe sind die Kraniche. Überall auf dem Gelände kann man Origamikraniche (die Zeichen der Stadt) finden, die zusammengesetzt werden und teilweise komplette Nachrichten darstellen. Auf jeden Fall stellt der Park eine imposante Kulisse dar und ist einen Besuch wert. Nur warum das Atombombenmuseum nur zwei Stunden täglich geöffnet hat, so dass ich es heute nicht besuchen konnte, verstehe ich nicht. Aber zum Glück habe ich ja noch ein paar Tage Zeit für einen Besuch.

Im Anschluss an den Park ging ich noch ein wenig durch die Stadt. Neben einem kurzen Livekonzert sah ich auch ansonsten einiges von ihr und bin mittlerweile der Meinung, dass ich verstehe, warum die Stadt mir im Jahr 2006 so sympathisch war. Im Prinzip ist Hiroshima wie Sendai, nur dass es berühmter ist. Egal ob vom Baustil oder auch von der Einwohnerzahl, Sendai und Hiroshima unterscheiden sich in diesem Zusammenhang nicht viel und beide Städte stellen damit den perfekten Lebensraum für mich dar. Eine der wichtigsten Dinge, die für meinen Aufenthalt noch vorgesehen waren, konnte ich am Abend dann auch gleich noch abschließen. Zum ersten Mal aß ich Okonomiyaki nach Hiroshima Art. Diese ?Pfannenkuchenabart?, die ich schon in der anderen Form sehr mag, hat hier in Hiroshima noch eine weitere Zubereitungsmethode, so dass sogar Nudeln herein kommen. Es hat auf jeden Fall sehr gut geschmeckt, auch wenn ich mich beim Krieg zwischen den beiden Herstellungsarten raushalten muss, schmecken doch beide Sorten aus meiner Sicht gleich gut. Jetzt benötige ich nur noch ein Restaurant für Okonomiyaki in Deutschland und ich bin wunschlos glücklich!

Die blaue Farbe im Herzen und auf dem Trikot

Endlich ist es angekommen und das Outfit komplett. Normale Ausländer sind dafür bekannt, viel Geld für Klamotten auszugeben. Schon aufgrund der Größe japanischer Mode ist dieses Hobby für mich weniger geeignet. Schuhe sind viel zu klein, Hosen zu kurz und langärmlige Hemden oder Jacken wird man aus Prinzip nie in meiner Länge finden. Aus diesem Grund bleibt mir nur eine Lösung für die Problematik, ich kaufe einfach nichts oder nur T-Shirts. Welches T-Shirt wäre da wichtiger, als ein vollständiges Trikot? Aus diesem Grund hatte ich vor zwei Wochen ein Vegalta Sendai Trikot bestellt. Heute konnte ich dieses endlich abholen und gleichzeitig ist damit endlich das blaue Dreigespann fertig. Das Trikot des wichtigsten Fußballvereins der Welt, das blaue Trikot der Blue Samurai und das gelb-blaue Trikot von Vegalta. Die Entscheidung für das ältere Model war auf jeden Fall auch richtig und besonders die Trikotnummer auf der Vorderseite des Trikots gefällt mir auch sehr gut. Das ist eine Eigenschaft, die sich die deutschen Vereine auch abschauen dürfen, wenn es zum Design passt.Trikot Ich muss auf jeden Fall Mayumi sehr dankbar sein, dass sie sich die Zeit genommen hat, mir die gesamte Ausstattung zu organisieren. Beinahe wäre der Versuch dabei auch noch schief gegangen. Hilfsarbeiten im meinem Büro ließen mich erst ziemlich spät aus dem Büro verschwinden, imgp1845-kleinso dass ich zur Fahrt in Richtung Izumi zum Fanshop kaum noch Zeit hatte. Ein Gehetze sondergleichen entstand, indem ich es nur mit letzter Kraft und einem Sprint schaffte, pünktlich zu sein, aber das Bild des pünktlichen Deutschen muss ja erhalten bleiben.

Den restlichen Tag habe ich ansonsten hauptsächlich damit verbracht, wieder einmal auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Was soll das erst werden, wenn ich wieder zurück komme und ich endlich wieder der sein kann, der anderen helfen kann. Das Problem war aber auch trivial. Am morgigen Tag geht es für mich ins ferne Hiroshima, den letzten Urlaub auf japanischem Grund genießen. Wirklich Zeit dafür hätte ich zwar eigentlich nicht, aber es gibt ein paar Dinge, die ich unbedingt noch sehen möchte. Aus diesem Grund musste ich heute Tickets besorgen. Das Reisebüro in unserer Mensa hat sich dabei mal wieder als sehr wichtig erwiesen. Ich verstehe zwar noch nicht wirklich, wie es sich finanziert, aber irgendwie schaffen sie es, für die Studenten immer die günstigsten Tarife heraus zu finden, die meistens noch nicht einmal das Internet schlagen kann. Wer so etwas kann, der kann auch Bahnkarten besorgen und aus diesem Grund und weil wir keine Zeit für den langen Weg zum Bahnhof hatten, gingen Rieko und ich heute dort hin und besorgten den Zug. Rieko machte das sogar mehr als erfolgreich, indem es ihr gelang, mir Einsparungen von fast einhundert Euro zu ermöglichen. Ich glaube, nach dem Urlaub muss ich sie deshalb noch einmal zum Essen ausführen oder ich muss ein entsprechendes Omiyage aus Hiroshima mitbringen. Das Zugtarifsystem zu verstehen, zu diesem Zweck muss man aber vermutlich auch ein Japaner sein, wobei die ebenfalls genug fluchen. Mal schnell mit der Regionalbahn durchs Land fahren, das ist hierzulande kaum möglich. Alleine solche Strecken der Art Magdeburg – Braunschweig sind äußerst selten und würden ein wiederholtes Umsteigen beinhalten. Aus diesen Gründen ist man auf den Shinkansen, den ICE Japans, angewiesen. Dieser Schnellzug schafft im Idealfall die 300 Stundenkilometer und ist eine komfortable Art des Reisens. Nun werden die Tickets aber zweigeteilt dargestellt. Nur weil auf einem Zettel ein Preis steht heißt das noch lange nicht, dass dieser bestehen bleibt. Nein, vielmehr ist das der Preis, den man mit der Regionalbahn bezahlen müßte und dazu kommt noch mal ein extra und meist hoher Shinkansenaufschlag. Warum fahren dann aber immer noch so viele mit dem Zug? Diese Frage erklärt sich sehr schnell aus der Problematik der Maut auf der Autobahn. Durch die Einführung einer relativ hohen Maut wurde die Anzahl der Autofahrer auf normalen Strecken stark eingedämmt. Vielmehr fährt kaum noch einer lange Strecken mit dem Auto, sondern dafür entweder mit dem Sinkansen oder mit einem Nachtbus. Nur Hand aufs Herz, wer ist schon bereit, 15 Stunden mit dem Bus nach Hiroshima zu fahren? Das ist dann doch recht unbequem.

?Hand auf Herz? – verdammt ich habe es schon wieder gemacht. Die deutsche Sprache hat viele dieser Bilder oder auch Sprichworte. Wie beliebt diese sind, ist mir aber erst hierzulande aufgefallen, weil mich immer ahnungslose Gesichter anschauen, sobald ich sie verwende. Keiner der Japaner, egal wie gut sie in der deutschen Sprache bewandert ist, versteht diese Eigenart der Sprache. Für mich gibt es aus diesem Grund gleich zwei Punkte zu betrachten. Auf der einen Seite ist das Erklären natürlich recht nervig, auf der anderen Seite habe ich durch den Aufenthalt so viel über das Lehren der Sprache mitbekommen, dass es mir leichter fallen dürfte, mit ausländischen Studenten in Göttingen zu sprechen. In diesem Zusammenhang ist der Auszug aus dem Haus 22a doch fast schon schade, da man dort das Gelernte am ehesten in die Praxis umsetzen konnte.

Von Buchbindern und Politkbegeisterung

Arg, wo geht es bitte nach Tokyo zurück? Es soll ein normaler Montagmorgen Ende Februar sein und was macht es, es schneit. Genau das Wetter, das ich nach den warmen Tagen in Tokyo nicht so schnell wieder sehen wollte. Nichts gegen Schnee, eigentlich mag ich ihn ja, aber mit einem Fahrrad mit minimalem Grip ist das schon etwas unangenehm, eine Ausfahrt zu machen. Unter diesen Vorzeichen ist die beste mögliche Beschäftigung eindeutig, gar nicht erst das Haus zu verlassen, aber die Pflicht ruft. Wobei, so sehr ruft die Pflicht gar nicht mehr, denn das halbe Büro ist im Urlaub. Entweder in der Heimat, in Europa oder bei Aufnahmeprüfungen quer durch Japan. Trotz allem fand ich mich im Büro ein und dabei konnte ich auch gleich einer interessanten Beschäftigung beiwohnen. Bekannterweise kostet das Anfertigen von Handbüchern Unmengen an Geld, wobei besonders das Binden einiges kostet. Aus diesem Grund ist die Uni Göttingen schon vor einer Weile auf das Internet umgestiegen und bietet Dinge wie ein Vorlesungsverzeichnis nur noch online an. Japan dagegen ist zwar das Land der Elektronik, aber einige Dinge müssen einfach traditionell gelöst werden. Aus diesem Grund gibt es die knapp 200 Seiten starken Vorlesungsverzeichnisse auch jedes Jahr analog in gedruckter Form. Um trotzdem günstig an diese heran zu kommen, werden sie kurzerhand selber anfertigt. Online wird eine ausdruckbare Version hochgeladen und mein zweiter Betreuer druckte sie heute aus und fertigte per Hand einige in Softcover gebundene Versionen an. Da eh alle notwendigen Gerätschaften im Büro vorhanden sind, stellt das auch gar kein Problem dar und günstiger als ein Druckcenter ist es ebenfalls alle Male. Einzig und allein was feststellbar ist, wenn das so weiter geht, entwickelt sich unser Büro noch zu einer Buchbinderei, so viele Bücher wurden in letzter Zeit gefertigt.

Immerhin ist es mir aber lieber, wenn sie solch ein Thema haben, als dass ich wieder mal unseren Verteidigungsminister erklären darf. Es ist ja nicht so, als ob das Thema nicht schon in Deutschland groß genug ist, aber es hat sich schon bis nach Japan rumgesprochen, was eindeutig ein schlechtes Zeichen ist. Trotzdem ist es interessant, mal wieder über Politik fachsimpeln zu können, ohne Skype an zu haben. Wenn es eines gibt, was die Japaner uns Deutschen um Weiten voraus haben, dann ist das die Politikverdrossenheit. Gut, diese ist in Deutschland schon ziemlich ausgeprägt, aber hierzulande ist sie riesig. Kaum eine Tageszeitung ist mit Politikthemen auf der ersten Seite zu finden geschweige denn kommentieren die Japaner die Politik einfach nicht. Letzten Herbst hatten wir in Sendai die Wahl, aber niemand hat wirklich etwas davon mitbekommen, außer durch die vereinzelten Wahlveranstaltungen. Politik ist hierzulande auch ein ziemlich nebensächliches Thema. Wobei, Skandale haben wir hierzulande genauso. Vor einigen Wochen hat sich die Ehefrau des japanischen Premierministers über ihren eigenen Mann beschwert. Ein Dummkopf, der in der Politik aufgeschmissen ist und ein Schlappschwanz sei er, ließ seine Ehefrau vermelden. Man stelle sich vor, Merkels Ehemann würde sich über seine Frau offen beschweren. Gibt es nicht? Doch, hier in Japan wäre alles möglich! Auf jeden Fall haben Japaner keinen Plan von Politik und immer wenn ich zu diesem Thema Fragen habe, werde ich meistens mit unbefriedigenden und unwissenden Antworten abgespeist. Das ist schon seltsam, wenn der Gegenüber vermutlich alle neuen Comicfilme auswendig kennt, aber nichts über Politik sagen kann.

Im „Museum“!

Egal, ob ich verwöhnt bin oder nicht, bei meiner gestrigen Einschätzung meines Hotels kann ich nur bleiben. So schlecht und kurz geschlafen habe ich schon lange nicht mehr, aber man muss ja das Positive sehen. Dank des Weckers einiger anderer Touristen um 5.30 Uhr, die aber trotzdem bis 10 Uhr liegen geblieben sind, war ich wenigstens früh wach, wenn das nichts ist! Auf der positiven Seite lief dafür heute alles etwas glatter als gestern. Die gestrige Suche nach den Damen hatte mich schon arg zur Verzweiflung gebracht und mehr als einmal fluchte ich auf ihr Vorgehen. Heute dagegen klappte alles, bis auf einige Orientierungsschwächen der Damen, perfekt.

Den eigentlichen Tag begannen wir in Akihabara, dem Technik- und Animeviertel der Stadt. Persönlich finde ich das Gebiet nicht so ansprechend, aber die große Masse an Japanern und besonders die vielen Ausländer können sich nicht irren. Es gibt ein unbeschreibliches Gewusel und man selber kommt sich etwas verloren vor. Auf der anderen Seite kann man aber auch absolute Schnäppchen machen. Laura besorgte so zum Beispiel einen USB-Stick, der mit seinen 16 GB wohl in Deutschland nie und nimmer nur knapp 15 Euro gekostet hätte. Wenn man aber nichts sucht und eh schon die gesamte Zeit Albträume wegen des Gewichtes des Koffers auf dem Rückflug bekommt, dann kann man die Suche nach Schnäppchen aber auch ganz einstellen. Meine Begeisterung, das Viertel zu verlassen, ist kaum beschreiblich, auch wenn wir kurz vor Erreichen der U-Bahn-Station noch kurz ein Fest der Tokyoter Feuerwehrmänner besuchten, welches schon interessant und nett war.

Zu diesem Zeitpunkt kam es zur Spaltung der Gruppe. Die Damen wollten einen Park mit vielen verkleideten Menschen besuchen, während ich ein viel besseres Ziel hatte. Ich fuhr kurzerhand zum JFA Museum. Das ist ein Museum rund um den japanischen Fußball auf drei Etagen. Wieso steht in solch einem Museum dann bitte eine Statue von Oli Kahn? Das wissen wohl nur die Japaner ganz alleine! Das Museum war aber klasse. Viele Informationen und eine riesige Sammlung an alten Trikots (und die Japaner hatten schon immer die Nationalmannschaft mit einem der schönsten Trikots). Auf der Hall of Fame war dabei sogar ein Deutscher zu finden, der in den Anfangsjahren des Fußballs hierzulande dem Land Fußball näher gebracht hat. Allgemein wurde in dem Museum nicht gegeizt. Viele Bildschirme und interaktive Elemente machten den Besuch zum Erlebnis. So gab es einen Raum, wo man Fußballklassiker Japans verfolgen konnte und ein großen Saal, wo man ein Spiel in Stadionlage verfolgen konnte. Höhepunkt war aber ein ganz anderer. Wie manch einer gehört haben könnte, haben die Samurai Blue dieses Jahr den Asian Cup gewonnen. Eben dieser Pokal steht inklusive zwei Wachmänner bereit, um mit ihm abgelichtet zu werden. Keine Frage, dafür war ich doch zu haben! Nur den Pokal gleich mitnehmen, durfte ich dann leider doch nicht. Verdammt schweres Teil eigentlich, so ein Pokal. So ein Museum könnte ich mir bei besseren Zeiten auch für Magdeburgs besten Verein (und heutigen Brausenbesieger) vorstellen. Ich werde notfalls auch Gestalter.

Anschließend an das Museum beschloss ich, mich wieder den anderen anzuschließen. Auf dem Weg zu ihnen geriet ich noch in ein Straßenschreinfestival, welches schon gut anzuschauen war. In Harajuko war es auf jeden Fall, wie wir uns das gesucht hatten. Es gab viele Japaner und Ausländer in komischen und auffälligen Kostümen. Da wir eh noch Zeit hatten, verbrachten wir so noch ein wenig Zeit, ehe es im Anschluss nach Sendai zurück ging. Besonders gut war auch unser Essen. In Sapporo (auf Hokkaido) ging es für uns immer zum Curryessen und jetzt im Tokyo gehen wir in ein Hokkaido-Ramen-Restaurant. Aber auf jeden Fall war es lecker, auch wenn nicht gerade typisch für Tokyo.

Nikko

Es gibt Prinzipien, die soll man einfach nicht brechen. Mein Prinzip ist in diesem Fall der Verzicht auf Jugendherbergen als Übernachungsmöglichkeit. Natürlich, für eine Nacht stellt es eine sehr günstige und einfache Lösung dar. Sobald man aber zu zweit reist, kann man die Herbergen auch günstiger bekommen, Internet sei Dank. Am heutigen Tag habe ich gegen meine Prinzipien verstoßen und es hat sich gerächt. Ein Zimmer mit sieben Leuten und einer schnarcht natürlich, als ob er einen ganzen Wald zerstören will. Kein Problem für mich, um Mitternacht will ich eh noch nicht schlafen, aber leider haben sie den Aufenthaltsraum, in dem ich ruhig sitzen wollte, natürlich auch gesperrt. Tja, da stehe ich nun, an einem total unbequemen Tisch im Flur, darf den Leuten auf der Toilette zuhören und am PC, bei unzureichendem Licht arbeiten und alles nur, weil meine Begleiter alleine ein Hotel gebucht haben. Wenn man mich gefragt hätte, hätte ich zum gleichen Preis ein echtes Hotel zur Hand gehabt, aber der Reihe nach.

Eines der Ziele, das ich bisher nie erreicht hatte, war die alte Stadt Nikko. Eigentlich in der relativen Nähe zu Sendai gelegen, hatte ich bisher einmal mit meinen Eltern die Wahl dorthin oder an ein zweites Ziel zu fahren. Ich entschied mich für das zweite Ziel und so blieb Nikko außen vor. Da ich nun das Wochenendticket der JR-East entdeckte, keimte in mir der Plan auf, einmal noch schnell die Stadt zu sehen und heute setzte ich es in die Tat um. Zu diesem Zweck fuhr ich heute sehr früh nach Nikko, um im Anschluss noch nach Tokyo weiterzufahren und Victoria, Laura und Orsolya zu treffen. Nikko an sich ist eine relativ hässliche Stadt, die eigentlich nur noch aufgrund des Tourismus existiert. Auf der anderen Seite steht das Weltkulturerbe und der komplette Tempelbezirk. Wobei ich heute sogar eigentlich Pech hatte, da vieles gerade renoviert wird. Dazu kommt ein hohes Maß an Eintrittsgeldern, die mich das eine oder das andere Mal verfluchen ließen, nicht mit meinen Eltern hergefahren zu sein. Alle Tempel zu besuchen war so unmöglich, trotzdem habe ich mehr als genug von der Stadt gesehen. Angefangen habe ich mit einem Botanischen Garten, der schon gut aussah, aber vermutlich auch der Jahreszeit geschuldet nicht mit einigen Vertretern aus Tokyo und Kyoto mithalten konnte. Anders sah das dagegen im Weltkulturerbe aus. Diese Tempelanlage ist auch wirklich weltberühmt und sehr gut erhalten. Am bekanntesten dürfte wohl die Affenweisheit sein, nach dem Motto nichts Böses hören, sprechen und sehen – ausgedrückt mit einem Affen der sich die Ohren zuhält, einer der die Augen zuhält und einer der den Mund zuhält. Dieses Motiv dürfte wohl selbst in Deutschland hinlänglich bekannt sein.

Auch ansonsten war der Tempel sehr beeindruckend, auch wenn ich nicht verstand, wieso alle stundenlang das Motiv der schützenden Katze fotografieren mussten. Interessant war das letzte Teilstück des Tempels, das zu einer Begräbnisstätte führte. Die Stufen hier hoch waren für viele Japaner zu viel und nicht wenige mussten kurz vor dem Ziel oder bei der Hälfte schon sehr schwer atmen. Gut dass ich noch Melanies Tempo gewöhnt bin, so stellte der Anstieg kein größeres Problem für mich dar. Trotz allen Tempeln, die ich heute besuchte, war aber eine unbekannte Attraktion aus meiner Sicht viel schöner. Abgelegen und am Fluss gelegen gibt es den sogenannten Geisterweg. Dieser führt entlang an einem Tal eines Vulkanausbruchs, in dem ein strömender Fluss fließt. Entlang dieses Weges sind viele Statuen zu Ehren toter Kinder errichtet. Traditionell sind derartige Monumente aber immer sehr von Gerüchten betroffen und hier ist es auch nicht anders. Angeblich ist die Anzahl der Statuen nicht genau definierbar, weil immer welche verschwinden oder hinzukommen. Ohne nervige Touristen, eingerahmt von der schönsten Natur, hat sich der Besuch des noch einmal 30 Minuten vom eigentlichen Tempel entfernten Flusses auf jeden Fall sehr gelohnt.

Anschließend ging es mit dem Zug dann nach Tokyo. Neben der Jugendherberge gab es noch das Problem, uns gegenseitig zu finden. Gar nicht so einfach, da die Damen mir falsche Orte nannten und immer in Bewegung waren. Ganze vier Stunden habe ich deshalb zum Auftreiben von ihnen benötigt, ehe es noch so ein wenig durch die Stadt ging. Nikko war aber das wirkliche Highlight des heutigen Tages.