Es gibt Prinzipien, die soll man einfach nicht brechen. Mein Prinzip ist in diesem Fall der Verzicht auf Jugendherbergen als Übernachungsmöglichkeit. Natürlich, für eine Nacht stellt es eine sehr günstige und einfache Lösung dar. Sobald man aber zu zweit reist, kann man die Herbergen auch günstiger bekommen, Internet sei Dank. Am heutigen Tag habe ich gegen meine Prinzipien verstoßen und es hat sich gerächt. Ein Zimmer mit sieben Leuten und einer schnarcht natürlich, als ob er einen ganzen Wald zerstören will. Kein Problem für mich, um Mitternacht will ich eh noch nicht schlafen, aber leider haben sie den Aufenthaltsraum, in dem ich ruhig sitzen wollte, natürlich auch gesperrt. Tja, da stehe ich nun, an einem total unbequemen Tisch im Flur, darf den Leuten auf der Toilette zuhören und am PC, bei unzureichendem Licht arbeiten und alles nur, weil meine Begleiter alleine ein Hotel gebucht haben. Wenn man mich gefragt hätte, hätte ich zum gleichen Preis ein echtes Hotel zur Hand gehabt, aber der Reihe nach.
Eines der Ziele, das ich bisher nie erreicht hatte, war die alte Stadt Nikko. Eigentlich in der relativen Nähe zu Sendai gelegen, hatte ich bisher einmal mit meinen Eltern die Wahl dorthin oder an ein zweites Ziel zu fahren. Ich entschied mich für das zweite Ziel und so blieb Nikko außen vor. Da ich nun das Wochenendticket der JR-East entdeckte, keimte in mir der Plan auf, einmal noch schnell die Stadt zu sehen und heute setzte ich es in die Tat um. Zu diesem Zweck fuhr ich heute sehr früh nach Nikko, um im Anschluss noch nach Tokyo weiterzufahren und Victoria, Laura und Orsolya zu treffen. Nikko an sich ist eine relativ hässliche Stadt, die eigentlich nur noch aufgrund des Tourismus existiert. Auf der anderen Seite steht das Weltkulturerbe und der komplette Tempelbezirk. Wobei ich heute sogar eigentlich Pech hatte, da vieles gerade renoviert wird. Dazu kommt ein hohes Maß an Eintrittsgeldern, die mich das eine oder das andere Mal verfluchen ließen, nicht mit meinen Eltern hergefahren zu sein. Alle Tempel zu besuchen war so unmöglich, trotzdem habe ich mehr als genug von der Stadt gesehen. Angefangen habe ich mit einem Botanischen Garten, der schon gut aussah, aber vermutlich auch der Jahreszeit geschuldet nicht mit einigen Vertretern aus Tokyo und Kyoto mithalten konnte. Anders sah das dagegen im Weltkulturerbe aus. Diese Tempelanlage ist auch wirklich weltberühmt und sehr gut erhalten. Am bekanntesten dürfte wohl die Affenweisheit sein, nach dem Motto nichts Böses hören, sprechen und sehen – ausgedrückt mit einem Affen der sich die Ohren zuhält, einer der die Augen zuhält und einer der den Mund zuhält. Dieses Motiv dürfte wohl selbst in Deutschland hinlänglich bekannt sein.
Auch ansonsten war der Tempel sehr beeindruckend, auch wenn ich nicht verstand, wieso alle stundenlang das Motiv der schützenden Katze fotografieren mussten. Interessant war das letzte Teilstück des Tempels, das zu einer Begräbnisstätte führte. Die Stufen hier hoch waren für viele Japaner zu viel und nicht wenige mussten kurz vor dem Ziel oder bei der Hälfte schon sehr schwer atmen. Gut dass ich noch Melanies Tempo gewöhnt bin, so stellte der Anstieg kein größeres Problem für mich dar. Trotz allen Tempeln, die ich heute besuchte, war aber eine unbekannte Attraktion aus meiner Sicht viel schöner. Abgelegen und am Fluss gelegen gibt es den sogenannten Geisterweg. Dieser führt entlang an einem Tal eines Vulkanausbruchs, in dem ein strömender Fluss fließt. Entlang dieses Weges sind viele Statuen zu Ehren toter Kinder errichtet. Traditionell sind derartige Monumente aber immer sehr von Gerüchten betroffen und hier ist es auch nicht anders. Angeblich ist die Anzahl der Statuen nicht genau definierbar, weil immer welche verschwinden oder hinzukommen. Ohne nervige Touristen, eingerahmt von der schönsten Natur, hat sich der Besuch des noch einmal 30 Minuten vom eigentlichen Tempel entfernten Flusses auf jeden Fall sehr gelohnt.
Anschließend ging es mit dem Zug dann nach Tokyo. Neben der Jugendherberge gab es noch das Problem, uns gegenseitig zu finden. Gar nicht so einfach, da die Damen mir falsche Orte nannten und immer in Bewegung waren. Ganze vier Stunden habe ich deshalb zum Auftreiben von ihnen benötigt, ehe es noch so ein wenig durch die Stadt ging. Nikko war aber das wirkliche Highlight des heutigen Tages.