Die Früchte des Kommerzes

Man sollte meinen, dass Deutschland ein fortschrittliches Land ist. Aber in einigen Bereichen könnte unser Land noch Nachhilfe bekommen. Den Beamtenapparat, über den Japan verfügt, habe ich ja schon angesprochen, aber einen Luxus muss ich noch unbedingt erwähnen. Heute, an diesem sonnigen Sonntag, wollte ich eigentlich nur regenerieren. Dies war, nachdem ich ab 5 Uhr morgens mit Mohammed El Classico im Internet verfolgt habe (Real Madrid gegen FC Barcelona für die Nichtfussballfans), eigentlich auch dringend erforderlich. Daraus wurde leider nicht viel. Wie der geneigte Leser schon gehört hat, ist das Besorgen des neuen Handys ja leider etwas daneben gegangen. Deshalb werden Orsolya, Laura und ich am Montag einen neuen Versuch unternehmen. Dazu müssen wir aber alle mit Rädern ausgestattet sein und daran haperte es noch. Dementsprechend nutzten wir heute den Luxus des verkaufsoffenen Sonntags.

Wenn es in Deutschland heißt, der wird nicht gestattet, da eh nicht genug Kunden kommen, kann ich echt nur den Kopf schütteln. Die ganze Stadt war überfüllt. So viele Leute habe ich in der Innenstadt von Sendai in der ganzen Zeit noch nicht gesehen. Das Angebot wurde dankend angenommen und ausgenutzt. Es ist aber auch wirklich entspannend, an einem Tag, wo eh nicht viel ansteht, noch mal loszuziehen. Dank unserer Erfahrung schafften wir es auch schnell, unsere Finnin mit einem Rad auszustatten und danach noch die vielen Köstlichkeiten, die in der Stadt feil geboten wurden, anzuschauen. Gefüllte Teigtaschen (Anko, Creme, Sakura?), Oktopusbällchen und andere Spezialitäten warteten auf den Mutigen. Wir können es auf jeden Fall nur weiterempfehlen. Wenn ich gerade bei Luxus bin: Einen zweiten Luxus stellen die Öffnungszeiten dar. Wo Göttingen mit seinem bis 24 Uhr geöffneten REWE fast ein Novum darstellt, sind in der Nähe unseres Wohnheimes alle Conbinis und 43 Supermärkte 24 Stunden geöffnet. Es geht nichts über eine Runde Lebensmittel einkaufen, um 1 Uhr morgens!

Trotz allem war der Tag aber schnell zu Ende und da Orsolya mein Internet und damit meinen PC besetzte, hatte ich Gelegenheit, mich mit dem japanischen Fernsehen bekannt zumachen. Was soll ich sagen, alle Vorurteile stimmen. Neben den unvermeidlichen Animes, über deren Qualität ich mich nicht auslassen möchte, wird das Programm von drei Stützpfeilern gehalten:
Der erste stellt die News-Sendung dar. Dieses Sendeformat unterscheidet sich auch noch. Es gibt die traditionellen News (ähnlich Deutschland), häufiger aber noch gibt es die weniger traditionelle Art. Dabei steht ein Anchorman vor einer großen Zeitung, liest vor und interpretiert die Artikel. Man stelle sich vor: Günther Jauch steht vor einer riesigen „Bild“ und beschreibt, was darin steht.
Ein zweiter Pfeiler sind die Dramen. Japaner haben ebenfalls die Soaps für sich entdeckt, nur dass deren Versionen kürzer sind und dafür auch in den verschiedensten Epochen spielen. Man kommt gar nicht um die Samurai-Filme herum. Gleichzeitig sind die Schauspieler aber oftmals genau so hölzern, wie ihre deutschen Gegenstücke.
Und der dritte Typ ist die unvermeidliche Spielshow und Comedy-Abklatsch. Dabei kann alles passieren. Japaner herabwürdigen sich bis zum Tiefsten, um sinnlose Preise zu gewinnen und machen Witze, wo ein Bully in Deutschland noch richtig Niveau hat. Schwulen-Witze sind genau so gerne gesehen, wie Witze auf Kosten von Minderheiten. Dabei stellt aus meiner Sicht dieser Stützpfeiler gleichzeitig den größten Anteil am Fernsehprogramm dar.

Auf jeden Fall ist es ein Erlebnis, japanisches Fernsehen zu schauen. Allen, die sich dafür aber aufgrund der Animes interessieren, muss ich aber sagen, dass diese meistens zu unchristlichen Zeiten kommen. Dementsprechend ist ein Fernseher hier auch kaum nötig. Wirklich anspruchsvolle Sendungen habe ich bis jetzt noch nicht entdecken können und ein Japaner bestätige mir auch, dass es sich um die Standardsituation im japanischen Fernsehen handelt. Jetzt aber genug vom japanischen Fernsehen, morgen wird ein sehr stressiger Tag und deshalb bis bald.

Paaaaarty

Es ist Samstag und die erste Woche ist fast überstanden. Endlich kann das kommen, was Studenten am besten können – Party machen. O.k., ich eigentlich direkt nicht, aber ich werde üben. Eigentlich standen für den heutigen Tag drei Willkommenspartys an. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nur eine miterlebt habe.

Die erste Party sollte zwischen 10 und 11 Uhr starten, genauere Informationen hatte ich leider nicht. Dementsprechend hieß es: 10 Uhr im Internationalen Haus auftauchen. Bin ich dann auch, nur irgendwie war kein anderer da? O.k., habe ich halt wieder was falsch verstanden, soll bei mir ja öfter vorkommen. Also zurück nach Hause und die Deutschen zwei Etagen unter mir fragen. Deren Meinung: „Party, um 10 Uhr, die spinnen doch! Nee, weiß ich nichts von, ich geh wieder pennen“. Das konnte ich zwar gut nachvollziehen, es half mir aber leider auch nicht weiter.

Also schnell mal Post checken. Das ist eigentlich kein größeres Problem, wenn da nicht das Safe-Schloss wäre (mit einer Kombination, die ich nie hin bekomme). Also Göttinger Schule genutzt und durch den Schlitz geschaut. Tatsächlich, ich hatte meine erste Post: Na ja, eigentlich war es eine Nicht-Anwesenheits-Meldung – aber immerhin Post. Die Meldung sah auch gleich um einiges komplexer aus, als alles, was ich aus Deutschland gewöhnt bin. Zweiseitig, mit vielen angekreuzten Feldern, die ich wohl verstehen sollte. Also erst mal die Japaner aus meiner Etage fragen. Es freut mich, dass die genau so verwirrt waren wie ich.
Zum Glück stand unten gerade der Postangestellte bereit und wollte Pakete ausliefern. Als er an mir vorbei lief, riss er mir gleich den Wisch aus der Hand und redete in Japanisch auf mich ein. Das kann ich natürlich auch und hielt auf Englisch dagegen. Ergebnis war ein großes Durcheinander, dass eine arme japanische Passantin mühsam aufklären musste. Ergebnis war, dass ich morgen mein Paket bekomme und mir sogar die Uhrzeit ganz genau aussuchen kann – sehr gut.

Endlich war es nun auch 14 Uhr und diesmal fand ich auch die Party. Mohamed und Orsolya hatten mich auf der ersten Party schon verzweifelt gesucht. Bei mehreren Leuten musste ich mein Nichterscheinen rechtfertigen. Dabei hatte ich nicht mal offiziell die Information, dass ich überhaupt hingehen soll. Leider scheint mein Stundenplan, mit dem die ersten zwei Wochen meines Aufenthaltes durchorganisiert sein sollen, schon am 7.4. zu Ende zu sein. Damit fehlt eine ganze Woche. Auch meine Fakultät meinte auf Nachfrage nur: „Mach einfach das, was auf dem Plan steht. Mehr können wir dir auch nicht sagen.“ So bin ich also auf mich allein gestellt und werde mich einfach immer den anderen anschließen. Auf jeden Fall hatte ich am Morgen offensichtlich die anderen um wenige Minuten verpasst, als sie vom Treffpunkt aus in ein anderes Gebäude gingen. Egal, das Essen hätte mich zwar gereizt, aber ich habe es auch ohne überlebt.

Also diesmal aber wirklich: Paaaaarty (oder so was Ähnliches). Als Erstes gab es einige Spiele, die das Kennenlernen erleichtern sollten. Bei einem der Spiele stellte sich heraus, dass ich der größte Neue bin, dicht gefolgt von einem Polen mit 1.935 cm (eine Japanerin hat uns beide genau gemessen – sie stand dazu übrigens auf einem Sofa). Die Party wurde noch ziemlich lustig. Es wurde Essen gereicht und in diesem großen Raum herrschte ein riesiges Durcheinander an verschiedenen Sprachen vor. Als Erstes unterhielt ich mich mit einer Türkin (glaube ich jedenfalls). Diese ist am Kunstgeschichtslehrstuhl und auch komplett falsch. Dementsprechend habe ich wenigstens eine nette Leidensgenossin. Auch andere nette Leute, wie der Pole oder Laura, eine Finnin, wurden in das Gespräch eingebunden.
Viel kurioser waren aber eher zwei andere Begegnungen: Bei Nummer eins handelte es sich um eine Japanerin der Philosophischen Fakultät. Offensichtlich wurde die Information eines Deutschen mit langen Haaren an die Fakultät und damit an sie weitergereicht. Sie kam schnurstracks auf mich zu und erzählte mir auf Japanisch und Englisch etwas von einem Fakultäts-hanami und dass sie eine Koordinatoren der Fakultät ist (denke ich jedenfalls). Es ging so schnell und mit so vielen Informationen, dass ich mir nicht all zu sicher bin. Sie hätte mich auch in eine Sekte aufnehmen können. Ich glaube, ich hätte es nicht gemerkt. Die zweite Begegnung verdanke ich Daniel. Auf einmal kam eine Japanerin zielgerichtet auf mich zu, zeigte mit dem Finger auf mich und schoss los: „Du bist Reik, kommst aus Deutschland, aus Göttingen und bist ein Freund von Daniel.“ Mein Gesicht muss göttlich ausgesehen haben und auch die um mich herumstehenden Leute haben gewaltige Augen gemacht. Wer erwartet auch so eine Begrüßung? Erst als sie Daniels Namen erwähnte, ging mir langsam ein Licht auf. Meine Frage, was Daniel alles über mich berichtet hat und den Einwurf, dass alles Schlechte eine Lüge ist, hat sie leider nicht verstanden. Auf jeden Fall Respekt Daniel: du musst sie ja so vorbereitet haben, dass sie mich sofort erkannt hat. Ich will gar nicht wissen, was für ein Dossier da vorher verschickt wurde, sie war auf jeden Fall sehr informiert.

Nach der Feier ging es dann noch zum Essen. Wir wollten nur als kleine Gruppe von 4 Leuten gehen, aber auf einmal waren wir 16 Personen. Ziel sollte ein Italiener mit 20 Plätzen sein. Die Invasion der Ausländerhorde hat den Italiener auf jeden Fall sehr überrascht und das kleine Kind von zwei Jahren, dass sich gerade auf seine Nudeln gefreut hat, total verängstigt. Muss aber auch erschreckend sein, wenn da auf einmal eine laute Truppe Gajins in komischen Outfits und langen Nasen aufschlägt. Sehr schön, da fliege ich zehntausende Kilometer, nur um wieder italienisch zu essen. Zum Glück war es aber nicht so schlimm, denn es handelte sich aus unserer Sicht eindeutig nicht um italienisches Essen. Eher würden die Anwesenden behaupten, dass es sich um einen Japaner mit italienisch angehauchtem Essen handelte. Nudelauflauf mit Reis und aus deutscher Sicht Minipizzen mit riesigen Scheiben Schinken drauf, so dass man den Käse nicht sieht, gehören aber aus meiner Sicht nicht zum Standardrepertoire eines Italieners.

Egal, wir hatten unseren Spaß und die halbe Welt hat ihre Handynummern ausgetauscht (bis auf die paar Unglücklichen ohne Handy). Ich selber habe kulturellen Austausch mit den Finnen vollzogen und muss sagen, ihre trockene Haltung zu solchen Exzessen passt zwar gar nicht zu Japan, war heute Abend aber wirklich erfrischend. Aufgrund dieses dann doch etwas längeren Essens, ging es dann doch nicht mehr zu der dritten Party, die ich mir dann vermutlich morgen anschauen werde. Aber mal schauen, die eine Party hat für heute auch vollkommen gereicht.

The number you have called is temporary not available!

Mhh, wie war das gestern? Der Handykauf steht also heute an. Wird ja ziemlich einfach werden. O.k. Treffpunkt 16 Uhr am Bahnhof, noch kleineres Problem, aber was mache ich bis dahin? – So in etwa sahen meine heutigen Morgengedanken aus.

Zum Glück schaffte Orsolya es schnell, mich abzulenken. Mit den neuen Rädern ging es gleich erst mal in die Stadt. Das sollte man sich nicht zu leicht vorstellen. Die Tatsache, dass wir uns wie immer leicht verfahren haben, ist beim Fahrradfahren in Japan eigentlich noch das geringste Problem. Japan ist ein Land der Regeln. Hier wird das Alltagsleben vermutlich noch viel stärker reglementiert als in Deutschland. Eigentlich sollte man deshalb davon ausgehen, dass Fahrräder eine sichere Fortbewegungsart sind. Dabei hat man dann aber nicht mit den Japanern gerechnet. Die Tatsache, dass es hier Linksverkehr gibt, stellt für den gemeinen Europäer schon mal die erste große Herausforderung dar. Oft passiert es, dass man auf der falschen Seite fährt und nur noch die wild fahrenden Taxis auf sich zukommen sieht. Oder man erlebt einen der wild gewordenen Busfahrer, die alles für die Pünktlichkeit tun. Aber zu unserer Beruhigung kennen offensichtlich die Japaner ihre Verkehrsregeln selber nicht. Wir haben durch Beobachtung versucht heraus zu bekommen, wie wir denn nun eigentlich fahren müssen. Nur leider fahren die Japaner meist da, wo sie gerade sind. So kann es einem schon mal passieren, dass auf einer Straße links ein Japaner fährt und rechts ein anderer. Das nächste Problem stellen dann die Ampeln dar. In Deutschland stehen die Fußgängerampeln schön geordnet, im Sichtfeld des zu überquerenden Überwegs. In Japan stehen sie schon gerne mal fünf bis zehn Meter weiter in die Tiefe und die immer vorhandenen Fußgängerüberwege weisen auf die Möglichkeit hin, die Straße einfach so zu überqueren. Wie oft wir durch diesen Fakt schon bei Rot rübergegangen und -gefahren sind und noch das laute Quietschen der Transporter gehört haben, will ich lieber gar nicht zählen.
Hat man es trotz aller Widrigkeiten doch noch bis in die Stadt geschafft, kann man dann dort auch gleich schieben. Japaner nutzen ungern ihre Klingeln und fahren langsam hinter dem Fußgänger her. Gleichzeitig lassen sie sich gar nicht erst aus der Ruhe bringen und blockieren alles. Parken kann man eigentlich auch vergessen, dies sollte normalerweise in einer der 4 Fahrradtiefgaragen stattfinden. Als geiziger Student kann man natürlich auch nach einem Versteck suchen, aber so einen Platz zu finden, ist fast unmöglich. Die Leute schaffen es auf jeden Fall, einen Fahrradhaufen – wie vor dem Bahnhof in Göttingen – zu verhindern. In diesem Zusammenhang bewieß uns Amanda gestern eindrucksvoll, dass man aufpassen sollte. Obwohl nur ganz leichte Dämmerung war, wurde sie in Begleitung einer zweiten Person angehalten und die zweite Person bekam einen Strafzettel, wegen nicht funktionierenden Lichts. Amanda dagegen konnte sich gerade noch herausreden, warum sie ihre Alien Card und den Reisepass vergessen hatte.

Nachdem wir sicher in der Stadt angekommen waren, ging es zum Shoppen. Ziel waren Anziehsachen, so dass wir endlich mal in die unbekannten Gefilde japanischer Modehäuser kamen. Das war ein ziemlich seltener Anblick. Sehr anstrengend ist erst mal die Tatsache, dass man, selbst wenn man nur an einem Laden vorbei geht, gleich begrüßt wird. Normalerweise kein Problem, nach 10 Etagen kann das aber leicht nerven. Gleichzeitig haben wir uns die moderne Mode Japans angesehen. Japaner lieben dabei zwei Sachen: wilde Farben und ausländische Schrift. Oftmals findet man an jeder Ecke deutsche oder französische Schrift mit vielen Rechtschreibfehlern. Das ist der Beweis, dass sich in Deutschland niemand über Kanjitattoos beschweren kann – andere Länder können es auch nicht besser. Die wilden Farben zeigen sich besonders bei Männern. Soviel Neonpink, wie in der Kleidung verarbeitet wird, gibt es in Europa kaum in allen Ländern zusammen. Aber auch die anderen Kleidungsstücke für Männer sind nicht zu verachten: Schuhe mit Absätzen, Plateauschuhe und Cowboyhüte runden das Gesamtbild ab. Wenn der geneigte Leser nun davon ausgeht, dass dies ein besonderer Shop war, den muss ich enttäuschen. Es handelte sich um den verdammt edlen und teuren Parco-Einkaufspalast. Diese Art von Bekleidung kann man zu meinen Leidwesen auch auf der Straße vermehrt sehen und dabei handelt es sich noch nicht um die Subkulturen, wie Gothic Lolita. Man kann eindeutig sehen, dass es bei jungen und auch bei älteren Japanern wild zur Sache geht, wenn sie sich ihrer Uniformen entledigen können.


Unser Trip war dann doch endlich erledigt und es ging weiter zum Handyshoppen. Nachdem wir ein „super“ übersetztes Verkaufsblatt durchgelesen hatten (z.B. 1. Seite Minimum Prix = 4000 Yen, 2. Seite Maximum Prix = 4000 Yen, das Ganze für den selben Vertrag) stellte sich heraus, dass die meisten von uns irgendwelche Unterlagen vergessen hatten und ihr Handy erst später besorgen können. Eine Farbe konnten wir uns wenigstens schon aussuchen. Es gab Neongrün, -blau, -pink und die normalen Farben Weiß, Schwarz und Rosa. Blau war ausverkauft, so wird es für mich vermutlich Schwarz werden. Immerhin, die Anleitung zur Bedienung, die das @home-Team geschrieben hat, habe ich schon mal. Ist ja wenigstens etwas!

Immerhin zwei von zehn Personen haben heute ihr Handy bekommen und dürfen im ersten Monat knapp 40 Euro Gebühr zahlen. Erst im zweiten Monat kann man auf einige der Zusatzdienste verzichten. Ein sehr teurer Spaß, der aber immerhin eine Flatrate zu anderen Nutzern der Firma erlaubt. Dafür habe ich mir, als Ausgleich für das noch nicht vorhandene Handy, ein DS-Kanjiprogramm geholt. Dieser sehr sinnvolle Tipp von Daniel hat sich als goldrichtig erwiesen und erlaubt es mir, eine Kanjidatenbank für weniger als die Hälfte des normalen Preises zu bekommen. Dies ändert nichts daran, dass ich am Montag nochmal hingehen muss. Trotzdem ist der Laden sehr lustig. Er ist zwar nicht gerade billig, aber ansonsten typisch Japan. So standen extra Werber im Laden, die lautstark den ganzen Laden beschallten und einige Produkte des Ladens bewarben. Dadurch entwickelte sich ein schöner Spießrutenlauf durch den Laden. Weiterhin konnte man gut beobachten, wie sich ein Verkäufer vor und auch nach der Übergabe des Wechselgeldes seine Hände desinfizierte. Wobei das Desinfizieren eh ein Thema für sich ist. Vor jedem Laden und selbst in unserem Haus stehen Desinfektionsmittel herum, damit die Leute, die das Gebäude betreten, keine Krankheiten übertragen können. Irgendwie benutzten die Ausländer sie aber eh nie.

So, morgen wird dann der Tag der Willkommenspartys. Mal schauen, wen ich noch so sehe.

Ps.: Nicht schlecht staunte ich, als ich Steffen aus Göttingen in einem Handbuch des @home-Teams sah. Er scheint hier ja sehr bekannt zu sein.

I want to ride my bicycle

Heute stand ein freier Tag an – mal keine Beamten ärgern oder Uni-Bereiche durcheinander bringen. Das galt es zu feiern. Was könnte man also besseres machen, als shoppen zu gehen. Gut, erst mal durfte ich wegen Zeitmangel mit den Taxis der Stadt Bekanntschaft machen. Aber die Fahrt zur Uni stellte kein Problem dar. Danach ging es mit meiner ungarischen Begleiterin auf die Suche nach Fahrrädern. Dies war wieder mal leichter gesagt als getan. Gestern hatten wir uns ja auf einer Karte die Wege zu den Läden markieren lassen, nur leider lagen diese in alle vier Himmelsrichtungen verstreut. Busfahren klappt ohne anständige Fahrplanübersicht nicht wirklich, also ging es zu Fuß erst mal einmal quer durch die Stadt. Bei der Suche galt es dann, einige Anforderungen einzuhalten:

1) Das Fahrrad soll keine Kindergartengröße haben.
2) Das Rad soll nicht komplett geschrottet sein.
3) Kein Pink als Farbe.
4) Preise über 200 Euro sind zu viel.

Dementsprechend klein war natürlich die Auswahl. Besonders die Punkte 1 und 4 stellten trotz teilweise vorhandenen Gebrauchträdern ein Problem dar. Also gingen wir lieber erst mal Ramen (japanische Nudeln) essen. Gut wir wussten nicht wirklich, was wir bekommen und wie es schmeckt. Aber hey, man gewöhnt sich doch langsam dran. Als wir das Restaurant betraten, drehte sich der ganze Laden zu uns um. Es waren übrigens nur Geschäftsleute und Verkäufer drin. Dann haben wir am Platz gefachsimpelt, was das Kanji auf der Karte nun bedeuten könnte und dann anschließend auf gut Glück bestellt. Die Nachfragen der Verkäufer, ob das Essen denn gut sei, kann ich ja noch verstehen. Aber dass sämtliche Besucher des Ladens uns beim Rausgehen wie beim Spießrutenlauf fragten, musste eigentlich nicht unbedingt sein.

Egal, gestärkt ging es weiter zum nächsten Fahrradladen. Dieser Laden hatte neben Fahrrädern auch noch alles, was man sonst so braucht (oder auch nicht). Nur leider war die Warenanordnung in einer Art und Weise, wie ich sie noch nicht gesehen habe. Shampoo lag neben Tierkleidung, Cosplay neben Anzügen und Aufklebern mit eisernem Kreuz und Hakenkreuz drauf. Das ganze war schon ziemlich seltsam! Dazu dudelte noch japanischer Pseudo-Pop und die Hauptfarbe war das allgemein vorherrschende Pink. Aber die Preise waren schon o.k.. Die Frage ist nur, wer sich bitte in diesem Laden freiwillig auf Irrfahrt begibt. Wir waren auf jeden Fall so verwirrt, dass wir nicht mal die Kasse gefunden haben. Erst zweimaliges Nachfragen führte uns zur Kasse. Also hieß es: „nur schnell raus da“. Dann ging es mit der Radsuche weiter. Zwischenzeitlich hatten wir Orsolya ein Rad ausgesucht, aber ich war immer noch nicht weiter gekommen. Im letzten Laden und nach knapp 10 Stunden Suche wurden wir endlich fündig. Zwar gab es keine 28er Räder, da diese in Japan nicht produziert werden, sondern nur 27er. Aber die Sitzprobe hat ergeben, dass man bei der höchsten Einstellung des Sattels (aber wirklich bis zu dem Punkt, wo absolut nichts mehr geht), fast drauf fahren kann. Gut, ich werde von der jungen Dame noch teilweise ausgelacht, weil es trotz allem ziemlich komisch aussieht, aber egal. Besser hätte mir zwar noch ein Mountainbike gefallen, das angeblich sehr groß war, aber ein normaler Europäer hätte aus meiner Sicht nicht drauf gepasst. Selbst mit Sattel ganz oben und allen Tricks sah es aus, als ob ich ein Kinderfahrrad fahren würde. Das heißt, ich habe mich entschieden und bin damit jetzt endlich mobil – und das auch noch in blau. Das Rad ist zwar älter und hat einige Schrammen, aber es fährt und bremst, mehr brauche ich auch nicht wirklich. Lustig war noch die Registration. Man muss sein Rad bei der Polizei anmelden. Mach das mal, wenn du deine Adresse nicht kennst und der gegenüber dich nicht versteht! Mit Händen und Füßen und Karten erklärten wir den Wohnort. Aber ich glaube, die Polizei darf mich nie anhalten, weil ich annehme, dass trotzdem das Falsche herausgekommen ist.

Was will der Mensch mehr? Ja, schon so einiges, aber man muss sich ja mit den einfachen Dingen zufrieden geben. Anschließend wurden noch schnell die normalen Dinge für die nächsten Tage eingekauft. Dabei habe ich mich dann heute zum Crêpe überreden lassen. Dann ging es und endlich nach hause. Auf den Weg dorthin wurde auf der Straße Tee verteilt. Ein perfider Plan, kann ich euch sagen. Anstelle einer Erfrischung gab es den absoluten Zuckerschock. Wie die Japaner aber wirklich alles per Zucker noch süßer machen können, als es sowieso schon ist, muss man mir erst mal erklären.

Abendessen

Abendessen

Auf dem Heimweg stießen wir dann noch auf Mohamed und wir beschlossen, noch gemeinsam in meinem Wohnheim zu essen und einen schönen Abend zu verbringen. Wir haben uns ein Soba-Gericht selber zubereitet und dann gleich verdrückt.

Dabei bin ich auch das erste Mal auf den Hausältesten gestoßen. Mir wurde später nur berichtet, dass er schon aufgeregt zur Tür geschaut hat, als er von Orsolya erfahren hat, dass ich da bin. Nach der Begrüßung musste ich mir einen Erguss an Informationen anhören: über sein Leben, sein Schaffen und sein Werden. Dieser Mann ist auch gleichzeitig der Beweis, das man Japanern das Alter nicht ansieht. Er ist 28 Jahre alt und man denkt, er ist maximal 21. Das Geheimnis des Nicht-Älter-Werdens werde ich noch raus bekommen und dann teuer an alle, die es interessiert, weitergeben.

Morgen geht es dann zum Handy-shoppen. Dann bin ich endlich soweit ausgerüstet und „mobil für alle Lebenslagen“.

Die Polizei, dein Freund und Helfer?

Heute war ein seltsamer Tag. Nichts hat wirklich geklappt, lustig war er trotzdem irgendwie. Dabei fing alles so gut an. 9 Uhr war unser Treffpunkt beim kostenlosen Shuttlebus zur Uni angesetzt (ja Daniel, nachdem du weg bist, wurde aufgerüstet). Blöd nur, dass von 4-5 geplanten Personen ganze 2 erschienen. Also ging es für Orsolya und mich ab in Richtung Uni. Im Bus fielen mir gleich die langen Typen neben mir auf. Sie versuchten doch glatt, in einer hier unbekannten Sprache Informationen auszutauschen, die die Englisch sprechende Welt nicht verstehen sollte. Also hab ich erst mal mitgemischt. Es handelte sich um zwei Deutsche aus Frankfurt und Berlin, die im selben Haus wie ich wohnen. Eigentlich wollten wir alle an dem Sprachtest teilnehmen. Aufgrund des größeren Andranges entschieden wir dann aber doch lieber, nächste Woche unser Glück zu versuchen.

Deshalb wurde dann festgelegt, dass wir die eigentlich angesetzte Suche nach Fahrrädern in die Tat umsetzen. Kein Problem, nach einstündigem Fußmarsch befanden wir uns an der Touristeninfo, wo wir ja mittlerweile Stammgäste sind. Wir ließen uns die Läden, in denen es gebrauchte Fahrräder gibt, in einen Stadtplan einzeichnen. Dann ging die Fahrradsuche los. Zwischenzeitlich habe ich die Hoffnung fast aufgegeben, dass ich ein Fahrrad finde, das auch nur ansatzweise auf die Körpergröße eines Deutschen geeicht ist. Dementsprechend wird sich die Suche wohl noch weiter hinziehen. Irgendwie sind eh 90 Prozent der Räder so gebaut, dass selbst unsere zierliche Amerikanerin arge Probleme mit ihnen hat. Die anwesende japanische Verkäuferin hätte sich auch laut eigener Aussage geweigert, eines der vorhandenen Räder an mich zu verkaufen, da dies zu unsicher geworden wäre.
Dann ging ich doch lieber schnell in die Bank, um meine Wohnung zu bezahlen. In Deutschland hieße dies: Geld aufs Konto einzahlen, Überweisung ausfüllen und Thema zu Ende. In Japan hieß es das anfangs auch, in der Umsetzung scheiterte es aber. Nachdem ich das Geld eingezahlt hatte, musste ich ein Stück Papier unterschreiben und bekam das Geld für die Wohnung in bar auf die Hand. Dann musste ich zum Automaten gehen, um es wieder einzuzahlen, aber auf das Konto des Wohnheims. Ich hab mich dann extra erkundigt, wozu der erste Schritt notwendig war, aber auf den bestehen sie. Na gut, diese Prozedur hat ja nur 30 Minuten und die Nerven zweier Angestellter gekostet. Wenn das so weitergeht, werden die Japaner in einem Jahr ein riesiges Fest geben, wenn ich weg muss. Man sieht ihren Gesichtern immer wieder den Schreck an, wenn ein Gaijin auf sie zukommt und ihnen Fragen stellt. Sie könnten ja bei einer falschen Antwort ihr Gesicht verlieren.


Aber gut, da das mit den Fahrrädern dann doch irgendwie nichts geworden ist, hieß es Abschied von Orsolya zu nehmen und auf zum Campus. Das erste Gespräch mit meinen betreuenden Professor stand auf dem Programm. Wir erinnern uns: Ich befinde mich aus ungeklärter Ursache bei den Germanisten Sendais und mein betreuender Prof ist nebenbei noch als Übersetzer von deutschen Büchern tätig. Wie kam ich da nur auf die Idee, jemand könnte mich verstehen? Dieser Trugschluss wurde auch ziemlich schnell geklärt. Der Prof kann ein wenig Deutsch und wenn man richtig langsam spricht, versteht er sogar etwas. Der Rest der Truppe kann überhaupt kein Deutsch, bis auf guten Tag. Wäre ja auch zu schön und zu einfach gewesen! Also ran an den Feind und dem Prof über eine halbe Stunde meine Studienziele für das nächste Jahr erklärt. Das Ergebnis war, dass er entsetzt die Augen verdrehte und mich gleich an die Sozialwissenschaftler weiterleiten wollte. Nicht nur, dass die japanische Geschichtsschreibung laut seiner Aussage nur bis maximal 1950 geht und die ausländische Geschichte maximal in den Sprachkursen vermittelt wird. Auch meine geplante Untersuchung der japanischen Generationsgeschichte war nicht mal dort zeitlich richtig eingeordnet. Nach einiger Überzeugungsarbeit bekomme ich jetzt einen Tutor, der mir helfen und auch als Übersetzer/Tandempartner fungieren soll und bleibe auch sonst bei dieser Abteilung der Philosophischen Fakultät. Gut, der Tutor wird gezwungen, bisher haben die Befragten nicht gerade mit Begeisterung reagiert, aber das ist ja nicht mein Problem. Mein Prof hat auf jeden Fall Pluspunkte bei mir gesammelt. Er kennt Magdeburg und die dazugehörigen Ereignisse im Dreißigjährigen Krieg – damit war er der Erste mit solchen Kenntnissen.

Gleichzeitig fand heute noch die Orientierungswoche für japanische Studenten statt. Das muss man sich wie in Deutschland vorstellen. Die Betroffenen laufen durch die Seminare und befragen ihre möglichen Dozenten. Unterschied ist nur, dass draußen vor der Tür die einzelnen Clubs lautstark Werbung machen. Wozu hat man schon mal einen Deutschen im Raum? Sofort wurde ich von meinem Prof eingesetzt, um denen gleich die Vorteile des Deutschstudiums, der deutschen Kultur, meiner Heimat, des deutschen Sports und des deutschen Biers näher zu bringen. Erst hatten die meist jungen Damen eine Heidenangst davor, mit mir zu erzählen. Da ich aber erklärt habe, dass ich nur unter bestimmten Umständen beiße, entwickelte sich doch noch ein Gespräch. Nachdem sie dann meine Größe heraus bekommen hatten, kamen sie gar nicht mehr zur Ruhe und löcherten mich mit Fragen über Deutschland und die Menschen dort. Aber egal, solange in nächster Zeit mehr Touristen aus Japan nach Magdeburg kommen, habe ich mein Ziel erreicht. Meine Kollegen selber sind schwer einzuschätzen. Einer hat selbst beim Englisch reden nach wenigen Sekunden aufgegeben, einem war es peinlich, mir kurz vorher bei der Frage nach dem Weg nicht geholfen zu haben und der dritte hat nur nach Fußball gefragt. Mal schauen, ob ich die nicht noch näher kennenlernen kann.

Nach dem ernüchternden Ergebnis, wollte ich etwas Ruhe haben und dachte, ich laufe zurück ins Wohnheim. Nebenbei gesagt: blöde Idee, ohne Karte und Navi. Also, wie erwartet bin ich am Arsch der Welt raus gekommen. Jedes Buch über Japan, das etwas auf sich hält, verweist in diesem Fall auf die Polizeistation nebenan. Die netten Polizisten werden dann den Weg zeigen. Gesagt, getan und nachgefragt. Und schon wurde ich wieder in die Richtung zurück geschickt, aus der ich gerade gekommen war. Das konnte nicht richtig sein. Also ist die Polizei in Sendai auch nicht viel kompetenter als die in Deutschland. Aber ihre vorgedruckten Karten mit Bildern, die den Ausländern zeigen können was das Problem ist, finde ich cool. Also habe ich doch lieber weiterhin Passanten gefragt und schon wurde mir ein Bus zur Rettung gezeigt. Der ältere Herr hatte sogar schon für den Notfall das Kleingeld gezückt, falls ich nichts habe, um fahren zu können. Das konnte ich dann doch dankend ablehnen. Gut, das „dankend ablehnen“ beinhaltete, dass er 10 Minuten mit mir auf den Bus wartete und das Geld erst weg steckte, als ich selber bezahlt hatte. Er hatte es zwar verstanden, wollte aber auf Nummer sicher gehen. Fünf Verbeugungen später war ich dann im Bus und konnte endlich gepflegt auf Umwegen nach Hause fahren. Dort habe ich dann noch die Niederlage Japans gegen Serbien gesehen, über das TV-Programm den Kopf geschüttelt (das ist aber ein extra Kapitel für sich) und Missionierungsarbeit gegen Schweinsteiger und für Bauer gemacht. Also alles in allem ein sehr erfolgreicher Tag, außer dass ich leicht fußlahm bin.

I“m an alien I“m a legal alien

Die ersten Tage in Japan sind immer die ereignisreichsten und spannendsten des ganzen Aufenthaltes, dementsprechend kann ich natürlich auch nicht damit geizen. O.k. gut, auf das Verschlafen am ersten Tag hätte ich locker verzichten können, doch meine vier Stunden Schlaf waren garantiert nicht daran Schuld. Aber ich berichte lieber von Anfang an. Acht Uhr morgens ging es zum Treffen mit den Auslandsbetreuern von @home. Blöd nur, wenn man fix und fertig ist und keine Lust hat aufzustehen. Die paar Minuten länger im Bett bleiben entwickelten sich schnell in ein gehetztes „Mist, ich bin spät dran“. Na ja, einer muss ja den Ruf der Deutschen als immer pünktliche Menschen vernichten, dann kann ich das auch gleich übernehmen.
Danach ging es zum Rathaus, um die Alien-Registrierungskarte abzugeben. Endlich, nach tausend sumimasen, hatten wir Zeit, um andere Menschen kennen zu lernen, die nicht nur Japanisch sprechen. Gesagt getan und erst mal Amanda (USA, Halbjapanerin, 21, Ingenieurin) und Orsolya (Ungarn, Bio, 25, kann Deutsch) kennen gelernt. Dazu hat sich auch noch Mohamed (Lybien, 27, Ingenieur) gesellt. Damit war die lustige Runde für den Tag zusammen. Gut, ich bin negativ aufgefallen, weil ich als Einziger eine vernünftige Wohnung habe. Aber das wird durch Ausgleichsbesuche der Betroffenen bei mir abgegolten. Also wurde sich flugs auf Englisch ausgetauscht. Blöd nur, dass so eine Truppe, trotz 20 zusätzlicher Studenten, natürlich Aufsehen erregt. Alle paar Minuten kam ein Japaner auf uns zu und hat uns ausgequetscht.

Irgendwie kam ich dabei nicht allzu gut weg. Natürlich war das Hauptproblem mein Name. Ist ja schon schlimm genug, dass meine Eltern einen Namen gefunden haben, mit dem schon Europäer so ihre Probleme haben. Was von meinen beiden Name der Vorname ist, war genauso unklar wie die Aussprache beider Namen. Bei Reik brechen sich alle die Zunge und mein Nachname ist meist noch nicht mal im Ansatz als der Name zu erkennen.
Weiter ging es mit dem Wohnort. Fast alle Japaner scheinen schon mal Deutschland bereist zu haben. Aber Magdeburg kennt keiner, Berlin ist schwierig und Hannover unmöglich, doch Leipzig, ja, das kennen sie alle. Ich hätte vermutlich mehr Werbung für Magdeburg oder auch Göttingen mitbringen sollen. Anstelle von Göttingen kennen sie alle nur Heidelberg.
Nach der Diskussion über den Wohnort reichte dann zu allem Überfluss noch der Hinweis auf das Geschichtsstudium und sie waren endgültig schockiert. Ich bin hier einer der ersten ausländischen Geschichtsstudenten und das wirkt doch immer noch so verwirrend, dass alle lieber das Thema oder gleich den Gesprächspartner wechseln. Es hat schon einen Grund, warum die anderen alle Naturwissenschaften studieren.

Drei Stunden und einen DVD-Austauschvertrag mit einem pakistanischen Doktoranden später, hatten wir endlich unsere Alien-Karte in der Hand. Nie stimmte der Songtext von Sting – „I““““““““m an alien I““““““““m a legal alien“ mehr. Jetzt noch schnell ein Bankkonto und Sparheft besorgt und etwas zu essen gesucht, der Mob ist hungrig.

Das @home-Team hatte sich auch ein schönes traditionelles Restaurant ausgesucht. Es gab genau zwei Hauptspeisen auf dem Plan: Tempura mit Fisch oder Schwein. O.k., wurde mein Einwurf des Vegetarier-Seins noch mit einem Herzinfarkt und „sortiere doch einfach aus“ quittiert, sorgte der Einwurf des veganen Inders (nein Lars, zu meiner Enttäuschung nicht aus dem Punjab) schnell für ein Zusammenbrechen des Betriebes. Das halbe Restaurant suchte eine Alternative fürs Essen und die Kunden halfen lautstark mit. Ich glaube, mit Fischessen fange ich besser bald an, wenn das so weitergeht. Ist eh besser, weil das, was man hier meist zu essen bekommt, oft undefinierbar ist. Wir gehen schon so weit, alle Sachen nur einmal zu besorgen und dann notfalls Warnungen auszugeben. Gleichzeitig lernte ich auch einen neuen Trick. Hat sich je jemand gefragt, wie die Japaner es zwei, drei Stunden mit verschränkten Beinen sitzend aushalten? Ich hab es versucht und kurz bevor ich aufgeben wollte merkte ich, dass unter dem Tisch einfach eine Aussparung war und man so bequem wie an einem Tisch sitzen konnte.

Weiter ging es shoppen. Der 100-Yen-Shop steckt jeden unserer Euro-Shops locker in die Tasche. Auf 6 Etagen shoppen ist schon lustig, wenn alles gleich kostet. Weiter ging es dann Eis besorgen. Das allseits beliebte Macha- und Wasabieis war genauso vertreten, wie die doch etwas ungewöhnliche Sorte „geräucherter Thunfisch“. Die Crêpes mit Eis waren dagegen für meinen Geschmack etwas zu stark von Zucker untersetzt, aber einen Crêpe ohne drei Eiskugeln und Soße wollten sie mir leider nicht verkaufen. Bei der anschließenden entsetzten Frage, ob das so ohne Eis überhaupt essbar wäre war ich nur froh, dass unsere französischen Begleiter schon weit weg waren. Allgemein kann ich auch Bananenmilch aus 100 Prozent echten Bananen und Milch empfehlen. Das es weder nach dem einen noch nach dem anderen geschmeckt hat, war natürlich purer Zufall.

Nach ausgeprägtem Shopping ging es dann zur Unterkunft zurück und Punkt 20.00 Uhr waren wir wieder in den Wohnheimen. Jetzt bleibt mir nur noch, auf meinen Datteln zu kauen, die ich den Lybiern im Austausch gegen gute deutsche Schokolade abnehmen konnte. Wenn das so weitergeht, werden wir bald auch noch als Terroristen gesucht.

Das Auftreten unserer Vierergruppe sorgte auf jeden Fall überall für ein kleineres Aufsehen. Dafür habe ich Partner für Besuche der örtlichen Fußballstadien gefunden. Ausgezeichnet, wenigstens ein kleiner Ausgleich für die Qualen einiger verpasster FCM-Spiele. Das der eine als Japaner Bayern-Fan ist, werde ich ihm aber noch austreiben müssen. Ein Schweinsteiger, sein Lieblingsspieler, ist schließlich nie besser als ein Prest oder Bauer. Aber ich habe ja noch ein paar Tage Zeit.

Wo war bitte nochmal das Bett?

Konban wa,

endlich befinde ich mich auf dem richtigen Breitengrad. Gestern dachte ich ja direkt nach meinem Blogeintrag noch kurzzeitig, dass ich noch eine Weile aus Abu Dhabi berichten kann. Ich wollte nur das Ergebnis des HSV im Internet recherchieren, da schaute mich plötzlich ein Stoppschild an. Ja, die Sportseite einer großen deutschen Zeitung mit 4 Buchstaben (und auch nur die) wird von den Emiraten blockiert. Also sind die schon etwas weiter als wir. Nachdem man aber, um ins Internet zu gelangen, öfter bestätigen musste, nichts Unrechtes zu tun, kann es einem dabei schon mal mulmig werden. Jetzt werde ich in den geheimen Unterlagen der Welt nicht nur als Hooligan geführt, sondern auch noch als potentieller Gegenspion.

Falls einer der geneigten Lesen mal über diesen Ort fliegen sollte, lasst euch nicht abschrecken und besorgt euch einen Nachtflug. Die Beleuchtung des Wüstenreichs ist wirklich beeindruckend und die gesamte Jugend im Flugzeug hing am Fenster, um Bilder von einem Schauspiel zu machen, dem Bilder nicht gerecht werden. Auf jeden Fall war uns dann allen klar, wo das Benzingeld der Deutschen landet. Eine weitere Überraschung hielt der Anschlussflug aus Abu Dhabi noch für uns bereit. Neben dem Pascha, der seine 3 Frauen nichts alleine machen ließ (sie durften noch nicht mal den eigenen Pass vorzeigen) stiegen nicht mehr wirklich viele Menschen ein. Inklusive Economy bestand der Flug immerhin aus 37 zahlenden Gästen und 7 Flugbegleitern. Leider hatte der Herr am Ticket Counter in Frankfurt es tatsächlich geschafft, mir einen Nachbarn zu besorgen. Aber o.k., davon lasse ich mich nun nicht aufhalten und einige nette Worte sowie mehrmalige Sitzproben später, saß ich wieder in der Reihe 23 der Maschine. Mir ist zwar nicht klar, warum der Platz kaum mal vergeben wird, aber ich kann ihn echt weiterempfehlen. Beim Start sitzt gegenüber eine Stewardess und aufgrund dessen hat man die dreifache Beinfreiheit. Der Service war auch wieder klasse und nach einigen interessanten Filmen befanden wir uns endlich in Japan, genauer gesagt in Tokyo.

Die Stadt ließ nichts Gutes vermuten. Trotz strömendem Regen legte sich eine Hitze über den Flughafen, die mich für das restliche Jahr schon Böses ahnen ließ. Dazu galt es noch, nicht zuletzt dank unseres Paschas, eine Stunde bei der Einwanderungsbehörde zu verbringen. Man muss schon sagen, dass man sich nicht gerade willkommen fühlt, wenn die gegenüber alle nur mit Mundschutz auflaufen, wobei der Tipp mal an deutsche Beamte weitergegeben werden sollte. Dafür hat Japan jetzt meine Fingerabdrücke und das gefühlte tausendste Bild von mir, diesmal aber mit formschönen Händen im Bild, weil ich, als er abgedrückt hat, gerade meine Haare gerichtet habe.
Nach einem relativ ereignislosen Anschlussflug, erreichte ich endlich meine neue Heimat, Sendai. Nach der Zeit im Flieger wurde das auch Zeit.

„Mhh, was meinte mein Abholservice nochmal? Mit dem Taxi zum Wohnheim fahren? Die spinnen doch, als guter Reik mache ich das selber, kostet bestimmt nur die Hälfte.“ So in etwa hat mein innerer Monolog sich nach der Ankunft angehört. Opa wäre stolz auf mich gewesen!
Also ging es los. Erst mal Touriinfo I unsicher machen. Nachdem der 1. Mitarbeiter bei meinem Anblick schlagartig ein wichtiges Telefonat führen musste, bekam ich nach 15 Minuten doch echt mal einen Hinweis, wie ich weiterkomme. Das Gerücht, dass selbst Japaner nicht mit ihrer Straßenbenennung zurecht kommen, stimmt auf alle Fälle.

19-1 Sanjo-machi, Aoba-ku, Sendai 981-0935

Gut bei einer derartigen Nummerierung, wo noch nicht mal die Postleitzahl dabei ist, würde die Post in Deutschland vermutlich schon aufgeben. Nun ging es also ab in den Zug und Richtung Sendai Innenstadt. Tja, was soll ich sagen? Gestern habe ich ja noch über das gute alte Lost in Translation gefachsimpelt und heute ging es mir ähnlich. Ich hasse es, ohne anständige Sprachkenntnisse ein Land bereisen zu müssen. Mit meinen Schriftzeichenkenntnissen bekomme ich hier aber dummerweise immer nur die Hälfte zusammen, da der wichtige Teil in mir unbekannten Kanjis geschrieben ist. Gleichzeitig werden bei Gesprächen in einer Geschwindigkeit Vokabeln auf mich losgeschossen, dass ich kaum hinterher komme. Da bleibt wirklich nur, auf den Sprachkurs zu hoffen.

Na ja, in der Innenstadt habe ich dann erst mal Touriinfo II aufgesucht und anschließend noch 7 Japaner mit der dort erhaltenen Wegbeschreibung verrückt gemacht. Kann doch nicht so schwer sein, dass man zugibt, den Weg selber nicht zu kennen. Nein, da hat man mich lieber ewig im Kreis geschickt und suchen lassen. Egal, nach einigem Hin und Her und mit Hilfe eines Studenten aus Frankreich habe ich dann doch alles gefunden.
45 Minuten DVD mit Regeln anschauen später, stand ich dann endlich in meiner Wohnung. Bei der habe ich auf jeden Fall Glück gehabt. Gut, ich darf nichts wirklich mit ihr machen, da das Wohnheim richtig strenge Regeln hat. Theoretisch darf ich noch nicht mal ein Meeting auf dem Zimmer veranstalten, aber ansonsten hat das Zimmer was. Unter anderem ein eigenes Bad mit Dusche. Und das Bad hat dazu noch eine der von mir so geliebten Supertoiletten, mit x Einstellmöglichkeiten. Ein herrliches Spielzeug, wer braucht schon Zeitschriften auf dem Klo, wenn er da alles verstellen kann? Einen kleinen Balkon habe ich auch und ansonsten 7 Mitbewohner. Die meisten sind Chinesen und Japaner, die etwas ruhiger sind und ein Ecuadorianer. Zwei Mitbewohner fehlen aber noch, ich hoffe ja auf einige Ausländer. Wobei mir mein Nachbar gleich von seinem deutschen Kumpel erzählen musste, der aus so einer tollen Stadt kommt – ein Dresdner. Nicht mal hier in Japan ist man vor dem sächsischen Dialekt sicher. Man kann auf jeden Fall mit allen gut umgehen und ich bin mal gespannt, was sich da noch alles entwickelt. Aber über das Problem mache ich mir morgen einen Kopf. Ich bin aufgrund der vielen Stunden ohne Schlaf richtig fertig und werde gleich auf mein hoffentlich richtig zusammengefaltetes Futon fallen. Mehr Bilder gibt es auch bald, wenn ich mir eine günstige Methode zum Hochladen ausgedacht habe.

Bis dahin viele Grüße nach Deutschland und lasst es euch gut gehen.

Mata ne!
Reik

Blick auf Abu Dhabi

Blick auf Abu Dhabi


Das Wichtigste hängt schon...

Das Wichtigste hängt schon...

high tech

high tech

Abu Dhabi bei Nacht

Sal?m,
hier sitze ich nun in Abu Dhabi und warte, dass mein Anschlussflug endlich erscheint. Auf „Terminal“ nachspielen habe ich weniger Lust, dazu ist mir der Ort vielleicht doch etwas zu warm.
Gut, kommen wir zum eigentlichen Thema. Heute ging es endlich los. 3 Jahre Vorbereitung und andauernd die Frage, „Warum tue ich mir das nur an?“ sind vergangen und jetzt geht es nach Sendai Japan.
Lange genug hat die Vorbereitung auf jeden Fall gedauert und gerade die Japaner hatten die Ruhe weg. Im Februar bekam ich dann doch mal den Bescheid, dass ich angenommen werde und die Visaunterlagen kamen immerhin Mitte März. Dazu wurden noch einige Fehler eingebaut, wie mich in das falsche Studienprogramm einzuschreiben. Welche Auswirkung das haben wird, muss ich auch erst mal heraus bekommen. Die Frage, warum ich mir diesen Stress antue, war auf jeden Fall berechtigt. Aber die Gründe sind vielfältig und haben mich immer irgendwie motiviert gehalten. Das Land genauer kennen lernen, das Leben in einer anderen Kultur erleben, neue Geschichtsansätze mit meinen eigenen Modellen verbinden und vieles mehr. Lieber wäre mir zwar gewesen, wenn noch jemand dabei gewesen wäre. Aber das ist ein Grund und kein Hindernis und Dennis kommt auf jeden Fall bald vorbei und bei Lars habe ich die Hoffnung auch noch nicht ganz aufgegeben. Alle anderen Leser sind natürlich auch herzlich eingeladen und lasst euch nichts erzählen, trotz aller Macken ist das Land für einen Urlaub auf jeden Fall ein großes Erlebnis.

Na gut, wie schon festgestellt lief meine Planung, wie die meisten die ich damit genervt habe wissen, doch schon etwas länger. Trotzdem habe ich die letzten Tage festgestellt, dass ich gerne noch eine weitere Woche zur Vorbereitung gehabt hätte. Dieser Gedanke kommt aber vermutlich den Meisten.

Heute, 4.00 Uhr, ging es von Rodensleben los nach Frankfurt, wo wir viel zu früh erschienen. Um 11.15 Uhr saß ich dann endlich im Flieger. Nachdem letztes Mal Air France den Zuschlag erhielt, war diesmal der Gewinner Ethiad. Ich will zwar nicht nicht den Tag vor dem Abend loben, aber die Entscheidung war nicht verkehrt. Das Flugzeug war modern, mein vegetarisches Essen super und die Multimediaabteilung steckt viele Videoverleihe in die Tasche. Wo sieht man schon so kurz nach dem Erscheinen Sherlock Holmes und Avatar und die restlichen 40 Filme waren auch abwechslungsreich. Dazu gab es noch 130 TV-Serien, wie die dritte Staffel Big Bang Theorie und andere bekannte Serien. Zu meinem Glück war der Flug auch kaum gebucht und ich wurde aufgrund meiner langen Beine zum Notausgang gesetzt. Beinfreiheit vom Feinsten und noch nette Gespräche mit der Stewardess, was will man mehr?

Nach einem sehr ruhigen Flug bin ich dann 17.00 Uhr Deutscher Zeit in Abu Dhabi angekommen und trotz Nachthimmel ist es richtig warm. Trotzdem, was man so vom Flugzeug aus gesehen hat, war schon beeindruckend. Den Ort sollte ich mir auf die zu Besichtigen Liste setzen. Einziges Manko des Fluges stellte eigentlich dar, dass ich Lost in Translation (passenderweise der 1. Film, den ich auf dem Flug sah) nachspielen konnte. Alle Sprachen konnten sie, aber nicht Deutsch. Aber gut, diese Situation wird mich wohl demnächst häufiger treffen und das arabische Englisch war auch zu verstehen, manchmal erst bei der Nachfrage, aber dann immer.

Na gut, ich bin gespannt, was mich morgen erwartet und besonders der Inlandsflug kann noch mal ein Problem darstellen, aber mal schauen.

Mit besten Grüßen in das vergleichsweise kalte Deutschland.

Ila Aliqa

Ich verlasse Deutschland.

Ich verlasse Deutschland.


Mein Flieger.

Mein Flieger.