Man sollte meinen, dass Deutschland ein fortschrittliches Land ist. Aber in einigen Bereichen könnte unser Land noch Nachhilfe bekommen. Den Beamtenapparat, über den Japan verfügt, habe ich ja schon angesprochen, aber einen Luxus muss ich noch unbedingt erwähnen. Heute, an diesem sonnigen Sonntag, wollte ich eigentlich nur regenerieren. Dies war, nachdem ich ab 5 Uhr morgens mit Mohammed El Classico im Internet verfolgt habe (Real Madrid gegen FC Barcelona für die Nichtfussballfans), eigentlich auch dringend erforderlich. Daraus wurde leider nicht viel. Wie der geneigte Leser schon gehört hat, ist das Besorgen des neuen Handys ja leider etwas daneben gegangen. Deshalb werden Orsolya, Laura und ich am Montag einen neuen Versuch unternehmen. Dazu müssen wir aber alle mit Rädern ausgestattet sein und daran haperte es noch. Dementsprechend nutzten wir heute den Luxus des verkaufsoffenen Sonntags.
Wenn es in Deutschland heißt, der wird nicht gestattet, da eh nicht genug Kunden kommen, kann ich echt nur den Kopf schütteln. Die ganze Stadt war überfüllt. So viele Leute habe ich in der Innenstadt von Sendai in der ganzen Zeit noch nicht gesehen. Das Angebot wurde dankend angenommen und ausgenutzt. Es ist aber auch wirklich entspannend, an einem Tag, wo eh nicht viel ansteht, noch mal loszuziehen. Dank unserer Erfahrung schafften wir es auch schnell, unsere Finnin mit einem Rad auszustatten und danach noch die vielen Köstlichkeiten, die in der Stadt feil geboten wurden, anzuschauen. Gefüllte Teigtaschen (Anko, Creme, Sakura?), Oktopusbällchen und andere Spezialitäten warteten auf den Mutigen. Wir können es auf jeden Fall nur weiterempfehlen. Wenn ich gerade bei Luxus bin: Einen zweiten Luxus stellen die Öffnungszeiten dar. Wo Göttingen mit seinem bis 24 Uhr geöffneten REWE fast ein Novum darstellt, sind in der Nähe unseres Wohnheimes alle Conbinis und 43 Supermärkte 24 Stunden geöffnet. Es geht nichts über eine Runde Lebensmittel einkaufen, um 1 Uhr morgens!
Trotz allem war der Tag aber schnell zu Ende und da Orsolya mein Internet und damit meinen PC besetzte, hatte ich Gelegenheit, mich mit dem japanischen Fernsehen bekannt zumachen. Was soll ich sagen, alle Vorurteile stimmen. Neben den unvermeidlichen Animes, über deren Qualität ich mich nicht auslassen möchte, wird das Programm von drei Stützpfeilern gehalten:
Der erste stellt die News-Sendung dar. Dieses Sendeformat unterscheidet sich auch noch. Es gibt die traditionellen News (ähnlich Deutschland), häufiger aber noch gibt es die weniger traditionelle Art. Dabei steht ein Anchorman vor einer großen Zeitung, liest vor und interpretiert die Artikel. Man stelle sich vor: Günther Jauch steht vor einer riesigen „Bild“ und beschreibt, was darin steht.
Ein zweiter Pfeiler sind die Dramen. Japaner haben ebenfalls die Soaps für sich entdeckt, nur dass deren Versionen kürzer sind und dafür auch in den verschiedensten Epochen spielen. Man kommt gar nicht um die Samurai-Filme herum. Gleichzeitig sind die Schauspieler aber oftmals genau so hölzern, wie ihre deutschen Gegenstücke.
Und der dritte Typ ist die unvermeidliche Spielshow und Comedy-Abklatsch. Dabei kann alles passieren. Japaner herabwürdigen sich bis zum Tiefsten, um sinnlose Preise zu gewinnen und machen Witze, wo ein Bully in Deutschland noch richtig Niveau hat. Schwulen-Witze sind genau so gerne gesehen, wie Witze auf Kosten von Minderheiten. Dabei stellt aus meiner Sicht dieser Stützpfeiler gleichzeitig den größten Anteil am Fernsehprogramm dar.
Auf jeden Fall ist es ein Erlebnis, japanisches Fernsehen zu schauen. Allen, die sich dafür aber aufgrund der Animes interessieren, muss ich aber sagen, dass diese meistens zu unchristlichen Zeiten kommen. Dementsprechend ist ein Fernseher hier auch kaum nötig. Wirklich anspruchsvolle Sendungen habe ich bis jetzt noch nicht entdecken können und ein Japaner bestätige mir auch, dass es sich um die Standardsituation im japanischen Fernsehen handelt. Jetzt aber genug vom japanischen Fernsehen, morgen wird ein sehr stressiger Tag und deshalb bis bald.