Die Polizei, dein Freund und Helfer?

Heute war ein seltsamer Tag. Nichts hat wirklich geklappt, lustig war er trotzdem irgendwie. Dabei fing alles so gut an. 9 Uhr war unser Treffpunkt beim kostenlosen Shuttlebus zur Uni angesetzt (ja Daniel, nachdem du weg bist, wurde aufgerüstet). Blöd nur, dass von 4-5 geplanten Personen ganze 2 erschienen. Also ging es für Orsolya und mich ab in Richtung Uni. Im Bus fielen mir gleich die langen Typen neben mir auf. Sie versuchten doch glatt, in einer hier unbekannten Sprache Informationen auszutauschen, die die Englisch sprechende Welt nicht verstehen sollte. Also hab ich erst mal mitgemischt. Es handelte sich um zwei Deutsche aus Frankfurt und Berlin, die im selben Haus wie ich wohnen. Eigentlich wollten wir alle an dem Sprachtest teilnehmen. Aufgrund des größeren Andranges entschieden wir dann aber doch lieber, nächste Woche unser Glück zu versuchen.

Deshalb wurde dann festgelegt, dass wir die eigentlich angesetzte Suche nach Fahrrädern in die Tat umsetzen. Kein Problem, nach einstündigem Fußmarsch befanden wir uns an der Touristeninfo, wo wir ja mittlerweile Stammgäste sind. Wir ließen uns die Läden, in denen es gebrauchte Fahrräder gibt, in einen Stadtplan einzeichnen. Dann ging die Fahrradsuche los. Zwischenzeitlich habe ich die Hoffnung fast aufgegeben, dass ich ein Fahrrad finde, das auch nur ansatzweise auf die Körpergröße eines Deutschen geeicht ist. Dementsprechend wird sich die Suche wohl noch weiter hinziehen. Irgendwie sind eh 90 Prozent der Räder so gebaut, dass selbst unsere zierliche Amerikanerin arge Probleme mit ihnen hat. Die anwesende japanische Verkäuferin hätte sich auch laut eigener Aussage geweigert, eines der vorhandenen Räder an mich zu verkaufen, da dies zu unsicher geworden wäre.
Dann ging ich doch lieber schnell in die Bank, um meine Wohnung zu bezahlen. In Deutschland hieße dies: Geld aufs Konto einzahlen, Überweisung ausfüllen und Thema zu Ende. In Japan hieß es das anfangs auch, in der Umsetzung scheiterte es aber. Nachdem ich das Geld eingezahlt hatte, musste ich ein Stück Papier unterschreiben und bekam das Geld für die Wohnung in bar auf die Hand. Dann musste ich zum Automaten gehen, um es wieder einzuzahlen, aber auf das Konto des Wohnheims. Ich hab mich dann extra erkundigt, wozu der erste Schritt notwendig war, aber auf den bestehen sie. Na gut, diese Prozedur hat ja nur 30 Minuten und die Nerven zweier Angestellter gekostet. Wenn das so weitergeht, werden die Japaner in einem Jahr ein riesiges Fest geben, wenn ich weg muss. Man sieht ihren Gesichtern immer wieder den Schreck an, wenn ein Gaijin auf sie zukommt und ihnen Fragen stellt. Sie könnten ja bei einer falschen Antwort ihr Gesicht verlieren.


Aber gut, da das mit den Fahrrädern dann doch irgendwie nichts geworden ist, hieß es Abschied von Orsolya zu nehmen und auf zum Campus. Das erste Gespräch mit meinen betreuenden Professor stand auf dem Programm. Wir erinnern uns: Ich befinde mich aus ungeklärter Ursache bei den Germanisten Sendais und mein betreuender Prof ist nebenbei noch als Übersetzer von deutschen Büchern tätig. Wie kam ich da nur auf die Idee, jemand könnte mich verstehen? Dieser Trugschluss wurde auch ziemlich schnell geklärt. Der Prof kann ein wenig Deutsch und wenn man richtig langsam spricht, versteht er sogar etwas. Der Rest der Truppe kann überhaupt kein Deutsch, bis auf guten Tag. Wäre ja auch zu schön und zu einfach gewesen! Also ran an den Feind und dem Prof über eine halbe Stunde meine Studienziele für das nächste Jahr erklärt. Das Ergebnis war, dass er entsetzt die Augen verdrehte und mich gleich an die Sozialwissenschaftler weiterleiten wollte. Nicht nur, dass die japanische Geschichtsschreibung laut seiner Aussage nur bis maximal 1950 geht und die ausländische Geschichte maximal in den Sprachkursen vermittelt wird. Auch meine geplante Untersuchung der japanischen Generationsgeschichte war nicht mal dort zeitlich richtig eingeordnet. Nach einiger Überzeugungsarbeit bekomme ich jetzt einen Tutor, der mir helfen und auch als Übersetzer/Tandempartner fungieren soll und bleibe auch sonst bei dieser Abteilung der Philosophischen Fakultät. Gut, der Tutor wird gezwungen, bisher haben die Befragten nicht gerade mit Begeisterung reagiert, aber das ist ja nicht mein Problem. Mein Prof hat auf jeden Fall Pluspunkte bei mir gesammelt. Er kennt Magdeburg und die dazugehörigen Ereignisse im Dreißigjährigen Krieg – damit war er der Erste mit solchen Kenntnissen.

Gleichzeitig fand heute noch die Orientierungswoche für japanische Studenten statt. Das muss man sich wie in Deutschland vorstellen. Die Betroffenen laufen durch die Seminare und befragen ihre möglichen Dozenten. Unterschied ist nur, dass draußen vor der Tür die einzelnen Clubs lautstark Werbung machen. Wozu hat man schon mal einen Deutschen im Raum? Sofort wurde ich von meinem Prof eingesetzt, um denen gleich die Vorteile des Deutschstudiums, der deutschen Kultur, meiner Heimat, des deutschen Sports und des deutschen Biers näher zu bringen. Erst hatten die meist jungen Damen eine Heidenangst davor, mit mir zu erzählen. Da ich aber erklärt habe, dass ich nur unter bestimmten Umständen beiße, entwickelte sich doch noch ein Gespräch. Nachdem sie dann meine Größe heraus bekommen hatten, kamen sie gar nicht mehr zur Ruhe und löcherten mich mit Fragen über Deutschland und die Menschen dort. Aber egal, solange in nächster Zeit mehr Touristen aus Japan nach Magdeburg kommen, habe ich mein Ziel erreicht. Meine Kollegen selber sind schwer einzuschätzen. Einer hat selbst beim Englisch reden nach wenigen Sekunden aufgegeben, einem war es peinlich, mir kurz vorher bei der Frage nach dem Weg nicht geholfen zu haben und der dritte hat nur nach Fußball gefragt. Mal schauen, ob ich die nicht noch näher kennenlernen kann.

Nach dem ernüchternden Ergebnis, wollte ich etwas Ruhe haben und dachte, ich laufe zurück ins Wohnheim. Nebenbei gesagt: blöde Idee, ohne Karte und Navi. Also, wie erwartet bin ich am Arsch der Welt raus gekommen. Jedes Buch über Japan, das etwas auf sich hält, verweist in diesem Fall auf die Polizeistation nebenan. Die netten Polizisten werden dann den Weg zeigen. Gesagt, getan und nachgefragt. Und schon wurde ich wieder in die Richtung zurück geschickt, aus der ich gerade gekommen war. Das konnte nicht richtig sein. Also ist die Polizei in Sendai auch nicht viel kompetenter als die in Deutschland. Aber ihre vorgedruckten Karten mit Bildern, die den Ausländern zeigen können was das Problem ist, finde ich cool. Also habe ich doch lieber weiterhin Passanten gefragt und schon wurde mir ein Bus zur Rettung gezeigt. Der ältere Herr hatte sogar schon für den Notfall das Kleingeld gezückt, falls ich nichts habe, um fahren zu können. Das konnte ich dann doch dankend ablehnen. Gut, das „dankend ablehnen“ beinhaltete, dass er 10 Minuten mit mir auf den Bus wartete und das Geld erst weg steckte, als ich selber bezahlt hatte. Er hatte es zwar verstanden, wollte aber auf Nummer sicher gehen. Fünf Verbeugungen später war ich dann im Bus und konnte endlich gepflegt auf Umwegen nach Hause fahren. Dort habe ich dann noch die Niederlage Japans gegen Serbien gesehen, über das TV-Programm den Kopf geschüttelt (das ist aber ein extra Kapitel für sich) und Missionierungsarbeit gegen Schweinsteiger und für Bauer gemacht. Also alles in allem ein sehr erfolgreicher Tag, außer dass ich leicht fußlahm bin.

1 Kommentar

    • Daniel auf 8. April 2010 bei 00:19

    Ich habe total das deja vue, wenn gleich noch koreaner kommen, die dich bekehren wollen, renn einfach weg 😉
    ich muss aber sagen, dass ich die sache mit dem bus schon ziemlich dekadent finde und wenn ich mir die bilder von der sunmall mal so angucke, scheinen auch da einige neue steine verlegt worden zu sein!
    aber schön das dein prof human ist 😉

    ps: der schweinsteiger hat gegen manu extrem stark gespielt

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