Ein letztes Auswärtsspiel – 1.246 km für den Fußball

Es ist endlich soweit, der langersehnte Tag ist angebrochen. Was könnte einer meiner Hauptmotivationspunkte gewesen sein, kurz vor der Heimkehr ins ferne Deutschland noch einmal den langen Trip nach Hiroshima auf mich zu nehmen? Natürlich, Hiroshima ist eine schöne Stadt und vor allem das Tor im Wasser wollte ich unbedingt noch einmal sehen, aber in Sendai stapelt sich die Arbeit. Freunde wollen getroffen werden, Sachen gepackt werden und viele Abschiedsfeiern stehen auch noch auf dem Plan. Eigentlich kann man sich da kaum eine Reise in eine Stadt 1.000 km entfernt erlauben. Natürlich gibt es aber einen Punkt, der alle Bedenken mit einem Handstreich entfernen kann. Ich glaube, den meisten Lesern sollte mittlerweile klar sein, welcher das sein kann. Der Titel des Blogs stand für mich heute an, es ist Zeit für ein ?Auswärtsspiel?. Seit Wochen bereite ich es mittlerweile schon vor. Im letzten Dezember hörte die Fußballsaison 2010 in Japan offiziell auf und auch Baseball wird bis Ende des Monats nicht mehr gespielt. Als ich vor einem Monat dann den Spielplan der J-League erhielt kam der große Schock, Sendai hat zwei Tage nach meinem Heimflug ein Heimspiel gegen den amtierenden japanischen Meister aus Nagoya. Das ist eine absolute Ungerechtigkeit, die mich am liebsten den ganzen Flug hätte umbuchen lassen. Natürlich wäre dieses Vorgehen etwas zu teuer geworden. Umso begeisterter war ich, als ich die Pläne für eine etwaige Reise nach Hiroshima durchspielte. Wie der Zufall beziehungsweise die JFA so wollte, spielt Vegalta Sendai dieses Wochenende in eben genau dieser Stadt. Sanfrecce Hiroshima heißt der Gegner, mir noch wohlbekannt aus seinem letztjährigen Spiel gegen die Yokohama F. Marinos. Keine Frage, dass die Reise so nach hinten verlegt wurde, dass ich auf jeden Fall beim Spiel dabei sein kann. Damit sollte wohl auch die Frage geklärt sein, warum ich noch unbedingt ein Vegaltatrikot benötigte.

Heute war es endlich so weit. Im Hotel ausgecheckt und zum großen Schock der Mitarbeiter erst einmal gemütlich zur eine Stunde entfernten JR-Station gejoggt. Dort wartete auch schon der Shuttlebus auf mich, um mich zum ersten Spiel der Saison zu bringen. Das Stadion selber liegt etwas außerhalb der Stadt und wird Big Arch genannt, was seiner Bogenform geschuldet ist. 18.000 Besucher verirrten sich heute ins Stadion, was aber hauptsächlich den Sendaifans anzulasten ist, die eventuell vierhundert für die 1.200 km Reise mobilisieren konnten und einer davon war ein Deutscher. Diese Sensation sprach sich schnell herum und erreichte auch die Reporter vor Ort. Nie habe ich meine begrenzten Japanischkenntnisse mehr verflucht als heute. Zwei Kamerateams kamen in voller Ausstattung zu mir angerannt, um einen Interviewversuch zu starten. Ein ausländischer Sendaifan in Hiroshima und mit kompletter Fanausstattung, das wäre doch der Bericht gewesen. Ob eventuell etwas darüber geschrieben wird, kann ich leider nicht sagen, aber TV-Interviews hätte ich maximal in Englisch hinbekommen, zu genau muss man dafür antworten. Wo sind Shimizu oder Rieko auch, wenn man sie mal braucht? Aber auch während des Spiels fiel ich auf und hatte immer Gesprächspartner. Ein großer Ausländer, schimpfend und zusammen mit ein paar Ultras kurzärmlig, das regte doch mehrere zu Gesprächen oder auch Fotoanfragen an. Besonders leiden mussten aber der Manager und ein Spieler von Sendai unter mir. Sie machten doch wirklich den Fehler, sich 5 Meter von mir Platz zu nehmen. Der Manager, der auch öfter Fotos der Fans schoss, schoss auch einige von mir, wie ich mich in bekannter Manier aufregte. Falls ich demnächst wieder mal nach Sendai verschwinde, nicht wundern, dann habe ich einen Trainerposten übernommen.

Das Spiel selber zeigte wirklich komplett andere Gesichter der Mannschaften. Hiroshima hat vor Beginn der neuen Saison wichtige Spieler verloren, insbesondere auch ihren wichtigsten Abwehrmann nach Europa und stand aus diesem Grund nicht gerade sicher. Ebenfalls fehlte der Spieler mit der 11 (Sato) – Kapitän und wichtigster Mann des Teams – wegen Verletzung. Auf der anderen Seite war Sendai bis auf den Spieler mit der 9 (Nakahara) in Bestbesetzung. War letztes Jahr die Abwehr sehr gut und der Sturm nur ein laues Lüftchen, hat man dieses Jahr einen Hochkaräter für den Sturm verpflichtet. Der Stürmer Marquinos, gekommen von dem Rekordmeister Kashima Antlers, stellt zwar den Inbegriff eines Fußballsöldners dar, hat in seinen knapp 200 Pflichtspielen hier in Japan aber schon beachtliche 120 Tore geschossen. Da der Stamm der alten Spieler bis auf den Mittelfeldveteran Naoki Chiba zusammen geblieben ist, könnte aus diesem Grund eine gute Platzierung herausspringen. Ansätze dafür zeigte das Team auch heute schon. Besonders Marquinos war quirlig giftig und zeigte mit einem harten Spiel der gegnerischen Abwehr ein ums andere Mal, wieso er in Japan so viele Tore geschossen hat. Zu Toren sollte es aber heute auf beiden Seiten nicht reichen. Hiroshima konterte im eigenem Stadion und tat das gefällig, scheiterte aber mehrmals am glänzend aufgelegten Sendaier Torwart. Auf der anderen Seite versuchte Sendai das Spiel zu gestalten und hatte öfter die Führung auf dem Fuß, spielte aber, wie sich der Teammanager öfter anhören durfte, viel zu viel durch die Mitte. Die Außen wurden im ganzen Spiel zweimal geschickt, dann brannte es im gegnerischen Strafraum aber auch lichterloh. Wieso das so selten kam, weiß wohl nur die Mannschaft. Genauso wieso Sendai erst in den letzten 5 Minuten wechselte und den blassen zweiten Stürmer rausnahm, obwohl er sichtlich platt war und man locker eher schon auf Sieg hätte spielen können. In der letzten Minute auswechseln hätte da auch nicht mehr sein müssen, schließlich war man im Angriff, aber wie gesagt, der Trainer wird sich schon etwas dabei gedacht haben. So blieb es beim enttäuschenden 0:0.

Nach dem Spiel hieß es rennen. Ich hatte nur eine Stunde, um den Hauptbahnhof zu erreichen, wollte ich nicht 8 Stunden in Tokyo auf den Anschlusszug warten. Bei vollen Bussen war das ein Ding der Unmöglichkeit. Im Laufschritt schaffte ich es aber, fast alle Japaner zu überholen und mehr als rechtzeitig da zu sein. 10 Minuten hatte ich noch, um den ganzen Bahnhof zu durchqueren. Das war schaffbar, aber eng. Nicht eng genug für mich. Am Haupteingang des Bahnhofes gibt es eine Bäckerei, die das hochgradig süchtig machende Okonomiyakibrot anbietet. Das sind Brötchen mit Kohl, Okonomiyakisauce und Kazuboshi. Das musste für die Fahrt sein, also ging die Rennerei los. Ein Sturm in die Bäckerei, zwei Minuten später ein Lauf durch den Bahnhof und dann auch noch schnell Omiyage mitbringen, für die Organisatoren des Trips. Dank des Omiyageeinkaufs schaffte ich es genau 50 Sekunden vor der Abfahrt in den Zug, aber erreicht ist erreicht. Trotzdem saß ich im richtigen Zug und kann so 5 Stunden im super bequemen Shinkansen nach Sendai zurück legen.

2 Kommentare

    • Sven auf 5. März 2011 bei 22:26

    Gleich einen Plausch mit den Managern wegen einem Spieler für den Club gemacht? War schließlich die Hauptaufgabe für den Japantrip!
    Und das mit dem Fluchen während des Spiels muss wohl familienbedingt sein, war heute auch in Wolfsburg zu hören!! 🙂

    • Dieter auf 6. März 2011 bei 10:24

    Ich raffe es nicht: Reiki Trainer in Japan!
    (Vielleicht wäre eine solche Tätigkeit löblicher für die Größten der Welt?!)

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