Wir sind jung, energisch und ein Mal weniger Schlaf wird uns nicht umbringen. Davon waren um 3 Uhr morgens noch alle Anwesenden, exklusive des deutschen Austauschstudenten, im Büro überzeugt. Den Deutschen fragte keiner und er bekam auch nur die Hälfte mit, wozu ließ man aber einen seiner Manager mitsprechen? Von der Überzeugung sah man drei Stunden später dann aber auf einmal nicht mehr viel. Bis auf den besagten Deutschen, der sich mit der Ermangelung seines Bettes mittlerweile abgefunden hatte und dadurch wieder fit geworden ist, hingen die anderen auf einmal stark in den Seilen, die Nacht war aber überstanden. Was sollte es da besseres geben, als sich erst einmal in einen gesunden Zustand zu dopen. Zu diesem Zweck verwendet man hierzulande nicht etwa Kaffee, nein, es wurde die Misosuppe herausgeholt, die Suppe gegessen und sich dann verabschiedet. Anschließend zogen die müden Krieger erschöpft von dannen, einige in dem Zustand, dass sie keinen Verabschiedungsformel mehr verlauten lassen konnten. Wir schrieben die Uhrzeit 7 Uhr morgens, wie gehe ich nun am besten vor? O.k., schlafen ist immer verlockend, aber will ich wirklich den gesamten Tag verschlafen? Mein Entschluss fiel eindeutig aus: nein, wer braucht schon Schlaf? Schlafen ist bekanntermaßen eh überbewertet und kurzerhand blieb ich wach und verbrachte die Zeit lieber damit, mein Zimmer auf Vordermann zu bringen.
Ewig kann man aber nicht zuhause sitzen, auch wenn das bei Schlaf wohl der Fall gewesen wäre. Kurzerhand fuhr ich auf den Hauptcampus, wo Rieko schon bereit stand. Japanische Unis haben als Zugangsvoraussetzungen einen großen Aufnahmetest, der über den gesamten Tag läuft. Wo könnte man nun diesen Test besser machen, als in meiner Fakultät? Aus diesem Grund war die Anspannung allen Gästen heute anzumerken und morgen ist die Fakultät für uns auf jeden Fall nicht betretbar. Offensichtlich brauche ich für morgen also einen guten Plan, um mich anderweitig zu beschäftigen.
Für heute stellte das aber kein Problem dar. Olga ist bald im Urlaub im Ausland und kommt erst nach meiner Abfahrt wieder, ein guter Grund um sich noch einmal zu treffen. Aus diesem Grund ging es für uns heute gemeinsam in ein Yakiniku, ein Fleischrestaurant. Um genau zu sein, handelte es sich um ein Fleischrestaurant, das ich schon einmal mit meinen Eltern besucht hatte. Schon dass Ausländer alleine in das Restaurant gehen, sorgte für Aufsehen und wir mussten viele Fragen, wie über unser Verhältnis zueinander und unsere Herkunft, beantworten. Endgültig hatten wir den Laden aber auf unserer Seite, als wir uns das Braten von Tintenfisch erklären ließen. Dessen wabblige Haut stellte einen Gegenstand dar, wo wir partout nicht wussten, wie wir es zubereiten sollten. Zu diesem Zweck rekrutierten wir kurzerhand den Besitzer des Restaurants und schon war der Tintenfisch perfekt. Zu diesem Zeitpunkt erkannte mich aber eine jüngere Mitarbeiterin und wir waren absolutes Thema Nummer eins. In einem Atlas (inklusive DDR eingezeichnet) mussten wir unsere Herkunftsorte zeigen und wir bekamen einiges an Fragen zu hören. Gleichzeitig half diese spontane Berühmtheit aber extrem, den Magen von Olga und mir zu füllen. Kurz vor Ende des Essens wurde uns auf einmal auf Kosten des Hauses ein Teller mit besonders hochwertigem Sendaifleisch, gleichzusetzen mit Koberind der hohen Preisklasse, gereicht. Diese Überraschung wurde mit einem Grünen-Tee-Eis am Ende des Essens abgeschlossen und nach dem Bezahlen bekamen wir beide noch eine komplette Kaugummipackung geschenkt. Eine langwierige Verabschiedung später hatten wir den Laden endlich überstanden. Leckeres Essen, viele Zusatzgaben und eine 5-Minuten-Verabschiedung durch die Mitarbeiter, mit so etwas hatte Olga vor dem Besuch des Restaurants nicht gerechnet. Wenigstens hat es aber jetzt mal ein anderer Ausländer aus der Nähe gesehen. Meine Mitstudenten glauben mir nie die absolute Hilfsbereitschaft, die manche Japaner an den Tag legen können. Bei mir dagegen klappt es regelmäßig. Vermutlich sehe ich hilfesuchend und verzweifelt genug für die Japaner aus, so dass sie sich alle fühlen, als ob sie helfen müssen. Offensichtlich funktioniert es und ich werde mich über Hilfe bestimmt nicht beschweren, die kann ich immer gebrauchen.