Tag 2 der Japantour und was geschieht als erstes? Die Hälfte des Teams verschläft! Egal, der Jetlag und das Alter der beiden Reisenden rechtfertigt das Geschehen – wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. Den Namen des Langschläfers (Dennis) erwähne ich jetzt der Gerechtigkeit wegen nicht. Die Morgenstunden sind gelaufen und wir befinden uns in einer Stadt, die viel zu bieten hat. Sie wurde aber in zwei vorherigen Besuchen schon gut erkundet, was also sollten wir machen? Der Kriegsrat entschied kurzfristig, die Gegend zu erkunden. Ganz in der Nähe unseres Hotels befindet sich ein komischer Bau, welcher wohl als moderne Kunst zu bewerten ist. Eben jenes Gebäude beinhaltet ein Museum zur Thematik Edo und Tokyo. Edo, der alte Name für die Stadt Tokyo, welches übersetzt einfach Hauptstadt des Ostens bedeutet, wurde im neunzehnten Jahrhundert umbenannt. Gerade diesen Zeitraum habe ich auch in meiner Masterarbeit bearbeitet, deshalb erklärte sich Dennis dankbarerweise bereit, das Museum mit mir zu besichtigen.
Das Museum selber verteilt sich über zwei Etagen und verfügt über eine Reihe von Nachbauten japanischer Häuser der Epoche. Auch ansonsten befindet sich das Museum auf dem neuesten Stand der Technik. Audiovisuell braucht es sich vor keinem Museum der Welt zu verstecken und jederzeit stehen kostenlose Führer bereit, um die Reisende in einer von sechs Sprachen durch das Museum zu führen. Einziges Manko ist dabei die Tatsache, dass keine dieser Führungen in Deutsch stattfindet. Dies sollte uns nicht aufhalten, denn alle Stücke sind gleichzeitig in Englisch beschriftet. Viele Selbstversuche lockern das Museum auf. Dies erlaubt auch Kindern, die Zeit dort zu genießen. Dennis und mir hatte es dabei besonders ein Ausflugsfahrrad angetan. Es blieb nur die Frage: Wer fährt und wer darf hinten sitzen?
Im Anschluss an dieses großartige Museum ging es für uns beide nach Kamakura . Das ist eine der vielen alten Hauptstädte Japans, die sich besonders durch eine große Buddhastatue auszeichnet. Leider hatte ich die Stadt schon im letzten Jahr besucht und meine Befürchtungen besagten, dass ich mich etwas langweilen könnte. Dem war aber keinesfalls so. Wir stiegen etwas früher aus und folgten einem Wanderweg, der an fünf alten Zen-Tempeln vorbeiführte. Drei dieser Tempel besichtigten wir dabei. Das Spektrum der Tempel war sehr vielfältig. Es gab unter anderem einen Scheidungstempel. Wenn im Mittelalter Frauen dort drei Jahre verbrachten, durften sie sich trotz Scheidungsverbot scheiden lassen. Weiterhin gab es einen Tempel für die Liebe und einen Tempel der Geldwäsche. Geldwäsche??? Moment, das hat in Deutschland aber einen faden Beigeschmack! Und in Japan weiht man dafür einen Tempel? Tja, was sollen wir sagen, Japan ist halt manchmal etwas anders. In diesem Tempel fließt eine Quelle, die von einer Glücksgöttin geweiht wurde. Geld, das mit dem Wasser dieser Quelle gewaschen wurde, soll laut dem Volksglauben Glück bringen und sich im Wert verdoppeln. Viele Japaner waschen sogar Geldscheine im Wert von umgerechnet 100 Euro in der Quelle, für unser Glück beließen wir es aber bei Kleingeld. Wenn uns nach dieser Tour das Glück nicht hold ist, weiß ich auf jeden Fall auch nicht mehr. Problematisch an der Tour war eigentlich nur, dass sie sich zu einer Bergwanderung entwickelte. Es ging auf teils ungesicherten Pässen nur hoch und runter und das bei einer trockenen Hitze, dass ohne regelmäßige Wasserversorgung wohl ein Kreislaufkollaps vorherzusehen gewesen wäre. Zum Glück können uns Wanderungen schon lange nicht mehr schocken und schon jetzt haben wir uns wohl mehr bewegt, als in den letzten zwei Wochen zuvor.
Den Abschluss des Abends bildete ein Restaurantbesuch. Anders als letzten Abend wollten wir keine Rentner vor der Schließzeit ärgern und kamen rechtzeitig in ein gut besuchtes Restaurant. Wie der Zufall so wollte, war ich vor einem Jahr mit meinen Eltern schon einmal dort. Dieses Mal fehlte uns aber ein Übersetzer. Auch die Tatsache, dass der Oberkellner seiner armen Angestellten bei unserem Eintritt ?Viel Spaß, dass sind deine? wünschte, half in der Sache überhaupt nicht. Mit meinen Japanisch-Kenntnissen und der Frage nach den Favoriten der Kellnerin, bekamen wir aber eine sehr leckere Kombination von Grillgütern, welche wir im vollwertigen Holzkohlegrill vor unserer Nase selber grillen durften. Ein Grill zwanzig Zentimeter vor der eigenen Nase ist bei Abendtemperaturen von dreißig Grad übrigens nicht so angenehm, wie man sich das vorstellt. Nachdem wir noch bei der Übersetzung für andere Ausländer mithalfen, hatten wir abgingen uns zwei Köche und der Oberkoch bei der Zubereitung unseres Essens bereitwillig zur Hand. Dies war normalerweise eine tolle Sache, da man bei einigen Sachen wie Shiitakepilze mit einer Soßenfüllung oder Paprika mit Bonitoflockendip nicht unbedingt die Zubereitung kennt. Aber das elendige auf die Finger schauen beim Essen ist wirklich anstrengend. Gestern wurden wir ja schon von einer Person bei jedem Bissen gemustert, bei drei Leuten heute war es aber weitaus anstrengender. Übrig blieb neben einem vollen Magen vom leckeren Essen die Erkenntnis, dass mein Japanisch wenigstens zu ein paar Sachen gut ist. Es gab auch ganz viele Verbeugungen der Mitarbeiter, die erleichtert waren, uns überstanden zu haben. Gleichzeitig waren sie auch dankbar für die Hilfe im Hinblick auf die restlichen Ausländer. So hatte Dennis nun endlich auch einmal ein Restaurant, welches eher nach seinem Geschmack war. In den letzten zwei Urlauben hatte ja mein Vegetarismus doch meist die Auswahl der Restaurants etwas geprägt .