Religion und Rock – Live in Sendai

Morgens halb zehn in Japan… Während im fernen Deutschland angeblich alle gerade eine Pause machen (wenn man der Werbung glauben darf), fangen die Japaner gerade erst richtig an zu arbeiten. Da mir noch einige Kleinigkeiten für morgen fehlten, ging es heute sehr früh in die Innenstadt. Plötzlich war aus der Entfernung ein Klopfen zu hören, was konnte das sein? Mönch Wie sich herausstellte, lief ein buddhistischer Mönch den gleichen Weg ab, wie ich. Kahl rasierter Kopf, graue Tunika, ein paar alte, abgelaufene Turnschuhe und eine Messengertasche, mehr trug er neben einem komischen Instrument nicht bei sich. Das Instrument selber war eine Art Trommel. Ich bin wahrlich nicht langsam zu Fuß, aber das Tempo, was der Herr vorlegte, war schon sehr beeindruckend. Gleichzeitig schaffte er es in einer beachtlichen gleichen Stimmhöhe, den gleichen Satz mantraartig auf zu sagen. Gleichzeitig hatte er für die ihn offensichtlich bekannten Ladenbesitzer immer ein „Guten Morgen!“ auf den Lippen. Hätte der Mönch mit seinem Mantra nicht nur alle gesegnet, ich wäre davon ausgegangen, er wäre irgend ein Sektenmitglied gewesen. Vielleicht war er es auch, aber es war schon beachtlich, mit welcher Ruhe und mit welchem Tempo er das Ganze absolvierte!

Interessant ist dabei zu sehen, wie beliebt und unbeliebt Religion in Japan eigentlich ist. Die Hauptreligionen stellen der Shintoismus (also Naturgeister) und der Buddhismus dar. Der Japaner geht dabei regelmäßig in die Tempel, betet und lässt auch Spenden da. Trotzdem entscheiden die meisten sich nicht für eine Religion, sondern wechseln jeweils zu der, die ihnen gerade am günstigsten erscheint. So kann es auch vorkommen, dass Japaner auf einmal in einer der wenigen Kirchen der Stadt heiraten, einfach weil christliche Kirchentrauungen im Fernsehen vorgelebt werden. Trotzdem wird der Pfarrer das Braupaar danach vermutlich nie wieder sehen. Auch nach welchen Religionen beerdigt und die Geburt gefeiert wird, hängt von den Versprechen der Religionen ab. Gleichzeitig behaupten auch die Japaner von sich, sie sind nicht gläubig. Trotzdem sind die Glücksbringer der Tempel absolute Geschenkfavoriten. Zu diesen Ketten und Glücksbringern wird auch gerne mal ein Kreuz getragen oder noch eine andere Religion vertreten. Trotz allem, auch wenn sie selber von sich sagen, wir sind nicht so gläubig, bei wichtigen Festen wie Neujahr kommen die Japaner dann doch wieder zu den Tempeln, um für das Neujahr zu beten. Diese Ambivalenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist interessant. Im Gegensatz zu Deutschland, wo nachweislich genug Atheisten leben, hat sich die göttliche Methaphorik aber nicht im Sprachgebrauch umgesetzt. In einem Gespräch mit Studenten aus meinem Büro sind ihnen keine Aussagen eingefallen, die auf Religion Bezug nehmen. Das ist etwas, was bei uns sehr leicht zu finden ist.

Ansonsten verbrachte ich den Tag die meiste Zeit im Büro. Die Erstsemester hatten heute Einführung und ich verpasste es leider, da ich ja lieber in die Berge fahre. Trotzdem oder gerade deshalb, waren heute besonders viele Leute im Büro. Da Shimizu mir nun versprochen hatte, dass ich mir sein neustes Werk anhören darf, holte er lieber die Kopfhörer heraus. Dass alle es hören, war ihm dann doch zu unheimlich. So bin ich der Erste, der den neusten Song seiner Band hörte. O.k., Band ist verkehrt. Alle Instrumente wurden von ihm gespielt, aber er mag die Bezeichnung und hat sich dazu auch einen ewig langen und unübersetzbaren Bandnamen ausgesucht. Besonders anstrengend war wohl die Musik, da er nicht so laut singen durfte, wie er es gerne gemacht hätte. Seine Nachbarn hätten sich sonst beschwert. Es hört sich aber nicht schlecht an, besonders wenn man japanischen Pop als Vergleichswert nimmt. Um zu beweisen, dass ich nicht nur erzähle, sondern der Song auch wirklich existiert, hier das Lied zum reinhören:
Shimizus Werk

Neue Gesprächspartner und Anti-Kulturschock-Maßnahmen

Von Natur aus sind meine werten Kollegen ja schon immer eher ruhigere Naturen gewesen. Mich anzusprechen würde logischerweise dazu führen, dass man sich auch mit mir unterhalten müsste. Ein Gespräch würde aber nicht nur Japanisch beinhalten, deshalb hält man sich da aus Erfahrung lieber zurück. Der Erste, der diese Gefahr ignoriert hat, war bekannterweise Shimizu und auch Rieko unterhält sich öfter mit mir. Seit dieser Woche haben wir aber auch einen Neuzugang im Büro. Ein Zehntsemester, der gerade frisch aus Bonn zurückgekehrt ist. Auch wenn er erst etwas eingeschüchtert von mir war, so lies es sich doch sehr gut mit ihm reden. Ein Segen, denn je mehr Japaner sich freiwillig mit mir unterhalten, desto lockerer werden die anderen. Gerade die Damen sind immer sehr verschlossen und gehen kaum aus sich heraus. Dementsprechend einseitig entwickeln sich die Gespräche. Sobald aber ein Japaner wie Shimizu das Gespräch beginnt, sieht die Welt gleich ganz anders aus und einige stillen Wasser entwickeln sich zu förmlichen Wasserfällen. Dementsprechend ist es perfekt für mich, immer mehr Ansprechpartner zu bekommen. Ich bin auch mal gespannt, was wir so an Erstsemestern bekommen. Shimizu meinte heute aber schon zu mir, dass die Zahl doch äußerst gering sein wird. Immerhin geht es mir mit meinem Büro noch viel besser, als zum Beispiel Tobias. Heute ging es für uns zusammen zur Uni und er berichtete mir nur, dass er bisher nur fünfmal im Büro war, da die Leute ihn da gar nicht so wirklich sehen wollen. Das ist schon eine ziemlich traurige Bilanz die aber zeigt, ich hätte in den Geisteswissenschaften richtig falsch landen können.

Eine der Neuankömmlinge kennt das Gefühl auch ganz gut, irgendwie falsch zu sein. Wie ich gestern ja schon schrieb, hat Olga – eine der Bremerinnen – momentan einen halben Kulturschock. Das beste Heilmittel dagegen ist bekanntermaßen das Auseinandersetzen mit der Kultur. Genau dafür entschieden wir uns heute. Gemeinsam ging es in die Innenstadt und ich erklärte ihr ein wenig Sendai und die Kultur der Japaner. Dazu gingen wir auch unter anderem in eine Spielhölle und sie wies mich bei einem Ballerspiel erst einmal gehörig in die Schranken. Wieso verliere ich eigentlich, seitdem ich hier bin, aus Prinzip gegen die Damen, die angeblich noch nie sowas gespielt haben? Orsolya, Yuri und jetzt sie, meine Statistik ist ziemlich schlecht. Vermutlich werde ich zu alt für so etwas. Ach iwo, so etwas lasse ich mir nicht einreden und bei anderen Spielen lief es auch gleich besser. Nachdem die erste Ablenkung geklappt hatte, ging es zum besten Beschäftigungsorganisator Sendais, Thomas. Yosuke war schon von weitem zu sehen und hatte gleich ein Grinsen auf den Lippen. Meine zweimalige Beschwerde hatte für das Besorgen einer extra Camembertreserve nur für den Stammkunden aus Deutschland gesorgt. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie genial Käse nach fast sechs Monaten Abstinenz schmecken kann! Thomas machte auch gleich seinem Ruf alle Ehre und wies die junge Dame in alles Wichtige in Sendai ein. Gleichzeitig servierte er Tomatensaft mit Bier, das wohl scheußlichste Getränk Japans. Mit diesem Besuch ging es ihr auf jeden Fall schon viel besser und Thomas und ich planen für Dezember schon ein Spezialevent, eine deutsche Feuerzangenbowle. Wäre doch gelacht, wenn wir die Japaner nicht noch ein wenig auf die deutsche Kultur eichen können! Morgen geht es dann auf der anderen Seite auch endlich los unter dem Motto, der Berg ruft. Die Einträge werden etwas kürzer, aber erwartet spätestens Dienstag einen Haufen Bilder. Hoffentlich spielt das Wetter mit.

Andere beschäftigen und sich dafür von wiederum anderen beschäftigen lassen

Alarmstufe Rot, es gibt Probleme mit dem Hotel! Ich muss sagen, diese Worte in einer Nachricht sind verdammt aufbauend, besonders am frühen Morgen. Melanie verfehlte ihr Ziel auch nicht und in Sekundenschnelle war ich aus dem Bett raus. Was war geschehen? Unser Hotel in der Zwischenstation am Samstag war auf einmal nicht mehr zu bekommen, trotz vorheriger anders lautender Informationen. Die englischen Internetseiten waren dazu auch noch ohne Informationen, was also machen? Mit dem Rad ging es schnell ins Büro, die Kollegen werden mir schon helfen können…, wenn sie denn mal da wären. Es kam also, wie es kommen musste: Drei Tage vor unserer Ankunft standen wir ohne Hotel da. Im Internet war keines aufzutreiben und die einzigen, die helfen konnten, waren auch nicht zu erreichen. Man kann sich vorstellen, was alles in meinem Kopf ablief. Reise absagen war aufgrund der gebuchten Busse nicht machbar, woanders auf der Strecke schlafen, mangels Hotels ebenfalls nicht durchführbar. So langsam sah ich uns schon im Zelt übernachten, was Melanie zum Glück besitzt. Aber wie heißt es so schön: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Erst einmal ging es ins Reisebüro der Universität. Nebenbei bemerkt ist dies eine sehr geniale Einrichtung. Die Damen und Herren dort sind absolut bemüht, auch für Studenten geeignete Lösungen zu finden. Nach langem hin und her her hatten wir die ganze Wanderstrecke nach potentiellen Übernachtungsmöglichkeiten abgeklappert, nichts war zu finden. Ein Einzelzimmer in ganz Matsumoto war noch frei, sonst nichts. Meine verzweifelten Blicke bewegten die Damen aber genug, sich noch einmal richtig anzustrengen. Es wurde mit dem Hotel verhandelt, ob wir das Einzelzimmer gegen Zusatzgebühr als Zweipersonenzimmer nutzen dürfen, die Touristeninformation wurde nach anderen Übernachtungsmöglichkeiten befragt und man zog auch ansonsten alle Register. Im Endeffekt versuchten die Damen über 30 Minuten lang, mir für einen Tag eine Übernachtungsmöglichkeit zu besorgen. Als alles vergebens erschien, zauberte eine der Verantwortlichen noch fünf maßlos überteuerte Hotels aus dem Ärmel, die ich aber selber durchklingeln müsse. Sie hätten sich durch ihre Bemühungen schon den Unmut ihres Chefs zugezogen und an den Hotels würden sie keine Vermittlungsgebühren verdienen können. Gut, den Unmut des Chefs muss ich ja nicht noch vergrößern, also lieber zurück ins Büro. Wie aber das Anrufproblem lösen? Ein paar Fragen waren vor dem Buchen noch zu klären und dazu müsste mein Japanisch noch besser sein. Zum Glück lebe ich immer nach der wirklich weisen Philosophie meines Vaters: Man muss es nicht wissen, sondern nur wissen, wo es steht. Also Handy raus und die Liste nach Leuten durchsucht, dir mir helfen können und mir noch einen Gefallen schulden. Vor allem letztere Liste ist ziemlich lang und schnell fand sich Rieko, die gerade in der Nähe der Uni war und sich spontan bereit erklärte, vorbei zu kommen und mir zu helfen. Zusammen gelang es uns schnell, unter den teuren Hotels, immerhin gingen einige erst bei 200 Euro los, ein sehr günstiges zu finden und sie schaffte es, uns dieses zu reservieren. Ich muss sagen, eine erfolgreiche Aktion! Für ein Hotelzimmer für eine Nacht habe ich nur knapp drei Stunden und die Zeit von insgesamt vier Japanern vergeudet. Egal, wenigstens muss ich nicht zelten! Die Temperaturen sind zwar noch in Ordnung, möglicherweise bei Regen aber noch ein Zelt aufzubauen, kommt jetzt nicht gerade meiner Lieblingsbeschäftigung gleich.

Endlich konnte ich mich auch auf andere Sachen konzentrieren. Kaum saß ich einige Zeit im Büro und arbeitete, bekam ich aber schon wieder eine SMS. „Wo brennt es jetzt schon wieder?“ schoss es mir durch den Kopf. Zum Glück gab es wenigstens kein Problem mit der Reise, eine der neuen Bremerinnen bat mich vielmehr, ihr und zwei Freunden bei der Radsuche zu helfen. Alles kein Problem. Also ging es zusammen zu Großväterchen. Großväterchen ist in diesem Fall ein unter Ausländern sehr bekannter Spitzname für den Besitzer des nahe gelegenen Radshops. Der Besitzer sollte vom Aussehen her schon längst in Rente sein. Der Laden sieht auch eher wie ein Hobbyzimmer aus und nicht wie ein Geschäft. Und von Zeit zu Zeit schaut seine gleichaltrige Ehefrau heraus und bringt ihm Tee. Angenehmerweise hatte er auch relativ günstig ein Rad, dasser bis morgen aber noch fertig reparieren muss. Da die Neuankömmlinge sich nicht so recht äußerten und ich als neutraler Beobachter öfter mal erklärte, schlussfolgerte er, dass ich ihn verstehe und erklärte mir alle Details. Da die anderen während dessen wild rumerzählten kann ich nur hoffen, dass ich ihn komplett richtig verstanden habe und es morgen keine Probleme gibt. Wenn ich schon keine Ahnung von der Sprache habe, erzähle ich nicht noch wild mit den anderen über irgendwelche unwichtigen Sachen, während ein alter Mann in viel zu leiser Stimme gerade versucht, etwas zu erklären. Egal, hoffentlich geht es gut.

Auf dem Heimweg bekam ich auch gleich den nächsten Auftrag. Ein Fleischerbesuch stand an. Fleischer – ich? – das kann ja was werden! Wurde es natürlich auch. Es wurde gehacktes Schweinefleisch verlangt und zwei Scheiben normales Schweinefleisch und ich durfte für die zweite Bremerin übersetzen. Der Herr verstand mich zwar, aber deutete die Erklärung anders und gab nicht das fertige Gehacktes heraus, sonder hackte lieber das echte Schweinefleisch. Schlecht nur, dass es relativ fettig war und deshalb jetzt das Gehacktes auch ziemlich fettig ist. Ich hoffe, die Bremerin kann es trotzdem essen. Danach ging es noch etwas einkaufen, die Geheimtipps der Sendaier Geschäftswelt kann man als Neuankömmling schließlich noch nicht kennen. Ich half ihr ein wenig dabei, den Kulturschock zu verdauen, den sie seit ihrer Ankunft verspürt. Langsam kann ich auch Psychologe werden, ich habe ja schließlich noch Erfahrung von Kylies Zusammenbruch damals. Die Japaner machen sich mittlerweile schon lustig, ob ich schon Betreuer geworden bin und die Wohnzeit brauche, aber ich helfe den Neuankömmlingen ja gerne. So ein wenig Kulturschock kann man bei unvorbereiteter Ankunft hier ja schnell mal bekommen. Zum Glück war ich damals gut genug vorbereitet.

Ein Tag mit Wodka und Programmieren

Ich bin Mitglied des japanischen Volkes, ich habe es ja schon immer gewusst. Die Größe war nur ein genetischer Fehler und die Augen und Haare ein Spaß der Natur. Heute früh hatte ich einen Brief für die große fünfjährige Volkszählung im Briefkasten und wurde aufgefordert, mich ebenfalls zu beteiligen. Nichts leichter als das, wäre nicht alles auf Japanisch gewesen. Dementsprechend sah auch die Reaktion der meisten Ausländer aus: zusammenknorkeln und wegwerfen. Zum Glück bin ich kein normaler Ausländer und sehe mich bei solchen Aufforderungen wenigstens berufen, zu antworten. Und außerdem habe ich ja den richtigen Übersetzer an der Hand. Wirklich begeistert war Shimizu zwar nicht, mir den Übersetzer zu spielen, aber nach einem Schluck aus seiner Büro-Reserve-Wodka-Flasche sah die Welt schon ganz anders aus. Zum Glück brauche ich nicht zu verstehen, wie man solche Santoriplürre trinken kann, aber solange es Shimizu schmeckt, ist ja alles in Ordnung. Zusammen füllten wir also die Unterlagen aus, als die deutsche Professorin uns sah. Sie war sichtlich begeistert. Nicht nur, dass Shimizu gutes Deutsch sprach, sondern dass ihr jemand gleich ihr Formular erklären konnte. So durften wir noch einmal das Formular durchgehen. Leider bemerkte sie nicht, was Shimizu da die ganze Zeit trank, ich hätte zu gerne ihre Reaktion darauf gesehen. Meinen Betreuer plagten währenddessen ganz andere Probleme. Er schreibt gerade an einem kleinen Handyprogramm, um den Studenten das Deutschlernen zu erleichtern. Leider ist das Finden von Beispielsätzen nicht ganz so einfach und ich wurde in die Planungen eingebunden. Falls also ein Japaner mit seltsamen Grammatikfehlern nach Deutschland kommen sollte, meine Beispiele werden vermutlich schuld sein.

Den restlichen Tag verbrachte ich eigentlich nur im Auftrag von anderen Leuten. Rund 150 neue Ausländer sind nach Sendai gekommen, aber nur rund fünfzig haben die Stadt verlassen. Neben 40 Fahrrädern, die Group Mori in den Verkauf brachte, gibt es also eventuell noch einmal genauso viel, die durch andere Ausländer in den Verkauf gekommen sind. Der Rest der Ausländer ist gerade auf Radsuche. Passenderweise betrifft diese Problematik auch so gut wie alle Deutschen und dementsprechend galt es, alle Radläden abzuklappern, wo es noch gute Räder geben könnte. So ein wenig fühlte ich mich schon in den April versetzt, außer dass wir alles alleine machen mussten. Da ich aber eh noch die Tickets für den Bus am Freitag zahlen musste, passte mir diese Beschäftigung ganz gut in den Zeitplan. Gleichzeitig kam ich wieder mal ein wenig raus. Nach einiger Suche muss ich aber sagen, ich bin verdammt froh, mein Rad zu haben. Keines der gefundenen Räder wäre auch nur in Ansätzen für mich geeignet gewesen. Mit meinem Rad habe ich da einen absoluten Glückstreffer gelandet. Bei einer heutigen Suche müsste ich mir wohl ein neues Rad kaufen, der Gebrauchtmarkt gibt wirklich nichts her. Dazu scheint die Qualität bei meinem Rad auch zu stimmen. Bis heute gibt es keinen Platten und die Schaltung funktioniert im Vergleich zu vielen anderen Rädern hier auch. Im Vergleich dürfte mein Rad auch schon mit die meisten Kilometer runter haben, trotzdem schlägt es sich tapfer. Von daher ich klopfe auf Holz, dass es noch ein halbes Jahr so bleibt. Schließlich will ich noch einige Erkundungstouren starten. Ich bin gespannt, für welches Rad die Deutschen sich entscheiden, die eigentlich am liebsten gar kein Geld ausgeben wollen. Wir werden sehen.

Das Problem mit dem Bus

Was willst du denn bitte schön in Toyama? Diese Frage habe ich in den letzten Tagen öfter von meinen japanischen Mitstudenten zu hören bekommen. Schon alleine die Tatsache, dass ich freiwillig wandern möchte, ist für Japaner schon ziemlich befremdlich. Dass es aber über diese Stadt geht, verwundert die Leute um so mehr. Dass so eine unbedeutende Stadt ihre Nachteile hat, musste ich heute auch noch am eigenen Leib erfahren. Bekanntermaßen sind die Züge in Japan ziemlich teuer und ein Regionalbahnnetz wie in Deutschland ist leider auch nicht vorhanden. Also fährt der geizige Student per Bus. Leider ist das nicht immer so einfach. So ist der einzige Bus, der nach Toyama fährt, nur mit drei Plätzen pro Reihe ausgestattet. Und natürlich wollen an dem Tag, wo es für mich in die Stadt geht, alle mit dem Bus fahren. Der Bus ist also ausgebucht. Schon sind wir bei meinen Problemen angekommen. Den Angestellten der Busunternehmen nach Alternativen befragen, klappt nicht so gut mit meinem Japanisch, das Internet ist auch keine große Hilfe, die Kanjis erschweren das Lesen doch ungemein. Also sollte ich lieber jemanden fragen, der sich damit auskennt. Mein zweiter Betreuer fühlte sich sofort, verpflichtet mir zu helfen. In einer großen Telefonierorgie telefonierte er alle Busunternehmen ab und erkundete sich gleichzeitig nach Alternativen. Irgendwie schaffte er es nach knapp 30 Minuten, doch noch eine Reise zu organisieren. Es geht jetzt nicht direkt nach Toyama, sondern in eine Nachbarstadt. Von dort aus darf ich noch mit dem Zug weiterfahren, so dass ich etwas später in Toyama eintreffe, aber immerhin ich treffe ein. Die Frage ist nur, was hätte ich ohne seine Hilfe gemacht? Im Endeffekt hatte ich die Reiseunternehmen exakt dasselbe gefragt, aber keine Auskunft bekommen. Kaum kommt ein wichtiger Japaner, sieht die Welt schon anders aus. Bei dem anderen Bus sah es da schon anders aus. Mein Betreuer war leider etwas zu voreilig und reservierte einen Bus, ohne mein abschließendes o.k.. Aber die Vorreservierung werden wir einfach verfallen lassen, das sollte machbar sein. Man merkt auf jeden Fall schon, die Fahrt wird ziemlich abenteuerlich, was uns aber nicht abhalten wird. Trotzdem bin ich ziemlich dankbar, dass ich so viele Freunde habe, die sofort bereit waren, mir zu helfen. Mein Betreuer organisierte zwei Busse, Nobu unternahm einige Telefonate und Asayama und ein anderer Mitbewohner beschäftigten sich damit, ob man die Vorreservierung verfallen lassen kann oder nicht. Der Urlaub wird in der Organisation also ein Gemeinschaftsprojekt. Es ist aber auch relativ befremdlich, dass es hierzulande kaum Reisebüros gibt, sondern alles per Telefonanrufen organisiert werden muss. Zum Glück findet sich aber immer jemand der bereit ist, die Telefonate zu übernehmen.

Aber man muss festhalten, ich halte nicht nur Japaner auf Trab. O.k., das ist ein großer Punkt in meiner Tagesbeschäftigung, aber nicht der Einzige. So verbrachte ich die meiste Zeit des Tages heute damit, mit Shimizu und einigen anderen Japanern zu lernen. Wir machten wie immer eine große Konversationsrunde, in die wir gleich noch einige für mich interessante Geschichtsthemen eingebunden haben. Dabei erhielt ich gleichzeitig einen Einblick in Shimizus neuste Planungen. In ein paar Wochen ist an der Tohoku ein großes Festival über mehrere Tage. Jeder Club und Zirkel hat die Möglichkeit, dabei Programmpunkte zu organisieren und das Ganze soll als Kulturwochen die Tristes des Novembers überschatten. An sich keine schlechte Idee. Die Uni argumentiert damit, dass der November und der damit verbundene Wintereinbruch stark an der Moral und Motivation der Studenten nagt. Folgen sind laut meiner Professoren Leistungsabfall, vermehrte Abwesenheit und eine leicht erhöhte Gefahr für Selbstmordversuche (In Japan ist diese Sorge berechtigt, ist es doch das Land mit einer der höchsten Selbstmordraten der Welt.). Aus diesem Grund versucht die Uni, den Studenten ein abwechslungsreiches Programm zu bieten. Für dieses Programm gibt es nun immer einen Motivsong. Wer fühlte sich natürlich dazu berufen, diesen Song zu schreiben? Shimizu natürlich! Dementsprechend verbrachte er das ganze Wochenende nur damit, einen Song zu komponieren. Und heute wurde das Demotape im Büro verfeinert und an den Geschmack der Allgemeinheit angepasst. Ein sehr lustiger Anblick, wenn jemand mit Mischpult dasitzt und fragt ob schneller oder langsamer. Ich bin gespannt, ob sein Song genommen wird. Aber langsam muss ich ihm echt eine Autogrammkarte zum Unterschreiben vorlegen! Wenn das so weiter geht, wird er doch noch Rockstar. Besser als 90 Prozent des J-Pops ist er alle mal!

Ich bin Vegetarier, lass mich Gulasch kochen…

Da denkt man, man hat einen ruhigen Abend und dann kommt Orsolya und stört die Ruhe. Zu Zeiten, wo das Oktoberfest gerade vonstatten ging, war die junge Dame sehr beeindruckt von der Idee, selber mal einen Stand bei einem Fest aufzumachen. Das Fest war auch schnell gefunden. Am 24. Oktober findet hier am Wohnheim ein Internationales Essensfest statt. Leider gibt es dabei nur ein klitzekleines Problem, es bedeutet viel Arbeit. Es hatte schon einen guten Grund, warum ich frühzeitig meine Mitarbeit verweigert habe. Das Fest wird von den verschiedenen Ausländergruppen Sendais organisiert und liefert Essen aus allen bekannten Ländern. Aus diesem Grund wurden wir Ausländer aufgerufen, doch auch einen Stand für unser Land zu eröffnen. Für Deutschland wäre das wohl ohne weiteres gegangen, Würstchen kann man immer auf den Grill legen, auch wenn es hier keine echten Thüringer gibt. Als einziger verbliebener Deutscher, der schon längere Zeit hier ist, wäre das aber viel zu viel Aufwand gewesen und ich bin froh, dass Maria, die Dame mit ihrem Gasthof, diese Aufgabe übernimmt. Die Neuen hätte ich auf jeden Fall nicht einsetzen können. Die kommen momentan noch nicht einmal mit der Stadt zurecht, geschweige, dass man sie schon für so ein Großevent hätte einspannen können. Leider bewarb sich Orsolya nun aber dafür, einen Stand für Ungarn zu eröffnen.

Wie sollte es auch anders sein: Nachdem sie vor einer Woche erst abgelehnt wurde, kam heute ein Überraschungsanruf und sie bekommt einen Stand. Danke auch an die Türkei! Nur weil eure Leute spontan doch den Stand absagten, kommt jetzt Arbeit auf mich zu. Wie sich herausstellte, müssen 160 Portionen garantiert werden und Orsolyas Ursprungsplan, einen Nachtisch anzubieten, wurde auch noch abgelehnt. Als alleinige Ungarin in Sendai, bekommt sie das natürlich nicht alleine hin und so wurde heute fleißig rekrutiert. David, Laura und ich wurden damit offiziell zum Arbeitsdienst eingeteil. Eine echt internationale Arbeitsgruppe also. Es gilt, Gulasch zu produzieren. Juhu, ein besseres Gericht hätte es für einen Vegetarier doch gar nicht geben können! Zum Glück muss ich es nicht selber probieren. Das war es wohl mit einem ruhigen Nachmittag und ein wenig die Spezialitäten verschiedener Länder zu probieren.

Natürlich mußte für die ganze Angelegenheit einiges an Papierkram erledigt werden. Es ist ja nicht so, als ob Japan Deutschland in Sachen Bürokratie in etwas nachstehen würde. So belehrte uns ein japanischer Student über eine Stunde über die Regeln und den Ablauf der ganzen Veranstaltung. Sogar Gesundheitsproben werden vom Koch genommen, um eine Konterminierung mit Salmonellen zu verhindern. Besonders dieser Punkt war dem Japaner absolut peinlich uns zu erklären und er redete geschlagene 10 Minuten um das Thema herum. Wieso nur der Koch von der Untersuchung betroffen ist, verstehen wir zwar noch nicht, da wir alle ja schneiden werden, aber sie werden sich schon etwas dabei denken. Auf jeden Fall steht jetzt ein großes Experimentalkochen an, um herauszubekommen, wie viel Waren wir benötigen, um 160 Mäuler zu stopfen. Wieso konnte ich nicht einfach nein sagen?

Ansonsten verlief der Tag heute ruhig. Das Rentnerfest von gestern war wiederum sehr überlaufen. Ein Großchor sorgte für Stimmung und das Gedränge kannte kein Durchkommen. Sie sind auf jeden Fall sehr rüstig und wissen sich durchzusetzen. Mehr als einmal versuchte sich einer der Anwesenden per Schulter oder Ellenbogeneinsatz den Weg durch die Menge zu bahnen. Da konnte selbst ich mir noch etwas abschauen. Die Leute hier sind selbst im hohen Alter noch sehr rüstig. Da mir die Veranstaltung aber dadurch etwas zu gewalttätig wurde, besorgte ich mir doch lieber noch ein paar Sachen für das nächste Wochenende und wurde dann angerufen, ob ich nicht ins Kino mit möchte. Leider war die Aussage nur Kino in der Mall und da das Handy der Anruferin ausfiel, durfte ich selber raten, welche der beiden Malls gemeint war. Leider entschied ich mich natürlich für die Falsche, was eine Radtour nach Izumie zur Folge hatte. Dort war zwar niemand, dafür hatte ich so eine schöne vier Stunden Radtour durch Sendai bei bestem lauwarmen Temperaturen. Nur der Himmel sah, wie eigentlich seit Wochen, nach Regen aus. Zum Glück blieb es aber trocken. Hoffen wir, dass es so bis übernächsten Montag bleibt.

Anpfiff für die zweite Halbzeit

Willkommen zur Halbzeitshow des deutschen Auswärtsspiels 2010 im schönen Sendai, Japan. Der Trainer Reik J. ist sofort nach dem Halbzeitpfiff in den Katakomben verschwunden und bereitet unseren Informanten zufolge sein Team gerade lautstark auf die zweite Halbzeit vor. Um in der zweiten Halbzeit noch einmal richtig angreifen zu können, wird er wohl komplett durchwechseln. Spieler wie Andre, Felix, Kylie oder Moritz bleiben draußen und werden durch neue hungrige Deutsche ersetzt. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die spät in der ersten Halbzeit eingewechselte Melanie gelegt, die wohl von Anfang an für Aufregung im Spiel sorgen soll. Wir sind gespannt, wie sich das Auswärtsspiel in der zweiten Hälfte entwickeln wird und welche Taktiken der Trainer neu herausholt, um gegen die immer wieder auf die Mannschaft einbrechenden Angriffswellen der Japanern zu reagieren….

Ist es wirklich schon so weit? Ein Blick auf den Kalender ergab letzte Woche für mich, dass ich in sechs Monaten auf jeden Fall das Land verlassen muss, da mein Visa abläuft. Anders herum betrachtet, kann man aber auch sagen: noch einmal sechs Monate, um einiges zu erleben. Das Glas ist schließlich halb voll und nicht halb leer. Zur Feier des Tages fanden heute auch die ersten Willkommenspartys statt. Wirklich komplett sind die noch nicht, da doch noch einige Ausländer fehlen. Aber irgendwann mussten diese ja vollzogen werden. Alle älteren Austauschstudenten blieben dieser Veranstaltung aber erst einmal fern. 150 Studenten reichten vollkommen in dem kleinen Raum, da müssen wir uns nicht auch noch hinein quetschen. Dann doch lieber in die Innenstadt fahren und die Reise am nächsten Wochenende vorbereiten. Es geht mit Melanie wandern. Ziel wird die Alpine Tateyama-Kuroberoute sein. Melanie bei dem Mittsommerfest kennengelernt zu haben, stellt sich immer mehr als Glücksgriff heraus. Keiner meiner Freunde hier ist so aktiv wie sie und gleichzeitig macht es sehr viel Spaß, sich mit ihr zu unterhalten, was Touren sehr angenehm macht. Ob ich ohne sie zum Beispiel den Fuji-san erklommen hätte, kann ich nicht mit abschließender Sicherheit behaupten. Aber auch ansonsten habe ich im letzten halben Jahr viele nette Leute kennengelernt und teilweise auch wieder verloren, da sie nur ein halbes Jahr geblieben sind. Aber man kann ja heutzutage leicht in Kontakt bleiben. Egal ob Amanda, meine geniale Tanzpartnerin beim Walzer, die Mitglieder der deutschen Delegation, mit denen ich viel unternommen habe und die mir auch öfter mal bei Problemen aus der Patsche geholfen haben oder zum Beispiel Lukas, den man bei Japanisch-Problemen notfalls auch nachts anklingeln konnte – es gab eigentlich keinen, der nicht sympathisch war oder den ich nicht vermissen werde. Zum Glück sind aber auch noch genug da. Egal ob Laura, Orsolya, Mohamed, die Südamerikaner oder die Skandinavier, keinen würde ich gerne missen wollen. Das gleiche gilt natürlich auch für die Japaner wie Kaori, Mayumi oder besonders Shimizu und Nobu, auch wenn Daniels Aussagen richtig waren, manchmal muss man glücklich sein, sie einmal im Monat zu treffen. Mal schauen, ob ich die Zahl nicht in der zweiten Hälfte heben kann.

Zu diesem großen Kreis an Leuten wurden heute wieder neue hinzugefügt. Nachdem ich David durch Zufall getroffen hatte, ging ich erst einmal mit ihm shoppen für die Reise. Gleichzeitig sahen wir uns das neuste Fest an. Leider war es wohl aber eher auf Rentner ausgerichtet, jedenfalls sprach der Altersdurchschnitt dafür. Es kann aber auch nicht an jedem Wochenende ein Fest für uns geben! Die Musik war aber trotzdem nicht schlecht, auch wenn es lustig war, wie begeistert die Rentner mitsangen. Anschließend traf ich auf dem Rückweg eine Gruppe von Neuankömmlingen, mit einem überproportionalen Anteil an Deutschen, die gerade den Weg suchten. Kein Problem, da kann ich helfen. Wieso ich es die letzten Tage immer schaffe, gerade diese Gruppen zu treffen, kommt mir zwar etwas spanisch vor, aber wieso nicht? Zwei der Damen kamen sogar aus dem schönen Bremen, da helfe ich doch von Natur aus besonders gerne! Also ging es zum Supermarkt, den sie suchten und ich half noch beim einkaufen. Das führte dazu, dass ich ihnen auch noch das Abendessen zusammenstellen durfte, da sie sich nicht entscheiden konnten. Sie waren auf jeden Fall sehr erfreut, dass ich helfen konnte. Damit zählen wir schon acht bekannte Deutsche, das entwickelt sich zu einer Invasion. Bisher ist der Männeranteil aber erschreckend gering und den Vertreter aus Göttingen, der eigentlich kommen sollte, habe ich auch noch nicht getroffen. Natürlich müssen diese Gruppen erst noch die Erfahrungen machen wie wir und auch erst einmal die Stadt und die Umgebung erkunden. Ich habe mich auch bereit erklärt, ein wenig auszuhelfen, schließlich kenne ich hier schon einiges.

Nach sechs Monaten muss ich sagen, Sendai ist eine sehr schöne Stadt, die genau meine Größe hat. Sie ist nicht zu groß wie Tokyo, aber auch nicht zu klein wie gewisse niedersächsische Universitätsstädte. Ich bin halt im Herzen doch eher ein Großstädter. Allgemein ist Japan aber genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Es hat seine absolut perfekten Seiten, die einen wünschen lassen, nie wieder weg zu müssen. Es hat aber auch Schattenseiten, die einen auch wieder in die Realität holen und zeigen, dass Japan auch ein normales Land ist. Den Schritt hier her bereue ich auf keinen Fall, ob ich wie Thomas ein Leben lang hier leben wollte, bin ich mir dagegen nicht so sicher. Dazu mag ich Deutschland zu gerne und möchte zum Vergleich doch noch viele andere Länder sehen. Das Problem ist halt, dass man immer ein Ausländer bleibt, da man als Europäer doch stark auffällt. Ob ich das für immer wollte, keine Ahnung. Mein Visa läuft vermutlich eher ab, bevor ich es heraus bekomme. Sechs Monate habe ich aber ja auch noch Zeit, es heraus zu bekommen. Aber auch alle meine Bekanntschaften machen es mir einfach, vieles zu erleben. Egal ob die ganzen Touren mit Melanie, Geschenke von Mayumi oder auch Group Mori, die man gar nicht genug loben kann, ich habe schon einiges hier gesehen und erlebt, wovon der Blog ja zeugt. Eines der absoluten Highlights bleibt aber das Essen zum Abschied von Yuri. So unvorbereitet und überrascht wir dort anzutreffen waren, war einfach retrospektiv schon ziemlich kurios. Besonders die Bekanntschaft mit Thomas ist hier hervorzuheben. Ohne ihn und seine Bar hätte ich wohl nur die Hälfte von dem sehen können, was ich gesehen habe. Er hat wirklich viele Türen geöffnet. Um das zu ehren sind David und ich deshalb auch heute mal schnell vorbeigefahren. Leider war er nicht selber da, aber es entwickelte sich eine illustre Runde mit allen Gästen und David, der die Bar noch nie gesehen hat. Er will aber auf jeden Fall wiederkommen. Besonders eine Chinesin war sehr aktiv und unterhielt sich den ganzen Abend mit uns. Die Frage der Kellnerin dazu, ob das Alter in unseren Ländern bei Paaren eine Rolle spielt, hat bei mir da doch kurzzeitig für Bauchschmerzen gesorgt. Wenn, dann ging es aber um David.

Aber auch in der Uni geht es voran, auch wenn man davon hier nicht so viel liest. Meine Dozenten haben endlich Interesse an meinem Thema und unterstützen mich ein wenig mehr als bisher. Meine Mitstudenten, allen voran natürlich Shimizu, sind natürlich eh jeder Kritik erhaben. Japanische Unis sind aber auf jeden Fall etwas anderes als deutsche Unis. Oftmals – wie mit den Büros – zum guten, teils aber auch schlechter, wenn man zum Beispiel die Monologhaftigkeit der japanischen Seminare sieht. Als Historiker, der sich gerne einmischt, ist dies schon ein herber Einschnitt. Besonders trifft das natürlich zu, wenn der Monolog nicht von mir stammt.

Wie man aber hoffentlich sieht, geht es mir hier sehr gut und ich genieße jeden Tag aufs neue, mich für das Auslandsjahr entschieden zu haben. Japan war dazu auch das richtige Land, auch wenn es bei meiner Zerstöreraura für Reparaturen leider etwas zu weit von Deutschland entfernt ist. Ich hoffe, der geneigte Leser bleibt mir auch für die zweite Halbzeit treu und ich freue und bedanke mich für das Interesse, besonders auch von den fleißigen Kommentatoren. Ich freue mich über jeden Kommentar – von daher: immer zu. Egal, welcher Zweikampf mit der japanischen Kultur als nächstes ansteht, ich werde mit vollem Elan hineingehen und am Ende hoffentlich gewinnen!

Das unerkannte Herumlaufen durch eine Großstadt

Freitagvormittag, früh erwacht und im Büro ist um diese Zeit in der vorlesungsfreien Zeit auch noch nichts los. Was macht man am besten? Die Entscheidung fiel auf die Innenstadt. Da ich mein Fahrradschloss nicht öffnen konnte, ging ich auch noch zu Fuß, das fing ja gut an. Im Endeffekt stellte es aber kein Problem dar. Schon nachdem ich mich der Innenstadt näherte, traf ich auf die ersten bekannten Gesichter. Group Mori und @home waren gerade damit beschäftigt, die letzten neuen Ausländer im Rathaus anzumelden und ihnen die Stadt zu zeigen. Da ich doch relativ bekannt bin, wurde ich gleich in Gespräche mit den Mitgliedern verwickelt und entschloss mich, etwas Zeit mit den Leuten zu verbringen. Dabei stieß ich gleichzeitig auf die vierte deutsche Person, die neu hinzugekommen ist. Es handelt sich um eine Dresdnerin, die wohl ein ganzes Jahr hier bleibt. Besonders auffällig war sie schon von weitem, so dass meine Intuition mich nicht täuschte und ich sie schon früh als Deutsche einordnen konnte. Zum Essen wollte ich dann aber doch nicht mitkommen und so trennte ich mich von der Gruppe, um noch einige Besorgungen in der Stadt alleine zu vollziehen. Irgend eine Kampagne muss auf jeden Fall gerade in Sendai stattfinden. Auf Anhieb dachte ich an ein Anti-Aids-Event, was wohl, wie ich las, sowieso gerade stattfindet. Aber anstelle von Schleifen verteilten überall einige alte Japaner kleine rote Federn an die Passanten. Ohne zu wissen, wofür demonstriert werden soll mit diesen Federn, verzichtete ich aber doch lieber auf diese Feder, die man mir verzweifelt an verschiedenen Ecken der Stadt anzudrehen versuchte. Aber auch ohne die Verteiler der Federn waren zu viele Leute unterwegs. Fünf Leute hielten an, um mich zu begrüßen. Dafür, dass wir in einer Millionen-Stadt leben, finde ich das schon eine beachtliche Zahl. Nur ein Problem gab es: Ich erkannte sie oftmals nicht. Es ist sehr nervig, keine Ahnung zu haben, mit wem man es zu tun hat. Aber irgendwie gewöhnt man sich dran. Kurios, wie leicht ich gesehen werde. Man findet mich wirklich überall. Ständige Überwachung, wer bracht schon einen Geheimdienst dafür.

Zu viel Zeit wollte ich in der Innenstadt aber auch nicht vergeuden und so ging es zurück in die Uni. Es folgte ein ruhiges Arbeiten, bis Shimizu für Ablenkung sorgte. Fünf Stunden lang vollzogen wir Deutschunterricht und sprachen, sehr zur Freude meiner einen Professorin, über Gott und die Welt. Es ist schon praktisch, wenn man in etwa die gleichen Interessen hat. Angespornt von unseren Diskussionen traten dann auch noch andere in das Gespräch ein und es entwickelte sich ein wirklicher kleiner Sprachzirkel. Im schlimmsten Fall saßen zwei oder drei Leute zwar gleichzeitig über den Sprachdatenbanken und Wörterbüchern, um das richtige Wort zu finden, irgendwie gab es aber immer ein Ergebnis. Wenn ich Shimizu richtig verstanden habe, werden wir in nächster Zeit wohl mal ein Grillen am Strand machen. Ausgezeichnet, ich freue mich drauf. Dass Shimizu wieder da ist, hebt die Stimmung im Büro gleich ungemein. Und heute die Gesprächsrunde hilft mir auch stark, wenn es erforderlich ist, notfalls auch mal das Japanische zu verwenden.

Göttlich war aber die Reaktion meiner Professorin auf die Feststellung, dass ich in Kürze wandern möchte. Die Tatsache, dass jemand freiwillig in Japan wandern gehen möchte, überraschte sie doch sehr. In einer Woche ist es dann soweit: Melanie und ich werden uns zu einer 3-Tage-Wandertour in Japan aufmachen. Ich bin schon gespannt. Meine Ausstattung ist zwar ziemlich überschaubar für solch eine Tour, aber es wird Spaß machen, da bin ich mir sicher.

Umweltschutz auf Japanisch

Japan ist eines der modernsten Länder der Welt, aber in manchen Dingen hat es echte Defizite. Irgendwie habe ich es heute geschafft, als erster im Büro zu erscheinen. Zur Abwechslung schien auch mal die Sonne. Warum sollte man da das Licht anschalten? Gesagt, getan und in die Lektüre vertieft. Nebenbei: die Japanisch – Nordkoreanischen Beziehungen sind besonders in Anbetracht der ersten öffentlichen Darstellung des designierten neuen Machtinhabers in Nordkorea höchst interessant. Die Probleme in der Beziehung der beiden Länder geht so weit, dass in den sechziger Jahren Japaner nach Nordkorea entführt wurden. Noch zwanzig Jahre später verdächtigte man beim ersten Verschwinden gleich die Koreaner. Unter den Entführten war sogar ein 13-jähriges Mädchen. Ein sehr spannendes Forschungsfeld, doch leider sind alle wichtigen Akten noch unter Verschluss, so dass ein Vertiefen und Verwerten der Problematik nicht so ergiebig ist. Auf jeden Fall versuchte dank des ausgeschalteten Lichtes wirklich jeder, der später kam, die Tür aufzuschließen. Im Endeffekt schaltete mein zweiter Betreuer die Lampen dann doch an. Etwas seltsam ist das aber schon: die Luft ist gut im Raum, alles ist hell erleuchtet, trotzdem müssen alle Lampen und auch die Klimaanlage sofort angestellt werden. Dieses Phänomen kann man aber auch andernorts feststellen. Kein Japaner lässt gerne das Licht aus. Wenn man tagsüber in die Fenster der Häuser schaut, sieht man sofort, in welchem Raum sich gerade jemand befindet. Die Frage ist aber auch: Was erwartet man von einem Land, wo die Menschen beim Einkauf im Combini einfach mal den Motor laufen lassen? Man weiß ja nie, wie schnell man fliehen muss. Von Umweltschutz oder Energiesparen haben die Herrschaften auf jeden Fall noch nicht so viel gehört!

Ein weiteres Beispiel für den Umweltschutz in Japan ist das Tüten-Prinzip. Alles bekommt man in extra Tüten, die noch nicht einmal etwas extra kosten. Dafür haben sich windige Supermarktchefs eine neue Methode ausgedacht. Sie geben Rabatt auf den Einkauf, wenn man keine Tüte nimmt (ganze 2 Prozent). Trotzdem landen viele der Tüten schon vor dem Laden im Müll. Auch ansonsten sind alle Lebensmittel zwei- bis dreifach eingepackt werden. Umwelt- und Energieschutz kann man hierzulande auf jeden Fall komplett vergessen.

Den Abend habe ich dann mit Carmen verbracht. Carmen, die Deutsch-Finnin, die leichte Probleme mit ihren Forschungen hatte, hat bei ihren Forschungen ein paar Überschneidungen mit meinen und dafür wurde ich deshalb heute interviewt. Nachdem ich einen Tempel mit ihr besichtigt hatte, ging es raus zum Okonomiyaki essen. Wie kann man nur in Japan sein und diese Spezialität und dabei eines der am besten schmeckenden japanischen Gerichte nicht kennen? Auch ansonsten verlief der Abend sehr interessant und ich glaube, ich konnte sie in einer längeren Beratungsrunde wieder auf den richtigen Weg für ihre Arbeit hier bringen. Sie kann einem auch leid tun. Sie wurde von ihrer finnischen Universität hier ohne Informationen und Rückendeckung ins kalte Wasser geworfen. Dazu stellt sich noch ihre Uni hier bezüglich ihrer Forschungen quer und sie soll alle Probleme lösen. Zusammen gelang es uns auf jeden Fall, einen Schlachtplan zu entwickeln. Und da ihr Thema eine Befragung von alten Leuten beinhaltet gelingt es mir eventuell, Group Mori zu überzeugen, sich ihren Fragen kurz zu stellen. Besser als alleine drei Rentner ohne gesicherten Hintergrund für eine Interviewreihe über eine Problematik betreffend Rentner zu befragen, wird es wohl auf alle Fälle. Die japanische Universität hat auf jeden Fall auch „interessante“ Ansichten zum Thema Forschung.

Der japanische Getränkemarkt

Wer kennt es nicht? Man ist im Ausland, durstig, geht in einen Laden und kennt keines der Getränke. Also Augen zu und durch. In jedem Land der Welt wäre dieses Vorgehen absolut ungefährlich und würde kaum zu verdrehten Augen führen. In Japan sieht die Welt dagegen etwas anders aus. So geschieht es mir bis heute, dass ich die ungewöhnlichsten Getränke erwische. Heute erwies sich ein einfaches Milchgetränk als eine Mischung aus Kakao und Kaffee mit Bananengeschmack und dies stellte noch einen der harmlosesten Vertreter des japanischen Getränkemarktes dar. Natürlich, den Standard wie Cola oder Sprite findet man auch hierzulande. Aber schon bei dem Versuch, ein Wasser oder einen Saft zu kaufen, kann man sich absolut in die Nesseln setzen. Der japanische Getränkemarkt wird dabei nach dem Motto „bunter, farbiger und poppiger“ betrieben. Es gibt keine Variante, die es nicht gibt und je exotischer ein Getränk ist, desto beliebter wird es. Dafür fehlen viele aus Deutschland gewohnte Standards in der Auswahl der Getränke. Wie in vielen Ländern der Erde, trinken die Japaner so zum Beispiel kein Wasser mit Kohlensäure. Dieses findet man nur teuer in den verschiedenen Importläden oder in ganz seltenen Fällen mal in den Supermärkten. Dafür sind die sogenannten Sportdrinks hierzulande der große Renner. Das sind Iso-Drinks ohne Kohlensäure. Gleichzeitig stellen sie eines der normalsten Getränke dar, das man hierzulande erhalten kann. Daneben gibt es noch frische Milch und Cola, Fanta und Fruchtsäfte mit niedrigen Fruchtanteilen. Wenn dann normale Milch aber auf einmal wesentlich teurer ist als Milch mit Geschmack, gibt mir das über den Inhalt der Getränke doch etwas zu denken. Aber eigentlich geht es mir heute um die seltsamsten Mischungen und davon habe ich schon mehr als genug gesehen oder von meinen Kollegen vorgestellt bekommen.

Was erwartet einen nun, wenn er in Japan etwas zu trinken blind kauft? Im Groben kann man den japanischen Getränkemarkt wohl in vier große Sparten unterteilen:
Die erste Sparte stellen die Kaffee- und Milchgetränke dar. Koffein stellt für die lange und harte Arbeitswelt der Japaner logischerweise ein Grundnahrungsmittel dar, dementsprechend vielfältig ist hier die Auswahl. Kaffee, meist in Dosen verkauft, gibt es dabei in allen mir nur bekannten Variationen. Matcha (grüner Tee) mit Kaffee und ein wenig Milch oder doch gleich eine Cola- und Kaffeemischung? In Japan stellt beides kein Problem dar. Wie vorher schon erwähnt, gehören auch der Mix von Obstgeschmäckern und Kaffee zum guten Ton, man muss den Kaffeesüchtigen ja schließlich auch etwas Abwechslung gönnen.
Der zweite große Markt stellt der Markt für Softdrinks dar. Hier werden wirklich alle Geschütze aufgefahren. Aalsoda; Plazentawasser (ja wirklich die Plazenta); Pepsi mit Gurke oder Jogurt; Vitamin- und Sportdrinks; Softdrinks, die die Brüste vergrößern sollen, für jeden Geschmack und jedes Bedürfnis ist etwas dabei. Wenn gar nichts mehr geht und die Gesundheit zur Neige geht, holt man dann notfalls noch einen der besonders teuren Heiltränke heraus. Diese Getränke, deren Aussehen aus Computerspielen nachempfunden wird, bekommt man in leuchtendem Rot oder Blau. Sie sehen besonders „vertrauenerweckend“ aus und würden bei dem Versuch, sie nach Deutschland mitzunehmen, vermutlich als Droge beschlagnahmt werden.
Bei Alkohol, der dritten großen Sparte, sind mir in letzter Zeit ebenfalls einige sehr interessante Sorten untergekommen. Kinderbier verstehe ich unter bestimmten Gesichtspunkten ja noch, Bier mit Milch finde ich da als Getränk schon fragwürdiger. Eigentlich werden fast alle Getränke, die der normale Markt hergibt, mit Alkohol „aufgewertet“. Deshalb: Immer auf den Boden achten, ob nicht zufällig ein fünf Prozent oder ein noch höherer Wert auf der Dose vermerkt ist!
Die größte Überraschung kommt aber beim letzten Punkt auf einen zu. Man stelle sich vor: Man steht im Laden und zwischen allen Getränken steht eine normale Dose mit einem Saft und Früchten drauf. Natürlich erwartet man ein Getränk. Aber weit gefehlt! Es handelt sich um Wackelpudding, der nach dem Schütteln der Dose entstehen soll. Das klappt zwar bei mir nur in 25 Prozent der Fälle, überraschend ist es aber alle male.

Man sieht also, der japanische Getränkemarkt ist weit gefächert. Es ist eigentlich verwunderlich, dass diese Vielfalt nur selten in andere Länder exportiert wird. Nur nach Chemikalien in den Getränken darf man wirklich nicht fragen. Es kann noch so oft auf den Getränken „natürlich“ stehen, ab einem gewissen Leuchtgrad des Getränkes zweifelt man schon leicht daran. Trotzdem ist es immer eine Erfahrung. Möchte man wirklich gesund leben, dürfte man wohl auch nur selbst gemachten Tee trinken. Nicht umsonst versuchen die japanischen Gesundheitsämter, den Verkauf der viel zu süßen Getränke zu unterbinden oder einzuschränken. Das es sich trotzdem so gut verkauft, untermauert meine Beobachtungen im Bereich der Lebensmittel. Diese sind ebenfalls absolut überzuckert. Wie die Japaner es trotzdem schaffen, nicht so sehr zuzunehmen, kann ich nicht nachvollziehen.