Alle Wege führen zum Oktoberfest

Viele Wege führen nach Rom, heißt es in dem in fast jeder Sprache bekannten Spruch. In Sendai müsste momentan dieser Spruch wohl umgeschrieben werden. Alle Wege führen zum Oktoberfest. Geplant war das Erscheinen auf dem Fest heute nicht wirklich, aber das ganze allgemeine Leben in der Stadt scheint zu Gunsten des Festes auszufallen. Auf der Suche nach einigen Dingen, ging ich durch die Stadt und nie erlebte ich sie ruhiger. Für einen Samstag war wirklich nichts los. So ließ ich mich von Orsolya überzeugen, dem Bierfest eine zweite Chance zu geben.

Im direkten Vergleich muss ich sagen, besser als das Fest vor drei Monaten ist das jetzige Fest schon. Dies liegt aber weniger an den Ständen, die die gleichen sind, wie beim letzten Mal, als an der Tatsache, dass die Auswahl der Band besser ist, als beim letzten Fest. Gut, eine Band zu schlagen, die nur drei Lieder beherrscht, ist auch nicht wirklich schwer. Die Bandmitglieder sind aber alle so um die 25 bis 35 Jahre alt und besitzen ein weitreichendes Repertoire an Liedern. Über die Qualität der Lieder lässt sich dabei vortrefflich streiten und meinen Geschmack treffen sie nicht unbedingt, aber für den Kontext des Oktoberfestes ist die Auswahl wohl ziemlich gelungen. Den Japanern ist dies aber eh ziemlich egal. Bei jedem Lied gehen die Betrunkensten total mit. Auch die Würstchen haben einen großen Abnehmerkreis. Allgemein versuchen sich die Händler diesmal an mehr deutschen Rezepten, aber zum Beispiel würde ich für einen einzelnen Kartoffelpuffer ohne alles nie im Leben 7 Euro bezahlen. Auch für vier verschiedene dünne Würstchen würde ich nicht unbedingt 20 Euro hinlegen. Der Einzelhandel hat auf jeden Fall seinen Umsatz, besonders an der 27 Euro Maß. Der echte Einzelhandel in Form von Kombinis findet dagegen bei den Ausländern seine Abnehmer, die sich lieber billiges Bier besorgen und nur die Atmosphäre genießen. Diese ist für japanische Verhältnisse aber auch einzigartig. So locker und ausgelassen erlebt man Japaner selten. Die ganze Familie ist da, die sonst ängstlichen Kinder gehen auf die Menschen zu und die ganze Familie versucht, das Steak oder die Würstchen mit Stäbchen zu essen.

Die Band mit ihren roten T-Shirts stellt dabei immer einen Fixpunkt dar. Neben ihren fünf täglichen Auftritten bekommen sie reichlich Freibier zur Seite gestellt. Ein Umstand, den man sehr gut an ihrem Handeln erkennen kann. Die letzten Auftritte finden nur noch in einem schon fast zuen Zustand statt. So versuchten sich zwei auch an Orsolya, die gekonnt in Deutsch konterte und später von mir von den beiden erlöst wurde. Einziges Thema der Band war dabei eigentlich nur die japanische Damenwelt. Die Tatsache, wie die gut abgefüllten Japanerinnen aus sich heraus gehen und vor der Bühne fast alle Hemmungen verlieren, kommt auch auf der Bühne an. Im Verbund mit dem relativ jungem Alter und den teilweise sehr kurzen Kleidungsstücken der Japanerinnen kann da schon mal der Hormonhaushalt durcheinander kommen, so dass man sich dann über das beste Vorgehen bei mir erkundigte. E entstand ein allgemein sehr interessantes Gespräch, was nur andauernd von Japanerinnen unterbrochen wurde, die unbedingt mal Deutsche anfassen wollten oder Fotos machen wollten. Teilweise ging das für japanische Verhältnisse schon ziemlich tief ins Flirten und wenn bei mir Interesse bestanden hätte oder die anderen beiden mehr verstanden hätten, alleine hätte von uns keiner nach Hause gehen müssen. Das sollen die Herren aber selber rausfinden, das ist nicht meine Baustelle. Ich hoffe nur, das Fest ist bald zu Ende, dass man seine Freunde auch mal wo anders antrifft und sich das Leben bald wieder normalisiert.

Der Tag der Deutschen

Wer erinnert sich noch mit Genuss an die guten alten Tage, als Computer noch echte Computer waren? Plug&Play, vorinstallierte Treiber, einen USB-Stick einfach anschließen und Daten drauf schieben? Nicht so bei Windows 98 und nach jeder Änderung bitte gleich noch das Betriebssystem neu starten. Ja, die guten alten Zeiten vor der Verweichlichung durch Windows XP, Vista und 7, man musste noch wirklich etwas tun. Genau an diese Zeiten wurde ich heute erinnert. Die deutsche Professorin hat noch einen sehr alten PC in ihrem Zimmer stehen, der eigentlich nur noch bereit steht, weil ihre alten E-Mails von 1999 bis 2003 noch auf ihm zu finden sind und sie diese noch benötigt. Alle Assistenten in den letzten sieben Jahren haben es nicht geschafft, diese Daten zu retten. Also wurde die Hilfe durch deutsches Know-How erbeten. Keine leichtere Sache als das, eigentlich. Leider erreichte der Mailordner eine Größe von 160 MB, eine Größe, die auf handelsübliche Disketten nicht passt. Einen CD-Brenner besaß der Rechner natürlich auch nicht, dementsprechend war guter Rat teuer. Zum Glück befindet sich im Besitz dieser Professorin noch ein 256 MB USB-Stick. Jetzt blieb nur noch eine Frage: Wie überzeuge ich eine japanische Windows 98 Version, einen USB-Stick zu lesen? Mit viel Überzeugungsarbeit bekam ich einen USB-Treiber auf eine Diskette geschoben. Schon alleine den Treiber ausfindig zu machen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Als nun die Meldung erschien, „bitte die Windows 98 CD einlegen“, war es ganz aus. Wer hat bitte noch eine derartige CD griffbereit? In der Philosophischen Fakultät auf jeden Fall keiner und so lag es an mir, einen Ausweg zu finden. Mit ganz viel Trickserei gelang es doch noch, den USB-Stick zum Laufen zu bekommen und in kürzester Zeit die E-Mails zu retten. Endlich kann der mehr als 10 Jahre alte Rechner in Rente gehen.

Als ich zwanzig Uhr endlich mit allen Computerarbeiten fertig war, kam ein Anruf von Orsolya. Das Oktoberfest hat angefangen, im September. O.k. im September, die Japaner lernen es vermutlich nicht mehr. Das Fest präsentierte sich noch größer als im Juni. Diesmal gibt es sogar eine Maß. Die Frage die sich stellt ist nur, wer bereit ist, dafür fast 25 Euro zu bezahlen? Die Japaner! Was frage ich überhaupt so dämlich? Auch Würstchen und andere nicht immer deutsche Spezialitäten gingen zu sehr überhöhten Preisen über den Ladentisch. Wirklich deutsches Essen gab es nur in einer Hütte. Marias Gasthaus hat für zwei Tage des Festes einen Stand geöffnet. Maria, eine Bayerin, ist eine resolute ältere Dame, die seit über 15 Jahren mit einem Japaner verheiratet ist und an der Stadtgrenze einen Gasthof betreibt. Perfekt für ein wenig Smalltalk, besonders da sie meine Professorin kennt und mir ein wenig über sie berichtete. Auffällig war auf jeden Fall die Bierbegeisterung der Japaner. Trotz des Preises von bis zu 10 Euro für ein Einbecker, tranken die Leute begeistert bis zum Umfallen. Auch die passenden Trachten wurden von Einigen getragen.

Aber auch weiter blieb es ein Tag der Deutschen. Thomas erschien und lud uns auf ein Fest am Samstag ein. Ein Freibier inklusive, da er für den Bierausschank zuständig ist. Über die Auskunft der Industriespionage des zweiten Tayakistandes amüsierte er sich nur und will demnächst einmal den Vergleich wagen. Auch die diesmal echt Bayrische Band war über das Erscheinen von echten Deutschen überrascht und lud uns ein, an einem der nächsten Tage mal ein Freibier mit ihnen zu trinken. Immerhin stellten wir eine angenehme Abwechslung zu den kreischenden Japanerinnen dar, die angehoben werden wollten oder einfach nur Fotos (und teilweise mehr) mit den großen Deutschen wollten. Die interessanteste Begegnung des Abends war aber eine Deutsch-Finnin, der ich bei dem Interviewteil ihrer Masterarbeit ein wenig mit Rat zur Seite stehen kann. Eine Möglichkeit, meine Kontakte etwas zu vergrößern und eventuell Rückschlüsse für meine eigenen Forschungen zu ziehen, was will man mehr?

Die Macht der Karte

Japanisch ist eine ziemlich komplizierte Sprache, besonders, da die Kanjis verschiedenste Bedeutungen haben können. Nicht selten erlebt man, wie Japaner selber erst einmal überlegen müssen, was dort eigentlich vor ihnen geschrieben steht. Um diese Problematik wenigstens bei der Vorstellung aus dem Weg zu gehen, verlassen sich Japaner auf ein kleines Hilfsmittel, die Visitenkarte. Fast jeder Japaner hat sie und die Übergabe stellt ein kleines Ritual dar. Derjenige, der die Karte überreicht, nimmt sie an den zwei äußeren Ecken und reicht sie mit einer leichten Verbeugung dem Gegenüber. Der Gegenüber nimmt sie mit einer leichten Verbeugung vorsichtig mit beiden Händen, wobei diese an einer bestimmten Stelle stehen. Nun wird ausgiebig die Karte betrachtet, die sowohl Japanisch als auch Englisch beschriftet ist. Nachdem man noch einmal nach der Umschrift der Namenszeichen gefragt hat, kann man die Karte nun wegstecken und seine eigene übergeben. Genau hier kommt mein Fehler zum Tragen. Eigentlich hätte mir schon in Deutschland bewusst sein müssen, dass mein Name zu schwer auszusprechen ist. Leider habe ich aber keine Karten anfertigen lassen, schließlich bin ich nur ein unbedeutender Student. Diesen Fehler muss ich die nächsten Tage unbedingt ausbügeln!

Der Tag im Büro war heute ziemlich ruhig. Täglich verirren sich eigentlich nur maximal ein bis zwei Studenten in das Büro. Eigentlich sind nur mein zweiter Betreuer und ich anwesend. Zusätzlich ist die deutsche Professorin von ihrer Deutschlandreise wiedergekommen. Neben der Tatsache, dass sie mir bestätigte, dass ihr Göttingen auch zu klein vorkommt, wurden meine Dienste benötigt, um an ihrem PC einige Einstellungen vorzunehmen. Interessant wurde es erst, als ich eigentlich schon gehen wollte. Ein alter Professor der Tohoku Universität hatte sich angemeldet. Ein Indologe mit guten Deutschkenntnissen. Als altgedienter und bekannter Forscher hat er schon die Mitte achtzig überschritten und ist seit nunmehr knapp 20 Jahren aus dem Universitätsdienst ausgeschieden. Trotzdem besucht er die Universität noch regelmäßig und meine Professorin liest des öfteren seine Arbeiten in Englisch zur Korrektur. Da er heute nicht wirklich gehen wollte, nahm sie den Göttinger Studenten zum Anlass, ihn aus ihren Büro herauszubekommen. So wurde er mir vorgestellt.

Er ist ein sehr sympathischer älterer Mann. Sogar Magdeburg kannte er aufgrund der Halbkugelversuche. Ein Faktor, der immer Pluspunkte bringt. Ansonsten schien er ganz der alten Schule anzugehören. Widerworte gibt es nicht und seine Ausstrahlung zeigte klar, dass er etwas bedeutet. Es entwickelte sich ein interessantes Gespräch über den Punjab. Zum Glück war eine meiner letzten Vorlesungen der Thematik der Rekrutierung von ethnischen Gruppen des Punjabs vor dem ersten Weltkrieg gewidmet. Aus diesem Grund konnte ich neben dem Professor bestehen und nicht ganz unwissend erscheinen. Nur dass ich weder von meinem Vornamen noch von meinem Nachnamen die Bedeutung wusste, überraschte ihn und enttäuschte ihn etwas. Dies war ihm klar anzusehen. Es ist aber auch schwer Japanern zu erklären, dass der eigene Name keine bekannte Bedeutung hat. Japanische Namen werden aus Kanjis gebildet und haben so immer nachvollziehbare Bedeutungen. Dementsprechend verwundert reagieren Japaner auf europäische Namen. Gerade die Bedeutung der Namen ist aber einer der ersten Eisbrecher in japanischer Gesprächsführung. Im Endeffekt verlief das Gespräch aber sehr erfolgreich, auch wenn meine Anspannung erst nachließ, als der Professor das Zimmer verließ. Seine ganze Aura zeigte, dass man in seiner Anwesenheit keinen noch so kleinen Fehler begehen durfte. Mein zweiter Berater meinte aber, dass das Gespräch für mich sehr lohnend gewesen sei, da die Visitenkarte des Professors mir wohl viele Türen in Japans Universitätssystem öffnen kann. Dies ist ein weiterer Faktor für Visitenkarten, den ich schon öfter festgestellt habe. Die richtige Visitenkarte, wie die meines Professors, kann viele Dinge in Japan stark erleichtern und einige Japaner schnell freundlicher werden lassen. Morgen werde ich mir wohl auch welche anfertigen lassen, eventuell lernt dann auch meine deutsche Professorin, meinen Vornamen von meinem Nachnamen zu unterscheiden. Wobei ich mich mittlerweile schon sehr daran gewöhnt habe, dass mich die halbe Welt mit Herr Reik anspricht. Ein Fehler, der dem älteren Indologen heute sofort ins Auge fiel.

Philosphische Fakultät vs. Ausländer – eine Betrachtung

Es ist soweit, es ist wirklich geschehen. Alle Studenten, die nur ein Semester in Sendai waren, sind weg. Es ist endgültig Ruhe eingekehrt. Neunzig Prozent der anderen Studenten sind auf Reisen in die Heimat oder durch Japan und in Göttingen findet sich kaum noch einer. Kein Problem für mich, ich wollte eh einen ruhigen Tag, nur mit etwas Radfahren und einigen Geschichtsartikeln starten. Dank eines Zufallstreffens mit zwei Skandinaviern konnte ich aber trotzdem noch etwas sehr Interessantes herausfinden. Offensichtlich bin ich nicht das einzige Opfer des Tohoku Bürobelegungsplans. Die Zusammenhänge verstehe ich mittlerweile aber noch weniger.

Wir erinnern uns. Am Anfang meines Aufenthaltes gab es große Verwunderung, dass ich im falschen Programm eingebunden bin und auch, dass ich in der Deutschen Literatur gelandet bin. Bis auf die Tatsache, dass die Leute etwas Deutsch sprechen und die Studenten und Dozenten alle sehr sympathisch sind, hat diese Einteilung auch ihre Nachteile. Als Fachfremder kann man nicht einfach mal kurz zu den Historikern gehen und dort im Büro, das zeitgleich die Bibliothek ist, forschen. Das geht nur, wenn man Beziehungen zu diesem Büro hat. Dementsprechend sind meine Möglichkeiten etwas eingeschränkt, auch wenn es mittlerweile besser wird. Wie es sich herausgestellt hat, geht es den Skandinaviern auch nicht besser. Die Mitglieder der Gruppe, bestehend aus 3 Japanologen, wurden auch den seltsamsten Büros zugeordnet und können nahezu nichts Vernünftiges machen, außer dass die Büros jetzt erwarten, dass ihre Fachrichtungen in die Bachelorarbeiten der drei einfließen. Gar keine leichte Aufgabe, wenn eine der drei zum Beispiel im Büro für die „Geschichte des Buddhismus in Indien“ sitzt. Das wird garantiert eine interessante Arbeit für einen Japanologen. Die anderen haben es auch nicht besser getroffen. Gleichzeitig stehen sie vor den selben Problemen wie ich. Sie würden gerne in die passenden Büros gehen und sich da belesen. Als Japanologen ist ihr Japanisch auch noch um einiges besser als meines, aber sie kommen einfach nicht rein. Immerhin kann Ulf, der Indologe, mir die Türen in sein Büro öffnen. Ich kenne einen Professor in Göttingen, der von den Aussichten sehr begeistert wäre. Immerhin haben wir auf diesem Weg den Grund für meine falsche Zuordnung als nicht Graduierter herausgefunden. Wie sich herausstellte, sind die drei nicht graduiert und deshalb ging die Fakultät fälschlicher Weise davon aus, das dies auf uns alle zutrifft. Fragwürdig ist das Ganze aber schon.

Trotzdem habe ich es mittlerweile geschafft, dass meine Leute in meinem Büro helfen, etwas über die Themen, die mich interessieren, herauszufinden. Sie versuchen auch, mir in den anderen Büros einige Türen zu öffnen. Auch mein Schlüssel zum Büro wird in regelmäßigen Abständen genutzt. So habe ich mittlerweile einige Bücher zur Japanischen Geschichte im Büro gefunden, die von mir in Augenschein genommen werden. Wie man sieht, bemüht sich das Büro wirklich, mir noch mehr zu helfen. Interessanterweise decken sich die Ansichten der anderen mit meinen Beobachtungen über die Vorlesungen. Einer spricht und die anderen hören andächtig zu, das japanische Vorlesungs- und Seminarprinzip. Die Anderen meinten nur, ich soll froh sein, dass ich das nicht gezwungenermaßen mitmachen muss. Selbst mit ihren Japanischkenntnissen, lassen die meisten Professoren sie in die Seminare nicht herein und so studieren sie momentan mehr englische Literatur als alles andere. Dort dürfen sie wenigstens teilnehmen, wenn auch meist nur als Anschauungsobjekt für englischsprachige Studenten. Ich wäre zwar in mehr rein gekommen, ob das mehr gebracht hätte, als mein jetziges Vorgehen, ist aber auf jeden Fall fragwürdig.

Also, keine Sorge an alle die nur von Feiern oder Behördengängen lesen, ich werde auch so einiges fachlich aus meinem Aufenthalt mit nach Göttingen nehmen und beschäftige mich täglich damit, auch wenn ich nicht immer darüber schreibe.

Auszüge und Platzverweise

Damit hätten wir schon drei. Heute kam ein Anruf des letzten Deutschen, der Sendai verlassen möchte. Da er für seinen Flug morgen noch nicht alles erledigt hatte, entschied ich mich, ihm ein wenig unter die Arme zu greifen. Leider machten uns für viele Sachen die Öffnungszeiten der Japaner einen Strich durch die Rechnung. So wollten wir sein Konto auflösen. Aufgrund der Tatsache, dass er mich erst spät erreichte, verpassten wir die Schließzeit um eine Minute. Den anwesenden Wachmann konnte ich zwar noch überzeugen, uns für eine Minute rein zu lassen. Da der Kontoinhaber aufgrund seiner Taschen aber länger zur Bank brauchte als ich, der vorgerannt war, verpassten wir die Öffnungszeit aber glorreich. Kein Problem, dann halt den Router zurück zur Kabelfirma bringen. Nach einigen Telefonaten hatten wir die Adresse und die Anweisung, es bei der Firma abzugeben. Aber wie sollte es anders sein, im Gegensatz zur Telefonankündigung war der Platz schon geschlossen, heute war echt nicht unser Tag. Also zur Hauptpost und den Router per Post verschicken. Aber nicht einmal das gelang, die Post hatte auch schon geschlossen. Zum Glück besitzt Japan aber genug Paketdienste und wir konnten wenigstens das Paket günstig abschicken. Zum Abschluss ging es noch einmal zusammen etwas Essen und dann verabschiedeten wir uns. Ich hoffe, er hat morgen früh einen guten Rückflug. Trotzdem ärgerlich, dass trotz unserer Bemühungen nichts so wirklich alles geklappt hat. Ich sollte mir wirklich für meine Rückkehr merken, alles rechtzeitig zu erledigen.

Anschließend ging es noch einmal zu den anderen beiden Rückkehrern, Andre und Felix. Ein letztes gemeinsames Anstoßen stand an. Passenderweise bekamen wir einen Anruf von einigen Freunden, die noch ein paar Feuerwerke in die Luft jagen wollten. Also trafen wir uns mit denen am Flussufer und machten die Nacht zum Tag. Ruhig blieb es aber trotzdem, da die Feuerwerke keine Geräusche machten und wir relativ ruhig blieben. Plötzlich merkten wir, dass wir beobachtet wurden. Die Polizei, unser Freund und Helfer, stand oben auf der Brücke und beobachtete uns und eine Gruppe Japaner neben uns. Wenn sie was zu sagen haben, warum kamen sie nicht? Sie näherten sich mit dem Auto immer weiter unserem Standort, aber ruhig und gemächlich. Fünfzehn Minuten vergingen, bis es endlich ernst wurde. Punkt elf Uhr wurden wir gebeten, doch etwas Ruhe zu geben und unsere Party aufzulösen, unsere lauten Feuerwerke störe die Anwohner. Dazu muss man sagen, es gibt im näheren Umkreis zum Ufer keine Nachbarn und wir waren wirklich leise. Egal, wer will sich schon mit der Staatsmacht anlegen? Ja, wir manchmal, aber nicht aus solchen Gründen. Also zogen wir langsam von dannen. Während dessen kamen auf einmal Rufe vom anderen Ufer des Flusses. Einige japanische Jugendliche beleidigten die Polizisten. Lieber doch schneller weg. Nicht, dass die Polizei noch denkt, wir haben etwas mit den Pöblern zu tun. Während wir unsere Räder aus dem Bereich schoben – es gilt 0.0 Promille fürs Radfahren – wir wollten den Polizisten schließlich keinen Anlass geben, schwärmte die Polizei mit Verstärkung aus, um die Pöbler zu fassen. Immerhin, endlich hatten wir unseren ersten Platzverweis in Japan bekommen und das trotz keinem einzigen abgefeuerten Feuerwerk, während die Polizei uns beobachtete. Endergebnis war, dass wir zum Internationalen Haus zogen und dort unsere kleine Feier beendeten. Abschließend verabschiedeten wir noch einmal die Deutschen und ließen den Tag damit ausklingen. Alle drei werden mir auf jeden Fall fehlen. Mal schauen, wer so nach kommt.

Industriespionage in Japan. Der Tayakikrieg.

Endlich haben wir den Beweis, Japan ist nicht besser als der Rest der Welt. Wer hat nicht schon von Japanern und ihrem Rechtsempfinden gehört. Man sorgt sich um Kopien jeglicher Art. Egal, ob ein Computer aus Deutschland oder Japan ist, per Post darf er das Land nicht verlassen. Auf vielen Waren steht auch drauf, dass das Verkaufen der Ware in den außerjapanischen Raum verboten ist. Man hat panische Angst, dass irgend ein Land die japanischen Markenwaren kopieren könnte. Auch die Gesetzgebung geht gegen Kopien rigoros vor.Was macht man aber gegen Gedankenklau? Genau diese Frage stellte sich Andre und mir, als wir den Haupttayakiladen Sendais besuchten. Regelmäßig werden hier neue Kreationen vorgestellt und im ersten Moment dachten wir, wir übersetzen nicht richtig. Die neueste Kreation hat wirklich den Namen „Deutsches Kartoffeltayaki“. Woher kennen wir in abgewandelter Form nur den Namen? Richtig, aus dem Mafumafu, wo es der Verkaufsschlager ist. Das musste getestet werden und tatsächlich, das Angebot ist eine Kopie. Nicht so gut wie das Original, das kann man in diesem Fall aber auch nicht erwarten. Thomas macht in die Tayakis ein großes Stück Leberkäse hinein, eine Fleischsorte, die in Japan ziemlich unbekannt ist. Die Kopie besteht dementsprechend auch aus Kartoffelbrei, aber mit einem normalen Minifleischstück versetzt. Laut Andre ist es gut, aber nicht perfekt. Ich bin gespannt, was Thomas über die Kopie sagt. Man kann aber davon ausgehen, dass es eine Kopie ist. In keinem Tayakiladen in Japan habe ich ansonsten deutsches Tayaki gesehen.

Ansonsten ging es heute den Amtsschimmel etwas ärgern. Irgendwie scheint das Land mich unbedingt loswerden zu wollen. Wie sich herausstellte, ist meine Versicherungskarte nur bis Ende des Monats gültig. Damit bin ich aber der Einzige. Alle anderen ausländischen Studenten müssen sogar zum Amt rennen, um die Karte abzumelden, da sie in die Heimat zurückkehren. Ich darf hinrennen, da meine Karte abläuft. Zum Glück sah ich aber verzweifelt genug aus, dass mich eine Antragsstellerin gleich ansprach und mit mir durch die Prozedur ging. So war das Ganze dann nur nervig, aber nicht aufwändig. Wie es zu dem Fehler kommen konnte, konnte aber auch keiner sagen, denn eigentlich wird die Karte immer für ein Jahr ausgestellt. Zum Glück ist es mir rechtzeitig aufgefallen. Man stelle sich bei einem Notfall mein entsetztes Gesicht vor, wenn meine Versicherungskarte abgelaufen wäre.

Jazz im Regen

Schon 2003 sangen die Prinzen: „Regen tropft auf meinen Kopf, doch der ist wasserdicht“ – wie recht sie doch hatten. Nach dem gestrigen Abend begann der Weltuntergang in Sendai. Der Himmel öffnete sich und der Strom an Wasser will einfach nicht verebben. Der Taifun hat uns also komplett im Griff. Lässt sich ein Magdeburger aber von solchen Kleinigkeiten aufhalten? Nein, natürlich nicht! Also ging es mit dem Rad in die Stadt, den zweiten Tag des Jazzfestivals zu besichtigen. Das Ganze war schon im strömenden Regen beeindruckend, wie muss das erst im trockenen Zustand aussehen? Überall waren Bühnen, eine hatte die Nummer sechzig. Von daher ist wohl davon auszugehen, dass es mindestens ebenso viele Konzerte gleichzeitig gegeben haben muss. Überall standen Menschentrauben mit Regenschirmen bewaffnet bereit, um den Künstlern eine würdige Bühne zu geben. Den besten Auftritt hatte aber eine Band im Bahnhof. Der Bahnhof hat zwei Etagen und die Band stand auf der Balustrade der zweiten Etage und sang für die Leute in der ersten. Das Ganze geschah dazu noch im A Capella Stil, ein beeindruckender Auftritt. Im Anschluss stellte ich mich ohne Regenschirm in den Regen, um einem Gitarrenspieler zu folgen. Er war sehr gut, aber aufgrund seiner ungünstigen Lage hatte er gerade keine Zuhörer. Da der Regen und die Lufttemperatur warm waren und ich dank der Radtour eh schon durchnässt war, verweilte ich ein wenig im Regen. Nicht so mit Japanern. Das Team schickte gleich jemanden vor, der mir ein Handtuch und gleichzeitig einen Platz unter dem Teamzelt anbot. So verfolgte ich dann etwas trockener den Auftritt noch in Ruhe zu Ende.

Abends ging es dann noch einmal los zu den Abschlusskonzerten. Wie so oft waren die ersten Menschen, die mir über den Weg liefen, Orsolya und Dai. Man kann echt nichts alleine in dieser Stadt machen. Diese befanden sich in Begleitung von Englisch-Lehrern des Jet Programms. Dieses Programm erlaubt jedem, der auch nur in Ansätzen Englisch beherrscht den Posten eines Englisch-Lehrers in Japan einzunehmen. Böse Stimmen sagen dabei sogar, dass wirklich jeder genommen wird. Sogar die Bezahlung soll sehr gut sein. Auf jeden Fall befand sich unter den Studenten ein Ire, der mich in österreichischem Deutsch gleich ausfragte. Wie sich herausstellte, ein Geisteswissenschaftler, der einen Bachelor in Geschichte und einen Master in Philosophie hat und ein Jahr lang in Wien gewohnt hat. Ein sehr angenehmer Gesprächspartner und wir werden uns wohl noch häufiger mal treffen. Endlich jemand, der etwas Anständiges und nicht Ingenieurwissenschaften oder Recht studiert. Wobei, anständig liegt ja immer im Auge des Betrachters.

Jazz in Sendai

Was ist einer der entscheidenden Vorteile, in einer anständigen und großen Stadt zu wohnen? Es gibt immer irgend welche Events. Eines der größten jährlichen Events ist wohl das Sendaier Jazz-Festival. Die ganze Stadt ist mit kleinsten Bühnen überzogen und überall haben bekannte und unbekannte Künstler ihre Auftritte. Das ist ein absolutes Highlight für jeden Musikfan. Dementsprechend bestand meine Tagesbeschäftigung heute auch hauptsächlich darin, durch die Innenstadt zu ziehen und Musik zu hören. Unterbrochen wurde das Vergnügen nur von mehreren Duschen, liegt Sendai doch gerade mitten im Einzugsgebiet eines Taifuns, der uns etwas Regenwetter beschert. An sich kein Problem, wären da nicht die Japaner, die bei kleinsten Anzeichen von Regen schon die Regenschirme raus holen und auf Kopfhöhe halten. Schlecht nur, wenn normal großen Menschen die japanische Kopfhöhe bis zur Brust oder bis zum Auge geht! Mehr als einmal war ich einfach nur froh, eine Brille auf zu haben. Regenschirme können schon gefährliche Waffen sein, jedenfalls in den Händen von Japanern.

Die meiste Zeit verbrachte ich dabei heute alleine. Da meine Mitbewohner alle unterwegs sind, schaffe ich es unfreiwillig, den ganzen Tag über die Bühne zu bringen, ohne eine Person zu sehen, wenn ich das will. Dazu sind auch viele Ausländer nicht da, sondern in der Heimat oder auf Reisen – glückliche Stipendienträger. Vor allem reagieren sie immer total überrascht, wenn man selber nicht mal schnell nach Hause düst. Den ganzen Tag alleine zu verbringen, darauf lege ich es aber wirklich nicht an. Passenderweise habe ich die gleichen Interessen wie die anderen Deutschen, so stand Andre auf einmal im Laden vor mir. Er fühlte sich schon etwas verfolgt, aber wir beschlossen, etwas gemeinsam herum zu ziehen. Kurze Zeit später trafen wir dann auch noch auf Felix, Dai und Orsolya und einige andere Ausländer und Japaner. Die Japanerinnen waren wieder einmal das lebende Beispiel dafür, dass man Japanerinnen keinen Alkohol geben sollte – nichts vertragen sie. Sie waren schon ziemlich zu und jeder konnte das auf den ersten Blick mitbekommen. Aber trotzdem entwickelte sich eine interessante Runde, die dazu noch von der sehr guten Performance einer Bigband untermalt wurde. Kostenlose Musik und eine lustige Runde mit Freunden, was will man mehr? So verblieben wir bis zum Ende der Konzerte und bildeten auf dem Gelände noch die Nachzügler. Wir waren eine große Runde mit zwanzig Mann und philosophierten noch ein wenig. Wir Deutschen verließen die Veranstaltung dann aber als erstes, nach dem gestrigen Abend war das auch angebracht und stellte sich als absolut richtige Entscheidung heraus. Wir mussten zu Fuß nach Hause und kaum hatten wir das Wohnheim betreten, ging auch schon die Welt unter und es hat sich absolut eingeregnet. Nach dem heutigen Tag würde ich aber auch gerne mal Ausländer in Deutschland sein. Ob Japaner in Deutschland auch von jedem Standbesitzer so extra belabert werden oder ob das Personal auch immer versucht, ihnen den besten Platz bei Konzerten zuzuschustern? Wäre auf jeden Fall mal interessant, dies herauszufinden. Eines kann ich aber mit Sicherheit sagen, solche Sachen werde ich in Göttingen absolut vermissen. Um seine Feste und Veranstaltungen ist Sendai schon zu beneiden. Nur das U19-Turnier konnte und wollte ich mir leider dann doch nicht antun. Eine Karte war nur für alle Spiele zu erwerben und somit dementsprechend teuer, so dass es sich nicht gelohnt hätte. Wenn das Stadion wenigstens nahe gewesen wäre. Aber für Spiele mit zwei Stunden Pause dazwischen, immer extra nach Izumi heraus zu fahren, wäre nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung gewesen. Aber gut, ein Jazz-Festival ist auch nicht so schlecht als Ausgleich.

Abschiedsfeier für zwei Deutsche

Es ist soweit, der Abschied von Felix und Andre steht an. Kein freudiges Ereignis und eigentlich fand unsere Abschiedsfeier auch schon vor zwei Wochen statt. Da ich aber wider Erwarten doch anwesend bin, ging es heute mit zur offiziellen Verabschiedung. Dazu galt es aber erst einmal, irgend ein anständiges Abschiedsgeschenk zu finden. Zusammen mit einem Finnen und einem Schweden ging es deshalb heute durch die Läden, um die bange Frage zu beantworten, was sollen wir schenken? Irgend welche verrückten japanischen Kostüme sind zum Beispiel schön und gut, aber teuer und nicht wirklich persönlich. Andere Sachen sind noch weniger zu gebrauchen. Wobei, mit einem Kostüm hätten wir garantiert einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein Laden hatte doch wirklich eine deutsche Weltkriegsuniform zusammen mit allen Insignien und auf der Verpackung in Katakana auch noch alle dazugehörigen Sprüche drauf. Damit hätten wir sie zu gerne durch den Zoll gehen lassen. So gemein sind wir dann aber noch nicht.

Im Endeffekt entschieden wir uns für zwei typisch japanische T-Shirts in weiß, die wir selber beschriften wollten. Dazu besorgten wir noch schnell Textilstifte und los konnte es gehen. Die Meldungen waren schnell gefunden und Tobias, unser Schwede und Orsolya konnten sich ans Beschriften machen. Anti und ich schauten lieber zu, wir kennen schließlich unsere Handschriften. Also runter zu den anderen und die beiden in die T-Shirts zwängen. War ihnen gar nicht so recht, da wir Tohoku drauf geschrieben hatten. Bei den Plänen für heute Abend kann das ja dem Ruf der Uni schaden. Egal, erst mal mit eklig gepanschtem Wodka schon etwas vorgeglüht und ab ging es in die Stadt. Das Essen von Fleischspießen fiel zum Glück aus, dafür gab es ein Nomihodei, eine Trinkparty mit fünf Essensgängen dazu. Anschließend machten wir sehr lautstark noch Kokubuncho unsicher, bis es dann zum Karaoke ging. Dabei kamen noch fünf andere Ausländer mit und in einer riesigen Runde wurde gesungen und teilweise sogar getanzt. Der Vorteil war, dass man eh kaum singen brauchte, die Neuankömmlinge waren so karaokebegeistert, dass sie ewig viele Lieder bestellten und ich für meinen einen Song schon alleine eine Stunde warten musste, eh ich überhaupt an die Reihe kam. Als unser Schwede aber partout nicht mehr konnte und seine Heimkehr nicht ganz sicher war, habe ich ihn lieber mit nach Hause begleitet, während die anderen noch 45 Minuten Karaoke vor sich hatten. Lustig war es trotzdem und die beiden werden mir auf jeden Fall sehr fehlen. Sie waren gute Freunde und gleichzeitig öfter Helfer in der Not. Wen soll ich jetzt rufen, wenn ich mal wieder komplett orientierungslos in der Pampa stehe oder mit wem soll ich meinen Spaß in den Sprachkursen haben? Mal schauen, wer so nach kommt. Bald müssten die Neuankömmlinge ja auch in Japan eintreffen.

Nur „kurz“ Shoppen

Wir gehen nur ein wenig Einkaufen und dann geht es auch gleich nach Hause. Ich sollte es mit 24 Jahren wirklich mittlerweile gelernt haben, wenn eine Frau diese Worte verwendet, kann man den Tag eigentlich schon abschreiben. Als Orsolya heute rief, verdrängte ich solche ketzerischen Gedanken aber ganz schnell aus meinem Kopf, ein großer Fehler. Diese Tatsache wurde mir schmerzhaft bewusst, als wir um 20.30 Uhr immer noch durch Geschäfte tigerten. Erst mal hieß es, einen MP3-Player zu finden. Ich muss sagen, ich verstehe die Japaner nicht ganz. Mein MP3-Player aus Deutschland hat 30 verschiedene Sprachen, darunter auch Japanisch. Wieso hat der baugleiche MP3-Player hier dann gar keine Sprachauswahl? Aber auch noch andere Sachen wollten besorgt werden und so zog sich das Ganze doch etwas hin. Und da ich als Technikberater angestellt war, gab es auch keine Möglichkeit zur Flucht. Endlich war es aber so weit, es sollte nach Hause gehen. Also beide die Räder geholt, welche an unterschiedlichen Orten standen und zum Treffpunkt gekommen. Wer fehlte natürlich wieder? Plötzlich erhielt ich einen Anruf, komm zum MafuMafu. Gut nach Trinken war mir eigentlich nicht, aber was will man machen.

Also ging es zum MafuMafu. Madam hatte beschlossen, dass sie so viel Geld ausgegeben hat, dass eine Runde MafuMafu jetzt auch nicht mehr auffällt. Einfach zu verschwinden, ist da auch nicht meine Methode. Also schloss ich mich an. Besonders mein Fahrrad wurde Gesprächsthema Nummer eins. Zwei Japaner versuchten verzweifelt, das Teil zu fahren, was jedes Mal gepflegt schief ging. Wenigstens kann ich mir sicher sein, dass kein Japaner mein Rad klauen kann, die kommen alle nicht hoch. Auch ansonsten entwickelte sich ein lustiger Abend. Sanddorn-Holunder-Bonbons – ein Geschenk der Deutschen vom Narita-Flughafen – scheint nicht gerade den Geschmack der Japaner zu treffen. Nicht süß genug und der Geschmack ist komisch. Thomas und ich finden es dafür um so leckerer. Dafür opferte eine Japanerin uns Schokolade von ihrem Amerikaurlaub letzte Woche und es entstanden einige interessante Gespräche, wie seltsam ich doch bin. O.k., das dürfte dem geneigtem Leser jetzt nicht verwunderlich vorkommen, aber eigentlich ging es mehr darum, wie sich ein Historiker an die normalerweise eher von technisch orientierten Austauschstudenten frequentierte Tohoku University verläuft. Dieser Fakt wird auch gerne mal von anderen Studenten herausgestellt und ich stelle hier wirklich eine absolute Ausnahme dar. Alle meine Kommilitonen sind normalerweise nur aus den naturwissenschaftlichen Bereichen. Nur eine Iranerin ist noch in der Geisteswissenschaftlichen Fakultät und sie sollte eigentlich Modedesign studieren. Da es das hier nicht gibt, ist sie irgendwie in meiner Fakultät gelandet. Ansonsten ist es aber echt grausam, Japanern zu verstehen zu geben, warum ich kein Ingenieur oder Rechtsverdreher bin. Für Orsolyas Aussage von einem schnellen Bier, blieben wir auf jeden Fall eine ganze Weile. Zwischenzeitlich entstand dann auch ein anderer Plan. Die Bar hat immer Themenkochabende aus verschiedenen Ländern. Wenn sich alles finden lässt, wird den Japanern demnächst mal ostdeutsches Essen serviert. Ich bin mal gespannt, was sie zu Jägerschnitzel, falschem Hasen und Weißkrautsalat so zu sagen haben. Schon allein die Namen dürften nach einer Übersetzung für genug Gesprächsstoff sorgen.