Jazz in Sendai

Was ist einer der entscheidenden Vorteile, in einer anständigen und großen Stadt zu wohnen? Es gibt immer irgend welche Events. Eines der größten jährlichen Events ist wohl das Sendaier Jazz-Festival. Die ganze Stadt ist mit kleinsten Bühnen überzogen und überall haben bekannte und unbekannte Künstler ihre Auftritte. Das ist ein absolutes Highlight für jeden Musikfan. Dementsprechend bestand meine Tagesbeschäftigung heute auch hauptsächlich darin, durch die Innenstadt zu ziehen und Musik zu hören. Unterbrochen wurde das Vergnügen nur von mehreren Duschen, liegt Sendai doch gerade mitten im Einzugsgebiet eines Taifuns, der uns etwas Regenwetter beschert. An sich kein Problem, wären da nicht die Japaner, die bei kleinsten Anzeichen von Regen schon die Regenschirme raus holen und auf Kopfhöhe halten. Schlecht nur, wenn normal großen Menschen die japanische Kopfhöhe bis zur Brust oder bis zum Auge geht! Mehr als einmal war ich einfach nur froh, eine Brille auf zu haben. Regenschirme können schon gefährliche Waffen sein, jedenfalls in den Händen von Japanern.

Die meiste Zeit verbrachte ich dabei heute alleine. Da meine Mitbewohner alle unterwegs sind, schaffe ich es unfreiwillig, den ganzen Tag über die Bühne zu bringen, ohne eine Person zu sehen, wenn ich das will. Dazu sind auch viele Ausländer nicht da, sondern in der Heimat oder auf Reisen – glückliche Stipendienträger. Vor allem reagieren sie immer total überrascht, wenn man selber nicht mal schnell nach Hause düst. Den ganzen Tag alleine zu verbringen, darauf lege ich es aber wirklich nicht an. Passenderweise habe ich die gleichen Interessen wie die anderen Deutschen, so stand Andre auf einmal im Laden vor mir. Er fühlte sich schon etwas verfolgt, aber wir beschlossen, etwas gemeinsam herum zu ziehen. Kurze Zeit später trafen wir dann auch noch auf Felix, Dai und Orsolya und einige andere Ausländer und Japaner. Die Japanerinnen waren wieder einmal das lebende Beispiel dafür, dass man Japanerinnen keinen Alkohol geben sollte – nichts vertragen sie. Sie waren schon ziemlich zu und jeder konnte das auf den ersten Blick mitbekommen. Aber trotzdem entwickelte sich eine interessante Runde, die dazu noch von der sehr guten Performance einer Bigband untermalt wurde. Kostenlose Musik und eine lustige Runde mit Freunden, was will man mehr? So verblieben wir bis zum Ende der Konzerte und bildeten auf dem Gelände noch die Nachzügler. Wir waren eine große Runde mit zwanzig Mann und philosophierten noch ein wenig. Wir Deutschen verließen die Veranstaltung dann aber als erstes, nach dem gestrigen Abend war das auch angebracht und stellte sich als absolut richtige Entscheidung heraus. Wir mussten zu Fuß nach Hause und kaum hatten wir das Wohnheim betreten, ging auch schon die Welt unter und es hat sich absolut eingeregnet. Nach dem heutigen Tag würde ich aber auch gerne mal Ausländer in Deutschland sein. Ob Japaner in Deutschland auch von jedem Standbesitzer so extra belabert werden oder ob das Personal auch immer versucht, ihnen den besten Platz bei Konzerten zuzuschustern? Wäre auf jeden Fall mal interessant, dies herauszufinden. Eines kann ich aber mit Sicherheit sagen, solche Sachen werde ich in Göttingen absolut vermissen. Um seine Feste und Veranstaltungen ist Sendai schon zu beneiden. Nur das U19-Turnier konnte und wollte ich mir leider dann doch nicht antun. Eine Karte war nur für alle Spiele zu erwerben und somit dementsprechend teuer, so dass es sich nicht gelohnt hätte. Wenn das Stadion wenigstens nahe gewesen wäre. Aber für Spiele mit zwei Stunden Pause dazwischen, immer extra nach Izumi heraus zu fahren, wäre nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung gewesen. Aber gut, ein Jazz-Festival ist auch nicht so schlecht als Ausgleich.

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