Da denkt man, man hat einen ruhigen Abend und dann kommt Orsolya und stört die Ruhe. Zu Zeiten, wo das Oktoberfest gerade vonstatten ging, war die junge Dame sehr beeindruckt von der Idee, selber mal einen Stand bei einem Fest aufzumachen. Das Fest war auch schnell gefunden. Am 24. Oktober findet hier am Wohnheim ein Internationales Essensfest statt. Leider gibt es dabei nur ein klitzekleines Problem, es bedeutet viel Arbeit. Es hatte schon einen guten Grund, warum ich frühzeitig meine Mitarbeit verweigert habe. Das Fest wird von den verschiedenen Ausländergruppen Sendais organisiert und liefert Essen aus allen bekannten Ländern. Aus diesem Grund wurden wir Ausländer aufgerufen, doch auch einen Stand für unser Land zu eröffnen. Für Deutschland wäre das wohl ohne weiteres gegangen, Würstchen kann man immer auf den Grill legen, auch wenn es hier keine echten Thüringer gibt. Als einziger verbliebener Deutscher, der schon längere Zeit hier ist, wäre das aber viel zu viel Aufwand gewesen und ich bin froh, dass Maria, die Dame mit ihrem Gasthof, diese Aufgabe übernimmt. Die Neuen hätte ich auf jeden Fall nicht einsetzen können. Die kommen momentan noch nicht einmal mit der Stadt zurecht, geschweige, dass man sie schon für so ein Großevent hätte einspannen können. Leider bewarb sich Orsolya nun aber dafür, einen Stand für Ungarn zu eröffnen.
Wie sollte es auch anders sein: Nachdem sie vor einer Woche erst abgelehnt wurde, kam heute ein Überraschungsanruf und sie bekommt einen Stand. Danke auch an die Türkei! Nur weil eure Leute spontan doch den Stand absagten, kommt jetzt Arbeit auf mich zu. Wie sich herausstellte, müssen 160 Portionen garantiert werden und Orsolyas Ursprungsplan, einen Nachtisch anzubieten, wurde auch noch abgelehnt. Als alleinige Ungarin in Sendai, bekommt sie das natürlich nicht alleine hin und so wurde heute fleißig rekrutiert. David, Laura und ich wurden damit offiziell zum Arbeitsdienst eingeteil. Eine echt internationale Arbeitsgruppe also. Es gilt, Gulasch zu produzieren. Juhu, ein besseres Gericht hätte es für einen Vegetarier doch gar nicht geben können! Zum Glück muss ich es nicht selber probieren. Das war es wohl mit einem ruhigen Nachmittag und ein wenig die Spezialitäten verschiedener Länder zu probieren.
Natürlich mußte für die ganze Angelegenheit einiges an Papierkram erledigt werden. Es ist ja nicht so, als ob Japan Deutschland in Sachen Bürokratie in etwas nachstehen würde. So belehrte uns ein japanischer Student über eine Stunde über die Regeln und den Ablauf der ganzen Veranstaltung. Sogar Gesundheitsproben werden vom Koch genommen, um eine Konterminierung mit Salmonellen zu verhindern. Besonders dieser Punkt war dem Japaner absolut peinlich uns zu erklären und er redete geschlagene 10 Minuten um das Thema herum. Wieso nur der Koch von der Untersuchung betroffen ist, verstehen wir zwar noch nicht, da wir alle ja schneiden werden, aber sie werden sich schon etwas dabei denken. Auf jeden Fall steht jetzt ein großes Experimentalkochen an, um herauszubekommen, wie viel Waren wir benötigen, um 160 Mäuler zu stopfen. Wieso konnte ich nicht einfach nein sagen?
Ansonsten verlief der Tag heute ruhig. Das Rentnerfest von gestern war wiederum sehr überlaufen. Ein Großchor sorgte für Stimmung und das Gedränge kannte kein Durchkommen. Sie sind auf jeden Fall sehr rüstig und wissen sich durchzusetzen. Mehr als einmal versuchte sich einer der Anwesenden per Schulter oder Ellenbogeneinsatz den Weg durch die Menge zu bahnen. Da konnte selbst ich mir noch etwas abschauen. Die Leute hier sind selbst im hohen Alter noch sehr rüstig. Da mir die Veranstaltung aber dadurch etwas zu gewalttätig wurde, besorgte ich mir doch lieber noch ein paar Sachen für das nächste Wochenende und wurde dann angerufen, ob ich nicht ins Kino mit möchte. Leider war die Aussage nur Kino in der Mall und da das Handy der Anruferin ausfiel, durfte ich selber raten, welche der beiden Malls gemeint war. Leider entschied ich mich natürlich für die Falsche, was eine Radtour nach Izumie zur Folge hatte. Dort war zwar niemand, dafür hatte ich so eine schöne vier Stunden Radtour durch Sendai bei bestem lauwarmen Temperaturen. Nur der Himmel sah, wie eigentlich seit Wochen, nach Regen aus. Zum Glück blieb es aber trocken. Hoffen wir, dass es so bis übernächsten Montag bleibt.