Anpfiff für die zweite Halbzeit

Willkommen zur Halbzeitshow des deutschen Auswärtsspiels 2010 im schönen Sendai, Japan. Der Trainer Reik J. ist sofort nach dem Halbzeitpfiff in den Katakomben verschwunden und bereitet unseren Informanten zufolge sein Team gerade lautstark auf die zweite Halbzeit vor. Um in der zweiten Halbzeit noch einmal richtig angreifen zu können, wird er wohl komplett durchwechseln. Spieler wie Andre, Felix, Kylie oder Moritz bleiben draußen und werden durch neue hungrige Deutsche ersetzt. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die spät in der ersten Halbzeit eingewechselte Melanie gelegt, die wohl von Anfang an für Aufregung im Spiel sorgen soll. Wir sind gespannt, wie sich das Auswärtsspiel in der zweiten Hälfte entwickeln wird und welche Taktiken der Trainer neu herausholt, um gegen die immer wieder auf die Mannschaft einbrechenden Angriffswellen der Japanern zu reagieren….

Ist es wirklich schon so weit? Ein Blick auf den Kalender ergab letzte Woche für mich, dass ich in sechs Monaten auf jeden Fall das Land verlassen muss, da mein Visa abläuft. Anders herum betrachtet, kann man aber auch sagen: noch einmal sechs Monate, um einiges zu erleben. Das Glas ist schließlich halb voll und nicht halb leer. Zur Feier des Tages fanden heute auch die ersten Willkommenspartys statt. Wirklich komplett sind die noch nicht, da doch noch einige Ausländer fehlen. Aber irgendwann mussten diese ja vollzogen werden. Alle älteren Austauschstudenten blieben dieser Veranstaltung aber erst einmal fern. 150 Studenten reichten vollkommen in dem kleinen Raum, da müssen wir uns nicht auch noch hinein quetschen. Dann doch lieber in die Innenstadt fahren und die Reise am nächsten Wochenende vorbereiten. Es geht mit Melanie wandern. Ziel wird die Alpine Tateyama-Kuroberoute sein. Melanie bei dem Mittsommerfest kennengelernt zu haben, stellt sich immer mehr als Glücksgriff heraus. Keiner meiner Freunde hier ist so aktiv wie sie und gleichzeitig macht es sehr viel Spaß, sich mit ihr zu unterhalten, was Touren sehr angenehm macht. Ob ich ohne sie zum Beispiel den Fuji-san erklommen hätte, kann ich nicht mit abschließender Sicherheit behaupten. Aber auch ansonsten habe ich im letzten halben Jahr viele nette Leute kennengelernt und teilweise auch wieder verloren, da sie nur ein halbes Jahr geblieben sind. Aber man kann ja heutzutage leicht in Kontakt bleiben. Egal ob Amanda, meine geniale Tanzpartnerin beim Walzer, die Mitglieder der deutschen Delegation, mit denen ich viel unternommen habe und die mir auch öfter mal bei Problemen aus der Patsche geholfen haben oder zum Beispiel Lukas, den man bei Japanisch-Problemen notfalls auch nachts anklingeln konnte – es gab eigentlich keinen, der nicht sympathisch war oder den ich nicht vermissen werde. Zum Glück sind aber auch noch genug da. Egal ob Laura, Orsolya, Mohamed, die Südamerikaner oder die Skandinavier, keinen würde ich gerne missen wollen. Das gleiche gilt natürlich auch für die Japaner wie Kaori, Mayumi oder besonders Shimizu und Nobu, auch wenn Daniels Aussagen richtig waren, manchmal muss man glücklich sein, sie einmal im Monat zu treffen. Mal schauen, ob ich die Zahl nicht in der zweiten Hälfte heben kann.

Zu diesem großen Kreis an Leuten wurden heute wieder neue hinzugefügt. Nachdem ich David durch Zufall getroffen hatte, ging ich erst einmal mit ihm shoppen für die Reise. Gleichzeitig sahen wir uns das neuste Fest an. Leider war es wohl aber eher auf Rentner ausgerichtet, jedenfalls sprach der Altersdurchschnitt dafür. Es kann aber auch nicht an jedem Wochenende ein Fest für uns geben! Die Musik war aber trotzdem nicht schlecht, auch wenn es lustig war, wie begeistert die Rentner mitsangen. Anschließend traf ich auf dem Rückweg eine Gruppe von Neuankömmlingen, mit einem überproportionalen Anteil an Deutschen, die gerade den Weg suchten. Kein Problem, da kann ich helfen. Wieso ich es die letzten Tage immer schaffe, gerade diese Gruppen zu treffen, kommt mir zwar etwas spanisch vor, aber wieso nicht? Zwei der Damen kamen sogar aus dem schönen Bremen, da helfe ich doch von Natur aus besonders gerne! Also ging es zum Supermarkt, den sie suchten und ich half noch beim einkaufen. Das führte dazu, dass ich ihnen auch noch das Abendessen zusammenstellen durfte, da sie sich nicht entscheiden konnten. Sie waren auf jeden Fall sehr erfreut, dass ich helfen konnte. Damit zählen wir schon acht bekannte Deutsche, das entwickelt sich zu einer Invasion. Bisher ist der Männeranteil aber erschreckend gering und den Vertreter aus Göttingen, der eigentlich kommen sollte, habe ich auch noch nicht getroffen. Natürlich müssen diese Gruppen erst noch die Erfahrungen machen wie wir und auch erst einmal die Stadt und die Umgebung erkunden. Ich habe mich auch bereit erklärt, ein wenig auszuhelfen, schließlich kenne ich hier schon einiges.

Nach sechs Monaten muss ich sagen, Sendai ist eine sehr schöne Stadt, die genau meine Größe hat. Sie ist nicht zu groß wie Tokyo, aber auch nicht zu klein wie gewisse niedersächsische Universitätsstädte. Ich bin halt im Herzen doch eher ein Großstädter. Allgemein ist Japan aber genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Es hat seine absolut perfekten Seiten, die einen wünschen lassen, nie wieder weg zu müssen. Es hat aber auch Schattenseiten, die einen auch wieder in die Realität holen und zeigen, dass Japan auch ein normales Land ist. Den Schritt hier her bereue ich auf keinen Fall, ob ich wie Thomas ein Leben lang hier leben wollte, bin ich mir dagegen nicht so sicher. Dazu mag ich Deutschland zu gerne und möchte zum Vergleich doch noch viele andere Länder sehen. Das Problem ist halt, dass man immer ein Ausländer bleibt, da man als Europäer doch stark auffällt. Ob ich das für immer wollte, keine Ahnung. Mein Visa läuft vermutlich eher ab, bevor ich es heraus bekomme. Sechs Monate habe ich aber ja auch noch Zeit, es heraus zu bekommen. Aber auch alle meine Bekanntschaften machen es mir einfach, vieles zu erleben. Egal ob die ganzen Touren mit Melanie, Geschenke von Mayumi oder auch Group Mori, die man gar nicht genug loben kann, ich habe schon einiges hier gesehen und erlebt, wovon der Blog ja zeugt. Eines der absoluten Highlights bleibt aber das Essen zum Abschied von Yuri. So unvorbereitet und überrascht wir dort anzutreffen waren, war einfach retrospektiv schon ziemlich kurios. Besonders die Bekanntschaft mit Thomas ist hier hervorzuheben. Ohne ihn und seine Bar hätte ich wohl nur die Hälfte von dem sehen können, was ich gesehen habe. Er hat wirklich viele Türen geöffnet. Um das zu ehren sind David und ich deshalb auch heute mal schnell vorbeigefahren. Leider war er nicht selber da, aber es entwickelte sich eine illustre Runde mit allen Gästen und David, der die Bar noch nie gesehen hat. Er will aber auf jeden Fall wiederkommen. Besonders eine Chinesin war sehr aktiv und unterhielt sich den ganzen Abend mit uns. Die Frage der Kellnerin dazu, ob das Alter in unseren Ländern bei Paaren eine Rolle spielt, hat bei mir da doch kurzzeitig für Bauchschmerzen gesorgt. Wenn, dann ging es aber um David.

Aber auch in der Uni geht es voran, auch wenn man davon hier nicht so viel liest. Meine Dozenten haben endlich Interesse an meinem Thema und unterstützen mich ein wenig mehr als bisher. Meine Mitstudenten, allen voran natürlich Shimizu, sind natürlich eh jeder Kritik erhaben. Japanische Unis sind aber auf jeden Fall etwas anderes als deutsche Unis. Oftmals – wie mit den Büros – zum guten, teils aber auch schlechter, wenn man zum Beispiel die Monologhaftigkeit der japanischen Seminare sieht. Als Historiker, der sich gerne einmischt, ist dies schon ein herber Einschnitt. Besonders trifft das natürlich zu, wenn der Monolog nicht von mir stammt.

Wie man aber hoffentlich sieht, geht es mir hier sehr gut und ich genieße jeden Tag aufs neue, mich für das Auslandsjahr entschieden zu haben. Japan war dazu auch das richtige Land, auch wenn es bei meiner Zerstöreraura für Reparaturen leider etwas zu weit von Deutschland entfernt ist. Ich hoffe, der geneigte Leser bleibt mir auch für die zweite Halbzeit treu und ich freue und bedanke mich für das Interesse, besonders auch von den fleißigen Kommentatoren. Ich freue mich über jeden Kommentar – von daher: immer zu. Egal, welcher Zweikampf mit der japanischen Kultur als nächstes ansteht, ich werde mit vollem Elan hineingehen und am Ende hoffentlich gewinnen!

4 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

    • LAAS auf 2. Oktober 2010 bei 22:30

    WOOHOO BREMEN^^

    • Carsten auf 3. Oktober 2010 bei 12:01

    Dann wünsche ich dem Trainer eine erfolgreiche zweite Halbzeit und viel Freude weiterhin!! Aber mal ehrlich: Sooooo klein ist Göttingen ja auch wieder nicht! 😉

    • Dieter auf 3. Oktober 2010 bei 14:36

    Auch von mir alles Gute zu Hälfte Zwei! Weiter so mit der interessanten
    Berichterstattung!

    • Brigitte auf 3. Oktober 2010 bei 15:10

    Hallo lieber Reik, weiterhin eine so tolle Zeit. Vielen Dank für die schönen und interessanten Berichte.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.