Von Natur aus sind meine werten Kollegen ja schon immer eher ruhigere Naturen gewesen. Mich anzusprechen würde logischerweise dazu führen, dass man sich auch mit mir unterhalten müsste. Ein Gespräch würde aber nicht nur Japanisch beinhalten, deshalb hält man sich da aus Erfahrung lieber zurück. Der Erste, der diese Gefahr ignoriert hat, war bekannterweise Shimizu und auch Rieko unterhält sich öfter mit mir. Seit dieser Woche haben wir aber auch einen Neuzugang im Büro. Ein Zehntsemester, der gerade frisch aus Bonn zurückgekehrt ist. Auch wenn er erst etwas eingeschüchtert von mir war, so lies es sich doch sehr gut mit ihm reden. Ein Segen, denn je mehr Japaner sich freiwillig mit mir unterhalten, desto lockerer werden die anderen. Gerade die Damen sind immer sehr verschlossen und gehen kaum aus sich heraus. Dementsprechend einseitig entwickeln sich die Gespräche. Sobald aber ein Japaner wie Shimizu das Gespräch beginnt, sieht die Welt gleich ganz anders aus und einige stillen Wasser entwickeln sich zu förmlichen Wasserfällen. Dementsprechend ist es perfekt für mich, immer mehr Ansprechpartner zu bekommen. Ich bin auch mal gespannt, was wir so an Erstsemestern bekommen. Shimizu meinte heute aber schon zu mir, dass die Zahl doch äußerst gering sein wird. Immerhin geht es mir mit meinem Büro noch viel besser, als zum Beispiel Tobias. Heute ging es für uns zusammen zur Uni und er berichtete mir nur, dass er bisher nur fünfmal im Büro war, da die Leute ihn da gar nicht so wirklich sehen wollen. Das ist schon eine ziemlich traurige Bilanz die aber zeigt, ich hätte in den Geisteswissenschaften richtig falsch landen können.
Eine der Neuankömmlinge kennt das Gefühl auch ganz gut, irgendwie falsch zu sein. Wie ich gestern ja schon schrieb, hat Olga – eine der Bremerinnen – momentan einen halben Kulturschock. Das beste Heilmittel dagegen ist bekanntermaßen das Auseinandersetzen mit der Kultur. Genau dafür entschieden wir uns heute. Gemeinsam ging es in die Innenstadt und ich erklärte ihr ein wenig Sendai und die Kultur der Japaner. Dazu gingen wir auch unter anderem in eine Spielhölle und sie wies mich bei einem Ballerspiel erst einmal gehörig in die Schranken. Wieso verliere ich eigentlich, seitdem ich hier bin, aus Prinzip gegen die Damen, die angeblich noch nie sowas gespielt haben? Orsolya, Yuri und jetzt sie, meine Statistik ist ziemlich schlecht. Vermutlich werde ich zu alt für so etwas. Ach iwo, so etwas lasse ich mir nicht einreden und bei anderen Spielen lief es auch gleich besser. Nachdem die erste Ablenkung geklappt hatte, ging es zum besten Beschäftigungsorganisator Sendais, Thomas. Yosuke war schon von weitem zu sehen und hatte gleich ein Grinsen auf den Lippen. Meine zweimalige Beschwerde hatte für das Besorgen einer extra Camembertreserve nur für den Stammkunden aus Deutschland gesorgt. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie genial Käse nach fast sechs Monaten Abstinenz schmecken kann! Thomas machte auch gleich seinem Ruf alle Ehre und wies die junge Dame in alles Wichtige in Sendai ein. Gleichzeitig servierte er Tomatensaft mit Bier, das wohl scheußlichste Getränk Japans. Mit diesem Besuch ging es ihr auf jeden Fall schon viel besser und Thomas und ich planen für Dezember schon ein Spezialevent, eine deutsche Feuerzangenbowle. Wäre doch gelacht, wenn wir die Japaner nicht noch ein wenig auf die deutsche Kultur eichen können! Morgen geht es dann auf der anderen Seite auch endlich los unter dem Motto, der Berg ruft. Die Einträge werden etwas kürzer, aber erwartet spätestens Dienstag einen Haufen Bilder. Hoffentlich spielt das Wetter mit.