Eine Zugfahrt die ist lustig…..

Wer kennt nicht das Gefühl? Der letzte Tag in einer Stadt und gesehen hat man bei weitem noch nicht alles. Eigentlich hatte man noch so viel mehr Pläne und jetzt soll man schon wieder irgendwo anders hin fahren. Um diesem Gefühl etwas entgegen zu setzen, entschieden wir uns heute, nicht direkt in die nächste Stadt zu fahren, sondern erst einmal noch etwas Kyoto zu erkunden. In der Nähe des goldenen Pavillons existiert noch ein Tempel, auf allen Karten nur mit einem normalen Tempelzeichen bedacht, aber immerhin in einem Reiseführer mit zwei Sätzen beschrieben. Da er aber eine Pagode hat und sich mein Vater langsam zum Pagodenfan entwickelt und auch die zwei Sätze sich ziemlich gut anhörten, entschieden wir uns, dem Tempel einen Besuch abzustatten. Eigentlich hätten wir diesen Besuch schon vor zwei Tagen unternehmen sollen, schließlich waren wir am goldenen Pavillon. Aber damals entschieden wir uns, der Karte zu vertrauen und besuchten ihn nicht. Ein Problem, was der Tempel wohl häufiger hat. Trotz überfüllter Straßen und Wochenende fanden wir kaum Menschen am Tempel vor. Sehr zu unserer Freude eigentlich, kann man solche Tempel doch bei Ruhe viel mehr genießen, als wenn man von allen Seiten weggeschoben wird.

Der Tempel stellte für uns aber auch gleich eine Überraschung dar, war er doch einer der Besten, die wir in Kyoto gesehen haben. Als Teil eines Kaiserpalastes war er auf einem großen Gelände verteilt und auch verhältnismäßig kostbar ausgestattet. Das wirkliche Highlight war aber der Palast selber. Ein japanisches Haus, mit eingebautem Schrein, umrandet von japanischen Gärten. Vor allem von diesen Gärten können sich die europäischen Landschaftsgärtner eine Scheibe abschneiden. Alles war perfekt geschnitten und aufeinander abgestimmt. Ein kleiner Wasserfall und ein See komplettierten das Bild. Leider war es aber, als wir den Garten fast fertig besucht hatten, auch schon aus mit der Ruhe. Zum einen kam eine Reisegruppe, nur aus Deutschen bestehend, an. In einem Park und Museum, wo nur wenige Leute überhaupt den Weg hin finden, stört so etwas natürlich erheblich die Ruhe. Eines der erheblichen Vorteile des Tempels stellte ja gerade die Tatsache dar, dass durch das Understatement des Touristikbüros der Tempel als nicht wichtig für die Touristen eingestuft wird und dadurch der Tempel durch Invasionen von Besuchermassen verschont bleibt. Da wir aber auch langsam in zeitliche Probleme mit unserem Shinkansen kamen, war es eh besser, das Weite zu suchen.

Irgendwie schafften wir es auch noch rechtzeitig zum Zug und konnten auf große Fahrt gehen. Da wir einmal umsteigen mussten, gelang es uns auch, die Arbeiten des Personals einmal ein wenig unter die Lupe zu nehmen und wir müssen sagen, das Gerücht, dass Japaner wie eine geölte Maschine funktionieren, stimmt. Der Zug kommt dreizehn Minuten vor Abfahrt ans Gleis in Tokyo. Dann werden nicht etwa die bereits in Reihe und Glied bereitstehenden Menschen in den Zug gelassen, sondern das Putzpersonal schwärmt aus und reinigt in 10 Minuten den Zug. Nun sollte man meinen, dass der Zug sich aus diesem Grund verspäten wird, aber weit gefehlt. Innerhalb von zwei Minuten haben sich wirkliche alle Reisenden in den Zug begeben und der Zug kann pünktlich auf die Sekunde abfahren. Sollte eine Minute vor Abfahrt noch eine Schlange irgendwo stehen, kommt auch der Schaffner und versucht diese schnellstmöglich aufzulösen. Gleichzeitig ist nicht nur das Beobachten des Personals ein Schauspiel, auch die Mitfahrer sind interessant. So saß mein Vater heute neben einem Japaner, der in den gesamten zwei Stunden aß und mit Sake nachspülte. Meine Mutter hatte es dagegen noch besser erwischt und hatte einen Hentaifan (Hentai = japanische Pornografie) an ihrer Seite. Der Herr musste seine Magazine im Shinkansen öffentlich lesen. Wobei es eh beachtlich ist, welche Doppelmoral die Japaner in diesem Zusammenhang haben. Kauft eine Dame im Laden eine Damenbinde, so wird diese zwei mal verpackt, so dass keiner sehen kann, was man gekauft hat. Auch ausländische Pornografie ist als Einfuhr nicht gestattet. Auf der anderen Seite ist das Lesen des Themas in der Öffentlichkeit etwas ganz normales und überall findet man Materialien zu dem Thema, die meist auch nur leicht zensiert sind und deshalb für den Jugendschutz leicht ungeeignet sind. Aber gut, anderes Land, andere Sitten.

Um 18.45 Uhr war es dann aber endlich so weit, wir betraten meine Heimat, Sendai. Überraschenderweise war es hier doch um einiges kälter als in Kyoto, aber wir werden das Beste daraus machen. Besonders meine Mutter hat die Stadt aber auf jeden Fall überrascht. Waren ihr zwar bis dato die Ausmaße der Stadt an sich bekannt, so ist sie über die Größe der Stadt jetzt in live doch etwas überrascht. Da es schon relativ spät war, begaben wir uns nur kurz zu dem Hotel meiner Eltern, nur um dann noch einmal durch die Haupteinkaufspassagen zu rennen und um ein passendes Restaurant zu finden. Im Endeffekt gab es für meine Eltern Rinderzunge, eine regionale Spezialität der Region.

Mal schauen, wie das Wetter morgen mitspielt, aber ich finde auf jeden Fall etwas, was ich meinen Eltern zeigen kann.

Groundhopping Vissel Kobe

Beim Fußball in Deutschland klappt es momentan ja nicht ganz so, wie es sollte. Egal welches unterstützenswertes Team, alle haben ihre Hänger. Aus diesem Grund entschieden wir uns heute dafür, mal wieder ein japanisches Fußballspiel zu sehen. Ausschlaggebend war die Tatsache, dass wir in nächster Umgebung ein Spiel in einer WM-Arena anschauen konnten. Nachdem dies in Yokohama schon nicht geklappt hatte, war dies eine lohnenswerte Aussicht. Also ging es heute früh los in die Richtung des schönen Kobes. Genau dieses Kobe, das für sein Rind weltweiten Ruhm gewonnen hat.

Kobe liegt nur knapp eine Stunde mit der Regionalbahn von Kyoto entfernt und war dementsprechend auch leicht zu erreichen. Angekommen stellte man schnell den ganz unterschiedlichen Flair zu Kyoto fest. Die Stadt ist eigentlich kaum mit einer anderen Stadt Japans zu vergleichen. Ist Kyoto eine Mischung aus alten und neuen Gebäuden, so ist in Kobe wirklich alles neu. Wirklich froh über diesen Radikalumbau sind die Bewohner der Stadt zwar nicht. Nach dem verheerenden Riesenerdbeben im Jahr 1995, mit über 5.000 Toten und der damit verbundenen Zerstörung der halben Stadt, blieb aber gar nichts anderes übrig, als einen kompletten Neuaufbau zu starten.

Unser erstes Ziel stellte aber nicht die Stadt an sich dar, sondern das Kobe Wing Stadion, eine moderne 31.000 Menschen fassende Arena, die für die WM 2002 errichtet wurde und sich durch zwei bogenförmige Tribünen auszeichnet. Heutiger Hauptnutzer ist der Verein Vissel Kobe. Diese Mannschaft nimmt im japanischen Vergleich eine eher als Fahrstuhlmannschaft anmutende Rolle ein, verfügt aber immerhin über einen japanischen Nationalspieler als Stürmer. Ob das etwas Gutes bedeuten muss, sei aber mal dahin gestellt. Die Japaner nehmen (wie sie bei der WM wieder bewiesen haben) Jeden, der halbwegs weiß, wie ein Tor aussieht, als Stürmer mit. Um dieses Jahr ein wenig mehr Erfolg zu haben, verpflichtete man in Kobe drei Brasilianer, die in der Innenverteidigung, im Mittelfeld und im Sturm für Akzente sorgen sollen. Diese Entscheidung sorgte in Japan für ziemlichen Wirbel, da normalerweise meist nur ein oder maximal zwei Ausländer in einem Team vertreten sind. Sogar in Animes wurde deshalb auf die Problematik hingewiesen. Leider dauerte die Anpassung der Spieler zu lange und der Nationalstürmer verletzte sich zu allem Überfluss noch, so dass man momentan auf dem 17. Platz der Tabelle und damit auf einem Abstiegsplatz steht. Der Gegner von Vissel war dagegen ein alter Bekannter. Vegalta Sendai gab sich die Ehre. Man kann also sagen, ich hätte ein Auswärtsspiel gehabt.
Schon der Weg zum Stadion gestaltete sich interessant. Am Bahnhof in Kobe wurde erst einmal ein fußballinteressierter Schaffner zur Hilfe geholt, der mir den Weg schildern musste. Auf dem Weg zum Stadion gab es noch einen kleinen Abstecher in einen nahen Kombini, wo mein Vater zusätzlich gleich noch eine große Flasche Kaffee gewann. Passenderweise darf man auch wirklich alles mit ins Stadion nehmen, so dass der Gewinn uns vor gar keine Probleme stellte. Auch ansonsten war das Drumherum um das Fußballspiel göttlich. Keine Kontrollen, kostenlose Programme und sehr hilfreiches Personal. So einen Zustand wünsche ich mir so sehr mal in Deutschland. In alter Tradition schnappte ich mir auch erst einmal eine junge Japanerin, die mir den wichtigsten Spieler nennen musste und ich kaufte mir eine Schal-Handtuch- Kombination mit dessen Nummer und dem Vereinslogo. Da Spiel konnte also beginnen.

Beide Fanblocks waren auch gleich lautstark bei der Sache und das Spiel begann schnell. Beide Seiten spielten sehr offen, wobei Vissel mit schnellen Aktionen und vielen Schüssen glänzte, während Vegalta eher langsamer und besonnener wirkte. Gleichzeitig glänzte Vegalta auch mit Fehlpässen und Fehlaktionen, die auch nach wenigen Minuten zum 1:0 führten. Ein Aufsetzerschuss vom Strafraumrand konnte vom Torwart nicht pariert werden. Der Torwart sah dabei nicht gerade gut aus. Trotzdem war er noch Mann des Tages bei Vegalta, da er Schlimmeres verhinderte. Aber nur bis zur Mitte der ersten Halbzeit, wo ein Distanzschuss unhaltbar im Tor zappelte, dabei sollte es trotz intensiver Bemühungen Vegaltas auch bleiben. Es fiel auf, dass das Spiel um einiges schneller war, als zum Beispiel bei der Begegnung von Yokohama. Vegalta glänzte vor allem durch technische Schwächen. Die Spieler versuchten zwar, mehrere Spieler am Stück auszuspielen, scheiterten aber oftmals an der eigenen Technik. Nur der Schiri erschien sehr fragwürdig. Selbst bei hartem Einsteigen von hinten pfiff er teilweise nicht mal ein Foul. Trotzdem war es ein interessantes Spiel, das den Abstiegskampf noch spannender gemacht hat.

Anschließend ging es noch einmal in die Innenstadt und wir besichtigten die Küstenpromenade. Auf Kobe-Rind mussten wir verzichten, da die Preise dafür doch etwas zu übertrieben teuer sind. Dafür ging es in ein Yakitorirestaurant, das vermutlich noch nie Ausländer gesehen hatte. Die japanische Besitzerin, eine altere Dame, verstand zwar nur die Hälfte, irgendwie bekamen wir aber etwas zu essen und geschmeckt hat es auch noch. Kobe ist auf jeden Fall eine Reise wert und falls ich mal wieder dort in der Gegend bin, werde ich wohl mal dort vorbei schauen. Dass das Heimteam gewonnen hat, war auch nicht verkehrt, so hat die Stimmung nach dem Spiel wenigstens gestimmt. So wirklich identifizieren kann ich mich mit dem Spiel von Sendai auch nicht, so dass mir die Niederlage egal war. Nur die Fans sind beachtlich und haben gut Stimmung gemacht. Morgen geht es dann nach Sendai mit meinen Eltern. Mal schauen, wie ihnen meine jetzige Heimat gefällt.

Kyoto im Schnelldurchlauf

Es gibt Sachen, die sollte man einfach nicht machen, eine davon ist eindeutig Kyoto in einem Tag zu besuchen. Was läge also näher, als eben genau das zu unternehmen? Da wir morgen noch eine Reise in eine andere Stadt unternehmen wollen, blieb nur ein Tag übrig, um Kyoto zu besuchen. Wie soll das an einem Tag klappen ist die Frage. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Mit Dennis hat es doch schließlich auch so fast geklappt. Unter diesem Motto ging es heute früh, bewaffnet mit einem 24-Stunden-Busticket los, die Stadt zu erkunden. Unser Reiseleiter, also ich, ging mit eisernem Tempo und viel Hetzerei voran und die anderen mussten folgen. Unser erster Weg führte uns in den Norden. Ein alter Zentempel wartete auf seine Besichtigung. Dort existierten ein großer Park und ein Zen-Garten. Zen-Gärten sind Kiesgärten, die nicht aus Pflanzen bestehen, sondern mit Kies besondere Muster bilden, die die Energie des Geistes fließen lassen sollen. Als nicht Spiritueller mutet das etwas seltsam an, aber wenn man daran glaubt, wieso nicht?

Weiter ging die Reise zum nahe gelegenen Goldenen Pavillon. Ein Pavillon an einem See, der mit Gold bestückt ist. Ein beeindruckender Anblick den jeder versuchte, irgendwie auf Zelluloid, beziehungsweise die Speicherkarte zu bannen. Dementsprechend war aber auch der Tempel, da man kaum voran kam, ohne über einen Japaner zu stolpern. Neben dem Goldenen Pavillon besitzt Kyoto auch noch einen Silbernen Tempel, den wir natürlich auch besichtigen mussten. Silbern ist der zwar nicht, aber der anschließende Park ist sehr schön und immer einer Reise wert. Der Erbauer wollte eigentlich den Pavillon zu Ehren seines Großvaters, dem Erbauer des Goldenen Pavillons, versilbern lassen. Leider verlor er zu dieser Zeit einige Kriege und verfügte über keine Finanzmittel mehr, um die Versilberung ausführen zu können, so blieb es nur bei dem Namen. Weiter ging es durch einen Tempelkomplex, der gleichzeitig die letzten Reste des alten Kyotos beinhaltete. Dort konnte für wirklich alles gebetet werden, so war zum Beispiel ein Tempel für Liebesdinge zuständig. Interessanter waren aber die Seitengassen. Zwar waren diese mit Souvenirgeschäften und Restaurants überfrachtet, doch stellten die Gebäude wenigstens die wirklich alten Gebäude Kyotos dar. Eigentlich waren alle Gebäude aus Holz und lagen an schmalen Gassen, so etwas findet man heute nur noch in diesem Gebiet. Was man auch nur noch heute dort findet, sind Geishas. Diese Damen sind nach alten Schönheitsidealen gekleidet und heutzutage nur noch sehr selten zu finden. Sie tragen sehr hohe Schuhe, lange Kimonos und komplett weiß gefärbte Gesichter. Ausgebildet sind sie in jeder Form der Unterhaltung und ein Geschäftsessen mit Geishaunterhaltung stellt das teuerste dar, was man seinem Geschäftspartner bieten kann. Wir hatten heute das Glück, gleich mehrere von ihnen in ihrem für Europäer seltsamen Auftreten zu treffen.

Anschließend ging es noch auf einen Bergtempel auf Stelzen. Hier bewies der Buddhismus wieder einmal, wie viel Geschäftstüchtiger er doch ist, als die Kirche. Das einzige was die Kirche zu bieten hat für Spenden sind Ablässe und die Reduzierung der Leiden nach dem Tod. Die Buddhisten haben da ein effektiveres System. Sie verkaufen Talismänner, die bei aktuellen Situationen helfen, nach einem Jahr aber wirkungslos sind. Egal ob sichere Geburt, Glück, Geld oder wirtschaftlichen Erfolg, alles wird feilgeboten. Man soll gar nicht glauben, was für ein Umsatz mit diesen Talismännern gemacht wird. Minutlich gingen welche über den Ladentisch. Auch muss man vor dem Beten etwas Geld für die Götter spenden, wirklich finanziell schlecht gehen kann es den Tempeln nicht. Aber auch ansonsten lohnte sich der Tempel. Der Ausblick auf die Stadt war sehr schön und man kann sich als Insider die Position anschauen, wo Jean Reno im Film Wasabi stand. Natürlich konnte das nicht reichen und neben einigen Tempeln auf dem Weg ging es dann noch einmal schnell in den Süden der Stadt. In einem den Erntegöttern gestiftetem Tempel haben Sakeproduzenten und -verkäufer seit Jahrhunderten kleine rote Tore gespendet, um die Götter zu erfreuen. Da diese Tore natürlich auch aufgestellt werden müssen, gibt es an diesem Tempel mittlerweile über 2.600 Tore, die ein lang gestrecktes Gangsystem über den naheliegenden Berg erzeugen, das wir zum Abschluss beschritten. Eine größere Wanderstrecke stand also noch einmal an. Erschöpft entschieden wir, das letzte Teilstück nur noch mit dem Bus zu absolvieren und erreichten die größte Pagode Japans leider kurz nach der Schließzeit. Trotzdem war sie herrlich beleuchtet und war schon etwas Besonderes. Danach reichte es aber auch mit Tempeln, Schreinen und Parks und wir gingen nur noch kurz essen.

Gelohnt hat sich es auf jeden Fall, den Aufwand zu betreiben. Wie wenig berauschend die Stadt auch an sich ist, die Tempel sind zu Recht Teil des Weltkulturerbes. Trotzdem sollte man sich wirklich mehr als einen Tag für diese Stadt nehmen. Trotzdem, irgendwie haben wir alles gesehen, was wir sehen wollten und mein Vater wird noch Pagodenliebhaber. Diese bis zu fünfdächrigen Gebäude haben es ihm besonders angetan. Aber auch ansonsten waren beide wohl begeistert von den Bauten. Nur ich wünschte, es wäre nicht Kyoto. Viel zu viele Touristen waren unterwegs und machten das Vorankommen sehr schwierig. Nebenbei kamen in einem Gebiet auf einmal auch Schülerinnen auf mich zu und wollten spontan einfach mal ein Foto mit dem großem Ausländer. Wenn ich zurück in Deutschland bin, wird hier in Japan mein Bild wohl fast überall verteilt sein. Ich bin gespannt.

Wo kommen all die Hauptstädte her?

Verdammt, wie kann ein Land nur so viele verschiedene Hauptstädte gehabt haben? Das ist doch so langsam unnatürlich. Zum Glück gab es so etwas nie in Euro?.., mhhh stimmt, da war ja was in Deutschland. Es hat offensichtlich schon einen Grund, warum wir Verbündete waren und die letzten 120 Jahre unsere Geschichte beeinflussten. Um unserer Suche nach Hauptstädten Japans mal wieder eine Stadt hinzuzufügen, wurde von uns für den heutigen Tag Nara ausgegeben, die alte Hauptstadt und eines der wichtigsten Zentren des Buddhismus. Bevor das losgehen konnte, galt es aber erst einmal, die Ryokan zu überstehen. Aus unergründlichen Gründen waren meine Eltern nicht hundertprozentig von der Idee überzeugt, auf dem Boden zu schlafen. Es ist zugegebener Maßen auch gewöhnungsbedürftig, ich könnte so aber immer schlafen. Überstanden haben sie es aber beide ohne zu klagen und ein wirklich hundertprozentig hartes Bett ist halt nicht für jeden etwas. Aber schon mein Bett in Göttingen war nicht gerade weich und dieser Zustand setzt sich bis heute fort, von daher kann es mich gar nicht stören. Nachdem die Nacht nun überstanden war, ging es zum japanischen Frühstück. 10 Gänge japanische Köstlichkeiten galt es zu überwinden. Von der Misosuppe und dem obligatorischen Reis, über verschiedene Fischsorten und japanische Süßigkeiten, dem Experimentierfreudigen wurde vieles geboten. Trotzdem bleibt es gewöhnungsbedürftig, morgens früh Suppen und ähnliche Dinge zu essen. Ich war aber schon froh, nicht noch mit Natto versorgt wurden zu sein und geschmeckt hat es auch wirklich super. Anschließend ging es mit den Koffern zu unserem eigentlichen Hotel in Kyoto. Da der Fußweg zu weit gewesen wäre, verbanden wir den Weg zum Hotel gleich mit einer Stadtrundfahrt mit dem Bus. So konnten auch gleich erste Eindrücke für die eigentliche Erkundung gewonnen werden. Da Kyoto eine ausgebildete Touristenhochburg darstellt, fahren die Busse auch zu festen Preisen, das solch eine Rundreise problemlos möglich macht.

Nachdem das Hotel in Beschlag genommen war, ging es hinaus Richtung Nara. Im Gegensatz zu Kyoto hatte es Nara auch einfacher, die eigentliche Identität der Stadt zu erhalten. Das heutige Nara schließt nur an die alten Tempelbauten an und stellt nicht eine Einheit mit der restlichen Stadt her. Das ist ein absolutes Atmosphäreplus, das aber sofort verloren geht, aufgrund der Masse an Touristen. Eine Besonderheit der Stadt stellen die wild herumlaufenden Rehe dar, im buddhistischen Glauben die Boten der Götter. Dementsprechend gefragt waren die armen Tiere auch. Die Leute drängelten sich, um mit ihnen ein Foto zu schießen. Auch die restliche Behandlung der Tiere hätte in Deutschland wohl schon den Tierschutz auf den Plan gerufen. Es wurde auf jeden Fall ein größerer Spaziergang, der uns zu allen wichtigen Tempeln führte. Besonders einer auf dem Berg und der große Buddha von Nara lohnten sich. Da wir nicht vormittags erschienen, blieb auch der Eingang nicht zu überfüllt. Bei Dennis und meiner Reise dorthin 2006 besuchten wir aus Preis-, aber vor allem auch Zeitgründen die Statue nicht, da wir das Warten von über einer Stunde damals nicht einsahen. Heute war es zum Glück ohne Wartezeit. Trotzdem war es verwunderlich, wie voll es an einem Wochentag sein kann. Dabei waren es noch nicht einmal arbeitende Japaner, die dort waren, sondern zum Großteil Schulklassen, Rentner und Ausländer, das reichte auch schon.

Abends ging es dann wieder zurück nach Kyoto. Da wir nicht wussten, was wir essen sollten, gingen wir einfach in ein Restaurant. Es war ein Oden-Restaurant, ein Essen das ich aufgrund des seltsamen Aussehens noch nie angerührt habe. Die Beschreibungen waren auch noch alle in kanjilastigem Japanisch, so mussten wieder einmal die Gäste in Form von Geschäftsleuten aushelfen und bei der Bestellung Empfehlungen geben. Oden sind auf jeden Fall auch eine der seltsamsten japanischen Gerichte. Es handelt sich um irgendwelches Gemüse, Tofu und andere Zutaten, die lange gekocht wurden. Durch das Kochen war bei der Hälfte der Sachen nicht klar erkennbar, um welche Zutat es sich eigentlich handelt, trotzdem war es gut essbar. Da wir mit die ersten ausländischen Kunden dieses Restaurants waren, wurde die Situation im Laden auch nicht einfacher für die Kellnerin. Deshalb war sie sichtlich froh, die Invasion überstanden zu haben und sie verabschiedete sich von uns mit einer extratiefen Verbeugung.

Hauptstadt Nummer 3

Nachdem wir nach 6 Tagen nun doch langsam genug von der Hauptstadt Japans gesehen haben, geht die Reise für uns weiter in die nächste Hauptstadt. Kyoto steht für die nächsten vier Tage auf dem Programm. Kyoto war der Vorgänger von Tokyo als Hauptstadt des Landes und stellt eine der wichtigsten und zugleich ältesten Städte des Landes dar. Umgangssprachlich wird die Stadt deshalb auch gerne Stadt der 1.000 Tempel genannt. Dadurch stellt sie ein Hauptreiseziel für Japan-Reisende dar und ist immer gut besucht. Für den Hinweg hieß es erst einmal, den Shinkansen zu nutzen. Das ist ein klasse Gefährt, was sogar der geneigte Bahnmitarbeiter neidlos anerkennen musste. Es fängt schon auf dem Bahnhof an. Man kennt es ja in Deutschland, dass mit ein wenig Glück wenigstens ein Kiosk am Gleis zu finden ist. Dann wird er aber trotzdem noch nicht genutzt, da er absolut überteuert ist. In Japan sieht das Bild dagegen anders aus. An jedem Wagen des Shikansen befand sich ein Kiosk und die Preise befanden sich in normalen Kombinigefilden, also noch hinnehmbar. Dazu wurde Zugobento verkauft. Bentoboxen sind die japanischen Varianten des Pausenbrotes und dem Zugobento wird nachgesagt, dass es besonders gut wäre. Also wurde es von uns wenigstens einmal ausprobiert. So ausgestattet konnte es mit dem Shinkansen los gehen. Absolute Beinfreiheit, große Kofferablagefläche, verstellbare Lehnen, all dies sind nur einige der Annehmlichkeiten der modernen japanischen Schnellzüge. Auch das Personal ist überfreundlich. Vor dem Betreten und beim Verlassen des Wagens verbeugt sich das Personal erst einmal und der Kartenkontrolleur hält beim Betreten des Wagens erst einmal einen Monolog, wo er sich für die Unannehmlichkeiten der Kontrolle entschuldigt. Shinkansenfahren ist auf jeden Fall ein Luxus, der sich lohnt. Bisher habe ich noch nie einen so grimmigen Bahnmitarbeiter in Japan gesehen, wie sie mir wöchentlich in den Regionalbahnen in Deutschland entgegen kamen.

So überbrückten wir die Zugfahrt ziemlich schnell und erreichten endlich Kyoto. Ich will ehrlich sein, mich persönlich begeistert Kyoto nicht so sehr, wie das bei anderen der Fall ist. Dies liegt nicht an den Tempeln, diese sind über alle Bedenken erhaben. Aber ansonsten hat Kyoto nicht viel zu bieten und das ist selbst verschuldetes Leid. Anstelle das Stadtbild zu erhalten, wurde in den fünfziger Jahren viele Gelände veräußert und die alten Gebäude mussten neueren weichen. Dies sorgt dafür, dass Kyoto heute das neue mit dem alten verbindet, diese Mischung meines Erachtens aber nicht hundertprozentig gelang. Ein Beispiel für diesen Punkt stellt der SHOSEI-Garten dar, den wir heute besuchten. Ein wunderschöner Japanischer Garten und eine Quelle der Ruhe mit Teehäusern, einem großen See, aber im Hintergrund sah man immer die abgenutzte Werbetafel eines benachbarten Hotels, das so gar nicht zu der Idylle passen wollte. Trotzdem ist Kyoto natürlich immer eine Reise wert. Neben dem Park besichtigten wir aus diesem Grund einige der Tempel. Mal schauen, ob wir am Ende die 1.000 erreichen oder ob irgendwann die Tempel einfach Tempel sind.
Wir übernachten übrigens die erste Nacht in einer Ryokan, einem japanischen Hotel. Meinen Eltern musste ich unbedingt wenigstens einmal zeigen, wie es ist, auf dem Boden zu schlafen und echt Japanisch zu leben. Aus diesem Zweck bekamen wir auch japanisches Abendbrot. Das waren 11 Minigänge japanischer Küchenkunst. Die verschiedensten Arten von Fisch in verschiedenen Formen waren ebenso vertreten, wie geschmacklich einwandfreies Gemüse, Misosuppe oder auch Reis. Ein gelungener Abend, auch wenn wir uns manchmal fragten, was wir eigentlich essen. Morgen gibt es dann noch Frühstück, auch wenn leider nicht so extravagant wie bei Dennis und mir vor einigen Jahren einmal. Damals bekamen wir Frühstück ins Zimmer, hier ist es in einem Esssensaal. Trotzdem ist die Ryokan wieder einmal so etwas, was jeder Japan-Reisende einmal gemacht haben sollte. Es ist schon etwas anderes, als ein normales Hotel. Auch wenn die Japaner sich doch etwas seltsam dort verhalten. Die mittelalten Töchter würde ich ebenso wenig mit ins Männerbad schleppen, wie ich nicht total verschwitzt nach einem langen Tag in die Gemeinschaftsbadewanne springen würde. Auch ansonsten merkte man einigen an, dass sie eigentlich keine anderen Gäste, besonders keine Ausländer, erwarteten.

Am Hafen

Sonnenschein pur am letzten Tag in Tokyo, was kann man sich mehr wünschen. Für den letzten Tag entschieden wir uns, ein etwas ruhigeres Programm zu veranstalten. Dabei muss ich mich mal gegen böse Vorwürfe verteidigen, die meine Ohren erreicht haben. Anonyme Stimmen behaupten doch tatsächlich, ich würde meine Eltern schinden. Das ist pure Verleumdung! Ich mache mit ihnen nur das, was sie wollen, inklusive eventuell ein paar Kilometer mehr laufen. Dennis wäre froh gewesen, wenn er so ein einfaches Programm gehabt hätte….

Nein, die letzten Tage waren wirklich etwas schlauchend. Also entschieden wir uns, erst mal den großen Tempel in Asakusa zu besichtigen. Für einen Wochentag im November war es dort auch ziemlich voll. Bei dem Wetter mit tollem Sonnenschein, war das aber auch kein wirkliches Wunder. Der Tempel in Asakusa ist einer der bekanntesten Tempel Japans und stellt einen kompletten Tempelkomplex dar. So gibt es Nebenschreine, wo man zum Beispiel gegen Frauenleiden beten konnte. Wirkliches Highlight stellt aber die Zukunftsvorhersage dar. Man zieht ein Stäbchen und bekommt die Zukunftsvorhersage, die auf dem Blatt steht. Bekannterweise habe ich bei so etwas einfach kein Glück. Meine Versuche im Jahr 2006, mir an diesem Tempel eine gute Zukunft vorhersagen zu lassen, endeten in einem desaströsen „großen Pech“ und „mittleren Pech“. Aus diesem Grund war dieses Mal meine Mutter dran. Ein wenig gutes Glück kann sie ja gut gebrauchen. Ihr gelang es auch besser als mir. Mit einem „guten Glück“ darf sie alles machen, außer heiraten, aber das hatte sie glaube ich in der nächsten Zeit eh nicht vor. Ansonsten nutzten wir die Weihrauchgefäße, um uns von unseren Leiden zu befreien und schauten uns die Gebete etwas genauer an. Aber nicht einmal einen Tempel schafften wir, ohne die Aufmerksamkeit der Japaner auf uns zu ziehen. In einem Nebentempel zu Ehren der 12 Sternzeichen erklärte uns ein rüstiger Rentner erst einmal schnell, welche Statue wir anbeten sollten. Jede Statue stand für ein Tierkreiszeichen. Meine Eltern sind beide im Jahr des Drachen geboren, mich betrifft dagegen das Jahr des Tigers. Natürlich konnte der Rentner es nicht auf der kurzen Erklärung beruhen lassen und beim Verlassen des Tempels schüttelte er allen von uns noch einmal ausgiebig die Hand. Man sollte meinen, er hätte noch nie einen Ausländer gesehen. Aber diese Theorie wird schon dadurch entschärft, dass der Tempel von Ausländern nur so überlaufen ist. Aus diesem Grund flohen wir auch aus Asakusa und nahmen ein Schiff bis in die Nähe des Hafens. Dort besichtigten wir erst einmal einen japanischen Garten. Für mich war es vor allem ein Erinnerungstrip. Der Garten war meine erste Begegnung mit japanischer Kultur auf dem japanischen Festland. Eine wunderschöne Oase inmitten der umgebenen Hochhäuser, die heute bei strahlender Sonne erst recht zum Verweilen einlud. Da diese Oase gleich neben dem Fischmarkt lag, war dieser dann auch unser nächstes Ziel.

Der Fischmarkt sollte eigentlich um 5 Uhr morgens besucht werden. Um diese Uhrzeit gibt es die große Thunfisch-Versteigerung. 70 Menschen haben dabei die Möglichkeit, dem Spektakel zuzuschauen. 5 Uhr morgens ist aber für uns etwas zu früh, ohne die Zusicherung, dass man es wirklich zu Gesicht bekommt. Deshalb war die Zeit jetzt besser. Am Fischmarkt selber war leider nicht mehr all zu viel los, aber nebenan befand sich ein riesiges Fischviertel. Alle Arten an Fisch wurden zu teils exorbitanten Preisen verkauft, wobei einige Fischlagerarten doch ziemlich befremdlich anmuteten. So würde ich nie bei einem Fischhändler kaufen, der kein Kühlsystem hat. Und einige der lebendigen Fische schwammen seitlich in viel zu flachem Wasser, so dass man große Lust verspürte, sie irgendwie zu retten und in echtes Wasser zu werfen. Trotzdem gab es auch anständige Stände und man konnte Fisch sehen, den man sonst nie zu Gesicht bekommt. Falls jemand es schafft, um 5 Uhr morgens zu dem Markt zu gehen, es muss wohl beeindruckend aussehen und ich kann es nur empfehlen.

Anschließend ging es für uns kurz nach Odaiba, die Rainbow Bridge besuchen. Normalerweise ist diese größte Brücke Tokyos in unterschiedlichen Farben des Regenbogens beleuchtet. Leider entschieden wir uns aber am falschen Tag dort hinzufahren und es war nur die Standardbeleuchtung an. Trotzdem sah es im Dunklen ziemlich gut aus und ein wenig beneidete ich meinen Vater schon für seine anständige Fotoausrüstung. Mit meiner Kamera konnte ich dabei nicht viel machen. Da es dank dieser Tour nun aber schon später war, entschieden wir uns, zügig essen zu gehen. Wir fuhren nicht zurück nach Ueno, sondern stoppten in Shinbashi. Dort fanden wir ein Lokalviertel vor, was für jeden Reisenden nur zu empfehlen ist. Kleinste Restaurants schlossen an kleinsten Restaurants an und fast alle waren voll. Dies stellte gleichzeitig ein gutes Ausschlussverfahren dar. Die nicht vollen Restaurants konnten nicht gut sein und wurden von uns von vornherein ausgeschlossen. Im Endeffekt landeten wir in einem kleinen Fleischrestaurant. Rollenspieler werden ja die Auftraggeber in diesem Spielen kennen, denen ein gelbes Fragezeichen über dem Kopf hängt. Genau so sahen wir auch aus. Die Karte war komplett im schweren Japanisch und wir noch ein wenig überfordert. Sofort erkannten die benachbarten Japaner ihre Mission und erklärten sich bereit, für uns zu übersetzen. Dabei kam uns gemeinsam eine noch viel bessere Idee und sie bestellten gleich gänzlich für uns, was sie empfahlen. Dieses Vorgehen ist natürlich reichlich gefährlich, aber es sollte sich lohnen. Dazu saßen wir auch noch gleich dem Küchenchef gegenüber und konnten der Zubereitung direkt beiwohnen. Wenn man den Laden von außen betrachtete, traute man ihm eigentlich nicht über dem Weg. Der Raum war viel zu klein und tief und das ganze Lokal verqualmt. In Deutschland hätte er wohl keine Erlaubnis bekommen, da vermutlich alle Sicherheitsregeln missachtet wurden. Der Rauchmelder wurde sogar wegen des Qualms mit Plastefolie verschlossen. Trotz aller dieser Seltsamkeiten war die Küche sauberer, als vermutlich viele in Deutschland. Jedes bearbeitete Stück Fleisch wurde sofort wieder gekühlt und selbst für den 1 Meter kurzen Weg zur Ausgabe, wurde das Essen mit Folie versiegelt. Die Rauchentwicklung kam auch nicht vom Rauchen, sondern von einem Kohlegrill, den man auf den Tresen gestellt bekam, um das Fleisch selber zu grillen. Es wurde ein riesiger Spaß. Unsere Nachbarn hatten perfekt ausgewählt und man bemühte sich sehr um uns. Bevor man Fleisch bekam, wurde es einem noch roh als ganzes Stück gezeigt und man konnte sich selber die Menge des Fleisches auswählen. Als Nebenbemerkung: für die vom Koch verwendeten Messer würde ich töten! So bekamen wir zum Beispiel Zunge, ein Bauchstück, rohes Fleischsashimi, Gulasch, gedünstetes Gemüse und Tempura. Jeweils wurde nur eine Portion bestellt, aber gleich immer drei Teller bereitgestellt. Dass ich kein Fleisch esse, konnten sie ja nicht wissen. Selbst als Fleisch-Leie muss ich sagen, das Fleisch sah aus, als ob es Top-Qualität hatte und meine Eltern waren im 7. Himmel. Dazu war es noch köstlich, die Japaner beim Kochen zu beobachten. So wurde zum Beispiel unser erstes Tempura vom Chefkoch nicht herausgegeben sowie gleich im Müll entsorgt und dann selber vom Chef hergestellt, weil der Küchenjunge es offensichtlich nicht gut genug gemacht hatte. Gerade aber das Vertrauen in die Japaner zahlte sich aus. Sie bestellten wirklich nur das, was sie selber probiert hatten und als lecker empfanden. Dementsprechend gut war das Essen. Schade war, dass meine Eltern sie nicht so verstanden, aber selbst so gab es einen netten Austausch. Das Restaurant war auf jeden Fall ein absolutes Highlight! Mal schauen, ob wir es noch toppen können. Aber neben den Dinning-Restaurants kann ich diese Art von Restaurants nur jedem ans Herz legen, auch wenn das Äußere wohl jeden erst einmal zum Zweifeln bringt. In Japan gilt oftmals das Prinzip, außen pfui – innen hui. Und gerade bei Restaurants sehen 70 Prozent so aus, als ob sie in Deutschland nie zugelassen werden würden.

Von der Hauptstadt in die (alte) Hauptstadt

Der Taifun ist an uns vorbei gezogen, wir haben es endlich überstanden. Sendai leidet zwar noch unter ihm, aber das ist ja zum Glück momentan nicht mein Problem. Ohne Regen ist es endlich Zeit, meinen Eltern weitere Ecken der Region Tokyos näher zu bringen. Zu diesem Zweck entschieden wir uns heute, den fünfzig Kilometer von Tokyo entfernten Ort Kamakura zu besichtigen. Kamakura war in den Jahren 1180 bis 1333 kulturell in voller Blüte und übernahm in dieser Zeit die Rolle der Hauptstadt Japans von Kyoto. Aus dieser Zeit sind noch allerhand alte Tempel erhalten und diese galt es heute zu besichtigen.

Schon nach unserer Ankunft erwies sich die Behauptung meiner Mitstudenten, Japaner würden ihnen nie helfen, mal wieder als falsch. Wir hatten noch nicht einmal richtig den Bahnhof verlassen, da stürmte schon ein Rentner auf uns zu und wollte uns mit Informationen über die Stadt versorgen. Nach der ersten Einführung trafen wir ein wenig später noch einmal auf ihn und durften uns einen weiteren Geschichtsabriss anhören. Ich bin ja gewohnt, dass ich immer so verzweifelt aussehe, dass Japaner mir gerne helfen, das war aber übertrieben. Solche hilfsbereiten Rentner sollten wir heute noch öfter treffen. Erstes Ziel war auf jeden Fall die Tempelanlage Kench?-Ji. In diesem buddhistischen Tempel fand gerade ein Jugendritual statt und viele Eltern mit ihren jungen Kindern waren in Kimonos erschienen. Aber nicht nur diese waren ein Blickfang. Im strahlenden Sonnenschein erschien die Tempelanlage noch beeindruckender. Ein großes Areal, inklusive zwei kleinen Seen, Zengarten und mehreren Tempelgebäuden komplettierten den Anblick. Aber bei diesem einen Tempel sollte es nicht bleiben. Wir zogen rund 10 Kilometer durch die Stadt und besuchten viele Tempel, an denen wir vorbei kamen. So gelangten wir zum Bambustempel, dessen Bepflanzung zum Großteil aus hochgewachsenem Bambus bestand oder verfolgten eine buddhistische Messe, bei der die bösen Geister vertrieben werden sollten. Aber nicht nur für Tempelliebhaber hat der Ort einiges zu bieten. Auf halber Strecke fanden wir das Meer. Bei dem schönen Wetter hatten sich noch einige Surfer eingefunden, um die letzten Wellen des Jahres zu genießen. Das Blau des Meeres war so malerisch, dass ich wirklich in Versuchung war, in die Fluten zu stürmen. Das wäre vermutlich aber eine nicht ganz so geniale Idee gewesen und so zogen wir lieber weiter zur Hauptattraktion der Stadt, dem K?toku-in. Eigentlich handelte es sich um einen großem Tempel, der als Hauptattraktion eine große 13.5 Meter große buddhistische Statue, den sogenannten Daibutsu, aufwies. Diese Statue war erst aus Holz gefertigt, ehe sie 1252 als goldbesetzte Bronzestatue neu gefertigt wurde. Das Gebäude, das die Statue beherbergte, wurde aber zwei mal zerstört, ehe 1498 ein Tsunami sein endgültiges Ende bedeutete. Seit dem steht die Statue im Freien. Die Größe und vor allem die Handwerkskunst dahinter ist auf jeden Fall sehr beeindruckend. Nach mehreren Stunden Wanderschaft und den wichtigsten Orten Kamakuras, konnten wir den Heimweg angehen. Der Weg hat sich auf jeden Fall gelohnt, wie man auch an den entstandenen Bildern ablesen kann.

Abends ging es dann noch eine Kleinigkeit zu Essen. Der beste Weg, hier gut zu speisen, ist in Restaurants mit vielen Kleinigkeiten einzukehren und von diesen möglichst viele zu probieren. Dies hat den Vorteil, dass man viel kennenlernen kann und das Essen trotzdem noch relativ günstig bleibt. Egal ob Pferdefleisch, Oktopus oder Salate, diese Restaurants haben auch wirklich alles, was man sich vorstellen kann und einiges mehr. Wer immer mal einen Abstecher hier in das Land der aufgehenden Sonne machen will, dem kann ich nur zwei Empfehlungen zum Essen machen: Als armer Student besucht man die ortsansässigen Nudelläden und alle anderen eine dieser Dinningbars. Wobei, selbst wenn man dort isst, ist es immer noch billiger, als wenn man in Deutschland in eine Kneipe geht. Auch wenn es in einem der teuersten Länder der Welt unverständlich ist, die Restaurants sind hierzulande oftmals besser und doch günstiger als in Deutschland. Natürlich nur, wenn man nicht gerade die Yakuza neben sich sitzen hat, auch wenn das auch sehr spaßig sein kann.

Groundhopping in Japan: Yokohama F. Marinos- Sanfrecce Hiroshima

Wenn es um Sport in Japan geht, verfolgt mich eine Stadt wie keine andere. 2006 besuchte ich zusammen mit Dennis das erste Mal die Stadt Yokohama und schaute ich mir ein Spiel der Yokohama Baystars an. Das Spiel wurde glücklich gewonnen, ein Zustand, der die sportinteressierten Japaner immer wieder überrascht. 2010 sollte sich dieses Wunder sogar wiederholen und die total unterlegenen Baystars besiegten im Derby Tokyo hoch. Einen Tag später, wo ich dann nicht anwesend war, kassierten sie dann aber eine hohe Schlappe. Da Baseball aber nicht so interessant ist, besuchte ich in Sendai auch ein Fußballspiel und der Gegner lautete, wie solle es auch anders sein, Yokohama. Im damaligen sehr schwachen Spiel besiegten die Yokohama F. Marinos das Team aus Sendai mit Mühe mit 1:0. Wie man merkt, bin ich ein sehr gutes Pflaster für Mannschaften aus Yokohama. Für heute wollte ich meinen Eltern nun ebenfalls den japanischen Fußball präsentieren. Natürlich, wie sollte es auch anders sein, fand in Tokyo mal wieder kein Spiel statt. So langsam frage ich mich wirklich, ob Tokyoter Mannschaften immer Auswärtsspiele haben. Ich habe es bis heute wirklich noch nie geschafft, mal eines der Teams zu sehen, während ich da war. Und Tokyo hat meist nicht nur ein Team, sondern in jeder Sportart wenigstens zwei höherklassige Teams. Also fiel die Entscheidung wieder mal auf Yokohama.

Morgens ging es mit der S-Bahn nach Yokohama. Da wir etwas zu früh da waren, wanderten wir noch kurz bis zur Küste, um wenigstens die Bucht bei Tageslicht zu sehen. In Yokohama lohnt das auch wirklich. Die Küste ist mit Kirmesattraktionen wie einem Riesenrad geschmückt und natürlich kann man einige Schiffe sehen. Ich persönlich gehe sogar soweit, Yokohama vom Aussehen und der Mentalität der Menschen fast etwas besser als Tokyo zu finden und wenn ich mir eine Stadt in Japan zum Leben aussuchen müsste, würde ich wohl die Stadt wählen.

Leider war die Entscheidung, zur Küste zu marschieren, nicht optimal. Wir kamen erst ziemlich spät zum Stadion, was sich zum Problem entwickeln sollte. Wenigstens fanden wir den Grund der Untersuchung des Passes meiner Eltern bei ihrer Ankunft heraus. In Yokohama findet ein Treffen der APEC statt und Japan ist deshalb auf Alarmstufe rot. Etwas spät, etwa eine halbe Stunde vor Spielbeginn, trafen wir also beim Stadion ein. Yokohama spielte heute mal nicht in ihrem normalen Nissan Stadion, dem internationalem Stadion mit 72.327 Plätzen, sondern im Mitsuzawa Stadion mit nur 15.046 Plätzen. Das Stadion ist eigentlich die Heimstätte des Lokalrivalen Yokohama FC und wird nur genutzt, wenn das andere Stadion belegt ist oder nicht genug genutzt wird. So sah es heute aus und das Stadion war mit 12.568 Plätzen besetzt. Leider war aber nur die Gegengerade nicht voll besetzt und auf unserer Seite stapelten sich die Menschen. Aufgrund unseres verhältnismäßig späten Erscheinens war es ein großes Problem, überhaupt einen Platz zu bekommen. Letztlich schafften wir es aber doch. Besonders gut hatte uns aber der Einlass gefallen. Keine Kontrollen und das vorher im Combini gekaufte Essen konnten wir problemlos mitnehmen. Dort zeigte sich wieder mal die japanische Art der Fußballfans. In Reih und Glied stand man im Combini und wartete geduldig, endlich seinen Einkauf erledigen zu dürfen. Schon im Voraus hatte man uns aber überrascht. Am Hauptbahnhof wollten wir zum Bus, da stand schon ein Einweiser und orderte alle Fans in eine Reihe, die dann nach und nach in die ankommenden Busse verfrachtet wurden. Da können sich einige deutsche Fußballvereine mal eine Scheibe abschneiden.

Das Spiel selber war typisch japanisch, nur die Fans waren mal wieder gut. Am Anfang gab es eine zehn Minuten lange Choreo über ein und eine halbe Geraden und auch während des Spiels versuchte man lautstark, sein Team zu unterstützen. Am meisten begeisterte mich aber, wie viele in den Vereinsfarben auftraten. Davon bitte auch in Deutschland mehr von! Es sieht einfach mal viel besser aus, wenn alle Blöcke in blau gefärbt sind. Das Spiel selber fand zwischen Yokohama und Sanfrecce Hiroshima statt. Beide Mannschaften sind momentan auf Augenhöhe in der Liga und belegen Platz 7 und 8. Dementsprechend lief auch das Spiel ab, wobei sich Hiroshima immer mehr auf Konter verlegte. So gelangten sie auch eher überraschend in Führung durch ein Kontertor. Bei der Abwehrleistung beider Mannschaften war das auch nicht verwunderlich. Die Spieler rannten zwar viel, aber nur, wenn sie auch den Ball hatten oder in der Nähe waren. Genau so überraschend war dann auch der Ausgleich Yokohamas. Dort wurde der Stürmer mehr oder weniger am Kopf angeschossen und köpfte ohne Zutun den Ball unhaltbar ins Tor. So stand es zur Halbzeit 1:1. Beide Mannschaften versuchten mit Einzelaktionen oder langsamem Spielaufbau, zum Erfolg zu kommen. Den Ball mal schnell machen, war da keine Option und wenn es doch mal geschah, brannte es im Strafraum gleich lichterloh. Oft geschah das aber nicht, da wenn einmal eine Flanke kam, diese unterirdisch schlecht geschlagen war. In der zweiten Halbzeit versuchte Yokohama mehr, scheiterte im Sturm aber weiterhin kläglich und ein Unentschieden wäre vollkommen gerecht gewesen. Da hat aber niemand mit Shunsuke Nakamura gerechnet. Der Exkapitän der Nationalmannschaft war mal wieder ziemlich blass im Spiel geblieben und drehte auf einmal für 10 Minuten auf. Einmal das Spiel schnell gemacht und schon entstand ein Tor. Yokohama gelang es dann, dieses 2:1 über die Zeit zu retten. Gerecht war es nicht wirklich, aber immerhin hatten sie auch mehr für den Angriff gemacht. Insgesamt war das Niveau der Begegnung aber maximal Zweit- oder eher noch Drittliga-Niveau. Zwar waren die Spieler relativ schnell und versuchten öfter mit Erfolg einiges an Kabinettstücken, ansonsten war die Leistung aber nicht überragend. Kaum Laufbereitschaft, schlechte Flanken und Pässe und kaum Torschüsse. Drei oder vier Spieler könnte ich mir aber trotzdem als Spieler in Deutschland vorstellen.

Nach dem Spiel wollten wir dann eigentlich mit dem Bus zurück, aber in einer ewig langen Schlange für den Bus anstehen, musste dann doch nicht sein, also ging es per Fuß zum Hauptbahnhof. Von dort aus sahen wir uns die Silhouette der Stadt und die Yokohama Bridge noch einmal kurz bei Nacht an. Wenn ich in Yokohama wohnen würde, ich glaube, ich würde dort einiges an Zeit verbringen, wobei die Einheimischen diese Orte eher für Dates nutzen. Es ist halt alles beleuchtet und sieht bei Nacht beeindruckend aus. Meiner Meinung nach sollte jeder Japanreisende, der die Stadt besucht, beides mal bei Nacht gesehen haben.

Natto und Yakuzas

Eigentlich habe ich kein größeres Problem mit Regen, wenn ich aber raus muss und meinen Begleitern eine Stadt zeigen will, ist er doch ziemlich hinderlich. Genau so sah es heute früh dann auch aus. Der Regen fiel wie aus Eimern und die eigentliche Tagesplanung durfte mal wieder über den Haufen geworfen werden. Kein Problem, Improvisation ist mein zweiter Vorname. Mit der Bahn ging es nach Ginza, dem Edelviertel der Stadt. Leider sind die Preise dort auch dementsprechend, weshalb sich der Aufenthalt stark verkürzte. Zu Fuß kann man aber auch locker den Hauptbahnhof Tokyos erreichen und dementsprechend machten wir uns auf den Weg. Plötzlich erblickten wir eine Meute von Jugendlichen, die aus unerfindlichen Gründen irgendwo anstanden. Wie sich herausstellte, fand ein J-Pop-Konzert am späten Nachmittag statt und schon 6 Stunden vor dem Einlass hatten sich die Leute eingefunden. Aber auch die japanischen Passanten amüsierten sich über den Anblick.

Endlich an Tokyo Station angelangt, wurde schnell der Rail Pass meiner Eltern eingelöst und dann ging es zum Kaiserpalast. Ehrlich gesagt kann ich nicht verstehen, warum so viele Tokyo-Reisende so scharf darauf sind, diesen Palast zu besuchen. Bis auf den Punkt, dass man eine Sehenswürdigkeit angesteuert hat, gibt es wirklich keinen Grund dafür, dort zu erscheinen. Hohe Mauern erlauben kaum einen Blick auf die Palastgebäude und auch ansonsten gibt es in dieser Region nichts wirkliches zu besichtigen. Aber egal, man muss es ja mit den eigenen Augen gesehen haben und so quälten wir uns im Regen an der Mauer vorbei und schnell weiter zu einer U-Bahn Station. Gestern hatte ich meinen Eltern angekündigt, dass Shinjuku vom Gedränge und Besucherauflauf noch gar nichts ist, heute wollte ich es beweisen. Wir fuhren nach Shibuja und schauten uns dort ein wenig um. Die Regenschirme machten das ganze Schauspiel noch beeindruckender. Die Straße war voll. Das einzige wirkliche Mittel war, sich einfach von den Massen treiben zu lassen. Gleichzeitig besichtigten wir einige Läden und fanden noch einiges zum Thema japanische Mode heraus. Bei 14 Grad kurze Miniröcke ist ja schon hart, was aber auch ansonsten noch so verkauft wird, ist teilweise wirklich verrückt. Egal ob verrückte Strumpfhosen, allgegenwärtige Stulpen, Mützen mit Tierohren, man kann es sich einfach nicht vorstellen. Wenn so jemand in Deutschland herum laufen würde, er wäre die Sensation schlechthin und hier ist es Alltag.

Zum Ausklang des Tages besuchten wir noch das Jugendviertel und den Mejin Schrein. Letzterer ist einer der wichtigsten Schreine Japans. 2006 hatte ich ihn deshalb auch schon einmal mit Dennis besucht. Da der Schrein aber nicht besonders aussieht und nur durch Blumengestecke zu Ehren der Geister auffällt, war mir seine Bedeutung nie so wirklich klar geworden. Heutzutage muss man sagen, er ist schon sehr beachtlich und bei unserer Ankunft fand auch gerade eine Hochzeit statt. Dies war ein sehr feierlicher Akt.

Im Großen und Ganzen schadete das Wetter aber wirklich und der Regen ließ erst am Abend nach, wo wir uns auf die Essenssuche begaben. Meine Mutter wollte nicht, also machten mein Vater und ich uns alleine auf den Weg. Nach längerer Suche entschieden wir uns für ein kleines, aber gut besuchtes Restaurant in der Nähe des Hotels. Wie es in Japan normal ist, entschieden wir uns dafür, viele Kleinigkeiten zu probieren und machten uns ans Bestellen. Wer erwartet aber auch, dass einen die Japaner offen ins Messer rennen lassen? Eines der Gerichte war Omelett mit einer Zutat, die auf den Bildern nach Pilzen aussah. Also bestellte ich es und wunderte mich schon etwas über die komische Zutat, die eindeutig kein Pilz war. Nach dem Probieren war auch schnell geklärt, womit mich die Japaner vergiften wollten – mit Natto. Bei Natto handelt es sich um eine der umstrittensten Zutaten der japanischen Küche und nur ein geringer Anteil Japaner isst es überhaupt. Es handelt sich um fermentierte Sojabohnen. Nach dem Vorgang der Fermentierung bildet sich um die Bohnen eine schleimige, Fäden ziehende Substanz und auch der Geruch ist nicht mehr unbedingt appetitlich. An sich war das Omelett trotzdem nicht schlecht, die Bilder des Orginalnattos machten das Verspeisen für mich aber zur Tortur. Kaum hatte ich auch die ersten Bissen gemacht, erschien auf einmal eine Kellnerin neben mir und reichte mir eine Schüssel und einen Löffel, mit dem ich das Natto wegkratzen könne – schließlich wisse man um die Reaktion von Ausländern auf diese Zutat. Natürlich hätte man mir nicht vorher verraten können, dass Natto im Essen ist, sondern kommt kurze Zeit nach dem Probieren! Diese ganze Entwicklung appellierte an meinen Stolz. Auch wenn es nicht unbedingt appetitlich war und ich zum runterspülen viel trinken musste, die Blöße des Aussortierens wollte ich mir nicht geben. Im Laufe der nächsten zehn Minuten, die wie eine Ewigkeit erschienen, kamen zufälligerweise auch fast alle Angestellten des Restaurants mal an unserem Tisch vorbei und schauten erst einmal, wie sich der Ausländer schlug. Bis auf diese Überraschung war das restliche Essen aber sehr gut. Trotzdem wurden wir zum Schluss doch etwas unruhig und verließen doch lieber freiwillig das Restaurant. Kurz bevor wir gehen wollten, erschienen vier suspekt wirkende Japaner im Restaurant und setzten sich neben uns. Einer davon hatte sich zum Beispiel einen Stern ins Ohr brennen lassen. Auch ihr ganzes Verhalten erschien fragwürdig und im Zweifelsfall würden wir sie zur örtlichen Yakuza, der japanischen Mafia, zuordnen. Wenigstens können wir damit sagen, wir haben endlich auch mal welche gesehen. Trotz oder gerade wegen dieser Umstände, hatten wir auf jeden Fall unseren Spaß und gesünder als heute kann ich schon fast gar nicht mehr leben. Natto ist eines der gesündesten Essen Japans. Wer auch immer mal die Gelegenheit hat, es zu probieren, sollte es machen, auch wenn es wohl kaum den Geschmack der Mehrheit treffen sollte. Ich selber werde aber wohl noch ein paar Tage Albträume davon haben.

Als Interviewpartner

Der Nachteil von Hotels mit Frühstück ist eindeutig: Man muss früh aufstehen, um noch etwas zu essen zu bekommen oder man macht es wie Dennis und ich und geht zwei Minuten vor der Schließzeit hin. Mit meinen Eltern kann ich natürlich nicht so vorgehen. Also hieß es früh aufstehen und sich mit einigen Ausländern und Japanern um das Essen zu streiten. Wenn man mich fragt, man erkennt bei dem Klientel des Hotels auch die Lage des Hotels sehr gut raus. Jedenfalls bei einem gewissen Teil der Ausländer. T-Shirts mit Mangaaufschriften oder Slogans waren gehäuft zu sehen. Wir sind halt in der Nähe von Akihabara. Akihabara ist das Technik- und Animeviertel und einigen Gästen konnte man gut ansehen, dass sie deshalb in Tokyo sind. Wir nicht unbedingt und deshalb ging es auf eine größere Laufrunde durch die angrenzenden Stadtteile.

Erstes Ziel stellte Ueno und der dazugehörige Park dar. Schon auf dem Weg dorthin überraschte meine Eltern die Lage der Stadtteiltempel. Zugegeben, man hört es immer wieder im Fernsehen, aber dass die Tempel wirklich absolut in der Stadt zwischen Hochhäusern stehen glaubt man wirklich erst, wenn man da ist. Der Ueno Park war aber auch die richtige Entscheidung. Im Gegensatz zu gestern regnete es nicht und der Park war gut besucht. Aber nicht alle waren froh, uns zu sehen. Ein ultrakonservativer Japaner belegte mich mit Fragen, ob ich eine japanische Freundin wolle. Auf meine Verneinung zeigte er sich stark erleichtert, nur um eine Sekunde später wild rumzuschreien, nur weil mich ein japanisches Schulmädchen grüßte. Solche „Typen“ gibt es halt in jedem Land. Die Schulmädchen entwickelten aber heute ein besonderes Interesse an mir. Erst grüßten sie öfter im Park und auf dem Weg ins nächste Viertel, fingen sie mich ab, um mir Fragen zu stellen. Es war eine größere Gruppe von Schülern aus Yamagata, einer Nachbarprovinz Sendais, die für den Englischunterricht mit Ausländern reden sollten. Ihr Englisch war zwar beschissen, lustig war die Gesprächsrunde aber auch so, da sie richtig schockiert waren, dass ich aus Sendai stamme und mich doch etwas mit der Kultur auskenne.

Als nächstes wurde Akihabara unsicher gemacht. Natürlich waren die Animegeschäfte nichts für uns, aber die Technikauswahl überrascht einen doch immer wieder. Noch mehr begeisterte meine Eltern aber die japanische Mode. In kaum einem Land werden so verschiedene Klamotten getragen, wie in Japan. Leider sind unsere Kameras aber zu auffällig, sonst hätte man x Fotos machen können.

Letztes Ziel auf der Reise stellte dann Shinjuku dar. Das Rathaus ist einfach der ideale Besichtigungspunkt. Kostenlos mit toller Aussicht, was will man mehr? Aber auch die restlichen Teile Shinjukus mit ihrem Trubel und den Menschenmassen überraschte und beeindruckte meine Eltern. Im Anschluss ließen wir den Abend mit ein paar Sushis und anderen Köstlichkeiten ausklingen. Insgesamt habe ich ihnen meiner Meinung nach einiges von Japans normaler Seite zeigen können, auch wenn sie am Ende doch langsam erste Schwächeanzeichen zeigten. Dabei muss man aber sehen, dass sie nicht Dennis heißen und doch schon ein paar Jahre älter sind als wir beiden. Dementsprechend haben sie sich sehr gut gehalten. Um das wirkliche Japan zu sehen, ist aber das Laufen unabdingbar. Mal schauen, wie fit sie erst sind, nachdem sie zwei Wochen Reiksches Fitnesstraining hinter sich haben.