Sonnenschein pur am letzten Tag in Tokyo, was kann man sich mehr wünschen. Für den letzten Tag entschieden wir uns, ein etwas ruhigeres Programm zu veranstalten. Dabei muss ich mich mal gegen böse Vorwürfe verteidigen, die meine Ohren erreicht haben. Anonyme Stimmen behaupten doch tatsächlich, ich würde meine Eltern schinden. Das ist pure Verleumdung! Ich mache mit ihnen nur das, was sie wollen, inklusive eventuell ein paar Kilometer mehr laufen. Dennis wäre froh gewesen, wenn er so ein einfaches Programm gehabt hätte….
Nein, die letzten Tage waren wirklich etwas schlauchend. Also entschieden wir uns, erst mal den großen Tempel in Asakusa zu besichtigen. Für einen Wochentag im November war es dort auch ziemlich voll. Bei dem Wetter mit tollem Sonnenschein, war das aber auch kein wirkliches Wunder. Der Tempel in Asakusa ist einer der bekanntesten Tempel Japans und stellt einen kompletten Tempelkomplex dar. So gibt es Nebenschreine, wo man zum Beispiel gegen Frauenleiden beten konnte. Wirkliches Highlight stellt aber die Zukunftsvorhersage dar. Man zieht ein Stäbchen und bekommt die Zukunftsvorhersage, die auf dem Blatt steht. Bekannterweise habe ich bei so etwas einfach kein Glück. Meine Versuche im Jahr 2006, mir an diesem Tempel eine gute Zukunft vorhersagen zu lassen, endeten in einem desaströsen „großen Pech“ und „mittleren Pech“. Aus diesem Grund war dieses Mal meine Mutter dran. Ein wenig gutes Glück kann sie ja gut gebrauchen. Ihr gelang es auch besser als mir. Mit einem „guten Glück“ darf sie alles machen, außer heiraten, aber das hatte sie glaube ich in der nächsten Zeit eh nicht vor. Ansonsten nutzten wir die Weihrauchgefäße, um uns von unseren Leiden zu befreien und schauten uns die Gebete etwas genauer an. Aber nicht einmal einen Tempel schafften wir, ohne die Aufmerksamkeit der Japaner auf uns zu ziehen. In einem Nebentempel zu Ehren der 12 Sternzeichen erklärte uns ein rüstiger Rentner erst einmal schnell, welche Statue wir anbeten sollten. Jede Statue stand für ein Tierkreiszeichen. Meine Eltern sind beide im Jahr des Drachen geboren, mich betrifft dagegen das Jahr des Tigers. Natürlich konnte der Rentner es nicht auf der kurzen Erklärung beruhen lassen und beim Verlassen des Tempels schüttelte er allen von uns noch einmal ausgiebig die Hand. Man sollte meinen, er hätte noch nie einen Ausländer gesehen. Aber diese Theorie wird schon dadurch entschärft, dass der Tempel von Ausländern nur so überlaufen ist. Aus diesem Grund flohen wir auch aus Asakusa und nahmen ein Schiff bis in die Nähe des Hafens. Dort besichtigten wir erst einmal einen japanischen Garten. Für mich war es vor allem ein Erinnerungstrip. Der Garten war meine erste Begegnung mit japanischer Kultur auf dem japanischen Festland. Eine wunderschöne Oase inmitten der umgebenen Hochhäuser, die heute bei strahlender Sonne erst recht zum Verweilen einlud. Da diese Oase gleich neben dem Fischmarkt lag, war dieser dann auch unser nächstes Ziel.
Der Fischmarkt sollte eigentlich um 5 Uhr morgens besucht werden. Um diese Uhrzeit gibt es die große Thunfisch-Versteigerung. 70 Menschen haben dabei die Möglichkeit, dem Spektakel zuzuschauen. 5 Uhr morgens ist aber für uns etwas zu früh, ohne die Zusicherung, dass man es wirklich zu Gesicht bekommt. Deshalb war die Zeit jetzt besser. Am Fischmarkt selber war leider nicht mehr all zu viel los, aber nebenan befand sich ein riesiges Fischviertel. Alle Arten an Fisch wurden zu teils exorbitanten Preisen verkauft, wobei einige Fischlagerarten doch ziemlich befremdlich anmuteten. So würde ich nie bei einem Fischhändler kaufen, der kein Kühlsystem hat. Und einige der lebendigen Fische schwammen seitlich in viel zu flachem Wasser, so dass man große Lust verspürte, sie irgendwie zu retten und in echtes Wasser zu werfen. Trotzdem gab es auch anständige Stände und man konnte Fisch sehen, den man sonst nie zu Gesicht bekommt. Falls jemand es schafft, um 5 Uhr morgens zu dem Markt zu gehen, es muss wohl beeindruckend aussehen und ich kann es nur empfehlen.
Anschließend ging es für uns kurz nach Odaiba, die Rainbow Bridge besuchen. Normalerweise ist diese größte Brücke Tokyos in unterschiedlichen Farben des Regenbogens beleuchtet. Leider entschieden wir uns aber am falschen Tag dort hinzufahren und es war nur die Standardbeleuchtung an. Trotzdem sah es im Dunklen ziemlich gut aus und ein wenig beneidete ich meinen Vater schon für seine anständige Fotoausrüstung. Mit meiner Kamera konnte ich dabei nicht viel machen. Da es dank dieser Tour nun aber schon später war, entschieden wir uns, zügig essen zu gehen. Wir fuhren nicht zurück nach Ueno, sondern stoppten in Shinbashi. Dort fanden wir ein Lokalviertel vor, was für jeden Reisenden nur zu empfehlen ist. Kleinste Restaurants schlossen an kleinsten Restaurants an und fast alle waren voll. Dies stellte gleichzeitig ein gutes Ausschlussverfahren dar. Die nicht vollen Restaurants konnten nicht gut sein und wurden von uns von vornherein ausgeschlossen. Im Endeffekt landeten wir in einem kleinen Fleischrestaurant. Rollenspieler werden ja die Auftraggeber in diesem Spielen kennen, denen ein gelbes Fragezeichen über dem Kopf hängt. Genau so sahen wir auch aus. Die Karte war komplett im schweren Japanisch und wir noch ein wenig überfordert. Sofort erkannten die benachbarten Japaner ihre Mission und erklärten sich bereit, für uns zu übersetzen. Dabei kam uns gemeinsam eine noch viel bessere Idee und sie bestellten gleich gänzlich für uns, was sie empfahlen. Dieses Vorgehen ist natürlich reichlich gefährlich, aber es sollte sich lohnen. Dazu saßen wir auch noch gleich dem Küchenchef gegenüber und konnten der Zubereitung direkt beiwohnen. Wenn man den Laden von außen betrachtete, traute man ihm eigentlich nicht über dem Weg. Der Raum war viel zu klein und tief und das ganze Lokal verqualmt. In Deutschland hätte er wohl keine Erlaubnis bekommen, da vermutlich alle Sicherheitsregeln missachtet wurden. Der Rauchmelder wurde sogar wegen des Qualms mit Plastefolie verschlossen. Trotz aller dieser Seltsamkeiten war die Küche sauberer, als vermutlich viele in Deutschland. Jedes bearbeitete Stück Fleisch wurde sofort wieder gekühlt und selbst für den 1 Meter kurzen Weg zur Ausgabe, wurde das Essen mit Folie versiegelt. Die Rauchentwicklung kam auch nicht vom Rauchen, sondern von einem Kohlegrill, den man auf den Tresen gestellt bekam, um das Fleisch selber zu grillen. Es wurde ein riesiger Spaß. Unsere Nachbarn hatten perfekt ausgewählt und man bemühte sich sehr um uns. Bevor man Fleisch bekam, wurde es einem noch roh als ganzes Stück gezeigt und man konnte sich selber die Menge des Fleisches auswählen. Als Nebenbemerkung: für die vom Koch verwendeten Messer würde ich töten! So bekamen wir zum Beispiel Zunge, ein Bauchstück, rohes Fleischsashimi, Gulasch, gedünstetes Gemüse und Tempura. Jeweils wurde nur eine Portion bestellt, aber gleich immer drei Teller bereitgestellt. Dass ich kein Fleisch esse, konnten sie ja nicht wissen. Selbst als Fleisch-Leie muss ich sagen, das Fleisch sah aus, als ob es Top-Qualität hatte und meine Eltern waren im 7. Himmel. Dazu war es noch köstlich, die Japaner beim Kochen zu beobachten. So wurde zum Beispiel unser erstes Tempura vom Chefkoch nicht herausgegeben sowie gleich im Müll entsorgt und dann selber vom Chef hergestellt, weil der Küchenjunge es offensichtlich nicht gut genug gemacht hatte. Gerade aber das Vertrauen in die Japaner zahlte sich aus. Sie bestellten wirklich nur das, was sie selber probiert hatten und als lecker empfanden. Dementsprechend gut war das Essen. Schade war, dass meine Eltern sie nicht so verstanden, aber selbst so gab es einen netten Austausch. Das Restaurant war auf jeden Fall ein absolutes Highlight! Mal schauen, ob wir es noch toppen können. Aber neben den Dinning-Restaurants kann ich diese Art von Restaurants nur jedem ans Herz legen, auch wenn das Äußere wohl jeden erst einmal zum Zweifeln bringt. In Japan gilt oftmals das Prinzip, außen pfui – innen hui. Und gerade bei Restaurants sehen 70 Prozent so aus, als ob sie in Deutschland nie zugelassen werden würden.