Kyoto im Schnelldurchlauf

Es gibt Sachen, die sollte man einfach nicht machen, eine davon ist eindeutig Kyoto in einem Tag zu besuchen. Was läge also näher, als eben genau das zu unternehmen? Da wir morgen noch eine Reise in eine andere Stadt unternehmen wollen, blieb nur ein Tag übrig, um Kyoto zu besuchen. Wie soll das an einem Tag klappen ist die Frage. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Mit Dennis hat es doch schließlich auch so fast geklappt. Unter diesem Motto ging es heute früh, bewaffnet mit einem 24-Stunden-Busticket los, die Stadt zu erkunden. Unser Reiseleiter, also ich, ging mit eisernem Tempo und viel Hetzerei voran und die anderen mussten folgen. Unser erster Weg führte uns in den Norden. Ein alter Zentempel wartete auf seine Besichtigung. Dort existierten ein großer Park und ein Zen-Garten. Zen-Gärten sind Kiesgärten, die nicht aus Pflanzen bestehen, sondern mit Kies besondere Muster bilden, die die Energie des Geistes fließen lassen sollen. Als nicht Spiritueller mutet das etwas seltsam an, aber wenn man daran glaubt, wieso nicht?

Weiter ging die Reise zum nahe gelegenen Goldenen Pavillon. Ein Pavillon an einem See, der mit Gold bestückt ist. Ein beeindruckender Anblick den jeder versuchte, irgendwie auf Zelluloid, beziehungsweise die Speicherkarte zu bannen. Dementsprechend war aber auch der Tempel, da man kaum voran kam, ohne über einen Japaner zu stolpern. Neben dem Goldenen Pavillon besitzt Kyoto auch noch einen Silbernen Tempel, den wir natürlich auch besichtigen mussten. Silbern ist der zwar nicht, aber der anschließende Park ist sehr schön und immer einer Reise wert. Der Erbauer wollte eigentlich den Pavillon zu Ehren seines Großvaters, dem Erbauer des Goldenen Pavillons, versilbern lassen. Leider verlor er zu dieser Zeit einige Kriege und verfügte über keine Finanzmittel mehr, um die Versilberung ausführen zu können, so blieb es nur bei dem Namen. Weiter ging es durch einen Tempelkomplex, der gleichzeitig die letzten Reste des alten Kyotos beinhaltete. Dort konnte für wirklich alles gebetet werden, so war zum Beispiel ein Tempel für Liebesdinge zuständig. Interessanter waren aber die Seitengassen. Zwar waren diese mit Souvenirgeschäften und Restaurants überfrachtet, doch stellten die Gebäude wenigstens die wirklich alten Gebäude Kyotos dar. Eigentlich waren alle Gebäude aus Holz und lagen an schmalen Gassen, so etwas findet man heute nur noch in diesem Gebiet. Was man auch nur noch heute dort findet, sind Geishas. Diese Damen sind nach alten Schönheitsidealen gekleidet und heutzutage nur noch sehr selten zu finden. Sie tragen sehr hohe Schuhe, lange Kimonos und komplett weiß gefärbte Gesichter. Ausgebildet sind sie in jeder Form der Unterhaltung und ein Geschäftsessen mit Geishaunterhaltung stellt das teuerste dar, was man seinem Geschäftspartner bieten kann. Wir hatten heute das Glück, gleich mehrere von ihnen in ihrem für Europäer seltsamen Auftreten zu treffen.

Anschließend ging es noch auf einen Bergtempel auf Stelzen. Hier bewies der Buddhismus wieder einmal, wie viel Geschäftstüchtiger er doch ist, als die Kirche. Das einzige was die Kirche zu bieten hat für Spenden sind Ablässe und die Reduzierung der Leiden nach dem Tod. Die Buddhisten haben da ein effektiveres System. Sie verkaufen Talismänner, die bei aktuellen Situationen helfen, nach einem Jahr aber wirkungslos sind. Egal ob sichere Geburt, Glück, Geld oder wirtschaftlichen Erfolg, alles wird feilgeboten. Man soll gar nicht glauben, was für ein Umsatz mit diesen Talismännern gemacht wird. Minutlich gingen welche über den Ladentisch. Auch muss man vor dem Beten etwas Geld für die Götter spenden, wirklich finanziell schlecht gehen kann es den Tempeln nicht. Aber auch ansonsten lohnte sich der Tempel. Der Ausblick auf die Stadt war sehr schön und man kann sich als Insider die Position anschauen, wo Jean Reno im Film Wasabi stand. Natürlich konnte das nicht reichen und neben einigen Tempeln auf dem Weg ging es dann noch einmal schnell in den Süden der Stadt. In einem den Erntegöttern gestiftetem Tempel haben Sakeproduzenten und -verkäufer seit Jahrhunderten kleine rote Tore gespendet, um die Götter zu erfreuen. Da diese Tore natürlich auch aufgestellt werden müssen, gibt es an diesem Tempel mittlerweile über 2.600 Tore, die ein lang gestrecktes Gangsystem über den naheliegenden Berg erzeugen, das wir zum Abschluss beschritten. Eine größere Wanderstrecke stand also noch einmal an. Erschöpft entschieden wir, das letzte Teilstück nur noch mit dem Bus zu absolvieren und erreichten die größte Pagode Japans leider kurz nach der Schließzeit. Trotzdem war sie herrlich beleuchtet und war schon etwas Besonderes. Danach reichte es aber auch mit Tempeln, Schreinen und Parks und wir gingen nur noch kurz essen.

Gelohnt hat sich es auf jeden Fall, den Aufwand zu betreiben. Wie wenig berauschend die Stadt auch an sich ist, die Tempel sind zu Recht Teil des Weltkulturerbes. Trotzdem sollte man sich wirklich mehr als einen Tag für diese Stadt nehmen. Trotzdem, irgendwie haben wir alles gesehen, was wir sehen wollten und mein Vater wird noch Pagodenliebhaber. Diese bis zu fünfdächrigen Gebäude haben es ihm besonders angetan. Aber auch ansonsten waren beide wohl begeistert von den Bauten. Nur ich wünschte, es wäre nicht Kyoto. Viel zu viele Touristen waren unterwegs und machten das Vorankommen sehr schwierig. Nebenbei kamen in einem Gebiet auf einmal auch Schülerinnen auf mich zu und wollten spontan einfach mal ein Foto mit dem großem Ausländer. Wenn ich zurück in Deutschland bin, wird hier in Japan mein Bild wohl fast überall verteilt sein. Ich bin gespannt.

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