Wir haben ein Angebot, das ihr nicht ablehnen könnt.

Während es in Göttingen die ganze zeit regnet, strahlt in Sendai ausnahmsweise mal die Sonne. Das musste natürlich ausgenutzt werden und zusammen mit Kaori ging es durch die Stadt. Ziel von ihr war ein kleiner Currysuppen-Laden. Dieser zeichnete sich dadurch aus, dass die Suppen verschiedene Schärfestufen haben. Zu meiner Überraschung gab es extra servierten Reis, der von dem Essen in die Curry-Suppe getaucht werden musste. Dieses Vorgehen ergibt aber auch Sinn und sorgte für einen nicht so labbrigen Reis.

Das wahre Highlight war aber nicht das Essen. Keine zwei Minuten, nachdem ich mich von Kaori verabschiedet hatte, lag plötzlich eine Damenuhr vor mir auf dem Boden. Was sollte ich machen? Eine Besitzerin waren weit und breit nicht zu sehen und liegen lassen wollte ich sie auch nicht. Polizei kam aufgrund der Entfernung auch nicht in Frage und das Fundbüro kenne ich nicht. Also entschied ich, das zu machen, was jeder gute Ausländer macht, die Arbeit einem anderen aufhalsen. Nachdem ich gestern etwas über die Macht des Wortes Onegaishimasu gehört habe, musste ich gleich mal ausprobieren, ob ich damit wirklich bis auf den Tod verpflichten kann, wie es hieß. Dementsprechend ging ich in den nächsten Laden und redete auf eine Verkäuferin ein. Schade, dass die Dame und keiner der Anwesenden Englisch verstand. Also wurde mit Hilfe all meiner Japanisch-Kenntnisse und viel schauspielerischer Leistung erklärt, was mein Problem ist. Nach einigem hin und her schienen sie zu verstehen, wollten sich aber nicht so wirklich darum kümmern. Also habe ich die Uhr hingehalten und ein süffisantes Onegaishimasu beigefügt und siehe da, es funktionierte. Sie übernahm die Uhr und erklärte sich bereit, sie ins Fundbüro zu bringen. Diesen Trick muss ich mir merken.

Ansonsten geht es morgen zur Abschiedsfeier von Yuri. Die Dame von Group Mori hat uns ein Angebot gemacht, das wir nicht ablehnen konnten. In bester Pate-Manier wurde auf unsere Anwesenheit bestanden. Es ist ja zum Glück nicht so, als ob wir nicht auch so gekommen wären. Aber ihr Befehlston hat uns die Entscheidung ja gänzlich abgenommen.

Yuri und die Angst vor Group Mori

Wieso besuchen Menschen eigentlich freiwillig Sportarten, bei denen sie selber verletzt werden könnten? So ganz erschloss sich uns dieser Punkt am heutigen Tag nicht, aber der Reihe nach. Es hieß früh aufzustehen, denn Yuris Konzert stand an. Zu diesem Zweck galt es erst einmal, mit Andre, der ebenfalls von der Uhrzeit des Konzertbeginns nicht all zu begeistert schien, irgendwie die Konzerthalle zu erreichen. Nach einiger Sucherei fanden wir auch endlich die Konzerthalle. Der alte Plan, „Ich habe da so eine Idee, wo wir hin müssen“, funktioniert halt doch immer wieder. Den Altersdurchschnitt beim Konzert haben wir auf jeden Fall ohne Probleme unterboten. Bis auf ein paar Kleinkinder, waren nur Rentner da, was sich anhand der klassischen Musik und der frühen Uhrzeit ohne weiteres erklären ließ. Der Vorteil daran, dass es sich um Rentner handelte, lag in der Tatsache, dass wir nicht länger als zwei Minuten für einen Gesprächspartner brauchten. Eine alte Dame, der ich meinen Stuhl überließ, nutzte diese Gelegenheit, um Andre auszuquetschen. Aber eigentlich wichtig war das Konzert. Es handelte sich um ein einstündiges Konzert mit zwei Geigenspielerinnen, die jeweils dreißig Minuten spielten. Aus unserer, natürlich absolut objektiven Betrachtung, war Yuri die Bessere der beiden und begeisterte uns absolut. Einziges Manko war eigentlich, dass ihre Bewegungen manchmal etwas ruckelig wirkten, während die Französin dies etwas geschmeidiger vollbrachte. Ansonsten hatte diese aber keine Chance. Anschließend hieß es, auf Yuri warten und Pläne für heute absprechen. Dazu mussten wir aber erst einmal an einem Mitglied von Group Mori vorbei, die Yuri beherbergt. Wer „Willkommen bei den Sch“tis“ kennt, kann sich ihr Verhalten lebhaft vorstellen. Sie handelte wie die Schwiegermutter aus dem Film und wir erwarteten eigentlich nur noch, dass sie uns Zeiten vorschreibt, in denen Yuri zu Hause sein muss.

Zu unserem Glück handelt es sich bei Yuri aber um eine breit gefächert interessierte junge (25-jährige) Dame. Dementsprechend war sie uns das Verhör von Group Mori wert. Wir beschlossen, zum Baseball zu gehen. Normalerweise sind diese Spiele auch nicht allzu gut besucht, nur heute überraschte der Verein uns doch arg. Das Spiel war fast ausverkauft und wir bekamen drei der letzten Karten. Yuri ist zwar großer Baseballfan, mein Sport wird dieser aber auf keinen Fall. Drei Stunden Hoffen, dass man etwas zu sehen bekommt und die Gegner nicht durch Zufall sofort besiegt werden, ist ziemlich langweilig. Dazu handelt es sich um einen Sport, wo die Zuschauer Helme tragen sollten. Zwei Foulbälle segelten knapp über unsere Köpfe und landeten so hart in der Wand hinter uns, dass sich auf dem Metall Abdrücke bildeten. Hätten die uns getroffen, hätte es garantiert weh getan. Trotzdem ist Fan-sein in Japan nicht mit Europa zu vergleichen. Neben der Tatsache, dass fast alle Anwesenden Trikots hatten, würde man es in Deutschland wohl kaum erleben, dass die gegnerische Choreographie auch noch musikalisch untermalt wird. Auch die Fan-Gesänge waren ziemlich monoton, auch wenn es beachtlich war, wie viele sich beteiligt haben. Nur einen kleinen Jungen mussten wir Gajins darauf aufmerksam machen, dass er durch eine Unachtsamkeit die ganze Zeit Lieder des Feindes mitsingt, obwohl er komplett mit Sendaier Fanartikeln ausgestattet war.

Nach dem Spiel ging es noch in die Stadt. Es wurde gegessen, Kaffee getrunken und die Arcade unsicher gemacht. Andre wollte unbedingt gegen Yuri im Taikotrommeln verlieren und ich versuchte mich in Guitar Hero als neuer Brain May gegen sie. Ich verlor zwar auch, konnte aber wenigstens einige Runden gewinnen. Auf das Tanzspiel, auf das Andre total verrückt war, verzichteten wir aber lieber, nachdem wir einem Japaner zusahen, der sich so schnell und verrückt bewegte und dabei noch einige Punkte sammelte, dass wir uns nur blamieren konnten. Nach einem Austausch böser Worte in den Sprachen Deutsch und Japanisch, machten wir uns dann auf den Weg nach Hause, in Furcht vor Group Mori, die Yuri schon vermisste. Auf der einen Seite sahen wir schon die ganze Gruppe nach ihr suchen, auf der anderen Seite fürchteten wir um unser Mittagessen montags und donnerstags. Wenn wir alle wieder in Deutschland sind, sind Gegenbesuche aber auf jeden Fall mal eingeplant.

Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden

Im Gegensatz zu Deutschland sind in Japan alle Fahrräder mit einer Sicherheitsnummer auf einen Besitzer registriert. Diese, bei Diebstahl zweifelsohne sinnvolle Errungenschaft, stellte Ausländer heute doch vor ein kleineres moralisches Dilemma. Aber der Reihe nach: Nachdem von meinen Leuten aus nicht wirklich etwas für heute geplant war, beschloss ich, einige Tempel abzuklappern. Ich muss sagen, dass Japaner für alle Dinge des Lebens unterschiedliche Tempel haben, zeugt zum einen von einem ausgeprägten Geschäftssinn und zum anderen führt das dazu, dass sich die Tempel überschlagen, um Besucher zu gewinnen. Aus diesem Grund genieße ich die Ruhe der Tempelanlagen und der dazu gehörigen Gärten, die meist perfekt gepflegt sind und malerisch aussehen. Dieser Kulturtrip wurde aber kurzfristig von Dai aufgehalten, der heute Geburtstag hatte. Er musste in die Innenstadt, um einige Besorgungen für seinen Bruder zu machen und wollte meine Unterstützung. Da kann ich natürlich nicht nein sagen und rein ging es in die Stadt. Problematisch ist nur, dass in der Stadt nur in einigen Parkhäusern und an einigen Ständern parken erlaubt ist und diese auch noch sehr ungünstig liegen, wenn man, wie wir, aus der falschen Richtung kommt. Interessanterweise stört das die japanischen Radfahrer aber überhaupt nicht und die Räder werden immer vor den grünen „Parken verboten“ Schildern abgestellt.

Falls wir nun in die Stadt kommen und zu weit von legalen Parkplätzen entfernt sind, stellen wir unsere Räder meistens dazwischen, frei nach dem Motto, fünfzig Leute können nicht irren. So geschah es dann auch heute. Schlecht nur, dass in den fünf Minuten, in denen wir in einem Laden verschwunden waren, irgend jemand kam und uns ein wunderschönes „Parken verboten“-Schild ans Rad gehängt hat. Dies stellte uns dann doch vor größere Probleme. Aus Berichten wissen wir, dass Falschparken verdammt teuer werden kann, auch mit Rädern. Aber lesen können wir unseren Anhänger auch nicht. Die Wegbeschreibungen darauf können schließlich auch viel bedeuten: den Weg zur nächsten Polizeihütte genauso wie die Wegbeschreibung zum nächsten legalen Parkplatz. Also haben wir leise pfeifend das Rad genommen und erst mal das Weite gesucht. Im Zweifelsfall wissen die eh, wo wir wohnen. Die offiziellen Beratungen mit den Kollegen ergaben aber, dass einige unserer Leute diese Schilder schon förmlich sammeln und bis dato noch nichts von Strafen gehört haben. Deshalb liegt der offizielle Beschluss von uns darin, den Zettel als Warnschild zu verstehen und unsere Japaner ihn mal in einer freien Minute übersetzen zu lassen. Gestützt wird diese Theorie von hunderten Rädern in der Stadt, die stark klebende Schilder auf das Lenkrad gepappt bekommen haben, die eher an echte Verwarnungen erinnern. Trotzdem sollten wir in nächster Zeit etwas vorsichtiger werden.

Auffällig ist aber die Tatsache, wie wenig sich Japaner um Regeln kümmern. Gut, Japan ist über reglementiert, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass regeln aus Prinzip ignoriert werden. Das fängt hier im Haus Sanjo an. Wir haben sehr strikte Regeln über eigene elektrische Geräte in den Zimmern. Nur halten sich interessanterweise nur die Ausländer daran. Die Japaner haben alle möglichen Gerätschaften und riesige Anschaffungen in ihren Zimmern. Aber auch im Straßenverkehr werden von Radfahrern und noch schlimmer von Autofahrern alle Regeln gebrochen, die auch nur im entferntesten vorhanden sein könnten. Rote Ampel regen so z.B. genauso wenig zum Bremsen ein, wie engste Straßen vom Rasen abhalten. Genau diese Eigenschaft zieht sich noch in einige Bereiche des Lebens weiter. Der alte Stereotyp vom immer fleißigen und regelliebenden Japaner können meiner Erfahrung nach auf jeden Fall absolut widerlegt werden.

Anschließend ging es zum Bahnhof, die Damen zu treffen. Geschlossen ging es dann in einen Somen-Shop, wo bei Somen und Kuchen Dais Geburtstag feierlich begangen wurde. Dabei wurde der Kuchen mit Stäbchen verdrückt, ein absolutes Novum für uns alle. Der Kuchen hat aber geschmeckt und das war wichtiger als der Rest. Da auch noch ein anderer Kumpel von uns Geburtstag hatte, ging es anschließend noch zu einem kleinen Nomihodei. Unsere 25 Mann überforderten aber das Restaurant vollkommen. Allgemein handelte es sich um das schlechteste Nomihodei, was wir bis heute hier in Sendai hatten. Da aber alle sich dadurch nicht entmutigen lassen, wurde es trotzdem noch ein gelungener Abend.

Von Mochi und Grammatik

Es heißt zwar „andere Länder, andere Sitten“, wie ich heute feststellen durfte, trifft dies aber auf eine Gattung Mensch nicht zu. Richtig geraten, es geht um den Studenten. Egal, ob in Japan oder in Deutschland, sie ähneln sich doch immer stark. Heute wurde ich von Antti, einem unserer Finnen, gezwungen, an der @home Tutoriumssitzung teilzunehmen. Recht war mir das Ganze zwar nicht wirklich, da ich lieber noch etwas Zeit mit Shimizu und Kaori verbracht hätte, aber was will man machen. Wenigstens habe ich Shimizu vorher noch richtig neidisch machen können. Ich habe ihm einige Bilder des Queen + Paul Rodgers Konzertes im Jahr 2008 in Hannover gezeigt und seine Augen wurden immer größer. Zwischendurch hörte ich von ihm auch einige Male die japanische Worte für „ich bin neidisch“.

Da ich nun aber zähneknirschend Antti meine Zusage geben hatte, ging es zu @home. Dort wollten die Mitglieder zur Begrüßung für uns Motchi selbst herstellen. Klasse nur, dass natürlich niemand die Anleitung gelesen hatte und zum Anrühren viel zu viel Wasser verwendet wurde. Wie gesagt, Studenten sind überall gleich. Der arme Antti würde wohl immer noch rühren, wenn ich nicht verwundert nachgefragt hätte, ob das nicht ein Schuss zu viel Wasser war. Was macht man in dieser Situation? Noch eine Packung Trockenmasse besorgen und dazu schmeißen und so das Wasser ausgleichen? Nein, das wäre eindeutig zu einfach. Dementsprechend wurde die Mischung in die Mikrowelle gesteckt und gehofft, dass das Wasser verdunstet. Bevor Fragen kommen: Nein, ich habe bewusst jede Beteiligung an diesem Vorhaben abgelehnt. Endergebnis war mehr eine Mochisuppe, als ein echtes Mochi. Aber egal, man konnte es essen. Auch die Gespräche auf der Veranstaltung waren nicht so schlecht. Besonders lustig fand ich die misstrauischen Gesichter, als ich einem Mitglied die von Daniel geschickte Brause anrührte. Von dem Ergebnis waren die Leute so geschockt, dass das Getränk dann an alle Anwesenden weitergereicht wurde. Im Endeffekt haben also 8 Leute aus einem Glas Brause getrunken.

Neben @home stand heute dann besonders der Kanjikurs im Mittelpunkt. Jetzt, kurz vor der Zwischenprüfung, die in den nächsten Wochen kommen muss, kann ich nur noch einmal bestätigen, dass mir persönlich dieser Unterricht nicht viel bringt. Das liegt weniger am Thema, das richtig vermittelt bestimmt hoch spannend wäre, sondern eher an der Vermittlung. Heute ging es soweit, dass wir auf Anhieb mit total unbekannten Worten Sätze bilden mussten. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn wir die Wörter kennen würden. So mussten letztendlich 5 Leute aus höheren Grammatikkursen diese Sätze bilden. Die anderen Studenten saßen ziemlich ratlos rum und verstanden nicht, was nun gesagt wurde. Wir mussten dann bei der obligatorischen Wiederholung die Sätze einfach nachsprechen. Wenn man die Worte alle nicht kennt, erhöht dies das Verständnis auch nicht gerade. Aber eigentlich war diese Methode heute fast noch gut. Meist endet es nur im einfachen Wiederholen des an die Tafel geschriebenen Textes und das entspricht dem Buch zu 100%. Selbst wenn keiner etwas versteht, ist die Lehrerin nicht so flexibel, den Unterricht etwas anzupassen. Im Endeffekt würde es keinen Unterschied machen, ob ich einfach nur aus dem Buch lerne oder in den Unterricht gehe. Dementsprechend bin ich nicht so begeistert von dem Kurs. Der Grammatikkurs dagegen wird immer besser und ist auch stark auf unsere Bedürfnisse angepasst. Zu vergleichen mit europäischen Sprachkursen ist aber weder der eine noch der andere.

Reik-Sensei

Reik-Sensei, wie konnte das nur passieren? Irgend etwas muss da verdammt schief gegangen sein, dass ich auf einmal Lehrer spiele. Ich hatte heute das erste Mal das Vergnügen, meine Konversationspartnerin zu treffen. Es handelt sich um eine sehr sympathische 26-jährige Dame, die nach dem Studium der globalen Ökonomie mittlerweile im Personalbüro von Cola gelandet ist. Um nebenbei Daniel zu beruhigen: Es handelt sich um kein Verkuppelungstreffen. Lustig ist es aber auf alle Fälle. Schon beim Treffpunkt kam sie ganz zögerlich auf mich zu und fragte auf Deutsch an, ob sie denn richtig ist. Danach ging es eine Runde essen. Besonders begeistert hat mich die Tatsache, dass ich mich mit einem (immerhin schon seit zehn Jahren) Fußballfan unterhalten konnte. Aber auch ansonsten war die Sache interessant. Wie es aussieht, werde ich in der nächsten Zeit wohl eher als Lehrer, als alles andere fungieren. Gut, an mir soll es nicht scheitern, auch wenn einige Personen, besonders alte Lehrer in Deutschland, jetzt vermutlich in Ohnmacht fallen werden. Bei bestem Essen machten wir uns also dran, die Untiefen der deutschen Sprache zu erkunden. Dies stellte sich als sehr große Herausforderung dar, da man einige Sachen schwer ins Japanische übersetzen kann, ohne die Worte zu kennen. Man muss es daher umschreiben. Nur beschreibe mal jemandem, der fast kein Deutsch beherrscht das Gefühl Unsicherheit. Das Ergebnis stellte auf jeden Fall die Feststellung dar, dass die zwei Stunden für sie anstrengender waren, als das letzte Jahr japanisch zusammen. Aber sie hat doch einiges mitgenommen. Auch über die anderen Hobbys (neben Fußball) konnte ich mich gut mit ihr unterhalten. Hobbys wie Kochen oder Reisen sind mir doch nicht ganz fremd. Nach knapp drei Stunden ging es dann geschlossen zum Bahnhof. Dass ich mein Fahrrad nicht finden konnte, war mir zwar etwas peinlich, störte sie aber zum Glück nicht. Zum Dank für das Gespräch bekam ich auch das sehr leckere Udon- und Sashimigericht geschenkt und wenn ich Glück habe, bekomme ich eventuell Freikarten zum Sendai Philharmonic Orchestra. Sie mag diese Musik nicht, bekommt aber immer Freikarten und das nächste Mal könnten sie dann bei mir landen. Nach diesem Treffen, das wir demnächst einmal wiederholen werden, ging es dann auf die Suche nach deutschen Lebensmitteln. Nur mit der vermittelnden Chinesin, muss ich mal ein ernstes Wort reden. Die hat meine Tandempartnerin aufs Beste auf mich eingestellt und mich als nett, lustig und groß dargestellt. Aber gut, der Kontakt ist nett, darum werde ich dies einmal durchgehen lassen.

Nachdem die deutsche Delegation von Watanabe zum Kochen bei einem Festival gezwungen wird, bin ich natürlich auch eingeplant. Dementsprechend wird am Wochenende durch die beiden anderen Deutschen für die Leute von ihrem Flur Deutsch gekocht. Zu diesem Zweck musste ich mich im Anschluss an das Treffen auf die Suche nach Fleisch und Kartoffeln machen. Was lag näher, als die Marktstraße. Also habe ich mich dort durchgedrängt. Kartoffeln und Fleisch sind ja sowieso meine „Freunde“. Aber egal, kann man nicht ändern, also nachgefragt nach den Zutaten. Soviel Fleisch, wie mir daraufhin zum Probieren gereicht wurde, musste ich ebenfalls ausfallen lassen. Ich bin mal gespannt, was das wird, wenn wir drei kochen. Momentan haben wir uns auf Kartoffelsalat geeinigt, da wir da alle Zutaten bekommen und Japaner sehr begeistert davon sind. Japanischer Kartoffelsalat ist zwar auch essbar, hat aber nichts mit Kartoffelsalat zu tun. Zum Abschluss des Tages mußte ich dann doch einmal nach dem Weg fragen und erhielt eine Japaner-typische Antwort: Die Dame ging mit mir und half mir, so weit es ging (immerhin 10 Minuten). Erst als klar wurde, dass ich weiß, was ich tue, blieb sie stehen und ging zurück. Ich kann nur hoffen, dass sie keine Arbeit oder ähnliches hatte.

Sushi Essen für Anfänger

Rückblende auf Ende März 2010: In der beschaulichen Stadt Kassel haben sich drei Studenten eingefunden, um vor dem Abschied des einen nach Japan, noch einmal die kulinarischen Genüsse eben jenes Landes zu probieren. Zu diesem Zweck wurde für eine ziemlich lange Zeit ein japanisches Restaurant belagert und bei einem „All you can eat“ ausgiebig die verschiedensten Sushis ausprobiert. Auch ansonsten ist Sushi ein großer Renner in Deutschland. Wie oft wurde mir berichtet, wie eklig Sushi schmeckt, nur weil man es aus dem Supermarkt gekauft hatte. Auch ansonsten findet man kaum japanische Restaurants in Deutschland, die nicht auf Sushi spezialisiert sind. Dabei kommt es dann auch zu solchen Abscheulichkeiten, wie Frischkäse-Sushi in den Magdeburger Sushi-Restaurants.

Aber genug von der momentanen Situation in Deutschland. Wir blenden über in das beschauliche Japan, dem Heimatland des Sushis. Eine kleine Gruppe von 15 Leuten, bestehend aus den Japanern der vierten Etage und deren Freunden (ein Schwede, eine Ungarin und drei Deutsche), planten den Einfall in eine Kaiten Sushibar. Kaiten Sushi ist hierbei der Transport des Sushis auf dem Fließband, eine Annehmlichkeit, die hier in Sendai erfunden wurde. Dabei befindet sich in der Mitte des Raumes die Arbeitsfläche der Köche, die von einem Fließband umgrenzt ist, das wiederum von den Sitzplätzen begrenzt wird. Auf das Fließband werden dann alle möglichen Sushis auf unterschiedlich farbige Teller gestellt und jeder kann sich diese dann je nach Geschmack nehmen. Weiterhin existiert eine Karte, auf der man Sushis bestellen kann, die noch nicht oder lange nicht mehr herumgekommen sind. Das Problem wie in Deutschland, dass man ewig auf Sushis seines Geschmackes warten muss, ist dadurch nahezu eliminiert. Gleichzeitig teilen sich zwei Sitzplätze einen Wasserhahn, wo man sich warmes und kaltes Wasser in sein Glas füllen kann und mit dem bereitstehenden Matcha zu Tee umwandeln kann. Die Getränkekarte beschränkt sich deshalb auf Bier und Sake.

Viel wichtiger als das Restaurant ist aber der Geschmack. Wie zu erwarten war, übertrifft er deutsche Restaurants um Längen. Ich muss aber ehrlicherweise zugeben, dass ein Restaurant in Hamburg noch einigermaßen mithalten kann. Ansonsten unterscheiden sich die Sushis um Welten. Das Wasabi hat einen anderen Geschmack und unterstreicht die Sushis besser, die Fische zergehen im Mund und die Auswahl an Speisen unterscheidet sich stark von den deutschen Gegenstücken. California Rolls sind gar nicht vorhanden und selbst große Rollen, mit mehr als einer Zutat, sind sehr selten. Schließlich soll der Geschmack der Zutat herausragen und nicht verschleiert werden. Auch der in Deutschland beliebte Octopus ist hierzulande eine Seltenheit als Zutat. Dafür wird mehr Wert auf die Qualität des Kaviars gelegt und dieser deshalb in mehreren Sorten angeboten. Die Preise variieren dabei von 80-280 Yen, was Preisen von 70 Cent bis 1.80 Euro entspricht. Bei den 80 Yen Stücken handelt es sich dann aber nur um vegetarische Sushis, die dafür aber gleich im Sechserpack gereicht werden. Viel Wert wird auch auf japanische Zutaten gelegt. So werden einige Pasten als Füllung verwendet, wie Natto, Wasabi oder ähnliches. Alles im allem ist das Sushi Essen hier mit dem deutschen Sushi nicht zu vergleichen. Wer auch immer sagt, Sushi schmeckt ihm nicht, sollte spätestens hier noch einmal die Chance zum Probieren nutzen. Trotz der Teller-Bezahlvariante kann man für 700 Yen mehr als satt werden.

Flurskaten

Nach dem gestrigen Tag war eigentlich für die komplette Woche Regen angekündigt, dementsprechend verwundert war ich über das gute Wetter heute früh. Es war so warm, dass sogar die Jacke überflüssig war. Gut, das sollte sich tagsüber schlagartig von einer auf die andere Minute ändern. Aber das ist eine andere Geschichte. Also, auf zum Unterricht und erstmal die Kommentare des Italieners über mich ergehen lassen. Es ist ja nicht so, als ob mich die Bayern interessieren würden, aber dummerweise wird das von mir als Deutscher erwartet. Gleich danach kam dann aber die wirkliche Hiobsbotschaft des Tages: Der Etagenälteste der vierten Etage, Watanabe, hat 2/3 der deutschen Delegation verdonnert, bei einem Festival in zwei Wochen teilzunehmen und dort auch noch etwas Deutsches zu kochen. Und da ich sowieso dazu gezählt werde, soll ich mich beteiligen. O.k., ich könnte mich hinter Nobu verstecken, aber die anderen im Stich lassen kommt gar nicht in Frage. Gleich gingen erst mal die Diskurse los: Was ist eigentlich typisch deutsches Essen, das wir hier auch zusammenbekommen? Wir werden wohl die nächsten Tage erstmal die Läden checken müssen.

Ansonsten verlief der Tag bis zu den Abendstunden in ziemlich geordneten Bahnen. Da vor allem Andre öfter mal erst um neun oder zehn aus dem Büro kommt, wurde der mit dem kürzesten Weg heute dazu verdonnert, bei Thomas vorbei zu schauen und Tayaki zu besorgen. Wer hatte da wohl wieder Pech? Gut, ob es Pech ist, nicht jeden Tag den steilen Berg hochzufahren, sei noch so dahingestellt. Deshalb erkläre ich auch immer den Anderen, dass es sich halt lohnt, etwas Anständiges zu studieren. Thomas bietet übrigens als neueste Sorte indisches Tayaki an, das mit Curryhuhn gefüllt ist. Also wurden von mir einige eingepackt, noch deutsches Bier dazu geholt und dann ging es nach Hause. Dort wurde das Tayaki schon sehnsüchtig erwartet. Es entwickelte sich eine lustige Runde in der vierten Etage, bei der auch mit den Japanern etwas gesprochen wurde. Das fehlt bei mir in meiner sechsten Etage etwas. Da ich meine Leute kaum mal sehe, kann ich auch nicht mit ihnen Japanisch sprechen üben.

Bei dieser Gelegenheit wurde über Gott, die Welt und natürlich mit Katoh über Daniels frühere Verfehlungen gesprochen. Dadurch kam er auf die Idee, seine berühmt-berüchtigte Blade-Ausrüstung herauszuholen. Und schon wurde der Flur, der eigentlich noch nicht mal mit Schuhen betreten werden darf, zur Testbahn umfunktioniert. Den Abrieb der Reifen wird man auch noch nach Monaten sehen. Besonders gefährlich waren die einrädrigen Rollerblades. Nicht schlimm genug, dass alle Schlaufen fehlen, schon das herauskommen erscheint fast unmachbar. Auf jeden Fall wollten wir es alle mal ausprobieren. Gut, wir hätten uns alle beinahe die Knochen gebrochen, aber bei der Technik ist das auch kein Wunder. Es bildete sich eine förmliche Schlange. Auf jeden Fall war das Flurskaten ein würdiger Abschluss für den sehr lustigen Abend.

Reik 1 : Japanische Technik 0

Japanische Technik, das Beste auf der Welt. Na ja, nur bis ein blöder Deutscher kommt und alles kaputt macht. Seit knapp vier Wochen besitze ich nun mein Handy und seit letzter Woche hat sich ein Riss auf dem Display gebildet. Aber dieser Riss ist nicht von außen, sondern von innen. Da der Riss immer größer wurde und das SMS-Lesen doch etwas erschwerte, musste ich Abhilfe schaffen. Klassische Garantie gibt es hier zwar nicht, aber ich bezahle schließlich nicht umsonst den Backup-Plan, der eben für Schäden am Handy aufkommt. Ein Problem ist nur, den Leuten von Softbank das Ganze zu erklären. Also wurde am Wochenende erst mal ein Hilferuf an Kaori losgelassen. Eine Japanerin kann sowas doch besser erklären und kann die Leute auch noch besser verstehen, als das bei mir der Fall wäre. Dementsprechend ging es heute Mittag im schönsten Regen raus in die Innenstadt, um sie zu treffen. Nach langen und zähen Verhandlungen haben wir sogar mein Handy eingeschickt bekommen. Ich musste mich nur mal kurz über die japansiche Technik beschweren, die schon beim Anschauen kaputt geht. Mein deutsches Handy hat schon so oft einen Absturz vom Rad gemacht und hat dabei nie Probleme gehabt. Diese Feststellung zeigte gleich eine Intensivierung der Bemühungen der Mitarbeiter. Eine Kritik an japanischer Ware geht hier gar nicht. Dafür hab ich jetzt ein blaues Ersatzhandy und hoffentlich nächste Woche ein neues Handy. Wobei es dieses Mal wohl auch ohne Kaori geklappt hätte, ein Mitarbeiter konnte doch wirklich Englisch und war sogar schon einmal in Köln. Meine Frage, wo er während meiner letzten fünf Besuche in diesem Laden war, konnte er mir aber auch nicht beantworten. Dafür wird seine Mitarbeiterin jetzt wohl langsam Albträume haben. Die hatte mich schon beim Reinkommen begrüßt und hat mich mittlerweile auch schon viermal bedienen müssen.

Nachdem diese Aktion ein kleiner Erfolg war, zogen wir los, um einen Exkurs in japanischer Kultur zu erhalten. So ging es durch Buch- und Klamottenläden und in japanische Supermärkte. Endstation war eine Spielhölle. In dieser wurde ich genötigt, einige Spiele auszuprobieren. Besonders beim Taigo im Takt trommeln (die großen japanischen Trommeln), habe ich mich selten dämlich angestellt. Zum Musiker bin ich wohl wirklich nicht geeignet. Zum Abschluss wurde ich noch in eine Purikuramaschine gezerrt. Dieser Besuch hat mich wohl einige Punkte in der Männlichkeitsskala gekostet. Nur kurz zur Erklärung für Japan-Unkundige: Bei diesen Maschinen handelt es sich im Endeffekt um das gleiche, wie bei den kleinen Fotoautomaten, die oft in deutschen Bahnhöfen stehen. Der Unterschied ist, dass man mit mehreren Leuten hereingeht und den Hintergrund auswählt. Dann werden einige Fotos angefertigt. Dabei werden die Größen der Japanerinnen beachtet. Anschließend geht man in einen extra Raum, wo man die Fotos noch verzieren kann und dann werden sie im Kleinformat ausgedruckt und ans Handy verschickt. Da verständlicherweise die Japanerinnen die Hauptnutzer sind, haben Männer meistens sogar Zugangsverbot, es sei denn, sie sind mit einer Partnerin da. Auf jeden Fall war ich vor allem mit dem Beschriften dann doch etwas überfordert. Ich hätte die Bilder einfach so gelassen. Wobei mich auch die Art der Fotos stören. ich bin normale Bilder gewohnt, aber die Bilder wurden so belichtet, dass man in leicht helleren Farben erscheint, was eine Japanerin kindlicher erscheinen lässt, einen Europäer aber einfach nur komisch aussehen lässt. Aus Ermangelung eines Scanners und dank immer nur zur japanischen Seite hin gut aussehenden Bilder, muss ich leider auf mögliche Fotobeweise verzichten. Morgen muss ich Kaori aber erstmal zu einigen der Bildunterschriften befragen.

Ziel des Ganzen war es, mir Alltagsworte beizubringen, was auf jeden Fall geklappt hat. Danach durfte ich mich auf dem Rad nach Hause quälen. Dieser Versuch endete damit, dass ich all meine Kleidung erstmal in den Trockner hauen durfte, da selbst die Regenjacke nass war. Zum Glück blieb ich wenigstens auf dem letzten Stück des Weges trocken, da mein Koreaner und Mexikaner Mitleid mit mir hatten und mir einfach ungefragt den Regenschirm über den Kopf hielten. Besonders erfreut war ich zu Hause, weil ich ein Paket aus der Heimat bekommen habe. Daniel hat für meine Versorgung etwas Süßigkeiten aus Deutschland geschickt. Auf dem Weg noch einmal ein großes Danke! Nachdem ich endlich alles erledigt hatte, blieb mir nur noch, einige Gespräche mit dem Personal unten im Office zu führen. Da ich als guter Student immer grüße, wurde ich beim Post holen etwas über meinen Aufenthalt hier ausgequetscht. Diese Möglichkeit konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen und befragte sie gleich einmal kräftig zu den aus ihren Augen wichtigen Ereignissen während ihres Lebens. Das Ganze war ziemlich interessant und bekräftigte mich wieder einmal, die Befragungen einfach bei jedem zu versuchen und subtil einzubauen. Zwar war es wieder einmal schwierig, sie überhaupt soweit zu bekommen, aber als das geklappt hatte, wurde das Gespräch doch sehr interessant.

Nebenbei hat Japan heute 2:0 gegen Korea verloren und bei uns auf der Etage herrschte Totenstimmung unter den drei Fußballinteressierten. Die Interviews danach waren auf jeden Fall interessant. Einer der japanischen Spieler hat sich so stark entschuldigt, dass ich erwartete, der nimmt sich gleich ein Messer, um für die Niederlage Abbitte zu leisten. So eine Reaktion würde ich gerne mal in Deutschland nach einem verlorenem Derby sehen. Peinlich ist es aber schon. Wenn das so weiter geht, gewinnen die kein Spiel bei der WM.

Freies Essen und Kinderbands

Mhh, das hat man nun davon, da bleibt man mal ausnahmsweise bis zum Champions League Finale auf, in der Hoffnung, ein ansprechendes Spiel zu sehen und dann verzweifeln die Bayern an der Mailänder Defensive. Damit wird Giovanni mich doch nächste Woche wieder nerven, aber egal, wenigstens die Magdeburger haben gewonnen. Hauptproblem war eigentlich, dass ich heute relativ früh aufstehen mußte. Schließlich gab es heute früh kostenloses Essen und das kann man sich doch nicht entgehen lassen. Group Mori hatte mal wieder eingeladen und knapp einhundert Ausländer folgten dem Ruf. Also schnell zwei Mitglieder von Group Mori mit Büchern über Magdeburg beschenkt und auf in den Kampf um das Essen. Meine Größe ist bei so etwas echt ein Vorteil. Plötzlich tippte jemand auf meinen Rücken. Es handelte sich um eines der Morimitglieder, das ich beschenkt hatte. Sie hatte eine deutschsprachige Japanerin im Schlepptau. Passenderweise erschien auch noch Andre, verwundert über die Tatsache, dass ich immer weiß, wo es kostenloses Essen gibt. Zusammen quetschten wir die junge Dame aus. Es handelt sich um eine Musikerin, die seit drei Jahren Geigenunterricht in Deutschland nimmt und international an Wettbewerben teilnimmt. Momentan findet ein Wettbewerb in Sendai statt und gestern hat sie in der ersten Runde vorgespielt. Ob sie weiter kommt, erfährt sie morgen. Sollte das geschehen, haben sich Andre und ich dazu verpflichtet, im Halbfinale anwesend zu sein und sie anzufeuern. Mit von der Partie war auch unser Pole, der seine Größe vergessen hatte. Seine ketzerischen Worte, dass er größer sei als ich, mußte ich gleich erst mal auseinandernehmen. Es ist schon ein Unterschied, wenn ich den Rücken mal hundert Prozent gerade mache. Da konnte ich beweisen, dass ich einen halben Zentimeter größer bin als er. Da die Japanerin sich so klein fühlte, haben wir sie in einer deutsch-polnischen Gemeinschaftsaktion dann hochgehoben. Einer griff von vorne an die Hüfte und einer von hinten. Sie fand die Höhe zwar nicht gut, aber wenigstens hat sie es mit Humor genommen.

Eine zweite Dame von Group Mori hat mir dann noch drei Karten zu einer Ikebanaausstellung geschenkt. Mal schauen, ob Kaori noch irgend eine Freundin hat. Vielleicht kann man zu dritt hingehen. Leute wie Shimizu werden wohl weniger begeistert sein. Anschließend an das Essen, was trotz vieler Vorräte nicht einmal eine halbe Stunde anhielt, ging es dann mit Andre, Orsolya und zwei Finnen in die Stadt. Vor allem aus den Animeläden mussten wir Andre und Orsolya fast heraustragen. Trotzdem wurde es ein sehr lustiger Spaziergang, bei dem ich unter anderem endlich die Scharte, wegen der Niederlage gegen Orsolya beim letzten Mal, auswetzen konnte. Besonderes Highlight war aber einer der Parks. Wieder einmal fand eine Serie von Live-Konzerten statt. So bemühte sich eine junge Dame im strömenden Regen, die wenigen Zuschauer mit Gitarre und Gesang zu unterhalten. Das konnten wir nicht so lassen, also zog unsere Ausländergruppe dort hin und hörte etwas zu. Sie war hocherfreut und erzählte deshalb alles doppelt, einmal in Englisch und einmal in Japanisch. Nach ihrem Auftritt gingen wir dann zur Hauptbühne. Hier waren wir aber falsch, da die anwesende Altersgruppe eher 16 Jahre alt war. Die Band war übrigens vermutlich auch 16 Jahre alt.Trotzdem hörte es sich schon gut an. Wir verschwanden also ziemlich schnell wieder, aber nicht ohne von allen Anwesenden und der Band verabschiedet zu werden. Wir scheinen echt aufzufallen. Man kann also sagen, heute war ein sehr erfolgreicher Tag.

Der Japaner, das unnahbare Wesen?

In letzter Zeit häuft sich eine Beschwerde unter den Ausländern, mit denen ich hier spreche. Immer mehr berichten, wie schwer es ist, mit Japanern zu reden. Es wird gesagt, dass diese nicht reagieren, im Büro die Ausländer ignorieren und dass den Ausländern die Worte fehlen, um sich mit ihnen zu unterhalten. Ich muss ehrlich sagen, irgend etwas mache ich falsch (oder auch nicht). Ich kann keine dieser Behauptungen bestätigen. Irgendwie scheinen die anderen Ausländer zu viel Angst zu haben, etwas falsch zu machen oder ich muss ein ungeheures Glück haben.

Dass keiner meiner Leute im Department mit mir redet, kann man, wie der geneigte Leser wissen sollte, nun ganz und gar nicht behaupten. Wir haben zwar das Problem mit der Kommunikation und einige sind etwas schüchterner, aber im Endeffekt muss man nur auf sie zugehen und erreicht meistens etwas. Nachdem man das ein- bis zweimal gemacht hat, sieht die Welt da auch schon ganz anders aus. So redet zum Beispiel eine Dame, die meist eine Pollenmaske auf hat, mittlerweile regelmäßiger mit mir, nachdem sie in den ersten Wochen komplett auf Abstand geblieben war. Es hat gereicht, einmal den gleichen Heimweg gehabt zu haben und dabei sich kurz mit ihr zu unterhalten. Auch auf der Straße sehe ich das Problem nicht. Natürlich hat man öfter das Problem, dass als Antort „keine Ahnung“ kommt oder dass ein paar Wörter fehlen und man sich dann nicht versteht. Aber dann wird sich halt höflich bedankt und der Nächste gefragt. Im Allgemeinen bemühen sich aber alle, einem möglichst weiterzuhelfen, auch wenn es manchmal unter Gewaltanwendung erzwungen wird. Viele vergessen hier wirklich den Ausländerbonus. Wir sind nun mal Ausländer und niemand erwartet hier, dass man die Sprache perfekt beherrscht. Meistens reden die Leute sogar extra langsam und tun alles, dass man sie versteht. Schon alleine die Handzeichen sind meistens sehr einfach zu verstehen.

Es stellt sich jetzt die Frage, wieso ich gerade heute auf dieses Thema komme. Dies ist sehr einfach zu beantworten. Gerade habe ich es ausgiebig ausprobiert. Orsolya war heute beim Yachtclub, Laura wollte lernen und von den anderen hatte auch keiner so wirklich Zeit. So bin ich nach dem längeren Schlafen heute halt alleine losgezogen. Erstes Ziel war das historische Museum. Schon der Einlass stellte sich schwierig dar. Da ich auf den Studentenrabatt aus war, habe ich unter dem Hinweis „Tohoku Universität“ meinen Studentenausweis vorgelegt. Auf einmal wollte die junge Dame irgend etwas anderes von mir haben und das große Raten stand an. Also wurde schnell eine Kollegin befragt und die kam auf dem Namen Aliencard. Nach dem Lösungswort war das Problem schnell aus der Welt geschafft und ich bekam, bis auf die Sonderausstellung, sogar freien Eintritt. Gleichzeitig war das Gespräch der Beweis, nicht so schnell den Kopf in den Sand zu stecken, sondern einfach weiter zu philosophieren. Im Notfall findet sich immer jemand, der das richtige Wort kennt. Die Ausstellung war dazu noch ziemlich gut gemacht. Zu kritisieren war allemal die große Anzahl an Zeitstreifen mit zu vielen Zahlen, trotzdem vermittelte die Ausstellung die Geschichte der Stadt und in der Sonderausstellung der Schätze Tibets sehr anschaulich. Besonders interessant waren die Forschungsmeinungen zu steinzeitlichen Gegenständen, die sich teilweise von deutschen Interpretationen entfernten.

Den Abschluss der Ausstellung stellte dann eine Fotowand mit Bildern aus den Sechzigern und Siebzigern der Stadt dar. Plötzlich hörte ich eine Stimme, eine alte Frau erzählte mit jemandem. Vorsichtig umgedreht, da war wirklich keiner, die meinte also mich. Und schon legte sie richtig los und berichtete mir die Geschichten hinter jedem einzelnen Bild, was dort vertreten war. Ich verstand zwar nur ca. 30 Prozent, interessant war es aber auf alle Fälle. Wieso sie der Meinung war, dass es für mich interessant war und mich deshalb ansprach, weiß ich zwar nicht, aber immerhin habe ich so etwas gelernt. Anschließend an das Museum ging ich dann noch durch zwei angrenzende Tempel. Bis auf ein Duell, wer größer ist, mit einem ca. zehnjährigen Jungen (ich hab natürlich um Haaresbreite gewonnen und durfte dann noch ein Gespräch mit der Mutter führen, wo ich denn herkomme und so weiter) und einer jungen Dame im Ausgehkimono, gibt es aber darüber nicht allzu viel zu berichten.

Insgesamt hat der Tag heute auf jeden Fall bewiesen, dass es nicht so schwer ist, mit Japanern ins Gespräch zu kommen. Und entgegen anderslautender Meinungen bin ich überzeugt, es liegt nicht nur an meinen 1.94 Meter, dass die Leute mit mir reden. Teilweise vermute ich einfach, dass die Ausländer zu unnahbar wirken und dann noch zu viele Angst haben, Fehler zu machen.