Die Krux mit den Japanern

Nachdem sich mein Krieg mit dem Prüfungsamt in einen Kalter-Krieg-ähnlichen Zustand geändert hat, werde ich jetzt in den nächsten gezogen. Wenigstens betrifft es diesmal nicht mich. Dai, mein Mitbewohner, ist genauso wie ich im falschem Lab gelandet und hatte jetzt einfach vor, das Lab zu wechseln. In Deutschland nichts einfacher als das, nicht aber in Japan. Alle Seiten unterstützten Dai, als er letzte Woche seine Entscheidung bekannt gab. Nicht mehr aber diese Woche. Sein Professor erklärte ihm heute erst einmal, dass er keine Unterstützung beim Wechsel bekommen wird. Kein Problem für Dai, schließlich will er dringend wechseln. Auf einmal kam aber auch eine E-Mail von seiner japanischen Stipendienbetreuerin, die am Freitag noch meinte, ein Wechsel sei kein Problem. Der Professor hatte eine E-Mail der Enttäuschung geschrieben. Nun bekam Dai die Beschwerden von der Stipendienbetreuerin ab, wie groß doch der Gesichtsverlust sei und dass er eine Schande für alle Venezuelaner sei. Das Wechseln wollte sie ihm auch noch mit harschen Worten ausreden, schließlich habe er seinen Professor aufs tiefste beleidigt. Die Frage, wer Schildknappe bei dieser Auseinandersetzung spielt, brauche ich wohl nicht zu beantworten. Zum Glück ist es eine andere Fakultät, aber die Reaktionen, als wir mit meinem Prüfungsamt argumentierten, waren interessant. Mal schauen, ob wir es lösen können. Dadurch kann ich mir mein Leben nicht erschweren. Dann kann ich auch helfen, besonders nachdem er mich um Hilfe gebeten hat. Mit Prüfungsämtern kenne ich mich aus und die können diesmal sogar Englisch. Dazu ähnelt mein Fall auch seinem, da der Statuswechsel die gleichen Voraussetzungen erfordert wie der Laborwechsel.

Spannender als mein Labor ist das allemal. Ich war doch heute tatsächlich der einzige, der dort aufgeschlagen ist. Bin ich froh, jetzt einen Schlüssel zu haben! Morgen muss ich dann Regenkleidung organisieren. Wie es aussieht, wird der Fuji-san gerade dann von einem Taifunausläufer getroffen, wenn wir hoch wollen. Mal sehen, was es so in meiner Größe – also europäische Standardgröße – an Regenschutz gibt. Nur in Regenjacke und Jeans könnte es interessant werden.

Tanabata-Festival und die Hitze

Stell dir vor, es ist Tanabata-Festival und du warst nicht da! Tanabata ist ja nur das größte Festival Sendais. Aufgrund dieser Beweggründe habe ich mich doch mal aufgerafft und mir das Festival angetan. Tausende Leute besiedelten die Wege der Stadt. Interessanterweise waren Yukata-Träger auch weit verbreitet. Komischerweise waren es aber fast nur Ausländer, die eine anhatten. Aus diesem Grund verzichtete ich auch freiwillig, meine anzuziehen. Durch die Reihen zu kommen, war auch mehr ein Hindernislauf. Die Tanabatas waren es aber auch wert, der Rest nicht so ganz. Bei Tanabatas handelt es sich um große Papiersäulen, die von den Wänden runterhängen. Jedes wichtige Unternehmen stellt eines her. So war Vegalta genauso vertreten wie der Hundert-Yen-Shop – ein beachtliches Schauspiel. Besonders das Atombomben-Mahnmal aus tausenden handgefertigten Kranichen aus ganz Japan war beeindruckend.

Ansonsten erinnerte das Fest an die anderen, die wir schon gesehen haben. Gleiche Paraden und Stände machen den Besuch doch etwas langweilig -besonders, wenn man überall wegen seiner Größe beobachtet wird. Trotzdem sind zum Beispiel die Taigotrommler immer beachtlich, die Paraden hätten aber wenigstens ein wenig vom Schema-F abweichen können. Wünsche konnte man nebenbei auch abgeben. Nachdem ein namentlich bekannter Japanreisender sich Bier gewünscht hatte, habe ich wenigstens anständige Dinge geäußert. Wehe die Götter verstehen kein Deutsch!

Tanabata

Nachdem die Hitze dem Ganzen aber mehr Getränkeumsatz erzeugte, als mir lieb war, gingen wir lieber zum Bowling. Persönlich finde ich, dass die japanischen Einblendungen übertreiben. Ich muss mir nach einem Fehlwurf keine Videoeinblendungen ansehen, wie sich Japaner über die Würfe lustig machen! Aber na ja – andere Länder, andere Sitten.

Mein größter Erfolg war aber heute der Einkauf eines Buches. O.k., das hört sich nicht nach viel an, das Buch war es aber wert. Bookoff hatte ein deutsches Asienreisetagebuch von 1929 im Angebot für umgerechnet knapp 3 Euro – feinste Propaganda. Trotzdem konnte ich es nicht einfach in Japan verkümmern lassen. Ein sehr lohnendes Geschäft. Dass ich hier in Japan etwas für meine Bibliothek in Deutschland mache, hätte ich auch nicht gedacht.

Gedanken über japanischen Fußball – FCM-Fan auf Groundhoppingtour

Wo bitte geht es zum nächstem Flugzeug? Ich kann doch nicht in einem Land leben, dass keinen Fußball beherrscht. O.k., es gibt andere Gründe, hier zu bleiben! Aber wirklich, das war heute interessant. Mayumi, meine Konversationspartnerin, hatte zum Spiel Vegalta Sendai gegen die Yokohama Flügels Marinos geladen. Hauptstar des Abends sollte Shunsuke Nakamura, seines Zeichens Kapitän der japanischen Nationalmannschaft, sein. Vegalta ist gerade wieder mal in die erste Liga aufgestiegen und belegt den ersten Abstiegsplatz. Das Ensemble um Schottland- und Spanien-Legionär Nakamura dagegen sucht noch die Form und liegt gesichert im oberen Mittelfeld der Liga.

Von den Begleitumständen des Spiels würde ich gerne ein wenig mit nach Deutschland nehmen. Alles ging gesittet ab und Taschen wurden nur kurz nach offensichtlichen Glasflaschen kontrolliert. Selbst die wurden nur in Becher umgefüllt und nicht einfach weggeschmissen. Leibeskontrollen gab es dagegen auf beiden Seiten nicht – ein Traumzustand. Dazu waren fast alle in Trikots erschienen, eine gelbe und blaue Wand war auch beeindruckend und in Deutschland wünschenswert. Negativ fielen dagegen nur die Handtücher als Schalersatz auf. Die sind viel zu kurz für europäische Hälse und ich hatte immer Angst, meins zu verlieren. Dass das Stadionbier Mist war, dafür kann Sendai dagegen nichts. Es handelte es sich halt um Bier und noch dazu noch japanisches. Leffe oder Wernesgrüner zu importieren, wäre vermutlich auch zu teuer. Die Snacks auf der anderen Seite waren ungewohnt, aber nicht schlecht. Zwischen frittierten Nudeln und Sojabohnen gab es eine große Auswahl. Wem die nicht zusagte, der hatte halt von zu Hause was dabei.

Für die Zuschauerbelustigung tut man auch viel. Vor dem Spiel gab es ein Jugendspiel und die Zuschauer gingen voll mit. Cheerleader und ein Maskottchen versuchten auch, die Stimmung anzuheizen. Darauf hätte ich aber gut verzichten können. Die Japaner mit ihren „ach süß“ Ausrufen aber nicht. Dabei fiel der hohe Frauenanteil der Stadionbesucher auf. Viele waren sogar nur mit Freundinnen da. Kein Wunder also, wer für den riesigen Absatz an Fanartikeln ohne Logo, aber mit Maskottchen, sorgte. Zur Halbzeit durften dann kleine Kinder auf den Platz und Platzwart spielen. Ein großer Spaß für sie und viele „süß“-Kommentare von den Damen. Stimmung war auch reichlich vorhanden. Liedtexte gab es am Block, alle sangen das ganze Spiel mit und es gab kaum Unterbrechungen. Wenn man etwas Negatives finden will, dann die fehlende Angepasstheit an die Spielsituation, die Monotonie und dass der Gegner genau das Selbe, nur mit anderem Teamnamen nutzte. Sogar die Streifenchoreo war die gleiche. Stoffbären in den Teamfarben, alle paar Reihen den Block runter. Die fehlende Angepasstheit muss man sich so vorstellen: Das Team liegt zurück und es gibt kein anfeuerndes Lied, sondern den gleichen monotonen Singsang in Endlosschleife. Trotzdem war vor allem die Geschlossenheit der Fans in einer Farbe und dass alle mitsangen beeindruckend und ein absolutes Plus.

Das Spiel selber war so lala. Japaner sind technisch stark und sehr schnell. So viele Hackentricks habe ich in einem Spiel noch nie gesehen. Genutzt wird es aber nicht. Anstelle des perfekten 4-3-3 spielte man 4-4-2 mit einem langsamen Spielaufbau und absoluter Positionstreue. Kein Spieler verließ für eine Sekunde seine Position, noch nicht einmal für den Ball. Die wichtigste Position ist der Fantastia, in Europa einfach nur Zehner genannt. Ihm sind Mangas, Bücher, TV-Shows und im Stadion eigene Lieder gewidmet. In Einzelaktionen soll er den Sieg bringen. Schlecht nur, wenn man dann Spieler wie Nakamura auf die Position stellt. Dessen Stärke war schon immer, mit Pferdelunge die linke Außenbahn lang zu jagen. Als Zehner ist er vergeudet. Ribery wollte nicht ohne Grund links bleiben.

Der Zehner kann klappen, Werder machte es vor, aber nicht bei den Zuständen hier. Die Außenverteidiger gehen nie nach vorne, die Außen ziehen immer nach innen und die Stürmer warten auf lange, hohe Bälle. Da alle Angriffe über den Zehner gehen, ist der Gegner ausrechenbar und es kommt nur zu Einzelaktionen – wie 4 Gegner auszuspielen, um dann den Ball zu verlieren oder Distanzschüsse. Dabei macht es die Abwehr leicht. 5 Fouls, dabei zwei gelbe und ein Verletzter und 3 Ecken zeigen es. Die Abwehr versuchte meist nur abzudrängen, damit Distanzschüsse verziehen. Die Außen hatten auch nichts zu tun – der Gegner zieht nach innen, darum kann sich die Innenverteidigung kümmern. Die meisten Ballkontakte hatten so die Innenverteidiger, gefolgt vom Zehner. Der rechte Verteidiger von Vegalta dagegen hatte im ganzen Spiel keinen Ballkontakt, soweit ich es gesehen habe. Wenigstens blieb das Spiel für die Zuschauer so spannend. Eins-Eins-Situationen und Distanzschüsse sind immer nett anzuschauen. Das Siegtor für Yokohama fiel folgerichtig auch nach einer Ecke und Zuordnungsproblemen in der Abwehr.

Das liest sich jetzt ziemlich negativ. Das Spiel war aber schon nett. Nur zeigten sich genau die gleichen Probleme, die man im TV bei anderen J-League-Vereinen oder der Nationalmannschaft auch sehen kann. Könnte man sich von seinen traditionellen Wegen trennen, könnte man viel erfolgreicher sein. Das sehen auch viele Japaner so. Von der Leistung heute hätten deutsche Dritt- und sogar einige Viertligisten mit ihnen kurzen Prozess gemacht. Die Verseuchten haben nicht ohne Grund vor 2 Jahren in Antalya gegen Sendai gewonnen. Gerade auch wegen der bemühten Fans wäre es wünschenswert. Trotzdem war es ein sehr lustiger Tag und das Stadion wird mich bald wieder sehen. Nur ein Motto muss der Verein unbedingt ändern, sonst muss ich es tun: „Es ist nur Fußball, aber ich mag es.“ Was heißt hier „nur Fußball“? Die Japaner in meiner Nähe haben mir nach Mayumis Übersetzung wenigstens Recht gegeben – ein unhaltbarer Slogan.
stadion

Schlüsselkind oder Konzertgänger

Es ist vollbracht! Mein ewiges Bürobelagern und Gejammer hat mir einen Platz unter den normalen Studenten der Germanistik Sendais eingebracht. Man hat mir einen Schlüssel für das Büro gegeben. 24 Stunden uneingeschränkter Zugriff auf den PC und die Bücher, was will man mehr? Ein Schlafplatz, wie das in anderen Laboren oder Büros üblich ist, wäre nett, aber man kann ja nicht alles haben. Das würde aber auch nur Probleme verursachen. Ich bräuchte kein Zimmer mehr und würde nur in der Uni bleiben.

Gerade ist meine Stimmung in Bezug auf meinen PC ganz schön in den Keller gegangen. Nachdem Acer es nicht geschafft hat, sich zu melden, hat mein Advisor mal durchgeklingelt. Nach 15 Minuten in der Warteschlange hieß es, dass angeblich alle Teile des Gerätes tot seien. Wie das geschehen sein soll, kann ich mir zwar noch nicht erklären. Es bleibt wohl aber noch eine Weile beim jetzigen Not-Handy-Blog mit kaum Bildern. Acer hat auch nur mal ein halbes Jahr Reparaturzeit veranschlagt. Sie wollen es aber noch mal anschauen und sich dann nochmal melden. Wenn es beim jetzigen Ergebnis bleibt, schicken sie ihn zurück. Mal schauen, wie ich jetzt weiter vorgehe.

Meine Laune wurde aber gleich von Katoh, Daniels altem Kumpel, verbessert. Eigentlich wollte ich nur kurz das Tanabatafest anschauen. Katoh kannte aber eine Konzertansammlung, wo es anstelle dessen hinging. Das Fotografieren wurde mir zwar untersagt, dafür sah ich einige sehr gute Bands. Zwar waren es nur japanische Lieder, aber wenigstens keine J-Pop-Verschnitte. So wurde es noch ein sehr lustiger Abend mit Musik, der mir sogar einen unfreiwilligen Fernsehauftritt verschaffte. Katoh rannte auf der Suche nach dem kürzesten Weg vor einer Fernsehmoderatorin herum und das bei einer Liveübertragung. Ich bin dagegen hinter ihr zu sehen. Zu unserer Entschuldigung muss man aber sagen, sie war als Moderatorin auch nicht erkennbar. Ein wenig peinlich war die Aktion aber schon und neue Flüche habe ich dank des Kamerateams auch gelernt.
Katoh

Sendai Hanami

Wer hat sich nur diese Schuhe ausgedacht? Da hatten die Japaner doch bestimmt Ausländer im Blick, die sich wie Japaner kleiden wollen… Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich heute die japanische Version der Flipflops getragen habe. Zu wenig Spielraum, Sohle aus Holz und dazu noch zu dicke Sohle – wer die bequem findet, muss schon ziemlich hart im Nehmen sein oder halt Japaner. Abhalten, sie zu tragen, konnte mich trotzdem keiner. Schließlich ist gerade Tanabata-Festival und heute stand ein langes Feuerwerk an. Also die perfekte Möglichkeit, meine neue Yukata einzuweihen. Zu meinem Glück hatte sogar eine Japanerin ein Einsehen und hatte zum Feuerwerksspeisen eingeladen. Kostenloses Essen und Feuerwerk, was will man mehr? Die edle Spenderin war Mrs Omori, besser bekannt unter dem Titel: Yuris Wachhund. Sehr zu meiner Freude, hatten erst viele Ausländer ihr Kommen angekündigt, nur um doch noch abzuspringen. Berühmtestes Beispiel dürfte wohl Orsolya sein. Egal, notfalls gehe ich auch alleine in die Höhle des Löwen.
Gesagt, getan, schnell noch Schokolade eingepackt und auf in den Kampf. So eine Schmach, wie die eine Stunde Verspätung letztes Mal darf nie wieder geschehen. Was aber müssen meine armen Augen erblicken? Ich bin der Erste – mit Abstand. Eine wahre Flut Japanisch ergießt sich über mich. Das kann ein Abend werden!

Zu allem Überfluss habe ich auch noch die Anleitung zum Binden des Obis, dem Yukatagürtel, vergessen. Frau Omori muss aushelfen. Nur Obi-binden ist wie Krawatte-binden, niemand kann es und die Gürtel bleiben gebunden. Also wurde in der Tiefe des Schrankes erst mal die Anleitung in einem Buch gesucht. Aber selbst mit Anleitung brauchten wir noch zehn Minuten, um es hin zu bekommen. Wenigstens haben wir die Zeit überbrückt, auch wenn immer noch genug Zeit war, mich in meiner Funktion als Deutscher zum Bier zu zwingen. Gott, wieso immer Bier – hätten die Deutschen nicht für Apfelsaft berühmt sein können? Wenn japanisches Bier wenigstens schmecken würde – aber nein.

Die Party an sich war nett. Gutes, selbst gemachtes Essen, ließ den Gaumen hochleben und ein paar Bekannt fanden auch noch den Weg. Ein beeindruckendes Schauspiel war das Feuerwerk. Über eine Stunde wurde alles in die Luft gefeuert, was Sendai an Schwarzpulver hat. Damit hätte man locker einen Krieg anfangen können! Dabei waren Smileys und Herzen die Lieblingsfiguren, aber es wurde alles mögliche am Himmel gezeigt. Die letzten Figuren wollten wir dann nicht mehr vom Balkon sondern aus der Nähe sehen. Dementsprechend ging oder quälte sich eine kleine Gruppe zum Hauptveranstaltungsort. Da passierte es. Eine Musikerin aus Chiba und ich verloren die anderen aus den Augen und wir mussten auf Japanisch unser weiteres Vorgehen klären. Das war ein schweres Unterfangen und als wir endlich zurück waren, erwartete man uns schon sehnsüchtig.

Der Abend war auf jeden Fall sehr lustig, auch wenn ich auf die russischen Gäste gut hätte verzichten können. Diese waren zwar noch jung, zeichneten sich aber durch sehr rüpelhaftes Verhalten aus, das nicht so ins Bild der Feier passte. Man merkte, sie hätten lieber irgendwo getrunken und wurden zur Feier gezwungen.
Hanami

Ach ja – noch eine Anmerkung: Heute ist ein vor ewigen Zeiten (na gut, vor 8 Wochen) verschicktes Päckchen angekommen. Einen großen Dank an die Versenderin und einen Fluch auf die Post, die trotz gegenteiliger Aussage den Landversand nutzte!

Deutsche und japanische Arbeitsmoral

Von wegen – Japaner und Arbeitsmoral. So weit kann es damit nicht her sein, wenn ich seit Tagen einer der letzten Anwesenden im Büro bin und ich zu allem Überfluss abends derjenige bin, der rausgeschmissen wird, weil der letzte Schlüsselinhaber nach Hause möchte. Dabei handelt es sich momentan noch um Idealzustände! In zwei Wochen wird noch seltener geöffnet sein. Aus diesem Grund wurde mir heute ein längerer Urlaub bis Mitte September nahe gelegt. Nichts leichter als das. Zum Glück war der eh schon geplant. Nun habe ich aber auch die offizielle Genehmigung dazu.

Jetzt stand ich nur mal wieder vor der bangen Frage: Was tun, wenn ich schon des Büros verwiesen werde? Nicht-Sponsoren-Bier wird nur im allergrößten Notfall konsumiert. Für eine Radtour fühlte ich mich nicht so und zu Hause ist es momentan eh etwas langweilig. Acer hat immer noch nichts verkündet. Also fiel die Entscheidung auf die Innenstadt. Schon am Rathaus gab es auch das erste Schauspiel zu beobachten. Eine Gruppe von knapp 30 Japanern bereitete irgend welche Tänze vor. Wobei, von Tänzen kann eigentlich keine Rede sein. Eher ähnelte die Darbietung japanischen Kampfsportarten, gepaart mit rhythmischem Schlagen von Hölzern. Kurios sah das Ganze ohne ersichtlichen Grund und Musikuntermalung schon aus. Sportlich waren sie aber allesamt. Was die Herren zum Warmmachen an Liegestütze gemacht haben, war schon beachtlich. Wieso gerade dieser Platz gewählt wurde, kann ich zwar nicht sagen, sie werden sich aber etwas dabei gedacht haben. Trotzdem – man stelle sich mal die Gesichter der Passanten vor, wenn an dem Gänseliesel in Göttingen oder am Rathaus in Magdeburg auf einmal 30 Leute tanzen oder Liegestütze machen. Hier verzog dagegen niemand auch nur den Mundwinkel und alle ignorierten es.

Ansonsten habe ich ein neues Ziel in Sendai gefunden. In der Innenstadt gibt es tatsächlich ein deutsches Restaurant. Ich würde zu gerne wissen, wie deren Spätzle schmecken. Ich glaube, ich werde einfach mal Orsolya schnappen und es testen – sie hat schließlich Vergleichswerte. Ansonsten gibt es morgen ein großes Feuerwerk und ich bin bei Yuris Betreuerin zum essen und schauen eingeladen. Es handelte sich mal wieder um ein Angebot, was ich nicht ablehnen konnte. Die Dame hat echt einen Befehlston drauf!

Nur schnell ein Tayaki

Noch schnell ein Tayaki besorgt und dann ab nach Hause. Ein Hoch auf meine genialen Pläne! Ja, der Plan war gut. Aber 3 Stunden später konnte ich ruhigen Gewissens sagen, dass die Ausführung mangelhaft war. Was erwartet man auch, wenn 2 gesprächsfreudige Deutsche aufeinander treffen? Tayaki meiner Wahl war das deutsche Tayaki. Und wo es deutsches Tayaki gibt, ist Thomas meist nicht weit. Kurzerhand wurde mir ein Freibier angeboten. Bekannterweise wirkt das Wort frei bei mir meist Wunder. Und da alles besser ist, als im elektronik- und kumpelfreien Zimmer zu sitzen, entschied ich mich, zu verweilen. Aufgrund meines Unwillens, das erste Bier als Freibier anzunehmen, bestand Thomas dann auf das zweite als Freibier. Es entwickelte sich ein feucht-fröhlicher Abend. Erwähnte ich schon, dass ein Liter Schwarzbier auf nüchternen Magen sehr hart ist? Sein bestimmt gewollter Nebeneffekt trat ein.

Die zwei großen Deutschen waren Mode in der kleinen Bar. Alle Gäste fragten mich aus, erzählten mit mir und konnten der japanischen Lieblingsbeschäftigung – Fotos mit Ausländern machen – nachgehen. Egal, ob 20-jährige Studentinnen oder 60-jährige Oma – alle beteiligten sich. Es wurde über Gott und die Welt gesprochen oder auch Zungenbrecher ausgetauscht. Deutsche Zungenbrecher sind übrigens viel schwerer als japanische, auch wenn Thomas beide perfekt beherrschte. Drei der Damen hatten auch laut ihm den Plan, sich einen Ausländer zu angeln. Dies zeigte sich bei einer auch im deutlichen Flirten. Den Vorschlag unseres Wirtes, als Kuppler auszuhelfen, lehnte ich erst einmal dankend ab. Für das körperliche Wohl war auch gesorgt. Zu Testzwecken bekam ich dann noch Sauerkraut zu essen. Auch die Japaner dachten wohl, ich sehe verhungert aus. So wurde mir öfter mal was angeboten, was ich aber alles ablehnte. Nachdem fast alle Gäste gut gelaunt und unter ewigem Winken gegangen waren, bekam ich für einen sensationellen Preis noch Thomas altes deutsch/japanisches elektronisches Wörterbuch. Er braucht es nicht mehr und ich habe dagegen sehr gute Verwendung dafür!

Nach über drei Stunden ging es dann doch nach Hause – später als geplant. Dafür habe ich viele nette Leute getroffen und wie sich Thomas gekümmert hat, war mir schon fast peinlich. Interessant dagegen war die Aussage einiger Gäste, dass sie mich in der Stadt schon mal gesehen haben. Soviel zur Millionenstadt!

Die Weißhaut

Cool, du bist so weiß! Dieses Kompliment ist gestern total an mir vorbeigegangen, nicht aber an den anderen. Dementsprechend wird es mir öfter mal an den Kopf geworfen. Dabei war es noch nicht mal abwertend gemeint. Hier in Japan gilt weiße Haut also besonders schützenswert. Nicht umsonst haben Handschuhe, Sonnenschirme und langarmige Hemden momentan Rekordumsatz. Interessant ist es trotzdem. Alle, die gestern am Strand waren, haben die extremsten Sonnenbrände trotz oder dank Sonnenmilch. Ich bin am Unterarm etwas brauner, merke bis auf einige Mückenstiche aber rein gar nichts. Dafür sind die Mücken um so nerviger. Hier muss es eine Plage geben.

Ansonsten ist das Semester endlich zu Ende. Gut, die Noten fehlen noch. Das ist aber ein Detail und ob ich die wirklich wissen möchte, bin ich mir auch noch nicht so sicher. Was kann man am ersten offiziell freien Tag besseres machen, als ins Büro zu gehen? Vieles, aber ich kann ja auch mal was für mein Geld machen. Urlaub kann ich demnächst immer noch zur genüge machen. So wie ich, dachten allerdings nicht viele Geisteswissenschaftler und der Campus war ausgestorben – nur die Naturwissenschaftler schufteten. Es gibt halt Dinge, die sich nirgendwo ändern. Neben dem Lernen konnte ich das fast ausgestorbene Büro gleich noch sinnvoll nutzen, um mir einen Busplatz nach Tokyo zu sichern. Was soll ich sagen, die Frage: „Wollen sie mit Kreditkarte oder per Supermarkt zahlen?“ würde ich gerne mal auch in Deutschland hören. Gerade für Leute ohne oder mit gesperrter Kreditkarte, ist das verdammt praktisch. Die Fahrt zum Fujisan kann jedenfalls steigen. Wenn ich so etwas dann auch noch wieder auf meinem Rechner planen könnte, wäre alles perfekt und meine Gäste aus Deutschland könnten endlich kommen.

Aber im Supermarkt muss man schon aufpassen, ob die Leute Ahnung haben. Wäre nicht ein Kollege erschienen, ich hätte die Sachen immer noch nicht. Vier Japaner versuchten sich verzweifelt am Rechnungsdrucker und scheiterten. Zu allem Überfluss versuchten sie noch nicht mal auf Japanisch, mir das Problem zu schildern. Zum Glück bin ich nirgends zu übersehen und der hinzugezogene Kollege erklärte mir dann alles. Das folgende Gespräch verlief dann wie in der Anfangszeit mit Shimizu – viel Japanisch, kaum Englisch und Deutsch. Wie der allerdings Nachhilfelehrer für Englisch sein kann – keine Ahnung. Trotzdem nett, dass er extra in den Laden kam, um zu helfen.

Made in Japan

Auf Gegenstände Made in Japan ist man hier vor Ort naturgegebener Weise besonders stolz. Bei Fahrrädern kann ich die Begeisterung aber nicht zu 100 Prozent teilen. Mein Rad funktioniert zwar tadellos, aber Orsolyas und Lauras Räder zu reparieren, war eine Qual. Es geht von uneinheitlichen Größen der Muttern, über unsinnige Befestigungen bis zu unterschiedlichen Schlauchtypen. Lauras Vorderrad hat mich gestern dank Rosterscheinungen gleich mal 5 Stunden gekostet, bis ich es wieder zusammen hatte. Zugegebenen lag es aber hauptsächlich daran, dass meine Werkzeuge nur teilweise passten und ich eigentlich den Reifen flicken sollte. Nach dem 5. Loch hab ich aber aufgegeben und einen neuen Schlauch verbaut. Orsolyas Hinterrad dagegen hat nur 3 Stunden beansprucht. Die Werkzeuge haben beim baugleichen Rad diesmal gepasst und nur die Befestigungen waren ein Problem. Die Anmerkung meiner japanischen Nachbarn zu meiner Beschwerde war nur: „Made in China“.

Die Reparatur war aber dringend nötig. Rund 15 Austauschstudenten hatten eine Reise zum Strand geplant. Um 7.00 Uhr sollte es losgehen. Orsolya war es zu früh und ich wollte eh die eineinhalb Stunden lieber mit dem Rad zurücklegen. Ewig am Strand liegen, ist nicht meine Welt. Zusammen ging es also auf die Suche, auch wenn allein fahren aufgrund der eigenen Geschwindigkeit entspannter ist. Gerade rechtzeitig erreichten wir auch den Strand, reichte es doch gerade noch für eineinhalb Stunden baden. Danach wurden alle aus dem Meer vertrieben und ein Großrettungseinsatz begann. 3 Hubschrauber, Polizei, Feuerwehr und Kamerateams zeigten die Dringlichkeit. Was genau los war, erfuhren wir aber nicht und die Südamerikaner und unserer Bulgare flirteten auch lieber mit den japanischen Nachbarinnen. Fünf bis sechs Jahre Altersunterschied war da noch eine gute Zahl. Eine verbrachte sogar den ganzen Tag mit ihnen. Der Rückweg gestaltete sich dann als sehr einfach und wurde noch für ein Fest unterbrochen. Wirklich – Japaner kennen nur ein Lied für Feste! Auf jeden Fall war die Fahrt eine gute Ablenkung in Bezug auf die PC-Probleme.

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Ein Hoch auf die Technik

Irgendwie scheint meine Technikaura in Japan stark gelitten zu haben. Nachdem mein Netbook schon nicht mehr so wollte wie ich, hat heute auch noch mein Laptop vor Japan kapituliert. Erklären kann es keiner so wirklich, aber es gibt keinen Ton mehr ab. Erwähnte ich schon – nie mehr Acer. Was also machen? Erst einmal galt es, einen PC-Profi zu finden. Gar nicht so einfach, sind alle mir bekannten doch gerade im Urlaub. Nach einigem hin und her fanden wir doch einen. Doch auch er war machtlos.

Wie also weiter vorgehen? Einen Neuen kaufen, ist bei den Preisen und einer japanischen Tastatur nicht praktikabel. Also versuchten wir doch, Acer zu erreichen. Gut, Garantie gibt es nicht, aber sie werden mir schon vor einer Reparatur sagen, wie teuer es wird. Asayama erbarmte sich meiner und in einem langen und teuren Gespräch wurde vereinbart, dass sie mal drüber schauen. Ob es was wird, ist die andere Frage, denn bei einem defektem Mainboard haben sie in Japan keinen Ersatz. Ich hoffe aber noch auf einen Biosdefekt. Der sollte billig und schnell behebbar sein.

Nun galt es aber, alles nach Tokio zu senden – also Felix eingepackt und auf zum Bahnhof. Erstes Problem war der Ausdruck. Die Konbinis haben zwar Drucker, die wollten aber nicht wie ich. Also gefragt und schon waren vier Mitarbeiter um uns rum, die helfen wollten. Geholfen hat es nicht, aber im zweiten Laden ging es. Wie aber ausfüllen? Kurzerhand ging es in die Touristeninformation und eine Mitarbeiterin half aus. Also konnte es zur Post gehen. Eine bekannte Mitarbeiterin begrüßte uns gleich mit wedelnden Händen und dem Spruch – kein Englisch. Sie verstand uns dann doch und morgen ist das Paket in Tokio und das sogar günstig. Mal schauen, was dabei raus kommt. Im Notfall muss Dennis eine Reserve aus Deutschland mitbringen.

Als Ausgleich für den Ärger ging ich dann für das Tanabatafest eine Yukata kaufen. Doppel-L ist zwar klein und blau/weiß gab es auch nirgends. Meine sieht aber gut und seriös aus. Nur das Anziehen müssen mir die anderen noch mal erklären. Der Gürtel ist komisch. Abends gab es dann noch eine Feier im Haus. Auch wenn mir nicht nach feiern war, schadet etwas Abwechslung ja nicht. Und so oft sehe ich die anderen bis auf Nobu auch nicht.Yukata