Büroerfahrungen

Womit fängt der Tag besser an, als mit Japanern, die verrückte Dinge tun? Genau diese Gedanken überkamen mich, als ich heute früh auf dem Weg einen Japaner sah, der sich freudig bei jedem vorbeikommenden Auto verbeugte. O.k., ich traue den Japanern ja viel zu, das war aber selbst für verrückte Japaner zu viel. Zu meinem Glück befanden sich auf der viel zu kleinen Fahne hinter ihm einige Kanjis, die ich sogar verstand. Wenn ich es richtig deute, handelte es sich um einen Politiker, der für sich Werbung machte. Wie es möglich sein soll, dass auch nur ein Japaner die Nachricht auf der kleinen Fahne, mit schwarzer Schrift auf dunkellila Grund, lesen konnte, kann ich mir zwar noch nicht vorstellen. Aber er wird sich schon etwas dabei gedacht haben. Zum Test kann man ja einfach mal ein eine Fahne auf der Diesdorfer Straße oder dem Göttinger Kreuzbergring aufstellen und testen, wie viele wirklich gelesen haben, worum es ging. Besonders erschwert wird das Ganze ja noch, wenn man den seltsamen Mann beobachtet, der sich gerade für einen verbeugt.

Man sieht, der Tag fing gut an. Nach etwas Schleimerei im Sprachkurs, wo die Deutschen bewiesen, dass sie etwas Japanisch sprechen können und als einzige den Unterricht von Frau Abe lobten, ging es ins Büro. Es offenbarte sich mir ein göttliches Bild. Man schaute einen Film über Hitler, der ziemlich langweilig war. Von den 6 Anwesenden schliefen fünf und Shimizu war gerade erwacht, dank meines Türöffnens. Besonders die beiden vor dem Beamer sitzenden machten das Filmschauen zum Hochgenuss. Ohne es zu merken, bewegten sich ihre Köpfe beim Schlafen immer weiter ins Bild. Es ist schon beachtlich, wie simultan das von sich ging. Schlecht nur, dass der Professor genau hinter ihnen saß, aber dieser ließ sich nichts anmerken. Ich sollte zwar im Anschluss noch Fragen beantworten, weil der Professor weg musste. Aber bis auf die Frage, wie der Gruß aussah, kam nichts. Also konnte die Sitzung schnell beendet werden und den am Gruß interessierten, wurde er schnell wieder verboten. Interessant war, wie erwachsen die Studenten doch sind. Es gab eine blau erleuchtete Leinwand, der perfekte Ort, um ein Schattenspiel zu veranstalten.

Der Professor war also außerhalb des Raumes, der perfekte Zeitraum, um Shimizus neusten Plan, eine Parodie auf Kafkas Prozess zu schreiben, in die Tat umzusetzen. In meinen Augen wäre die perfekte Parodie zwar eine klare Schreibweise mit kurzen Sätzen, aber gemeinsam gelang es uns, einen ziemlich guten Text zusammenzustellen. Hoffentlich mag der Professor es auch, aber wir werden es schnell genug herausfinden. Keine Minute zu früh wurden wir fertig, kam direkt im Anschluss doch der Professor zurück. Ich glaube, ab jetzt werde ich wohl von den Studenten ferngehalten. Der Professor wollte die Studenten überzeugen, eine Zusatzstunde nächste Woche zu machen. Wie jeder gute Student, der nichts versteht, nickte Shimizu einfach. Eine schlechte Idee, wenn man diese Woche nach Tokyo zurück fahren will. Also machte ich, dessen Gesicht vom Professor abgewendet war, Shimizu vor, welche Bewegung er zeigen soll. Und so schafften wir es, das Unheil abzuwenden. Der Professor sollte eigentlich alles mitbekommen haben, aber er sagte nichts. Immerhin ist er froh, dass seine Schützlinge zur Abwechslung auch Deutsch reden. Dass ich dabei aber so oft nachhelfe, ist ihm wahrscheinlich nicht ganz so recht. Ich werde im Endeffekt aber als kleineres Übel angesehen und deshalb sagt der Professor auch nichts. Anschließend machte ich noch ein wenig Anschauungsunterricht über deutsches Essen und dann ging es ab auf den Heimweg. Am Anfang handelte es sich bei dem Nachhauseweg mit Shimizu noch um das große Schweigen. Heute ist es genau umgekehrt. Er spricht fast nur Deutsch und sein Englisch lässt leicht nach. Der Professor hat auf jeden Fall recht, dass das Level der Studenten im letzten halben Jahr stark gestiegenen ist. Ob ich daran Teilschuld habe, an dieser Spekulation mische ich mich lieber nicht ein.

Brot und Spiele

Ich bin im siebten Himmel, ach was sag ich, achter Himmel! Ich habe es wirklich geschafft, echtes Brot zu essen. Mit echtem Brot meine ich nicht die von Mehl zusammengehaltene Zuckerpampe, die sonst immer hier als Brot verkauft wird, sondern echtes, hartes Schwarzbrot. Viele werden jetzt denken, ich übertreibe, aber dem ist bei weitem nicht so. Japanisches Brot hat die Angewohnheit, sehr weich zu sein und fast nur süß zu schmecken. Selbst die Ausländer, mit denen ich das Brot teilte, waren hellauf begeistert, endlich wieder vernünftiges Brot zu essen. Wo hatte ich das Brot nun her? Es war ein Geschenk der Japanisch – Deutschen Gesellschaft. O.k., ich habe es teuer mit meiner Telefonnummer erkauft, aber man weiß ja nie, wann man solche Kontakte mal gebrauchen kann. Möglich war das Ganze, weil heute ein Internationales Fest stattfand. Gestern hatte mich schon ein Japaner drauf hingewiesen und heute hat Dai extra noch an meiner Tür geklopft, um mich zu informieren. Das Hingehen hat sich auch komplett gelohnt. Es gab Essen aus aller Herren Länder, viele verschiedene Spiele, wie Bambus hüpfen und es wurde ein kleines Konzert mit japanischen Instrumenten vollzogen.

Auf jeden Fall ein großes Spektakel. Schon am Eingang fand mein Auge die deutsche Fahne. Verschiedene Japaner trugen Perücken in deutschen Farben oder eine junge Dame trug sogar ein Dirndl. Das musste ich aus der Nähe betrachten und als ich näher kam, fand ich auch zwei Deutsche. Das musste ausgenutzt werden und sie wurden von mir gleich mal angesprochen. Es wurde ein sehr langes und interessantes Gespräch. Der eine Deutsche ist Universitätsprofessor für Deutsch als Fremdsprache und wohl auch manchmal in meinem Büro und der andere hat ein fertiges Studium in Japanologie und Deutsch als Fremdsprache. Man konnte sich gut austauschen und es gab einige interessante Informationen über Sendai. Die Chefin der Gesellschaft nutzte das unerwartete Auftauchen eines Deutschen auch gleich aus, um ihn mit der Organisation in Kontakt zu bringen und um ihn mit Brot und selbst gemachter Marmelade zu bestechen. Kameradschaftlich, wie ich manchmal sein kann, habe ich das Brot auch gleich mit anderen Deutschen im Wohnheim geteilt. Es wurde ein sehr lustiges Fest und auch die anderen Attraktionen waren nicht schlecht. So gab es auch Erdbebensimulationen oder halt traditionelle Spiele.

Anschließend entführten die Australierin und ich einen anderen Deutschen zum Eisessen in die Stadt zu gehen und nicht ins Büro. Schließlich ist heute Feiertag, der sogenannte Marinetag. Zusammen ging es bei der Hitze zum wohlig kühlen Eis und anschließend noch kurz in eine Spielhölle, um auszutesten, wer der Beste ist. Eine sehr lustige Aktion, bis es zu einem Tanzspiel kam. Wer Wasabi geschaut hat, wird diese Teile kennen. Es gilt, so schnell wie möglich zum richtigen Zeitpunkt eine Taste mit den Füßen zu drücken. Eine Beschäftigung, die mir nicht wirklich liegt. Den Japanern dagegen war das Spiel viel zu leicht, dass sie mal eben schnell den Zweispielermodus alleine spielten. Ich bleibe aber dabei, einmal und nie wieder. So ein Teufelszeug. Ich kann noch nicht mal so tanzen und dann muss ich auch noch so etwas machen. Anschließend ging es zurück zum Wohnheim, wo wir das Brot, eine Wassermelone und noch einige Kleinigkeiten als Abendbrot verdrückten und uns noch eine Weile über Gott und die Welt und langes Haar unterhielten. Ich wusste es doch, mein Haar ist nicht viel kürzer als das von der Australierin.

Deutschunterricht und das Problem mit dem Namen

Die Regenzeit ist vorbei, juhu! Halt stopp, die Regenzeit ist vorbei? Dafür müsste sie ja eigentlich erst einmal wirklich angefangen haben. Aber ich will mich ja nicht an Details festbeißen. Auf jeden Fall habe ich die Regenzeit laut offiziellen Wetterberichten jetzt ohne wirklich schlimmen Regen hinter mich gebracht. Wirklich besser wird es aber auch nicht, wenn es so wie heute bleibt. Teils über vierzig Grad und dazu kein Wind sowie eine sehr trockene Luft, das Zimmer verlassen wurde damit zur Qual. Viel schlimmer sah es dann aber aus, wenn man einen Laden betreten wollte. Die Klimaanlagen laufen momentan hier auf Hochbetrieb. An sich eine sehr gut Sache, würde man es dabei nicht übertreiben. Einige Läden haben es geschafft, ihre Klimaanlagen auf 18 Grad zu stellen. Draußen stirbt man an der Hitze und drinnen friert man. Teilweise habe ich schon erwartet, dass sich gleich Wolken bilden.

Zum Glück fiel es mir nicht sonderlich schwer, mich auch anderweitig zu beschäftigen und dadurch den Klimaproblemen etwas aus dem Weg zu gehen. Ich hätte zwar gerne noch den Jazzcombos auf den Straßen gelauscht, die überall Auftritte hatten, aber ich hatte Wichtigeres zu tun. Es galt mal wieder, mit Mayumi etwas auf Deutsch zu reden. Sechs Stunden lang redeten wir über Gott und die Welt. Sie versteht Deutsch auch von Mal zu Mal besser. O.k., mein Forschungsprojekt hat sie nicht wirklich verstanden, aber das machen ja noch nicht mal alle Deutschsprachigen. Von daher werde ich das überleben. Gleichzeitig wurde etwas für meine Gesundheit getan. Sie stattete mich mit Zwiebeln und Kartoffeln aus. Zusätzlich bekam ich meine Karte für das Fußballspiel am 7. August überreicht. Ich bin schon gespannt, endlich mal wieder Fußball live zu sehen. Etwas verwunderlich ist zwar, dass ich nur von Frauen begleitet werde. Sie meint aber, hierzulande machen Frauen 50 bis 60 Prozent der Zuschauer aus. Ich bin mal gespannt, ob dieser Schnitt wirklich zu sehen ist. Hart getroffen hat mich nur die Tatsache, dass ich selbst hierzulande meinen Vornamen verteidigen muss. Dass ich seine Bedeutung nicht kenne, konnte sie sich gar nicht erklären. Dafür habe ich aber wenigstens einen ungewöhnlichen Namen, nicht wie die Japaner, die bei Jungen die Namen einfach mal durchnummerieren, wenn ihnen nichts einfällt. So bedeutet der Name Goro zum Beispiel einfach nur fünfter Sohn. Dieses Spiel lässt sich bis zehnter Sohn noch ohne Probleme weiterführen. Auf jeden Fall haben wir viel gesprochen und Mayumi meinte, es hat ihr was gebracht, was will man mehr.

Schreine und Public Viewing

Könnte mal jemand für ein durchgehendes Wetter sorgen? Danke! Als ich heute Morgen das Wohnheim für eine Radtour verlassen hatte, gab es Sonnenschein, hohe Temperaturen und keine Wolken. Keine halbe Stunde später, war der Himmel grau und es fing an, wie aus Eimern zu schütten, so dass ich meine Tour schweren Herzens abbrechen musste. So verkehrt war das Abbrechen aber gar nicht. Ich machte mich auf zum schnellsten Unterstand, was die Innenstadt darstellte. Obwohl eigentlich bis zum Tanabata-Festival nächsten Monat keine Feste angekündigt sind, befanden sich verschiedenste Schreine in der Einkaufsstraße. Diese kunstvoll gefertigten Reliquien, werden normalerweise nur zu bestimmten Feiern aus den Tempeln geholt und durch die Straßen geführt. Heute war eine Ausnahme oder ich habe das Festival nicht mitbekommen. Kurios war der Transport aber trotz allem. Knapp zwanzig Leute waren für einen Schrein abgestellt. Mit Yukatas bekleidet, war es ihre Aufgabe, die schweren Schreine zu transportieren. Wobei ich mir für das nächste Mal wünsche, dass doch einige der Herren etwas unter die Gewänder ziehen, die zuschauenden Frauen amüsierten sich deswegen aber herrlich. Nachdem die Frauen und Männer die Schreine endlich hoch bekommen hatten, wurden mit irgendwelchen versteckten Instrumenten einige Töne erschaffen und dazu gesungen. Im Takt mit den Gesängen wurde dann der Schrein transportiert. Nicht, dass der nicht so schon schwer genug war, die Träger fingen dazu auch noch an zu wippen und sich nur mit kleinsten Schritten in Schlängellinien durch die Arkaden zu bewegen. Eins muss man ihnen lassen, sie sorgten für Stimmung. Weshalb die rausgeholt wurden, wüsste ich aber trotzdem gerne.

Auf meinem Heimweg hatte es dann endlich aufgehört zu regnen. Passenderweise waren auf dem Festplatz einige Zelte aufgestellt. Konnte das der Grund für die Schreine sein? Nein, es handelte sich um Vegalta Sendais Übertragungswagen, der Publik Viewing des heutigen Spiels gegen Yamagata ermöglichte. Dazu befanden sich noch einige Essensbuden in der Nähe. Eins muss man den Japanern lassen, trotz leichtem Tröpfeln hatten sich doch viele eingefunden, um das Spiel zu sehen. Mir bereitete der Bildschirm aber mehr Kopfzerbrechen. Er hatte so schlechte Qualität, dass man nicht mal die Mannschaftsnamen oder das Ergebnis erkennen konnte. Wirklich spannend war das Spiel auch nicht. Die Frage, die sich mir nur stellte, war, wieso man Vegalta zwang, im Auswärtstrikot zu spielen. Die Originaltrikots sind gelb und Yamagata ist blau. Vegalta spielte aber im grau/blauen Auswärtstrikot, was eine Unterscheidung auf dem schlechten Bildschirm arg erschwerte. Trotzdem war es eine nette Geste, ein einfaches Spiel via Public Viewing zu übertragen und wenn ich einem anwesenden Fan glauben kann, machen die so etwas öfter.

Supermärkte und die Essgewohnheiten japanischer Studenten

Einen Nachteil hat es schon, in Japan zu leben: Man muss seine Einkaufsgewohnheiten leicht anpassen. Dass man nicht alle Lebensmittel bekommt, wie in Deutschland, ist dabei schon klar, aber auch ansonsten muss man praktischer einkaufen. Das fängt schon alleine bei den Getränken an. Ein Sixpack Wasser oder gar einen Kasten, findet man nicht. Man ist gezwungen, die Flaschen einzeln zu kaufen. Auch ansonsten lernt man die Vorteile deutscher Verpackungen hier erst so wirklich schätzen. Was seit kurzem erst in Deutschland möglich ist, ist hierzulande gang und gäbe. Die Packungen sind zwar gleich groß, aber das Gewicht ist stark unterschiedlich. Schlecht nur, wenn das Gewicht nur als allgemeine Angabe pro Stück und irgendwo unter Inhaltsstoffen angegeben wird. In Deutschland reicht ein Blick, um zu erkennen, was sich mehr lohnt. Hier sucht man teilweise 5 Minuten dafür. Gleichzeitig sind die Dinge auch noch x-Mal eingepackt. Tomatenketchup in Plasteflaschen und nochmals mit einem Beutel verpackt oder alle Kekse in einer Tüte noch mal extra eingepackt? In Japan ist das alles kein Problem. Meinen absoluten Favoriten stellten einmal Kekse dar, die in drei Lagen eingepackt waren. Umweltschutz? Wer braucht denn so was? Aber genau diese Verpackungen erschweren das Einkaufen noch zusätzlich. Die Verpackung sieht riesig aus und man denkt, man kauft genug ein. Aber bis auf Luft und Plastik, hat man im Endeffekt doch nichts dabei. Gleichzeitig nehmen derartige Verpackungen auch noch viel Platz weg. Aufgrund des Transportproblems tendiere ich mittlerweile dazu, täglich meine Getränke frisch aus dem Supermarkt zu holen und auch die anderen Dinge spontan zu besorgen. Es sieht halt immer etwas seltsam aus, wenn der Korb des Rades, meine Tasche und noch die Beutel am Lenker vollkommen überladen sind. Aufgrund der Verpackungsdimensionen, selbst für kleine Dinge, lässt sich das Ganze aber nur durch häufige Shoppinggänge vermeiden.

Was mir heute aber dabei extrem aufgefallen ist, war die absolut riesige Fertiggerichtabteilung. In diesem Fall gibt es aber nicht wie in Deutschland die unsäglichen Mikrowellengerichte, sondern die echten Fertiggerichte. Tempura, Sushi, Okonomiyaki, alles was es im Restaurant gibt, gibt es auch in jedem Supermarkt und in fast jedem Kombini um die Ecke. Dabei wird das Zeug frisch im Laden zubereitet und abends sogar noch um dreißig Prozent vergünstigt. Mit den dreißig Prozent lohnt sich das Essen dann wirklich. Schon ohne Vergünstigung kostet es meistens nur 100 bis 200 Yen mehr, als die Grundzutaten. Es hat einen Grund, warum ich meine Mitbewohner nie sehe. Ich bin der einzige Bewohner meiner Flurs, der regelmäßig die Küche nutzt. Der Rest geht zum Großteil in die Supermärkte, eine Bentobox kaufen oder in seltenen Fällen mal in die Mensa. Dementsprechend groß ist auch immer unser Plastikmüllhaufen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie umständlich das Essen vor dem Verkauf eingepackt wird – nur, damit nichts verrutscht und dem ästhetischen Bild schadet. Schade ist es aber trotzdem. Durch die Boxen verschwinden alle gleich in ihrem Zimmer und man hat kaum mal die Möglichkeit, einen von ihnen zu sprechen. Heute habe ich das erste Mal seit drei Wochen den einen meiner Mitbewohner gesehen. Die einzige Person, die ich regelmäßiger treffe, ist Nobu und das auch nur, weil er seine Lunchboxen in der Küche zu sich nimmt.

Ansonsten gab es heute einen Lichtblick. Eine Deutsche hat vorgeschlagen, dass wir am 12. den Fuji besteigen. Die Frage ist nur, ob meine Schuhe dafür geeignet sind, ich hoffe aber das Beste. Es gibt das alte Sprichwort, wer den Fuji einmal besteigt ist weise, wer es mehrmals macht, ein Idiot. Ich bin gespannt, was mich so erwartetet, bin aber sehr erfreut, eine Begleitung gefunden zu haben. Ansonsten heißt es am 28., bei einer Veranstaltung namens Open Campus teilzunehmen. Ich wurde mit der gestern schon erwähnten Geheimwaffe „kostenloses Essen“ geködert. Im Endeffekt ist es aber nicht so schlecht. Meine einzige Aufgabe besteht aus etwas essen und mich mit einigen Highschoolkindern auf Englisch zu unterhalten. Das sollte eigentlich gut machbar sein. Schade nur, dass die nächste Zeit dann auch langweilig wird. Die meisten Mitglieder meines Büros, werden in Kürze in ihre Heimatstädte zurückfahren und dort bis zum Ende der Sommerferien (Anfang Oktober) bleiben. Egal, was will man machen. Dann unternehme ich halt mehr mit den Ausländern und den zurückgebliebenen Japanern. Es wird sich schon alles ergeben.

Der Schlaf im Unterricht

Donnerstagmorgen, es steht mal wieder der Sprachkurs an. Zu meinem Unwillen natürlich auch noch bei der anderen Lehrerin und nicht Frau Abe. Jetzt könnte man natürlich meine Ablehnung als willkürlich auslegen, aber die Statistik für diesen Sprachkurs spricht Bände. Finden sich am Dienstag von 15 Sprachkursteilnehmern noch immerhin im Schnitt 12 Schüler zum Unterricht ein, so sind es am Donnerstag nur noch im Schnitt 5 bis 6. Heute wurde diese Statistik mal wieder vollkommen bestätigt und ganze 6 Mutige füllten den Raum. Dabei soll man aber nicht denken, dass diese sechs illusteren Gestalten auch mitgearbeitet hätten. Von diesem sechs, schliefen vier bis fünf in bester Japanermanier, mitten im Unterricht. Ob dieses Verhalten nun alleine auf den Unterricht zurückzuführen ist oder ob der ungesunde Lebenswandel der Studenten dabei eine Rolle spielt, konnte aber noch nicht nachgewiesen werden. Die Lehrerin kann einem schon leid tun. Sie versucht wirklich alles, um den Unterricht interessant zu gestalten, aber ein wirkliches Talent hat sie dazu leider nicht. Trotzdem ist das Schlafen schon etwas unhöflich, die Japaner scheint das aber auch weniger zu stören. In jedem Seminar, was ich bis dato besuchte, schafften es ein bis zwei Japaner, direkt vor den Augen des Professors zu schlafen. Hier gehört dieser Zustand auf jeden Fall zur Normalität.

12 Uhr mittags, die vier Stunden des Sprachkurses sind endlich überstanden. Jetzt kann es eigentlich nur ein Ziel geben: Kostenloses Essen bei Group Mori. Kostenloses Essen lockt natürlich viele Ausländer an und deshalb hieß es, sich im Raum zu drängen. Zu meiner großen Freude waren auch zwei meiner Lieblingsmitglieder dabei. Eine der beiden befragte mich ausgiebig zum Thema Yuri (die in Deutschland lebende japanische Musikerin) aus, während die zweite Dame ausführlich mit mir über Gott und die Welt redete. Besonderes Plus stellten aber die selbst gemachten Tofu-Reistaschen dar. Dabei handelt es sich um eine Abart des Sushis. Eines der Mitglieder hatte eine übergroße Box mit diesen Taschen gefüllt. Das bedeutet im Klartext, dass man von knapp vierzig bis fünfzig dieser Tofutaschen ausgehen kann. Bei der Ausgabe der Tofutaschen machte sie aber einen schwerwiegenden Fehler! Als nur noch fünf Personen im Raum waren, stellte sie die Taschen doch tatsächlich direkt vor meine Augen. Einige Minuten später und zehn der Taschen mehr in meinem Magen, war die Box nun endgültig leer. Die Anderen bestärkten mich sogar darin, alles alleine aufzuessen. Trotzdem muss ich ziemlich ausgehungert ausgesehen haben, was natürlich gar nicht eingeplant war. Irgendwelcher Kritik entging ich aber ohne Probleme. Ich erklärte ihr einfach, wie lecker die Taschen schmeckten und sie war von dem Lob sehr angetan. Beim nächsten Mal gibt es hoffentlich noch mehr davon. Das Lob an ihren Kochkünsten beflügelte sie so sehr, dass sie sich von mir eine deutsche Übersetzung des Lobes anfertigen ließ.

Nach dem großem Essen, ging es endlich zum Büro. Was dort aber heute los war, kann ich auch nicht so genau sagen. Shimizu spielte mit einem Kumpel irgendwelche Geishaspiele und beschwerte sich im Anschluss, dass das Spiel, mit Kerlen, auch nicht so viel Spaß macht. Eines der ersten Male, dass ich die immer so korrekten Japaner auf einmal so umgangssprachliche Worte verwenden hörte. Noch nicht einmal in ihrer eigenen Sprache kommt das allzu oft vor. Die anderen beiden Anwesenden betrachteten auf dem im Raum vorhandenem Laptop einen Anime und der einzige der arbeitete, war mein zweiter Betreuer. Dies aber auch nicht so lange, um 18.40 wollte er doch dann auch endlich mal Schluss machen. Da ich weder über einen Schlüssel verfüge noch einer der Schlüsselträger auch nur in der Nähe war, ging es dann doch nach Hause. Das war gerade noch rechtzeitig vor dem großen Regen. Was mich aber viel mehr überraschte, war ein Sprachproblem. Mein Advisor war das Rauschmeißen sehr peinlich. Zur Beruhigung wollte ich ihn etwas aufbauen und ihm erklären, dass ich volles Verständnis habe. Die Reaktion war aber mal wieder typisch. Mein Betreuer kennt zwar fast alle wichtigen deutschen Worte, aber das wichtige Wort „Feierabend“ oder „wohlverdienter Feierabend“ kennt er natürlich nicht. Typisch Japaner! Sie wissen nie Dinge, die etwas mit Freizeit zu tun haben könnten. Der Gedanke an Freizeit muss für Japaner echt unerträglich sein.

Für mich bleibt die Erkenntni des Tages: Diese Tofutaschen können süchtig machen. Wenigstens habe ich durch das Aufessen gleich noch Bonuspunkte bei dem dritten Mitglied von Group Mori einkassiert. Man weiß nie, wozu man es mal braucht.

Die Ultras Japans

Der Hauptcampus kann schon manchmal etwas seltsam sein. Diese Ansicht wird vor allem von den Leuten vom Bergcampus bestätigt. Ja, wie schon in Göttingen, gibt es auch in Sendai eine strikte Trennung der Naturwissenschaftler und der Geisteswissenschaftler. So gibt es wenigstens keine Probleme bei den „normalen“ Studenten, wenn oben auf dem Berg mal wieder ein Experiment schief gegangen ist. Eine Sache ist aber auf dem Hauptcampus angesiedelt, die verschiedenen Clubs. Als ich heute um 20 Uhr das Büro verlassen hatte, hörte ich plötzlich komische Gesänge und fühlte mich wie im siebten Himmel. Das waren doch wirklich Anfeuerungsrufe! Anfeuerungsrufe, das muss doch auf eine Sportveranstaltung hinweisen. Also, los ging die Suche. Überraschenderweise kamen die Anfeuerungsrufe aber nicht von einem Sportplatz, sondern aus einem Park. Als ich die Quelle endlich lokalisieren konnte, stellte sich heraus, dass der Anfeuerungsclub der Tohoku Universität gerade Training hatte. Gut, ich sehe ja ein, dass Cheerleader trainieren müssen, aber das war schon ein ziemlich kurioses Bild. Der Vorsänger stand vorne und gab Anweisungen, in welcher Situation sich das imaginäre Team gerade befand. Die Sänger mussten dann das passende Lied vorsingen. Hier in Japan ist man halt lieber vorbereitet. Der Club muss laut meinen Informationen auch bei jedem Sportturnier teilnehmen. Eine Schande, dass neue Lieder erst im Stadion getestet werden oder dass jemand etwa falsch anfeuert, muss schließlich verhindert werden. Für den Außenstehenden sah es aber trotzdem sehr kurios aus, wie sie auch mitgegangen sind. Als besonders kurios empfand ich aber eine Liste, die jedes Mitglied bekam und die die Standard-Liedreihenfolge während eines Spiels angab. Nur im größten Notfall soll an die Situation angepasst werden.

Ansonsten war ich heute Anschauungsobjekt im Büro. O.k., das bin ich ja öfter, aber heute gab es einen besonderen Fall. Ein ehemaliger Student kam vorbei, um seine alten Professoren zu besuchen. Dadurch, dass ich neben einem Japaner der einzige Anwesende war, fragte er mich erst mal vollständig aus. Er war sehr begeistert, einen Deutschen zu treffen und bedauerte, dass es so was zu seiner Zeit nicht gab. Er erzählte mir dann auch Geschichten aus der Vergangenheit im Büro, wo Deutsch noch eher als heute gesprochen wurde. Eigentlich stimmt das aber nicht wirklich. Dank Shimizu wird jetzt andauernd Deutsch gesprochen. Seitdem er versucht, mich überall mit einzubinden, gibt es für alles, auch das, was ich verstanden habe, eine deutsche Übersetzung.

Warum Japaner etwas seltsam Autofahren, der Versuch einer Erklärung.

Mein zweiter Advisor hat eindeutig keine Fantasie. Ich meine, wem würde schon auffallen, wenn Shimizu und ich die Plätze tauschen würden. O.k., ich müsste etwas gebückter laufen, meine Haare abschneiden, besser Japanisch sprechen und irgendwie asiatischer aussehen, aber das sind wohl nur kleinere Details. Aber der Reihe nach:

Heute standen Prüfungen in der Fakultät an und dementsprechend nervös waren alle Beteiligten. Shimizu fragte gleich bei der Begrüßung, ob er anstelle eines Wörterbuches nicht gleich mich mitnehmen dürfte. An sich keine schlechte Idee, besonders wenn ich ihn dann bei meinen Prüfungen mitschmuggeln dürfte. Da diese Pläne aber nicht in die Tat umgesetzt werden konnten, musste er es alleine versuchen. Da aber feststand, worüber die Prüfung stattfinden wird, habe ich ihm wenigstens bei den vermutlichen Fragen geholfen, schon mal anständige Antworten im Kopf zu haben. Das sollte seinen Noten auch auf jeden Fall geholfen haben. Die anderen machen dementsprechend schon Witze über unsere Lerngemeinschaft, aber solange es hilft, soll es uns egal sein. Später kam dann auch noch sein Professor mit der Parodie zu mir und berichtete überschwänglich über die geniale Idee und Umsetzung Shimizus. Mir blieb aber fast die Luft weg, als er Shimizu das gleiche mit einem Kafka-Text seiner Wahl vorschlug. Zum Glück war er auch nicht so begeistert. Ich sehe mich schon in einer Nachtsession Kafka verändern. Können die nicht wenigstens mal anständige Schriftsteller drannehmen? Ich verstehe ja, dass Schreyer nicht auf der Liste ist, aber wenigstens aus Goethe könnte man noch etwas Anständiges machen, aber doch nicht immer Kafka. Der hat doch manchmal noch nicht mal selber verstanden, was er geschrieben hat.

Ansonsten habe ich heute endlich verstanden, warum die Japaner kein Auto fahren können. O.k., vermutlich haben sie auch wirklich kein Talent dafür, aber es gibt eine stark erschwerende Sache. Seit Jahren wird hierzulande eine Abart von DVB-T betrieben, die alle Sender empfangbar macht, ohne Kabel. Dementsprechend beliebt sind auch Handys mit Fernsehfunktion. Als ich heute im Dunkeln so an den Ampeln stand, wunderte ich mich anfangs, dass fast jeder Autofahrer sein Navigationsgerät angestellt hatte. Weit gefehlt! Nicht das Navigationsgerät leuchte da auf der Mittelkonsole, sondern Minifernseher. Während man an den Ampeln steht, wird einfach ferngeschaut. Kein Wunder also, wenn die Anfahrten oder das Bremsen manchmal etwas holprig sind. Man konnte gut beobachten, wie beim Bremsen mal schnell das Programm oder die Lautstärke geändert wurde. Man könnte ja etwas verpassen. Wundern tut mich an den Fahrstilen jetzt auf jeden Fall nichts mehr. Aber man muss sagen, das ist typisch Japan und genau das, was man von ihnen erwartet, technikverrückt bis zum Ende.

Von Bällen und großen Straßen

Langsam sollte ich mir wirklich ein neues Hobby suchen, das Radfahren geht auf die Gesundheit. Wobei, das Radfahren ist daran weniger schuld als die Gegenden, die ich erkunde. Es sollte eine ruhige Fahrt werden, knapp 20 Kilometer – nichts Weltbewegendes – einfach, um ein wenig Ausfahrt zu bekommen. Aber die Fahrt fing schon gut an. Irgendwie war das Ventil nicht richtig geschlossen und die Fahrt wurde etwas schwerer. Das hat man nun davon, wenn man sein Rad zu sehr lobt. Kaum wird es positiv erwähnt, geht es auch schon zu Bruch. Zum Glück war es aber wirklich nur das Ventil und auf dem Weg fand ich auch ziemlich schnell eine Luftpumpe zur Reparatur. Als ob diese Probleme nicht gereicht hätten, entschied sich das Wetter auf einmal, zu wechseln. Fuhr ich bei milden dreißig Grad los, wurde die Sonne immer schlimmer und die Temperaturen immer höher. Natürlich ist es in Deutschland momentan auch sehr warm, dass es hier aber in den nächsten Monaten noch schlimmer werden soll, baut mich nicht gerade auf. Interessant sind in diesem Zusammenhang aber die Modeerscheinungen der Japaner. Man sollte meinen, kurze Ärmel, Sandalen oder ähnliches prägen das Bild, aber falsch gedacht. Die Männer haben alle Jeans an und zum Großteil langarmige Hemden. Die Frauen laufen zwar im Minirock und kurzärmligen T-Shirts herum, tragen dafür aber dicke Strumpfhosen und Handschuhe, die den ganzen Arm verdecken. Ganz harte Zeitgenossen, haben jetzt auch noch manchmal Pullover an. Kaori ist zum Beispiel so ein Fall. Wie man solche Kleidung bei den Temperaturen tragen kann, ohne am Hitzeschock zu sterben, kann ich mir einfach nicht erklären. Mir ist zwar bewusst, dass besonders Frauen etwas leichter frieren. Bei Temperaturen weit jenseits der dreißig Grad, sollte das aber nicht mehr vorkommen.

Den größten Schock erlitt ich aber auf der zweiten Hälfte der Fahrt. Auf der viel befahrenen Schnellstraße, rollte mir auf einmal ein Ball entgegen. Wo ein Ball ist, ist meistens auch ein Kind nicht weit und es kam auf einmal auf den Fußweg und dem Ball hinterher geschossen. Was also machen? Schnell vom Rad gesprungen und dem Kind hinterher und es kurz vor der Straße zu fassen bekommen. Ein Autofahrer legte gerade eine Vollbremsung hin, weil er das selbe erwartete, wie ich. Ob er rechtzeitig zum stehen gekommen wäre, kann ich nicht sagen, aber ich war nicht gerade begeistert davon, es auszuprobieren. Seinen Dank im Anschluss würde ich aber auch so deuten, dass er sich nicht all zu sicher war. In diesem Moment kam auch die Mutter mit mehreren anderen Kindern und einigen anderen elterlichen Begleitern angelaufen. Da das Kind wegen des Balls (und vermutlich wegen des bösen, langhaarigen Ausländers) weinte, entschied ich mich, zu helfen. Wenn schon mal Japaner den besten Sport der Welt ausüben und nicht dieses komische Baseball, muss man das ja auch unterstützen. Also schnell den Kleinen, vermutlich 5 bis 8 Jahre alt, zu seiner Mutter geschoben und los ging es. Die erste Spur war dank der Gefahrenbremsung eh noch nicht wieder befahren. Für die zweite nahm ich die Mütze ab, winkte mit ihr und machte mit der anderen Hand ein Stoppzeichen, was der Fahrer auch verstand. Also hatte ich freie Bahn, um den Ball zu holen. Blöd nur, dass dieser aufgrund der abschüssigen Straße fast auf der Gegenfahrbahn angelangt war. Nur mit einem großen Ausfallschritt konnte ich ihn noch erreichen. Noch einmal kurz Handzeichen mit den Fahrern und der Mutter den Ball entgegen geworfen. Dabei hab ich ihr auf Deutsch erklärt, sie soll gefälligst besser auf den Kleinen aufpassen. Dass sie das nicht verstanden hat, war mir in diesem Moment ziemlich egal, aber ich vermute, sie konnte aus dem Tonfall erahnen, worum es mir ging. Endlich konnte es weiter gehen. Mein Rad hat das Umfallen beim Abspringen bis auf einen total verbeulten Korb auch sehr gut überstanden Aber das ist eine Sache, die man wieder hin biegen kann. Bevor ich aber weiter konnte, musste ich noch eine Reihe von Danksagungen über mich ergehen lassen. Alle Eltern legten los und zwangen dann ihre Kinder, auch noch mit einzustimmen.

Ich frage mich langsam echt, wieso ich immer solche Aktionen magisch anziehe. Wer also ein normales ruhiges Leben haben möchte, sollte vermutlich etwas Abstand zu mir halten. Ansonsten verlief die Fahrt sehr ruhig. Zu meinem Glück hat die Regenzeit immer noch nicht komplett angefangen, so dass kleinere Ausfahren ohne weiteres möglich sind. Nebenbei ist die Zeit der Weltmeisterschaft ja endlich, wenn auch mit dem falschen Sieger, zu Ende gegangen. Endlich kann man sich wieder auf das konzentrieren, was wichtig ist. Zu diesem Zweck habe ich erst mal etwas höhere Unterstützung für den 1. FCM erbeten. Man weiß ja nie, wann man sie mal brauchen kann. Die Fotos werde ich aber noch einmal machen müssen, bei besserem Lichtverhältnis und im Trikot, dann dürften sie noch besser aussehen. Das Problem ist aber, mal einen Tempel zu erwischen, wo nicht gerade irgend welche Priester oder ähnliches rumlaufen, die diese Art von Spaß bestimmt nicht verstehen würden.

1-2-3, 1-2-3

Eindeutig, es ist schön, wenn der Schmerz nachlässt. So in etwa sah meine Gedankenwelt heute früh aus, als ich mich nach langem hin und her doch endlich mal aus dem Bett gerollt hatte. Was macht man also, wenn der Schmerz gerade nachgelassen hat: Natürlich fügt man sich neuen zu. Also ging es zum Campus und zum Tanzunterricht. Doch schon bei der Ankunft, schaute ich etwas verwirrt. Japaner sind zwar klein und sehen wie Kinder aus, aber die Leute, die hier rumrannten waren wirkliche Kinder. Es war Kinder-Uni und dies wurde von der japanischen Jugend auch begeistert angenommen. Man muss sagen, die Experimente waren dazu auch noch gut ausgewählt und für Kinder spannend, aber auch für die erwachsenen Begleiter sehr ansprechend.

Nach einigem Suchen und viel zu vielen überraschten Kindern, erreichte ich doch noch die Tanzklasse. Wirklich gelohnt hatte es sich aber nicht. Da ich gestern aus unerfindlichen Gründen nicht bei der Tanzklasse war, hatte Laura einen neuen Tanzpartner. Es herrschte zwar ein allgemeiner Männermangel, aber da mir eh noch genug Grundlagen fehlten, hielt ich mich doch lieber zurück. Diesen Zustand konnte Orsolya nicht aufrecht erhalten und ich bekam Sonderunterricht. Nachdem sie anfangs verzweifelte, bekam sie endlich heraus, wo ihr Fehler lag. Sie erwartete zu viel Vorwissen. Was hilft es mir, wenn sie mir irgend welche Schritte erklärt und ich sie mir vorstellen muss. Eine Zeichnung, was ich machen muss und zwei Versuche später und das Element stand. Auch der ewige Zuruf „Achte auf die Musik“ hilft mir nicht unbedingt, wenn ich nicht weiß, worauf ich achten soll. Nachdem sie das endlich raus hatte, sah es schon ganz vernünftig aus. Die Übergänge waren zwar noch etwas holprig, mit Lauras Tanzpartner hätte ich aber aus einem Grund noch mithalten können. Er ist fast genauso groß wie ich und macht beim tanzen aber auch normale Schritte, die die kleine Laura nie und nimmer reproduzieren kann. Eine Tatsache, die ich besser raus hatte. Dafür sahen die Übergänge zwischen den Elementen bei den beiden um einiges besser aus. Ich bleibe aber dabei, Tanzen wird nie meine Beschäftigung. Zum Notfall behaupte ich einfach, ich bin Japaner. Mayumi, meine Konversationspartnerin, meinte gerade, nur reiche Japaner lernen Tanzen. Die Bedeutung des Tanzen-Könnens ist hier eindeutig geringer. Immerhin meinte Orsolya, ich habe mich nicht ganz blöd angestellt. Trotzdem, damit ist der Kurs ab heute abgeschlossen und so schnell werde ich nicht mehr Walzer tanzen. Im großen Notfall heirate ich irgendwann halt in Shinto- oder Buddhistischer Weise, einfach nur, um den Hochzeitswalzer zu umgehen. Wobei, immerhin den würde ich jetzt aber hinbekommen. Den restlichen Tag verbrachte ich damit, mich ein wenig zu entspannen und dem Konsum zu frönen. Erwähnte ich schon, wie praktisch sonntags geöffnete Geschäfte sind?