Unipamphlete

Heute stand das große Wundenlecken an. Nach dem Stress der letzten beiden Tage musste das Büro wieder auf Vordermann gebracht werden. Wieder einmal bewiesen die Japaner, dass sie sich nichts zutrauen. Die Bücherkisten wurden tatsächlich auf normalen Bürosesseln transportiert, da man sie zum Tragen als zu schwer einstufte. Diese Einstufung teilte ich nicht und trug den Kram lieber. Das ging schneller und sah dazu noch besser aus. Ansonsten verlief der Tag im Büro sehr ruhig und es war kaum etwas zu tun, da sich einige Professoren in die Ferien verabschiedet haben. So wird zum Beispiel die deutsche Professorin einige Tage in Göttingen verbringen. Als ich das Büro dann gegen 18.00 Uhr doch einmal verließ, bekam ich einen Hilferuf über ein kaputtes Rad. Also blieb mir die Wahl, Rad reparieren oder mit anderen ins Kino gehen. Da Avatar, der Luftbändiger nicht gerade der interessanteste Film ist, entschied ich mich für das Rad. Das war aber die falsche Entscheidung. Wie sich kurz vor dem Zeitpunkt des Treffens der Kinogänger herausstellte, war der Besitzer des Rades auch unter ihnen. Nun war es aber zu spät, noch zu erscheinen – sehr zur Enttäuschung von Felix, der mich extra über die Fehlinformation informiert hatte. Immerhin traf ich noch Kylie und habe mich mit ihr am Abend ein wenig unterhalten, auch nicht schlecht.

Interessant waren heute aber besonders die Flyer. Die Uni Göttingen hat natürlich mit ihren Promotionsmitteln auch schon so interessante Ideen wie die Campuszeitung. Aber ein Heft mit den Schönheiten der Uni fehlt uns echt noch. Als ich davon hörte, wollte ich es nicht so wirklich glauben. Heute hatte ich aber einmal die Möglichkeit, in dem Heft zu blättern. Unser Büro ist sich zwar einig, da fehlen Damen aus unserem Büro. Aber da das Heft fortlaufend ist, haben wir da noch Chancen drauf. Vielleicht bekommen wir so ja mal mehr Jungen dazu, unserem Büro beizutreten.

Zwei andere Besonderheiten entdeckte ich dazu heute noch in meinem Briefkasten. Das wäre einmal ein Heft zum Thema: Wo wohnen, wenn ich aus dem Wohnheim ausziehen muss? In Göttingen passiert es ja auch öfter mal, dass man seine Wohnzeit im Studentenwohnheim aufgebraucht hat und sich auf die Suche machen muss. Anschließend muss man im Alleingang eine Wohnung suchen. In Sendai sieht das dagegen anders aus. Das Wohnheim veranstaltet „Kaffeefahrten“ mit den Studenten zu den bekannten Studentenwohnungen. Dazu gibt es ein Begleitheft mit Grundrissen, Preisen, Bildern sowie Vor- und Nachteilen der bekanntesten möglichen Wohnungen. Für den Unentschlossenen, der kaum Zeit hat, das perfekte Mittel für die Wohnungssuche.

Ansonsten gab es ein vierseitiges Heft der Universität. Die Anwohner werden gebeten, doch bitte auf die Ehre der Uni zu achten. Wir brechen zu viele Regeln im Straßenverkehr und das muss sich ändern. Unterlegt ist dieses zweisprachige Heftchen mit Bildern von Studenten, die die Verkehrsregeln auf dem Weg zur Uni brechen. Was ich interessant finde ist, dass auf die Autofahrer gar nicht eingegangen wird. Es gibt eine Karte, wo besonders häufige Unfallorte eingezeichnet sind. Wenn man diese nun aber genauer kennt, sind das keine Stellen, wo die Radfahrer die Regeln ignorieren sondern Stellen, wo besonders die Taxi- und Busfahrer ziemlich seltsam fahren. Trotzdem ist dieses Heft garantiert sinnvoll, auch wenn ich die Aussage mit der Ehre immer noch ziemlich lustig finde. Im Prinzip wird gesagt: „Uns ist egal, ob ihr euch oder andere verletzen könntet, aber jedes schlechte Verhalten färbt auf die Uni ab. Von daher ändert etwas!“ Das ist schon eine nette Einstellung.

Komische Fragen und versaute Schülerinnen

Nach dem anstrengendem gestrigen Tag, war eines komplett klar für mich: Deine Kollegen kannst du heute nicht alleine den Horden von Schülern überlassen. Also die (Taschen-)messer gewetzt und mit spitzer Zunge auf in die Schlacht. Ich kam auch gerade rechtzeitig. Die Kolleginnen fluchten schon wieder auf die unsägliche Hitze im Gebäude und wünschten sich etwas Erfrischung. Gesagt, getan und schon zauberte ich für die drei Kollegen Eis hervor, ein Geschenk Dais für meinen Geburtstag, das er mir gestern gab.

Mein Erscheinen war auch keine Sekunde zu früh. Just in diesem Moment kam die große Welle an Schülern auf uns zu. Schnell die Zettel geschnappt und die Schüler geordnet, platziert und informiert. Es herrschte das helle Chaos. Nur mit Mühe und Not schafften wir es, die Ordnung halbwegs aufrecht zu erhalten. Bis zu 30 Mann im Büro stellen Zustände dar, die man normalerweise nur per Stapeln in den Griff bekommen kann.

Kaum hatte sich die Lage beruhigt, musste ich auch schon wieder los. Lukas hatte mich schließlich mit kostenlosem Essen zu einer Veranstaltung gelockt. Dort angekommen, wurden die 6 vorhandenen Englischsprecher aufgeteilt auf drei Sitzkreise. Gerade ich hatte dabei auch noch das Glück, den schlimmsten Partner zu erhalten. Mein Partner war Japaner, der ein wenig Englisch konnte und dementsprechend die ganze Zeit mit den Schülerinnen auf Japanisch sprach. Ich hatte also nichts zu tun und die Sandwiches, das freie Essen, waren auch noch von Fleisch besetzt. Ich wollte schon entnervt verschwinden, als doch noch drei Japanerinnen kamen, die sich an das Motto halten wollten und versuchten, ihr Englisch zu nutzen. Es entwickelten sich sehr interessante Gespräche, die viel zu früh zu Ende waren. Immerhin gab es bei denen nicht so viele dämlichen Fragen, wie ich sie sonst heute zu hören bekommen habe. Was die Leute für eine Antwort auf: „Wie sind Deutsche im Bett?“ erwarten, erschloss sich mir nicht so ganz, dementsprechend lautete meine Antwort auch: „Testet es!“. Auch ansonsten wurden die Fragen nicht besser. Das Niveau schwankte zwischen: „Hast du eine Freundin?“ und „Wie wird man so groß wie du?“. Anschließend an die Gesprächsrunde wurden wir Ausländer auch noch in einen gesonderten Raum gebracht, um über Sendai zu diskutieren. Ein großer Fehler. Wie man mich kennt, war ich vorne dabei und habe fast die komplette Diskussion übernommen. Anschließend gab es noch Fotos und im nächsten Sendaiguide der Uni werden wir abgebildet. Steffen aus Göttingen hatte per Skype auch noch einen Auftritt, den musste ich allerdings für mein Büro sausen lassen.

Die Kolleginnen waren schon komplett erschöpft und so machte ich die nächsten zwei Stunden die Arbeit. Ich schaffte es, alle vorbeikommenden Besucher in unser Büro zu locken. Sogar mein Fanclub kam. Das war eine Gruppe von Schülerinnen vom Mittagessen, die extra rüberkamen um zu sehen, wo ich studiere. Auch ansonsten war ich Mode. Ich wurde andauernd in den Beispielen erwähnt und einige sahen förmlich geschockt aus, als sie mich sahen. Dafür wurde ich von allen extra verabschiedet.

Nachdem alle gegangen waren und endlich Ruhe eingekehrt war, entschied mein oberster Professor noch spontan, ein Festessen zu Ehren einer jungen Dame zu machen, die ab dem 1. eine Arbeitsstelle gefunden hat. Ich wurde gar nicht gefragt und musste mitkommen. Es gab Chinesisch und wir blieben fast viereinhalb Stunden. Neben netten Gesprächen, denen ich eh kaum folgen konnte, gab es Essen in die Mitte des Tisches, was dann aufgeteilt wurde. Bezahlen durfte ich nach dem leckeren Essen dann auch nicht, sondern meine Betreuer bestanden darauf, mich einzuladen. Es war auf jeden Fall ein sehr entspanntes Essen und die Themen, über die gesprochen wurde, werden normalerweise auch nicht gerade mit Professoren besprochen.

Anschließend ging es nach Hause, wo ich noch kurz mit den anderen das Ende des Semesters gefeiert habe. Ich kam aber zu spät und der Großteil war schon betrunken. Trotzdem ging mit der Feier ein ziemlich interessanter Tag zu Ende und ich bleibe dabei, die Japanerinnen sind ziemlich versaut. Wieso wir es bei 250 Besuchern heute geschafft haben, maximal zehn Jungen ins Büro zu bringen, erschließt sich mir auf jeden Fall nicht ganz. Aber vermutlich wäre es anders herum auch ein großer Zufall gewesen. Dabei sollten eigentlich besonders Männer kommen, um an dem großen Frauenanteil im Büro zu partizipieren.

Weiß/schwarze Invasionstruppen

Verstecke sich, wer kann, die schwarz-weiße Invasion rollt an. Der Campus war heute überfüllt mit in Schuluniformen gekleideten Schülern, die jede Ecke des Campus erkunden wollten. An sich stellt das kein Problem dar und einige Studenten sind zwischen denen auch gar nicht groß aufgefallen, sahen sie doch zum Altersdurchschnitt passend aus. Ein Problem gibt es dagegen, wenn man nicht dem Standard entspricht. Sagen wir zum Beispiel, man ist ein 1.94 m großer Europäer mit langem, dunkelblondem Haar. Schon als ich den Campus betrat, blickte sich die Hälfte der anwesenden Schüler um. Im Büro wurde das Ganze dann noch schlimmer. Mit Getränken und Animes auf Deutsch wurde versucht, das Interesse der Schüler auf die deutsche Sprache zu lenken. Als ich eintraf, war schon alles groß im Gange und das Büro schon überlaufen. Trotzdem musste mein Professor die Gelegenheit nutzen, mit meiner Hilfe Werbung zu machen. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, wurde ich als Beispiel herangezogen. Geholfen hat es aber trotzdem nicht viel. Die Schüler, wie die Versprechen der letzten Tage vorhersagten zu 90 Prozent Frauen, hatten mehr Angst als Vaterlandsliebe vor mir. Wirklich sprechen wollten die wenigsten mit mir und wenn, dann über deutsches Essen, deutsche Sätze der Marke, „Ich liebe dich“ oder wie man einen Deutschen heiratet. Auch wenn die Fragen teilweise selten dämlich waren, ich beantwortete alles nach bestem Gewissen. Wenn dann doch mal wieder niemand mit mir reden wollte, verwickelte ich sie halt in Gespräche. Egal, ob über einfachen Deutschunterricht, japanische Fußballspieler in Deutschland oder den 1. FC Magdeburg, ich sprach über alles. Diese Gelegenheit wurde gleich vom offiziellen Fotografen der Fakultät genutzt, um mich beim Erklären zu fotografieren. Nachdem Shimizu und ich schon auf dem Flyer des Büros, der an alle Anwesenden ausgegeben wurde, abgebildet sind, wird das meine zweite Ablichtung.

Für das Reinlotsen der Leute war ich aber weniger geeignet. Überraschenderweise versuchten die Studenten einen Bogen zu machen, wenn sie mich sahen. Ich könnte ja auf Englisch mit ihnen reden. Zu diesem Zweck gesellten sich dann immer junge Damen zu mir und zusammen klappte es dann doch langsam besser. Zum Schluss wurde ich dann sogar noch zum Ärgernis für die Franzosen im Nachbarbüro. Wenn die Besucher vor mir flohen, schnitt ich ihnen einfach den Weg so ab, dass sie ins Büro gingen. Dadurch verringerte sich bei den Nachbarn der Zulauf aber ziemlich. Trotz der Flucht vor mir, hatte ich ganze Fanclubs. So verließen drei Damen über eine Stunde das Büro nicht und jedes Mal, wenn ich mich überraschend umdrehte, schauten sie gerade auf mich und drehten sich dann verschämt weg. Ich fühlte mich teilweise schon wie ein Zootier, begafft von allen möglichen Menschen. Zwischen „riesig“ und „süß“ wurde auch alles mögliche über mich gesagt, wie mir Orsolya und einige Mitstudenten manchmal übersetzten. Wobei ich den Part auch oftmals selber verstand, weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass ich Japanisch tatsächlich etwas verstehen könnte.

Insgesamt wurde das Büro von knapp über dreihundert Schülern besucht, was einen absoluten Rekord darstellte. Dank der Hitze und dem immer übervollen Büro kamen wir ganz schön ins schwitzen, aber interessant war es trotzdem irgendwie. Mal sehen, ob man eine allgemeine Veränderung an den Studentenzahlen feststellen kann. So stellt sich die Frage, ob meine Vermutung richtig ist und die Zahlen nach meinem Auftreten fallen werden oder, wie die anderen behaupten, steigen. Wir werden sehen, aber erst einmal heißt es morgen den zweiten Teil der Invasion zu überstehen.

Kun oder San

Früh aufstehen und dann auch noch für eine Klausur, eine absolute Freude, die da heute anstand. O.k., früh aufstehen setzt einen anständigen Schlaf voraus, der durch das momentane Wetter nicht gerade begünstigt wird. Dementsprechend gerädert ging es heute früh zum Grammatiktest. 8 Seiten und eine Zusatzseite mit einem Artikel über einen Freund, sollten gefüllt werden. Besonders auf letzteres hatte ich mich mehr als sorgfältig vorbereitet. Lars musste als Opfer herhalten, da er genauso wie ich Geschichte studiert und auch fast die gleichen Hobbys hat wie ich. Die Aufgabe hatte ich mir so oft vorgeschrieben, dass ich sie sehr schnell umsetzen konnte. Vorher brach aber die übliche Nervosität über mich ein, wären da nicht zwei Faktoren zum tragen gekommen. Auf der einen Seite lenkte uns ein Erdbeben ab. Die Erde bebte und wir Studenten dachten mal kurz nicht ans lernen. Wirklich schlimm war es aber auch nicht. Der zweite Faktor stammte aus einer absoluten Quelle. Ich bekam eine Nachricht aus der Nähe von Chiba. Dabei konnte es sich nur im Shimizu handeln. Wie sich herausstellte, hatte er unsere Kafkaparodie von vor kurzem etwas geändert und auf meine Geldbörse angepasst. Der Versuch war so gelungen, dass ich mich absolut amüsierte. So einfach war die Nervosität dann auch wieder abgeklungen. Als Antwort bekam er dann wenig später noch ein Gedicht, dass das Wochenende beschreibt und eine Parodie auf sein Gedicht über den Marathonläufer ist. Die Arbeit ging so lala und ich habe auch kein wirkliches Gefühl dabei.

Anschließend ging es ins Büro. Nach einer sehr langweiligen Hitler-Verfilmung ließ Kaori die Bombe platzen und erwähnte meinen Geburtstag. Einige Gratulationen später hörte ich, wie die Leute auf einmal über mich diskutierten. Bis heute dachten die meisten meiner Mitstudenten, ich wäre wie alle 20 oder 21. Bei gleichaltrigen Männern ist das Persönlichkeitspräfix hierzulande kun. Kun heißt soviel wie Junge. Man überlegte, ob ein San nicht doch eher meinem Stand entspräche. San meint in diesem Fall Herr und es hört sich ziemlich komisch an, Herr Reik gerufen zu werden.

Endlich konnte es nach Hause gehen. Dort wartete schon mein sehnsüchtig erwartetes Paket. Danke noch einmal an meine großzügigen Schenker und die Gratulanten. Ich habe mich über alles sehr gefreut und es wurde alles gleich ausprobiert. So besitzt jedes Handy hier eigentlich etwas eigenständiges, da die Einheitstypen leichter zu verwechseln sind. Ich konnte mein Handy heute mit einem FCM-Anhänger aus dem Paket und einigen Bändern verschönern. Ich gehe davon aus, dass hier kein anderer ein FCM-Logo am Handy haben wird. Insgesamt war es eine sehr tolle Überraschung und noch mal DANKE an alle Beteiligten. Die beiliegende Tasche konnte dann auch gleich noch von mir getestet werden. Mit Osolya ging es zusammen etwas durch die Stadt. Aber ihr Reifen hat einen Platten, so dass ich mich morgen wohl ans Reparieren machen kann. Gleichzeitig ist morgen der Start vom Open Campus, ich bin gespannt. Vor allem versuchen alle Germanisten, mich von einer Teilnahme zu überzeugen. Dies versuchen sie mit dem Versprechen, dass nur junge Schulmädchen kommen. Als ob mich so was überzeugen würde!

Sie ist wieder da!

Die Japaner machen mich noch mal fertig. Nichts können sie auf sich beruhen lassen, jetzt weiß die ganze Welt, dass meine Geldbörse über das Wochenende verschollen war. Nachdem ich kaum geschlafen hatte, machte ich mich direkt auf zur Polizeistation, die mir gestern genannt wurde. Die Herrschaften wollten laut einer Passantin zwar gerade ihre wohlverdiente Frühstückspause einlegen, ein protestierender Ausländer vor der Tür, war ihnen dann aber doch zu stressig. Also wurde ich noch schnell abgehandelt. Ohne große Umschweife hatte ich die Börse wieder und konnte die Polizeistation verlassen. Um so verwunderter war ich, als ich nach der Polizeistation eine SMS auf dem Handy hatte, ob ich meine Börse schon wieder habe. An sich keine verwunderliche SMS, aber der Absender machte mich stutzig. Es handelte sich um Shimizu. Wie sich herausstellte, hatte er gestern auch einen Anruf wegen meiner Börse bekommen und nicht nur er. Mein Büro und die Japanisch-Deutsche Gesellschaft haben auch Anrufe erhalten. Man hat einfach alle Nummern angerufen, die auf irgendwelchen Karten in meiner Geldbörse standen. So sind sie auch auf Shimizus Nummer gekommen. Ich kann mir seine Überraschung förmlich vorstellen, als die Polizei auf einmal bei ihm klingelte. Trotz allem muss man aber Japan lieben. Wirklich alles ist noch in der Börse vorhanden! Nur wo und wie ich sie verloren habe, werde ich wohl nie mehr herausbekommen. Die Polizei wollte sich zu diesem Punkt genauso wenig äußern, wie über den Finder.

Nachdem ich mein Geld und meine Karten endlich wieder hatte, ging es erst mal zur Uni, um Orsolya einige Ausdrucke rüberzubringen. Dann ging es in die Stadt. Irgendwie musste ich mich doch bei Nobu für seine Hilfe bedanken. Meine Entscheidung fiel auf eine große Wassermelone. Passenderweise gelang es mir, diese auch noch trocken nach Hause zu bringen, während ansonsten heute die Welt unterging. Donner und Blitz bestimmten das Tagesbild. Um 15 Uhr war ich endlich zu Hause und brachte Nobu die Melone. Dabei weckte ich ihn aus seinem Mittagsschlaf. Aus diesem Grund gibt es auch keine Bilder. Nobu in Unterhose musste ja nicht unbedingt auf die Fotos. Gemeinsam hauten wir noch noch die ersten Stücke rein. Der Rest wird aber vermutlich an die Mitbewohner und Freunde verteilt.

Das große Grillen

Geldbörse nicht da, besser hätte der 25. ja gar nicht anfangen können. Dazu kam erschwerend noch die Tatsache hinzu, dass der Plan vorsah, mit Christian, einem Venezuelaner gemeinsam zu feiern. Er ist heute 26 Jahre alt geworden. Nach langem Hin und Her, hatte sich die Entscheidungsfindungskommission gegen ein Nomihodei und für das Grillen entschieden. Die Grills konnte ich auch noch immerhin gestern vor meinem Verlieren der Geldbörse besorgen. Aufgrund gewissen Geldmangels entschieden Christian und ich nun, dass er Kohle und die restlichen Grundvorräte besorgen soll. Das ging gehörig schief. Die Briketts, die er besorgte, sind nicht so wirklich geeignet gewesen, schnell zu grillen. Richtig die Schuld geben konnte man ihm jetzt aber auch nicht daran. Dummerweise ist die japanische Bezeichnung für Briketts genau so wie die englische normale Bezeichnung für Kohle. Die Anmerkung, dass wir wenigstens Spiritus oder ähnliches brauchen, verstand Christian dann auch noch falsch und brachte Pflanzenöl, um die Briketts anzuzünden. Ja, er grillt offensichtlich nicht so häufig. Trotz allen Versuchen, ohne die Mittel zu grillen, standen wir auf einmal ohne funktionierenden Grill da und aufgrund von Sonderwünschen einiger Gäste, mussten wir den Standort auch mehrmals ändern. Ziemlich kompliziert, wenn man immer alle möglichen Gäste informieren muss. Irgendwie ergab sich aber alles. Das Feuer konnte entzündet werden und die meisten Eingeladenen fanden den Weg zur Feier.

Endgültig aufgehellt hat sich meine Stimmung dann noch durch einen Anruf. Ein mysteriöser Japaner meldete sich und erklärte in schnellem Japanisch sein Problem. Ich verstand kein Wort und die Worte Koban, Police oder Seifu fielen auch nicht. Verzweifelt reichte ich das Handy weiter und nach langem Verhandeln kam heraus, dass meine Geldbörse aufgetaucht ist und ich sie mir morgen abholen kann. Am liebsten wäre ich heute noch losgefahren, aber morgen geht natürlich auch irgendwie. Wo die Polizeidienststelle ist und ob der Inhalt der Börse vollständig ist, konnten wir nicht herausbekommen. Aber Fortsetzung folgt! Nach dieser Meldung konnte die Party aber wirklich losgehen. Gleichzeitig erschienen auch noch die letzten Gäste und das Fleisch wurde endlich fertig. Bei Musik, Bier und Grillgut, genossen wir die Sonne. Für die Vegetarier unter uns gab es dazu noch Kartoffeln. Es entwickelten sich noch viele Gespräche und das Ganze ging doch länger als geplant, immerhin bis 20 Uhr. Zum Abschluss wurden noch aus allen anwesenden Ländern die Geburtstagslieder gesungen. Das war ein absolutes Schauspiel, so dass sogar Passanten mehrmals schauten.

Anschließend konnte ich die gute Nachricht mit meiner Börse noch meinen Mitbewohnern berichten. Alle, insbesondere Nobu, waren heilfroh, dass sie wieder aufgetaucht ist. Gleichzeitig erhielt ich von einigen Mitbewohnern und Freunden noch Geburtstagsgeschenke. Es gab eine Kopflampe für den Fuji, einen Bilderrahmen, einen Tohoku-Universitätsfächer, eine japanische Tasche und Nobu schenkte mir sogar noch die einfachste Form eines japanischen Kimonos. In diesem Anzug könnte ich in jeder Karate Kid-Verfilmung mitwirken.

Aber auch aus Deutschland kamen viele Gratulationen, Grüße und Geschenke. In diesem Zusammenhang auch vielen Dank an meine Eltern, Großeltern und an Lars und den Rest seiner Familie für die Geschenke. Auf diesem Weg natürlich noch mal DANKE an alle Gratulanten und natürlich auch für alle Geschenke. Wenn morgen dann noch alles in der Geldbörse drin ist, war der ganze Geburtstag perfekt. Aber auch so, war es ein sehr schöner Nachmittag, wo wir viele nette Gespräche hatten und sich alle einig waren, dass wir auf jeden Fall öfter mal grillen müssen. Es ist schon etwas anderes, sich unterhalten zu können und eine eigene Einteilung vornehmen zu können, als in irgendwelchen Restaurants nur kurze Zeit zur Verfügung zu haben, oder anderweitig unter Stress zu stehen. Alles in allem also ein gelungener Tag und noch mal vielen Dank an alle Gratulanten.

Die Krux mit der Geldbörse

Es gibt Tage, da sollte man nicht aufstehen. Heute war so ein Tag. Voller Vorfreude bin ich extra früh aufgestanden, um mich auf mein Konzert vorzubereiten und um etwaige Besorgungen für den morgigen Tag zu machen. Aufgrund der Hitze entschied ich mich, die Besorgungen nach vorne zu verschieben, um noch einmal herauszukommen. Immerhin zeigten die Thermometer mal locker 36 Grad um 10 Uhr morgens an. Soweit ging auch alles gut. Die Suche nach einem Baumarkt erwies sich als ziemlich erfolgreich und obwohl ich eine weite Strecke zurück legen musste, kam ich sicher dort an. Hier fing das Problem des Tages aber an. In meiner Tasche entdeckte ich Kylies Handy. Am Vortag hatte sie aus versehen mir ihres in die Hand gedrückt, da es exakt wie meines aussieht. Als ich den Fehler bemerkte, begann eine schnelle Fahrt nach Hause. Auf dem Weg geschah es. Ich besorgte noch eine kleine Entschuldigung für das Entwenden des Handys und beeilte mich, zu Kylie zu kommen. Dort geschah es. Entweder auf dem Weg zum Wohnheim oder im Wohnheim, verschwand meine Geldbörse mit allen wichtigen Sachen drin.

Natürlich war das ein großer Schock für mich, insbesondere, da ich jetzt noch nicht mal in mein Wohnheim ohne Hilfe rein komme, da auch meine Keycard weg ist. Gesagt, getan und Nobu verrückt gemacht. Gemeinsam im letzten Laden vorbei geschaut, den Weg mehrmals abgefahren und verzweifelt gesucht. Im Endeffekt informierte Nobu dann die Polizei. Ich bin mir zwar nicht sicher, aber ich hoffe, ich habe es nur auf der Suche nach Kylies Telefon im Wohnheim verlegt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie es verschwunden ist, ohne dass ich es bemerkt habe. Das Teil ist so schwer, wenn es runter fällt, hört man es noch meilenweit. Geholfen hat die ganze Suche gestern nicht mehr und ich war mehr oder weniger in meinem Zimmer eingesperrt. Laura musste alleine ins Konzert gehen und das traf mich noch mehr. Dafür versuchte mich wirklich jeder aufzubauen, besonders Nobu. Der besorgte zur Beruhigung erst mal Eis und kümmerte sich auch ansonsten rührend um mich. Immerhin kann Japan jetzt endlich mal beweisen, dass der Ruf berechtigt ist und alles Gefundene wieder seinen Besitzer findet.

Japanische Süßigkeiten oder mein Gott, was ist das?

Der Kanjikurs ist vorbei, also haben wir frei. Was kann man also an einem freien Tag machen? Natürlich ist die Antwort – ins Büro gehen. Gesagt, getan und sofort den Plan in die Tat umgesetzt. Kurze Zeit später stand ich vor verschlossener Tür vor dem Büro. Es wird wirklich langsam Zeit, dass ich einen Schlüssel bekomme. Egal, es gibt viele andere Dinge, die man in Sendai tun kann, auch wenn mir in dem Moment keine wirklich einfielen. Dementsprechend ging es in die Stadt. Christian, ein Freund aus Venezuela hat Geburtstag und es galt, ein Geschenk ausfindig zu machen. Auf dem Weg stieß ich auf ein Fernsehteam, das den Bahnhof als Hintergrund für die heutigen Nachrichten missbrauchte. Besonders der Wetterbericht gefiel mir. Man stelle sich Wetterberichte in Deutschland vor. Der Moderator bekommt eine Tafel eingeblendet, mit allen Wetterdaten, eine Karte der Region zum besseren Verständnis und schon wird alles anschaulich erklärt. In Japan sieht das Ganze etwas anders aus, da ist das Ganze noch echte Handarbeit. Die Moderatorin für das Wetter schrieb vorher die Wetterdaten fein säuberlich auf eine Pappe, dazu gab es Zeichnungen der Wolkenstände und dann wurde diese Pappe nur in den Bildschirm gehalten und daran alles erklärt. Man merkt, hier in Japan wird noch Wert auf Handarbeit gelegt.

Viel mehr zugesagt hat mir eigentlich noch die Liveübertragung der Koshienvorrunden, die man in der Nähe des Bahnhofs auf einer Leinwand verfolgen konnte. Beim Koshien handelt es sich um das große Highschoolbaseballtunier, das jährlich zweimal stattfindet und besonders im Sommer sehr beliebt ist. Es findet im Koshienstadion statt und ist äußerst beliebt. Für mich ist es hauptsächlich von Bedeutung, da dies gleichzeitig das Schauen von Sportveranstallungen ermöglicht. Schließlich gibt es keine echten Amateurligen und die Schulen spielen nur Turniere zum Koshien hin. Dementsprechend werde ich die nächsten Tage wohl einfach mal ins Stadion gehen. Schließlich sollte es nicht so teuer sein, wie die erste Liga Baseball.

Ansonsten verlief der Tag sehr ruhig, bis auf eine Süßigkeit, die ich noch Shimizu zu verdanken hatte. Die Packung bestand aus drei Beuteln, einem Plaste-Wasserlöffel und einem Gefäß, wo die Süßigkeit angerührt werden konnte. Das erste Pulver mit Wasser ergab eine blaue Masse. Zusammen mit dem zweiten Pulver erzeugte man nun eine violette Masse, die zusammen mit Streuseln aus der dritten Tüte gegessen wurden. Das Ganze sah nicht nur eklig aus, es schmeckte auch noch so. Jedenfalls mir sagte die nach Kaugummi schmeckende Masse nicht zu, während Kylie sie doch mochte. Ich bleibe aber dabei, ich verstehe jetzt das gemeine Lachen meines zweiten Betreuers, als Shimizu mir die Tüte vor einigen Tagen in die Hand drückte. Es handelte sich vom Geschmack her um eine eindeutig japanische Süßigkeit.

Joghurtsake oder Spinnen – was ist ekliger?

Joghurt und Sake, kann das schmecken? Nein, natürlich nicht, aber Shimizu hatte das Gesöff besorgt. Dementsprechend hieß es: Augen zu und durch. Zum Glück hat zu dem Zeitpunkt kein Fachfremder das Büro betreten. Nicht nur, dass zwei Flaschen von diesem 9-prozentigen Joghurtsake-Getränk geopfert wurden. Nein, das reichte meinen Mitstudenten noch nicht. Zusätzlich wurden noch die Reste einer Flasche Whisky getrunken. Die Trinkweise kam mir zwar etwas seltsam vor, aber man kann ja sagen, andere Länder, andere Sitten. Trotzdem zweifle ich daran, das man Whisky mit einem Sportdrink mischen sollte. Dabei handelt es sich um normales Wasser, dem verschiedene Zusatzstoffe beigemischt werden und das dadurch auch komplett trüb aussieht. Aber wie gesagt, die anderen werden schon gewusst haben, was sie machen. Grund für diesen Umtrunk war Shimizus Urlaub für zwei Monate in der Heimat. Nicht, dass wir Gründe für Feiern bräuchten! Passenderweise wurde von seinem Professor heute auch noch mal die Kafkaparodie hervorgehoben. Irgendwie will der Professor Shimizu dafür belohnen. Ein eindeutiges Zeichen, dass wir richtig lagen mit der Parodie.

Ansonsten verlief der Tag sehr ruhig, auch wenn ich momentan echte Probleme mit der Tierwelt in Sendai habe. In den letzten Tagen hat sich immer mehr eine Spinnen- und Käferplage gebildet. Das wäre an sich nicht so schlimm, wären einige der Tiere nicht mal locker größer als meine EC-Karte. Andre kam heute eine dieser Riesenspinnen auf der Straße entgegen. Ich will gar nicht wissen, wie ich darauf reagiert hätte. Auch das Internationale Haus hat die Plage schon befallen und alle Bewohner kämpfen damit, ihre Zimmer spinnenfrei zu bekommen. Wieder einmal lobe ich mir da das Haus Sanjo. Bis auf eine dicke Spinne im Fahrstuhl, ist hier noch absolute Ruhe. Wenn man aber im Internationalen Haus nicht mal mehr sein Essen für dreißig Minuten draußen stehen lassen kann, ohne Angst zu haben, dass gleich eine Spinne drin ist, läuft eindeutig etwas verkehrt.

Comedy Japans und Deutschlands

Warum hat die Tohoku Universität keine Hitzefreibestimmungen? O.k., vermutlich, weil sie im Gegensatz zu Göttingen gut funktionierende Klimaanlagen hat, aber das ist ein Grund und kein Hindernis. Angenehm war es auf jeden Fall nicht, bei um die vierzig Grad eine Klausur zu schreiben. So haben wir aber wenigstens eine Ausrede, falls es doch schief gegangen ist. Nein, das haben wir dann doch nicht nötig. Bei aller Abneigung gegen den Kanjikurs muss man sagen, dass der Test sogar halbwegs fair war. Was am Ende herauskommt, ist zwar die andere Frage. Aber das wird sich zeigen. Wenigstens kann ich jetzt sagen, dass ich eine meiner Prüfungen überstanden habe. Im Anschluss wurde das dann auch entsprechend mit einer arabischen Delegation aus dem Kurs gefeiert. Eine sehr lustige Runde und ich konnte mich sogar etwas über Geschichte unterhalten. Besonders persische Geschichte aus nicht griechischen Quellen ist mal eine absolute Abwechslung.

Anschließend ging es ins Büro. Der Professor war „Vom Prozess einer Auslieferung“ (TM Shimizu) sehr begeistert und es war ein würdiger Abschluss der deutsch-japanischen Zusammenarbeit für dieses Jahr. Obwohl, ganz fertig sind wir noch nicht. Ein Professor hat ihm doch wirklich das Thema Judenverfolgung in Deutschland als Hausarbeitsthema gegeben. Ich habe sicherheitshalber auch schon mal vorsichtig angefragt, wie viele Seiten denn geschrieben werden dürfen. Aber das kommt später. Erst mal will sich Shimizu mit irgend etwas Alkoholischem dankbar zeigen. Ich bin gespannt, aber nicht so begeistert von dem Alkoholanteil. Ansonsten wurde heute Japanern die deutsche Comedy näher gebracht und Shimizu spielte zum Schock aller den Simultanübersetzer. Ja, er hat was gelernt in unseren Gesprächen. Im Vergleich nimmt sich deutsche und japanische Comedy aber nicht viel. Die Fernsehversion von beiden ist mehr als schlecht, nur die Stand-up Comedians sind halbwegs zu ertragen. Die Japaner sahen das ähnlich wie ich. Aber lustig, dass mehr Leute zuhören, wenn ich etwas erkläre, als gestern beim Professor im Unterricht. Anschließend konnte ich noch beweisen, dass ich die Stadt mittlerweile besser kenne, als eine 70-jährige Japanerin. Diese diskutierte mit einem japanischem Touristen den Weg zum Hotel und ich fand ihn. Jetzt kann ich jedem Besucher auch eine preisgünstige Wohnalternative anbieten – die Kapselhotels. Schlafen auf zwei Quadratmetern zu aller günstigsten Konditionen. Freiwillige vor!