Alte Opas? Von schnell gealterten Deutschen

Tokyo, die Stadt der tausend Hochhäuser, Menschenmassen und kein Schritt ohne auf einen japanischen Geschäftsmann zu treffen, so stellt sich der Europäer die Stadt doch im Allgemeinen vor. Um das Gegenteil zu beweisen, fuhren Dennis und ich heute etwas in die ruhigeren Bezirke Tokyos. Namentlich handelte es sich um Shibamata. Es sollte sich lohnen. Alte, kleine Häuser pflastern die Straße. Einige Tempel sind zu finden und kein einziger Ausländer war zu sehen. Der Stadtteil gilt wohl nicht umsonst als einer der unterschätzten Stadtteile Tokyos. Die Ruhe und die schönen Gebäude und Tempel luden zum Flanieren ein. Dementsprechend zogen wir los Richtung Fluss, der in der Nähe sein musste. Solange die Richtung stimmt, kann ja nichts schief gehen. O.k., offensichtlich stimmte die Richtung nicht ganz und wir kamen viel zu südlich heraus, aber wir kamen an.

Lang gezogen am Fluss befinden sich Sportfelder. Neben Baseball gab es so auch Fußballspiele von Jugendmannschaften zu bestaunen. Die Kleinen waren allesamt gut drauf und gaben ihr Bestes. Am interessantesten war eine Mannschaft, die im extra dafür gecharterten Bus ankam. Ach ja, Busse, damit hatten wir heute auch so unsere Probleme. Bevor es zum Stadtteil ging, bestellten wir noch einen Nachtbus für unsere Weiterfahrt am Samstag. Als die Bestätigungsmail kam, ging es schnell los. Wir wollten am besten auch gleich die Tickets bezahlen. Zum Glück lasen wir die Mail vorher noch. Aus unerfindlichen Gründen wurden wir als Rentner gebucht. Wir sehen zwar von den Strapazen älter aus, ob man uns aber die 65 abnimmt, ist doch mehr als fraglich. Also lieber schnell das Unternehmen angerufen und das Problem geschildert. Immerhin, nach vier Stunden hatte ich endlich jemanden in der Leitung und konnte mein Problem lösen lassen. Ob wir jetzt nach Sendai fahren oder nach Hokkaido, entscheiden wir dagegen morgen. Immerhin ist der Rentnerbus nicht mehr reserviert.

Aber davon lassen wir uns ja die Laune nicht verderben! Also noch etwas den Kindern zugeschaut und anschließend weiter des Weges. Wie sah eigentlich der Weg aus? Keine Ahnung, aber Pläne hatten wir eh noch nie. Da man in der Ferne einen Turm sehen konnte entschlossen wir uns, dort hin zu laufen. Was für ein Gewaltmarsch über knapp 5 Stunden! Es gab aber wenigstens einiges auf dem Weg zu sehen. Erst als wir kurz vor dem Ziel waren, fragten wir sicherheitshalber mal nach den Weg. Ein japanischer Geschäftsmann verschloss sein Auto und kroch für uns in Stoffhose auf dem dreckigen Boden herum, um uns den Weg aufzumalen. Man stelle sich das in Deutschland vor! Laut Auto war er offensichtlich ein höherer Geschäftsmann – und der kriecht auf dem Boden, um den Weg zu zeigen. Allgemein waren wir heute wieder Mode. Egal, ob zwei junge Japanerinnen an der malerischen Fähre am See, alte Männer, die zu viel Zeit hatten und einige andere Japaner, alle hatten eins gemeinsam. Sie wollten mit uns reden. In den meisten Fällen ließen wir das zu. Nur der alte Opa war ein großes Problem, er wollte uns gar nicht mehr gehen lassen. Im Endeffekt absolvierten wir heute wohl knapp dreißig Kilometer und sahen einiges von der Stadt, nicht schlecht für zwei 65-jährige Opas, oder?

Wo gehts hier bitte nach Roppongi?

Nach dem kleinen Spaziergang gestern, waren die Pläne für heute eindeutig. Es hieß, sich etwas entspannen und den Tag ruhiger angehen. Was höre ich im Hintergrund schon wieder dieses Lachen? Wenn Dennis und ich sagen ruhiger, meinen wir das auch so. Es sollte nur eine Runde nach Roppongi gehen. Der alte Botschaften-Bezirk war früher die Feiermeile Nummer eins, besticht heute aber eher durch beeindruckende Hochhäuser und edle Geschäfte.

Nach einer ausgiebigen Nachtruhe, ging es also mit der U-Bahn los. Unsere Recherche hatte ergeben, dass es günstiger wäre, eine Stadtion früher auszusteigen und von dort zu laufen. Wenn man die Karte richtig lesen würde, hätte das auch wunderbar geklappt. Nicht aber für uns beide. Wir endeten im Wohnbereich der Botschaften und liefen mal locker in den nächsten Stadtteil, nach Shibuya. O.k., kleine Fehler passieren und dort kann man wenigstens einige Geschäfte sehen. Also wurde die Gegend unsicher gemacht, einige Geschäfte besucht, sich durch die immer vollen Straßen gedrängt und dank einer öffentlichen Ausstellung noch etwas über die Geschichte des Stadtteils gelernt. Besonders gefiel uns das Dach des Hauptgeschäfts von Shibuya. In diesem 11-geschössigen Kaufhaus befand sich auf dem Dach eine Fußballanlage – eindeutig eine sinnvolle Raumausnutzung. Leider war Fotos schießen mal wieder verboten.

Unser eigentliches Ziel war aber nun mal Roppongi und nicht Shibuya, also wieder die Metro geschnappt und zurück. Diesmal verliefen wir uns nur kurz und kamen im Gebiet Central Tokyo heraus. Kein Problem, handelte es sich doch um ausgedehnte Parkanlagen mit Musik, Kindern beim Sporttreiben und einem schönen See. Der perfekte Ort also, um die Seele baumeln zu lassen. Trotzdem war es wieder einmal nicht Roppongi. Es muss doch möglich sein, den richtigen Ort zu finden! Also ging es wieder los und diesmal fanden wir wirklich unser Ziel. Auf einer Terrasse befand sich Roppongi Hills. Hochhäuser mit Bepflanzung, überteuerten Geschäften und vielen Anzug tragenden Besuchern. TV-Asashi hat hier auch seinen Standort und plante gerade ihre Live-Übertragung des Tages. Es gab zum zweiten Mal an diesem Tag ein Livekonzert. Das erste Konzert erlebten wir in Shibuya, wo eine japanische Boyband ihre neue CD vorstellte.

Roppongi war endlich gefunden, was blieb also noch groß zu tun? Nichts, also hieß es zurück zur U-Bahn. Hätten wir mal jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Wir kamen schon wieder vom Weg ab und erst knapp 8 Kilometer weiter südlich fanden wir endlich eine U-Bahn Station. Dennis Beine protestierten schon langsam und ich war auch schon genug durchgeschwitzt. Knapp zwanzig bis fünfundzwanzig Kilometer an einem ruhigen und viel zu heißen Tag waren wirklich nicht vorgesehen! Es war auch wirklich nicht geplant, aber immerhin haben wir einige unbekannte Ecken von Tokyo gesehen. Zur Beruhigung sei aber gesagt, dass derartiges Pech sehr ungewöhnlich ist. Zukünftige Gäste brauchen keine Angst haben, normalerweise finde ich den Weg. So hat man aber auch lustige Dinge gesehen, wie der Tempel, wo ein Kinderbasketballkorb aufgestellt war oder der Taxifahrer, der bei laufendem Motor in seinem Taxi einen kleinen Mittagsschlaf hält. Nebenbei hat Tokyo auch wirklich seine schönen Ecken. Morgen werden wir uns aber trotzdem bemühen, nicht ganz so viel zu rennen.

Ausdauertraining und hohe Temperaturen – Tokyo Trainingscamp

Was wurde nur im Hause Guntern die letzten vier Jahre angestellt? Es ist nicht zu bestreiten, dass Dennis Armmuskulatur in der letzten Zeit erheblich zugenommen hat, aber an der Ausdauer, die er noch vor vier Jahren in Japan vorzuweisen hatte, mangelt es schon. Vermutlich muss sein Trainingsprogramm mal leicht umgestellt werden. Mal schauen, ob das Reik-Trainingsprogramm da nicht aushelfen kann.

Nein, Spaß bei Seite. Unser heutiges Ziel hieß Odaiba. Das ist eben jenes Hafengebiet, das ich vor seiner Ankunft schon einmal bereist hatte, aber mangels Fotoapparat nicht verewigen konnte. Das Wetter lud auch förmlich dazu ein, das Tokyo vorgelagerte Gebiet zu erkunden. Hohe Temperaturen und kaum Wind machten Tokyo heute zur Dunstglocke.

Gesagt, getan und mit der Einschienenbahn raus auf die Insel gefahren. Zu Fuß überquerten wir im Anschluss das ganze Gebet, bis es, sehr zu meinem Ärger, nicht mehr weiter ging. Zu gerne wäre ich über die Rainbow Bridge zurück nach Tokyo gegangen. Es gab aber auch so genug in Odaiba zu sehen. Am Fuji-TV-Gelände gab es gerade ein großes Festival. Irgend welche Girlbands sorgten für Stimmung und viele Japaner, besonders mit Kindern, schauten sich das Spektakel an. Dabei konnte Dennis auch das erste Mal Bekanntschaft mit den örtlichen Sicherheitsdiensten schließen. Trotz freundlichem „Fotos Verboten“ einschließlich der entsprechenden Geste, ließ er sich nicht beirren und schoss mit Ausländerbonus noch einige Fotos. Ehe der Sicherheitsdienst ihn dann zum Löschen der Bilder zwingen konnte, schaffte ich es, ihn in dem Gewühl der Menge wegzuziehen. Ein Hoch auf den Ausländerbonus und dank seines Einsatzes, haben wir sogar einige Bilder des Spektakels. Nebenan befand sich ein riesiges Einkaufszentrum. Wieso dort aber Nationalmannschaftstrikots mit der Nummer 86 und Hello Kitty als Beflockung verkauft wurden und auch noch weggingen wie warme Semmeln, will ich lieber gar nicht wissen. Das kann ruhig für ewig Geheimnis der Japaner bleiben.

Wirklich sehenswert war aber der Strand Green Tokyo. Green Tokyo ist eine Freifläche, die immer für verschiedene Attraktionen genutzt wird und sich besonders durch eine malerische Lage mit Blick auf die Rainbow Bridge und Tokyo auszeichnet. Letztes Jahr beheimatete das Gelände so zum Beispiel eine zwanzig Meter hohe Roboterstatue, die zu Ehren des dreißigsten Jubiläums einer TV-Show aufgestellt wurde. Dieses Jahr war es leider etwas langweiliger und nur irgend eine Hello Kitty Figur mit anderen befand sich im Wasser. Wirklich beeindruckend war das nicht und wirklich Japaner, was habt ihr nur mit dieser komischen Figur? Dafür gab es halt einen Strand und kühles Wasser. Kühles Wasser? Das muss ich jetzt aber zurück nehmen. Das Wasser war so warm, wie die Luft draußen. Das hielt uns aber nicht davon ab, ein wenig im Wasser zu laufen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass bis auf wenige Ausnahmen eigentlich nur Kleinkinder im Wasser waren.

Nachdem wir keinen Weg zurück nach Tokyo fanden, musste es halt doch der Zug sein. Da aber noch viel Zeit war, wollten wir wenigstens noch ein wenig sehen und gingen spazieren. Zwei Stadtviertel weiter fing mein Begleiter plötzlich an, sich über lahme Füße zu beschweren. Ich meine, so weit war das nun auch wieder nicht. Die Jugend von heute kann auch gar nichts mehr ab! Nein, für den zweiten Tag seit unserer Ankunft, haben wir es eventuell wirklich übertrieben und haben dementsprechend auch nur noch ein Restaurant gesucht, um den Tag ausklingen zu lassen. Eigentlich hätten wir auch mindestens drei Mal unsere T-Shirts und Hemden wechseln müssen. Wir beide sahen aus, als ob wir einen Marathon hinter uns hatten. Allgemeiner Tipp für alle zukünftigen Gäste, lieber ein T-Shirt zu viel als zu wenig mitbringen! Dafür, dass er ein wenig aus der Übung ist, hat sich Dennis aber sehr gut geschlagen. Nebenbei kann er sich auch als Paparazzo verdingen. An jedem noch so unbedeutenden Haus blieb er stehen und startete eine neue Fotoserie. Ich bin ja schon schlimm mit der Kamera, aber er übertrifft mich noch um Längen. Unsere Fotovorstellabende werden dementsprechend fürchterlich – das nur als kleine Vorwarnung.

Verlustbeseitigung, die Erste

Die Kamera ist tot, lang lebe die Kamera. Der heutige Tag stand komplett unter diesem Motto. Nachdem der Fuji-San meiner Kamera doch zu viel Schaden zugefügt hat, blieb mir eigentlich nur eine Möglichkeit, eine neue besorgen. Viel zu häufig habe ich die letzten beiden Tage das Fehlen der Kamera verflucht. Zu meinem Glück befinde ich mich gerade in Tokyo. Wo sollte es besser möglich sein, einen Elektronikgegenstand auszutauschen, als in Akihabara, dem Mekka der Anime- und Technikfreaks. Dementsprechend ging es heute früh mit Dennis auf nach Akihabara. Viel zu viele Läden warteten darauf, von uns erobert zu werden.

Die Größe einiger der Läden war förmlich unbeschreiblich. Acht Etagen, jede so groß wie ein Elektronikladen in Deutschland, sind schon beeindruckend. Nebenbei: man findet wirklich alles. Laptops mit 3-D-Displays genauso, wie durchsichtige Waschmaschinen oder halt tausende Kameras. Passenderweise kann der Preisunterschied zwischen den Läden schon mal hundert Euro betragen, dementsprechend sollte man auch wirklich vergleichen. Dies erschwerte mir aber auch gleich die Suche, weil ich nicht wusste, was gut ist und was ich eigentlich wollte. Dementsprechend lang ging die Suche, immer wieder unterbrochen von kurzen Besuchen in anderen Läden, meist dem Thema Anime zugeordnet. So wirklich gewollt waren die Besuche von uns zwar nicht, bei der bulligen Hitze heute stellten sie aber die einzige Überlebensmöglichkeit dar. Immerhin ist jeder noch so kleine Laden mit Klimaanlage ausgestattet.

Langsam kristallisierte sich eine Vorentscheidung bei der Kamerafrage heraus. Die endgültige Benachrichtigung meiner Informanten aus Deutschland, bei denen ich mich hiermit noch mal herzlich bedanke, über die Kameras, stand aber noch aus. Was soll man also machen? An allen Ecken standen Damen in Dienstmädchen-Uniformen herum und verteilten Flyer. Angeboten wurden Massagen, Rollenspiele und auch Cafébesuche. Cafébesuche? Da waren doch Geschichten von Daniel in meinem Hinterkopf gespeichert! Worte wie „seltsam“, „Erfahrung“ und „durchaus lecker“ waren irgendwo abgespeichert. Da Dennis sich schon einen neuen Rucksack gekauft hatte und ich noch wartete beschlossen wir, uns das Ganze anzutun. Es war wirklich eine Erfahrung: Ein Café – komplett auf süß gestaltet. Ellenlange Regeln, sehr zu Dennis Unfreude z.B. kein Betatschen der Kellnerinnen und keine Fotos, galt es zu beachten. Wir bekamen zwar nur die Hälfte des Services mit, da wir sie mit Englisch überforderten. Interessant war es aber allemal, wenn wir wegen der Peinlichkeit nicht gerade in den Boden versinken wollten. Wenigstens war der Kuchen nicht schlecht und es gab ein Foto mit der Kellnerin. Das von Dennis findet man jetzt immerhin in seiner Geldbörse. Aber schon das Anrichten des Kuchens war elegant. Mit Hilfe der Soße wurden Figuren gemalt und alles kunstvoll hergerichtet. Ob wir uns das allerdings nochmal antun würden, ist aber ziemlich fragwürdig. Immerhin überforderten wir zur Verabschiedung noch einmal die Damen. Die letzte Kellnerin fragte uns nach unserem Namen. Ihr Name war Reika. Dass ich Reik heiße, wollte und konnte sie sich nicht vorstellen.

Nachdem dieses Schauspiel überstanden war, ging es endlich zum Kamera kaufen. Jetzt fühle ich mich wieder wie ein halber Mensch. Jetzt noch zwei Laptops und ich habe wieder den Stand, den ich vor Japan, beziehungsweise vor zwei Monaten hatte.

Zur Feier des Einkaufs beschlossen Dennis und ich noch, den Tag mit etwas Sushi ausklingen zu lassen. Ein Restaurant in Asakusa, unserem Hotelviertel, war schnell gefunden und wir hatten eine geniale Aussicht auf den Fluss. Sushi ist auf jeden Fall ein Highlight hier. Egal, wie man es dreht und wendet, deutsches Sushi ist kein Vergleich zu japanischem Sushi!

Invasion der Mangaverrückten

Er hat es tatsächlich geschafft – Dennis hat den langen Weg nach Japan zum zweiten Mal gemeistert! Bevor es aber soweit war, galt es, noch andere Dinge zu bewältigen. Erst einmal galt es, das Hotel zu verlassen, das ich seit meiner Fuji-Besteigung bewohnt habe. Ich muss sagen, bis auf die Lage war das schon ziemlich angenehm, auch wenn die Zimmer ziemlich klein waren. Wirkliches Manko stellte eigentlich nur das Viertel dar. Da man aber auch später erscheinen konnte und eigentlich im Hotel nur schlafen wollte, ging das alles.

Eigentlich sollte der Tag gemütlich verlaufen. Mein Ziel war es, den Hafen etwas zu besichtigen. Immerhin schaffte ich dieses Vorhaben vor vier Jahren, im Jahr 2006, nicht. Wie sich herausstellte, ist das an sich auch kein Problem. Wirklich verpassen tut man nichts, wenn man ihn nicht kennt, aber schöne Ecken gibt es auch. Besondere Fixpunkte sind unter anderem die Rainbow-Bridge und das Fuji-TV-Gebäude. Letzteres ist durch alle möglichen Japan-Filme berühmt und zeichnet sich durch seine Form aus. Zwei Türme mit einer Kugel in der Mitte und die Brücke – das muss ich mir unbedingt bei Nacht ansehen. Dort wird die ewig lange Brücke in den verschiedensten Farben beleuchtet. Wirklich zum Besichtigen kam ich aber nicht. Vor lauter Schreck musste ich aber feststellen, dass der Hafen überlaufen war. Anhand der Menschenmassen lies sich noch nicht mal der Grund für den Andrang feststellen. Geschäftsleute in Anzügen drängten sich neben Müttern mit Kind und dazwischen liefen Schulkinder und vollschlanke, kaum gewaschene Nerds herum. Wie es sich herausstellte, fand genau heute die Comicket statt. Laut meinen Recherchen handelt es sich dabei um eine der größten Marktveranstaltungen für Comic-Fanartikel. Im Klartext für Japaner heißt das, dass irgendwelche Fans mit Charakteren aus ihren Lieblingsheften neue Geschichten, meist der ab 18 Natur erstellen und dort verkaufen. Genau so sah es dann auch aus. In den Händen sah man Hefte mit ziemlich expliziten Covern, teilweise mit Charakteren, die viel zu jung waren oder in Frauenhänden oftmals Männerbeziehungen als Thema. Besonders meine Nachbarn auf der Rückfahrt waren genial vorbereitet. Sie hatten einen Plan der Halle und alle wichtigen Hefte dort in einen Schlachtplan eingezeichnet. Diese Vorbereitung sah schon ziemlich professionell aus. An wirklich Sightseeing war nicht zu denken, also trat ich den Rückzug an. Man konnte wirklich nirgends unbehelligt langlaufen, überall saßen die Comicfans.

Da ich am Mittwoch versprochen hatte, den defekten Koffer heute noch zum Flughafen zu bringen, war der taktische Rückzug auch kein großes Problem. Falls man mit Japanern ins Gespräch kommen will, kann ich eine der beim Transport verendete Technik auf jeden Fall nur vorschlagen. Entweder man nimmt einen 20-Kilo-Koffer auf die Schultern und transportiert ihn. Dies wird einem die Aufmerksamkeit der Zug fahrenden Frauen einbringen. Mehr für Gespräche geeignet war aber noch mein Wanderstab vom Fuji. Wegen des Hotelwechsels hatte ich ihn notgedrungen dabei. Alle Leute, besonders ältere, sahen sich nun gezwungen, mir ihre Fuji-Geschichten zu erzählen. Auf jeden Fall hatte ich so sehr interessante Gespräche.

Nach dem Transport kam dann endlich Dennis an die Reihe. Aber oh Schreck, auf welchem Terminal sollte er eigentlich ankommen? Offensichtlich hatte er mir die falsche Airline genannt und so war ich auch falsch gefahren. Dank des Verbindungsbusses und den Zollkontrollen schaffte ich es aber noch vor ihm zum Terminal. Nachdem wir unser Hotel bezogen hatten, ging es nur noch schnell zum Supermarkt, Reserven für die nächsten Tage auffüllen. Für wirklich mehr hatten wir dann auch keine Lust mehr, besonders da Dennis immer noch das Schaukeln des Fluges spürte. Genug Japaner haben wir aber schon mit dem Nach dem Weg fragen zur Verzweiflung gebracht. Einer ist uns sogar fünf Minuten zu Fuß gefolgt, nur um uns den richtigen Weg zu zeigen. Morgen kann es dann richtig los gehen.

Sushi mit Meerblick

Wenn man die Leute so hört, muss man der Meinung sein, dass ich gestern gestorben bin. Zum wiederholten Mal habe ich heute einen Anruf von Fuji-Besteigern bekommen. Alle wollten bis dato hören, dass ich total geschafft bin. Komischerweise trifft das aber nicht wirklich zu. Der Abstieg war zwar total nervig und unangenehm, überstanden habe ich es aber anständig. Immerhin freut es mich, dass einige Leute sich Gedanken machen. Mit meinem Hotel in Tokyo kann ich auch zufrieden sein. O.k., die Gegend ist ziemlich menschenleer, dafür brauche ich aber nur drei Minuten bis zum Meer und genieße die Ruhe im ansonsten ziemlich hektischen Tokyo. Mal schauen, wie sich das Ganze dann in Asakusa entwickelt, dem Tempelbezirk.

Trotz allem habe ich den Tag heute etwas ruhiger angehen lassen. Akihabara, das Elektonikviertel, lautete das Ziel. Falls meine Kamera wirklich den Geist aufgibt, wird das der perfekte Ort sein, eine neue zu besorgen. Etwas genervt wäre ich aber schon, wenn sich meine alte nicht erholt. Erst zwei PCs, dann eine Kamera, langsam werden die Verluste unüberschaubar. Akihabara ist auf jeden Fall das Mekka für alle Technikfreaks. Über den Rest gehe ich noch einmal ins Detail, wenn ich in Ruhe mit Dennis da war. Elektronikladen reiht sich an Elektronikladen und sie haben wirklich nur das Neuste. Die Auswahl ist gigantisch und falls ein Besucher zum Beispiel Objektive oder ähnliches suchen sollte, hier wird er fündig. Lustig fand ich auch den 3-D-Laptop. Das ganze Display wird dabei als Projektion etwas näher dargestellt. Wer freiwillig aber die ganze Zeit eine 3-D-Brille tragen will, muss mir erst mal gezeigt werden.

Interessant war ein Café zu einer Animeserie mit riesigen Robotern. Ich weiß nicht warum, aber die Leute rissen sich förmlich, hinein zu kommen. Eine ewig lange Schlange stand meinen gesamten Aufenthalt in Akihabara vor dem Laden und wollte rein. Wieso wüsste ich schon gerne. Ansonsten habe ich mir heute den Luxus eines sehr guten Sushi-Restaurants geleistet. O.k., dass sie Pizza zusätzlich verkaufen war seltsam, geschmeckt hat es trotzdem göttlich. Es gab Sachen, die man in Deutschland noch nie auf einem Sushi gesehen hat und es schmeckte perfekt. Ein absoluter und preisgünstiger Geheimtipp im Tempelviertel. Vermutlich werde ich bei Gelegenheit mal Gäste hinführen. Wieso die Japaner aber auf Deutschland stehen, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Ich habe heute nur zehn T-Shirts mit Aufschriften wie Deutschland – König Europas gesehen. Andere derartige Shirts gab es dagegen nicht. Wenn wir schon in Europa nicht beliebt sind, dann wenigstens in Asien und da nur in Japan.
Sushi

Der weise Mann vom Berg

Wie bekomme ich meine Haare am besten grau? O.k., die Bachelor- und Masterordnung hat manchmal diese Wirkung auf mich, aber das ist doch zu viel des Guten. Aber mit grauen oder weißen Haaren, könnte ich wenigstens meiner Rolle als Historiker gerecht werden und nebenbei nach dem gestrigen Tag auch noch den weisen Mann vom Berg (Vulkan) spielen. Der Fuji-San (nein nicht Fuji-Yama) war den Ausflug auch auf jeden Fall wert!

20.30 Uhr zog unsere mittlerweile auf 11 Leute angewachsene Gruppe los, um den Berg zu besteigen. Zu diesem Zweck wurde auch gleich noch ein Wanderstab gekauft, der auf jeder Etappe eine neue Brandkerbe bekam. Die Glocken, die an diesen Stäben befestigt sind, nerven aber gewaltig und überlebten bei mir keine drei Minuten. Kopftaschenlampen sind nebenbei auch verdammt praktisch zum Bergsteigen! Schon nach 5 Minuten hatten wir die ersten Beiden verloren, nur um dreißig Minuten später auch den Rest aus den Augen zu verlieren. Die einzige Person, die mit meiner Geschwindigkeit mithalten konnte, war Melanie. Ihr Mitkommen sollte sich noch als Glücksgriff erweisen. Neben uns beiden sahen wir von unserer Gruppe eigentlich nur in regelmäßigen Abständen die Franzosen. Wenigstens brauchten wir uns aber keine Sorgen machen, schließlich traf die Wettervorhersage nicht ein. Der Himmel war klar, die Luft frisch und der Boden leicht feucht, so dass kein Staub aufwirbeln konnte. Der Taifun lies uns alle zufrieden und Regen, wie die Tage davor, war auch nicht zu verzeichnen. Nur mit den Temperaturen hatten wir nicht gerechnet. Alle Jungs waren zu leicht bekleitet. Besonders die Franzosen waren nur mit sehr dünnen Pullovern bewaffnet. Ihre weibliche Begleiterin bekam sogar Unterkühlungsprobleme auf dem Weg. Ich opferte meine Strickjacke, um sie wenigstens zur nächsten Station zu bringen und Melanies Intervention brachte mir meine Jacke auch wieder. Die junge Dame blieb im Hotel an der Station. Als wir um 2.30 Uhr die Spitze des Fuji-Sans erreichten, war es auf jeden Fall total kalt und neblig. Wir verpackten uns gut, aber wir froren trotzdem total. Melanie hatte sogar 10 Lagen an Klamotten, aber es half nichts. Die Franzosen versteckten sich sogar auf der Toilette, die beheizt war.

Erst um 5 Uhr, kurz vor Sonnenaufgang, fanden wir eine windgeschützte Stelle und konnten die Spitze des Fujis genießen. Der Sonnenaufgang war malerisch und da mein Fotoapparat aufgrund der Kälte versagte, nahm Melanie extra viel Bilder auf. Anschließend besuchten wir den Krater und schauten uns die atemberaubende Natur Japans von oben an. Im Tempel entspannten wir ein wenig und kamen mit der Natur in Einklang. Nicht wirklich – entspannt war es auf dem Krater aber trotzdem, besonders da viele Gäste nach dem Sonnenaufgang sofort vom Berg verschwanden. Nur auf den Abstieg hätte ich verzichten können. Staubige, rutschige Wege, die sehr auf die Knie und Füße gingen, waren viel schlimmer als das Besteigen des Vulkans. Trotzdem sind sechs Stunden für den 3700 m hohen Vulkan schon eine sehr gute Zeit und den einfacheren Rückweg schafften wir auch dreißig Minuten schneller als vom Planer vorgesehen. Wobei wir das Melanie verdanken, die mich gnadenlos ohne Pause den Berg runter trieb. Es war aber auf jeden Fall ein riesiges Erlebnis und ich kann es allen nur empfehlen. Jetzt muss ich aber erst mal raus bekommen, wie ich meinen Wanderstab mit Markierungen heil nach Deutschland bekomme, ohne dass er als Waffe gilt.

Ach ja: Ich habe gerade noch erfahren, dass es nicht nur die Franzosen entschärft. Eine unserer Japanerinnen litt unter der Höhenkrankheit und musste auch ein Hotel nehmen.

Der Berg ruft

Schlaf ist überbewertet, das wusste schon der alte Napoléon. Also ging es heute um 6 Uhr aus den Federn, um ganz entspannt um 9.30 Uhr am Bus sein zu können. Vorher musste ich mich aber um die koreanische Schokolade vor meiner Tür kümmern. Mein Koreaner gibt sich wirklich noch der Illusion hin, er könnte ein Essensduell gegen mich gewinnen. Der Ausgleich kam gleich in Form von Eis. Auf ging es zum Bus. Busse sind die günstigste Art des Transports. Direktverbindungen gibt es nur mittels Shinkansen. Regionalbahnen machen ihrem Namen dagegen alle Ehre und ermöglichen nur die Kurzstreckenfahrt. Nach Tokyo kann das schon mal 2 Tage dauern. Da sind Nacht- und Tagbusse günstig, bequem und schnell genug.

In Tokyo galt es erst einmal, den Koffer loszuwerden. Wieso darf man eigentlich in das Schließfach keine Toten oder Leblosen hineinstecken? Egal, unsere Gruppe, bestehend aus zwei Japanern, zwei Deutschen, drei Franzosen, einer Kanadierin und einer nicht zuzuordnenden Begleiterin, ist auf jeden Fall interessant zusammengewürfelt. Dafür sorgten wir einem Café für Rekordumsätze, auch wenn die Portionen in Deutschland für Proteste gesorgt hätten und nicht mal als Vorspeise gereicht hätten. In Tokyo erreichte uns auch die Hiobsnachricht, wegen Regen sei ein Teil des Berges gesperrt. Ein Anruf später aber die Erleichterung, es wird nur noch absolut davon abgeraten, es ist aber nicht verboten. Als selbstbewusste Menschen werden wir es also versuchen. Mal schauen, ob es was wird.

So, morgen kann ich dann berichten, ob die Vorbereitung gut war. Alles Wichtige hab ich auf jeden Fall dabei: mehrere Liter Wasser, Proviant, warme Sachen, Kopflampe, Regenponchos und notfalls ein Taschenmesser und Verbände. Die Nachtwanderung kann also starten. Schließlich wollen wir den Sonnenaufgang oben sehen!

Japanische Post vs Reik 1:2

Es ist überraschenderweise doch noch geschehen, Acer hat mir meinen PC zurückgeschickt. So weit, so gut. Ihr Brief dazu war aber der blanke Hohn. Nicht einmal der Laptopname war richtig. Angeblich läuft kein Teil des Gerätes mehr, nicht einmal die HDD. Wenn sich dies bewahrheiten sollte, tut es mir erst mal um die Daten Leid. Es stellt sich dann aber vielmehr die Frage, wie das geschehen konnte. Alle Elektronik kann eigentlich nur ein Kurzschluss beschädigen. Acer veranschlagt auf jeden Fall mehr als 6 Monate für die Reparatur und hat dann noch die Dreistigkeit, sich zu beschweren. Unter dem Rechner befindet sich ein normaler Papieraufkleber, der dank des Alters des Rechners mittlerweile schwerer zu lesen ist. Ohne diesen sei es angeblich komplett unmöglich, die Bauteile herauszubekommen. Die Vorderseite des Rechners hat zwar die komplette Typenbezeichnung, aber damit lassen sich die Bauteile ja nicht herausbekommen – besonders, da ich die Nummern unter meinem Namen online registriert habe. Alles nicht gerade aufbauend.

Egal, wenn Japan nicht kompetent genug ist, halt schnell zur Post damit und es in Deutschland versuchen. Einfacher gesagt als getan. Ich hatte den Laptop schon fast weg, als sie irgendwas mit nein meinte. Schnell die japanischen Freunde per Telefon kontaktiert. Asayama war zum Glück zur Stelle und spielte Unterhändler. Die Post blieb aber hart. Japanische Rechner darf man nicht ausführen, das ist richtig, aber aus unserer Sicht steht nirgends etwas von ausländischen, geschweige von kaputten. Mein Netbook konnte ich schließlich auch nach Deutschland schicken. Alle Argumente wurden aber einfach abgeschmettert. 20 Minuten Unterhandel vergingen, ehe ich den taktischen Rückzug antrat.

Ich wollte es schon ganz aufgeben, als sich meine Geheimwaffe meldete. Kaori wollte es versuchen. Also in ein neues Postamt und Versuch 2 gestartet. Die Kombination hilfloser Ausländer und unschuldiges Mädchen funktionierte. 5 Minuten später hatten wir den Rechner versendet und ich war um einen Brieföffner reicher. Wieso? Keine Ahnung, aber vermutlich sah ich so bedürftig aus. Ich hätte große Lust, noch einmal in das erste Postamt zu gehen, aber zum Glück habe ich morgen keine Zeit. Den Rest der Zeit verbrachte ich dann mit Shoppen für morgen. Ich stellte mich zwar ziemlich dämlich an, nach Anregungen einiger manchmal weisen Leute, hatte dann aber die ganze Ausrüstung zusammen. Also bis morgen an gleicher Stelle, wenn es heißt: der Berg ruft.

Semi- oder Twinraum?

Ich frage ja noch mal in meinem Büro nach Hilfe! Typisch Japaner! Aber der Reihe nach: Mit Schrecken rast die Uhr immer weiter auf Mitte August zu. Dennis zugegeben ziemlich kurzfristige Ankunft steht vor der Tür. Auf der einen Seite weiß ich von seiner konkreten Aufenthaltsdauer noch nicht all zu lange etwas und zu allem Überfluss ist der Laptop auch fast seit genau dieser Zeit im Eimer. Nebenbei hat mir mein Anruf bei Acer heute auch nichts, außer 30 Minuten bezahlte Warteschleife, eingebracht. Nicht nur Servicewüste Deutschland sondern manchmal auch Japan. Egal, morgen dann auf ein Neues!

Egal, zurück zum Thema und lange Rede, kurzer Sinn: Ich bekam langsam Panik, was ich mit Dennis unternehmen kann und wo wir wohnen werden. Also habe ich mir gestern den Weg mit Hilfe der Handymail ausgedacht, übrigens eine sehr nützliche Handyerweiterung. Heute wurde dann mein zweiter Advisor gefragt, mir bei der Hotelsuche zur Hand zu gehen. Er war auch sehr sehr bemüht, mir zu helfen. Er fand auch ziemlich viele billige Zimmer, aber nur mit Ehebetten. Das knackste an seiner Ehre. Viel überraschender war aber noch, dass er diese Lösung auch gar nicht ins Auge fassen wollte – ich wolle ja schließlich keine neuen Erfahrungen machen. Gefolgt von einigen weiteren Kommentaren in die Richtung, dass man einfach um Geld zu sparen dieses Zimmer nehmen könnte, ohne Hintergedanke, war natürlich total abwegig. Zum Glück fand er nach ewiger Suche doch noch ein normales Zimmer. Sendai und die anderen Ziele sind dann kein Problem mehr. Nur halt Tokyo ist während seines ganzen Aufenthaltes ausgebucht. Die Witze meines Advisors haben mich dagegen überrascht aber schließlich ist das Ganze hier noch ein Tabuthema, da kommt so etwas schon mal vor.

Ansonsten bin ich total geschafft. Kurz vor 11 Uhr bekam ich den Hilferuf einer Bekannten. Sie muss den Nachtbus erreichen und der Koffer will nicht mehr so. Es war tatsächlich ein Reifen abgefackelt. Also schnell den 15-Kilo-Koffer gebuckelt und los gings. Wir kamen gerade noch rechtzeitig an. Die Frage ist nur, wieso gerade meine Wenigkeit die Hilferufe bekommt. Egal, ich konnte helfen und meine Rückenbeschwerden lassen auch langsam nach. Wenigstens einer gute Tat vollbracht!