Der Hauptcampus kann schon manchmal etwas seltsam sein. Diese Ansicht wird vor allem von den Leuten vom Bergcampus bestätigt. Ja, wie schon in Göttingen, gibt es auch in Sendai eine strikte Trennung der Naturwissenschaftler und der Geisteswissenschaftler. So gibt es wenigstens keine Probleme bei den „normalen“ Studenten, wenn oben auf dem Berg mal wieder ein Experiment schief gegangen ist. Eine Sache ist aber auf dem Hauptcampus angesiedelt, die verschiedenen Clubs. Als ich heute um 20 Uhr das Büro verlassen hatte, hörte ich plötzlich komische Gesänge und fühlte mich wie im siebten Himmel. Das waren doch wirklich Anfeuerungsrufe! Anfeuerungsrufe, das muss doch auf eine Sportveranstaltung hinweisen. Also, los ging die Suche. Überraschenderweise kamen die Anfeuerungsrufe aber nicht von einem Sportplatz, sondern aus einem Park. Als ich die Quelle endlich lokalisieren konnte, stellte sich heraus, dass der Anfeuerungsclub der Tohoku Universität gerade Training hatte. Gut, ich sehe ja ein, dass Cheerleader trainieren müssen, aber das war schon ein ziemlich kurioses Bild. Der Vorsänger stand vorne und gab Anweisungen, in welcher Situation sich das imaginäre Team gerade befand. Die Sänger mussten dann das passende Lied vorsingen. Hier in Japan ist man halt lieber vorbereitet. Der Club muss laut meinen Informationen auch bei jedem Sportturnier teilnehmen. Eine Schande, dass neue Lieder erst im Stadion getestet werden oder dass jemand etwa falsch anfeuert, muss schließlich verhindert werden. Für den Außenstehenden sah es aber trotzdem sehr kurios aus, wie sie auch mitgegangen sind. Als besonders kurios empfand ich aber eine Liste, die jedes Mitglied bekam und die die Standard-Liedreihenfolge während eines Spiels angab. Nur im größten Notfall soll an die Situation angepasst werden.
Ansonsten war ich heute Anschauungsobjekt im Büro. O.k., das bin ich ja öfter, aber heute gab es einen besonderen Fall. Ein ehemaliger Student kam vorbei, um seine alten Professoren zu besuchen. Dadurch, dass ich neben einem Japaner der einzige Anwesende war, fragte er mich erst mal vollständig aus. Er war sehr begeistert, einen Deutschen zu treffen und bedauerte, dass es so was zu seiner Zeit nicht gab. Er erzählte mir dann auch Geschichten aus der Vergangenheit im Büro, wo Deutsch noch eher als heute gesprochen wurde. Eigentlich stimmt das aber nicht wirklich. Dank Shimizu wird jetzt andauernd Deutsch gesprochen. Seitdem er versucht, mich überall mit einzubinden, gibt es für alles, auch das, was ich verstanden habe, eine deutsche Übersetzung.