Mein zweiter Advisor hat eindeutig keine Fantasie. Ich meine, wem würde schon auffallen, wenn Shimizu und ich die Plätze tauschen würden. O.k., ich müsste etwas gebückter laufen, meine Haare abschneiden, besser Japanisch sprechen und irgendwie asiatischer aussehen, aber das sind wohl nur kleinere Details. Aber der Reihe nach:
Heute standen Prüfungen in der Fakultät an und dementsprechend nervös waren alle Beteiligten. Shimizu fragte gleich bei der Begrüßung, ob er anstelle eines Wörterbuches nicht gleich mich mitnehmen dürfte. An sich keine schlechte Idee, besonders wenn ich ihn dann bei meinen Prüfungen mitschmuggeln dürfte. Da diese Pläne aber nicht in die Tat umgesetzt werden konnten, musste er es alleine versuchen. Da aber feststand, worüber die Prüfung stattfinden wird, habe ich ihm wenigstens bei den vermutlichen Fragen geholfen, schon mal anständige Antworten im Kopf zu haben. Das sollte seinen Noten auch auf jeden Fall geholfen haben. Die anderen machen dementsprechend schon Witze über unsere Lerngemeinschaft, aber solange es hilft, soll es uns egal sein. Später kam dann auch noch sein Professor mit der Parodie zu mir und berichtete überschwänglich über die geniale Idee und Umsetzung Shimizus. Mir blieb aber fast die Luft weg, als er Shimizu das gleiche mit einem Kafka-Text seiner Wahl vorschlug. Zum Glück war er auch nicht so begeistert. Ich sehe mich schon in einer Nachtsession Kafka verändern. Können die nicht wenigstens mal anständige Schriftsteller drannehmen? Ich verstehe ja, dass Schreyer nicht auf der Liste ist, aber wenigstens aus Goethe könnte man noch etwas Anständiges machen, aber doch nicht immer Kafka. Der hat doch manchmal noch nicht mal selber verstanden, was er geschrieben hat.
Ansonsten habe ich heute endlich verstanden, warum die Japaner kein Auto fahren können. O.k., vermutlich haben sie auch wirklich kein Talent dafür, aber es gibt eine stark erschwerende Sache. Seit Jahren wird hierzulande eine Abart von DVB-T betrieben, die alle Sender empfangbar macht, ohne Kabel. Dementsprechend beliebt sind auch Handys mit Fernsehfunktion. Als ich heute im Dunkeln so an den Ampeln stand, wunderte ich mich anfangs, dass fast jeder Autofahrer sein Navigationsgerät angestellt hatte. Weit gefehlt! Nicht das Navigationsgerät leuchte da auf der Mittelkonsole, sondern Minifernseher. Während man an den Ampeln steht, wird einfach ferngeschaut. Kein Wunder also, wenn die Anfahrten oder das Bremsen manchmal etwas holprig sind. Man konnte gut beobachten, wie beim Bremsen mal schnell das Programm oder die Lautstärke geändert wurde. Man könnte ja etwas verpassen. Wundern tut mich an den Fahrstilen jetzt auf jeden Fall nichts mehr. Aber man muss sagen, das ist typisch Japan und genau das, was man von ihnen erwartet, technikverrückt bis zum Ende.