Das 24-Stunden-Paradigma und die Buchläden

In was für einem Land lebe ich, wo es an einem Sonntag keinen Sport gibt? Da es außerhalb von Sendai aufgrund von übermäßigem Schneefall immer noch Probleme gibt blieb mir nichts anderes übrig, als meinen Tag in der Stadt zu verbringen. Zu meiner Überraschung war mit meinen Freunden aber leider auch nicht zu rechnen. Alex ist nach dem gestrigen Tag immer noch nicht so wirklich fit, Victoria ist beschäftigt, die Japaner sind auch nicht topfit und Orsolya sollte sich so langsam mal um ihre zukünftigen Wohnmöglichkeiten kümmern. Beide Wohnheime haben den entscheidenden Nachteil, dass sie nur für einen einjährigen Aufenthalt ausgerichtet sind. Für den normalen Austauschstudenten stellt ein Jahr natürlich kein Problem dar. Aber für die anderen Studenten bedeutet dies, man muss sich eine normale Wohnung besorgen. Wohnungen in Japan tendieren aber dazu, extrem teuer zu sein. Da Orsolya es nun verplant hat, Ende des letzten Jahres nach einer Wohnung zu suchen, muss sie sich ranhalten, um noch eine relativ günstige zu bekommen. Da in Japan aber alles nach Jahren abläuft, wird die Sache für sie nicht einfacher. Egal ob im Sport oder in der Schule, alles beginnt im April und hört spätestens im Februar auf. Demzufolge wird die Stadt bald von neuen Studenten überflutet und der Wohnraum noch knapper, als er jetzt schon ist. Aus diesen Gründen war aber natürlich mit ihr heute auch nicht zu rechnen. Keiner hatte also Zeit oder war in der Lage, irgend etwas zu unternehmen.

Kein Problem für mich. Mein Fahrrad wollte sowieso einmal wieder Auslauf haben und dazu kommt noch der geniale Umstand, dass in Japan Sonntags die Geschäfte geöffnet sind. Also ging es zu einer kleinen Radtour um die Stadt. Das Wetter in Sendai war dazu mild, also optimal für eine Tour. Auf dem Weg machte ich natürlich auch mal halt, so zum Beispiel bei einem Buchhandel, der gerade neu eröffnet hatte. Bücher sind hierzulande ziemlich bedeutend, auch wenn sich der Markt stark von Deutschland unterscheidet. Hinter den USA hat Japan sogar den zweitgrößten Buchmarkt der Welt. Um diesen zu festigen, werden in Japan verschiedenste Techniken eingesetzt, die in Deutschland undenkbar wären. Die überraschendste dabei ist vermutlich die Qualität des Papiers in Zeitungen und Büchern. Gerne verwenden japanische Verlage Papier von mangelhafter Qualität, mit dem sich in Deutschland nie Bücher verkaufen würden. Durch das schlechte Papier erreichen die Verlage aber gleich mehrere Ziele. Zum einen werden die Bücher und Zeitschriften billiger, was sich im Absatz bemerkbar macht und gleichzeitig werden sie nach einmaligen Lesen oftmals entsorgt, so dass das für Verlage problematische Zweitlesen unterbunden wird. Als Ausländer ist man aber trotzdem immer wieder über die schlechte Qualität überrascht. Zwei weitere große Unterschiede umfassen dagegen den Zeitungsmarkt und den Mangamarkt. Es gibt hierzulande viele wöchentliche Zeitungen, die mit Comics künstlich gefüllter erscheinen als sie sind und außerdem werden die Kunden mit Geschenken geködert. Eine Zeitschrift über die letzte Saison von Vegalta? Kein Problem – und als Zugabe gibt es gleich noch ein Vegaltahandtuch. Modezeitungen kommen natürlich mit Handtaschen, Kosmetiksets und dergleichen. Eins ist aber auf alle Fälle sicher, eigentlich jede Zeitung verfügt über eine Beigabe, die teurer ist, als der Inhalt der restlichen Zeitung, der sie beiliegt. Der Kunde freut sich auf jeden Fall und die Zeitschriften sind der Renner. Auf der anderen Seite ist dazu noch der Comicmarkt in Japan explodiert. Das Segment des Buchladens, das mit Mangas gefüllt ist, ist größer als das mit normalen Büchern. Egal was man sucht, man findet den passenden Comic dazu. Sogar Erklärbücher, wie einen Guide über Kindererziehung, kann man in dieser Form finden.

Am beachtlichsten fand ich aber wie immer eine Sache: In Japan gibt man bevorzugt die Zeiten in 12-Stunden-Schritten an. Einige Läden wollen es den Ausländern aber einfacher machen und deshalb geben sie die Zeit mittels 24-Stunden-System an. Die Frage ist nur, wie wendet man es richtig an und wie wird der Wechsel von Mitternacht zum nächsten Tag am besten dargestellt? Die Japaner haben auf diese Frage eine einfache Antwort entdeckt, sie geben die Zeit nach Mitternacht einfach als nachfolgende Zeit an. Ein Uhr schließt der Laden? Kein Problem kurzerhand wird 25 Uhr an die Tür geschrieben. Ich muss ehrlich sagen, diese Zeitangabe finde ich schon etwas seltsam. Aber wenn sie es so besser finden, von mir aus!

So verbrachte ich auf jeden Fall meinen Tag. Auf dem Rad im Außenbereich der Stadt Sendais, die Stadt halb umqueren und dabei immer mal Rast zu machen, wo ich etwas Interessantes sah. Die frische Luft tut gut, ist gesund und hilft mir gleichzeitig, für meine Forschungen einen freien Kopf zu bekommen. Was will man mehr? Oh: als Fahrradfahrer eine Warnung, wenn die Stadtstraße, auf der man sich gerade befindet, sich plötzlich in eine Schnellstraße ändert. Überall rasten sie und auf einmal wurde mir klar, was falsch war. Zum Glück fand ich schnell einen alternativen Weg, der Schreck saß trotzdem tief in meinen Knien. Trotzdem hat sich die Fahrt sehr gelohnt.

Sightseeing mit einem deutschen Tourführer

Es wird Zeit für ein gesünderes Leben. In Sendai geht momentan eine Magen- und Darmgrippe um und ehe ich freiwillig wieder in den Kontakt mit dem japanischen Arztsystem komme, sollte ich lieber noch besser auf meine Gesundheit achten. Eigentlich hätte dieser Plan auch wunderbar funktioniert, denn heute war eine Tour raus in die Natur geplant. Dieser Plan wurde aber von meinen Mitstudenten kurzfristig torpediert, indem keiner rechtzeitig aufstehen wollte. Aufgrund des gestern Nacht eingesetzten Schneefalles, der die Züge schon behinderte, entschieden Alex und ich nicht nach Yamadera zu fahren und die gesamte Planung zu verschieben. Was sollte man aber jetzt machen? Zuhause rumsitzen war schon mal keine Option und mit dem Zug wollten wir jetzt auch nicht mehr los. In Sendai gibt es aber schließlich noch genug Sehenswürdigkeiten, die Alex noch nicht kennt. Wir griffen zu einer Sendaikarte und zeigten blindlinks auf einen Punkt. Wie der Zufall es wollte, handelte es sich um Sendai Castle und wir machten uns auf den Weg, doch noch etwas vom Tag zu haben.

Womit ich nicht gerechnet habe, war Alex Gesundheit. Er ist immer nicht ganz so zügig wie ich mit dem Rad unterwegs und bevorzugt den Bus. Durch die fehlende Übung ist er deshalb auch um einiges langsamer als ich und er nörgelt auch gerne mal schon bei den leichtesten Steigungen. Daran gewöhnt man sich aber schnell und er wollte ja auch mit. Von daher fuhr ich vor und wir legten die erste Teilstrecke zurück. Wer konnte auch ahnen, dass ihm auf einmal schlecht wird und er sich auf halber Strecke übergibt? Noch sah es zu diesem Zeitpunkt aus, als ob er etwas Falsches gegessen hatte, so dass wir weiter unseres Weges gingen. Sein Fahrrad übernahm ich für die Teilstrecke und schon kurze Zeit später erreichten wir die Spitze und Alex ging es auch schon wieder um einiges besser. Aufgrund des Schneefalls gestern war heute der Himmel fast wolkenfrei, so hat sich die Tour auch ziemlich gelohnt. Kurzerhand gaben wir ein paar Japanerinnen unsere Kameras und ließen uns ablichten. Offensichtlich machten wir damit genau das, was sie wollten, denn kurze Zeit später konnte ich aus der Entfernung ein Raunen vernehmen, über die gut aussehenden Gajins. Offensichtlich hatten wir Eindruck hinterlassen, auch wenn ich mich erst mal nach anderen Ausländern umsah. Dementsprechend hatten wir Gesprächspartner gefunden und unterhielten uns noch ein wenig mit ihnen, soweit unsere Japanischkenntnisse es zuließen.

Wo es hoch geht, geht es aber auch wieder runter und wir standen vor der schwierigen Frage, wie wir das bewerkstelligen sollten. Nach einiger Beratung setzte ich mich mit meinem Abenteurergeist durch. Die Fußwege waren nicht gestreut und glatt wie sonst etwas, so nahmen wir die Räder und heizten die normale Straße runter. Alex schien das gar nicht geheuer, aber mit geschlossenen Augen und vollem Vertrauen ins Rad ist schließlich alles möglich und wir erreichten irgendwie die untere Etage.

Kurzerhand ging es in die Innenstadt, schließlich ging es Alex wieder besser. Eigentlich wollten wir mit einigen Japanern ins MafuMafu, aber leider sagten die alle wegen Krankheit ab. Kein Problem für uns. Wir gingen etwas essen und für den ersten Besuch des Jahres zu Thomas. Der Besuch sollte sich lohnen, auch wenn Alex wegen seiner wieder einsetzenden Krankheit kurz nach seiner Ankunft schon nach Hause musste. Ich hoffe, ihm geht es bald wieder besser und wünsche ihm gute Besserung. Dafür war das MafMafu auch so gut gefüllt. Nach persönlicher Begrüßung mit Umarmung durch das gesamte Personal stellte sich schnell heraus, dass Thomas für Mittwoch jemanden sucht, der seine Heimatstadt an einer japanischen Schule vorstellt. Moment, dass kenne ich doch. Ein „hoch“ auf meine Informanten aus Deutschland, davon hatte ich doch schon mal von Daniel gehört! Daniel geht sogar soweit, das Ganze als eine seiner besten Erfahrungen in Japan darzustellen. Unter solchen Voraussetzungen kann ich doch nicht fehlen! Keine Frage also, dass ich mich anmeldete. Magdeburg mit seinen Halbkugeln und seinem Fußballverein vorstellen ist doch das Einfachste für mich und sollte auch auf Englisch leicht machbar sein. So lernen die Schüler wenigstens einmal wichtige Städte kennen. Sollte ich wider Erwarten doch Japanisch benötigen, habe ich natürlich immer noch genug potentielle Übersetzer, die mir beim Vorbereiten helfen können. Dass ich dafür auch noch bezahlt werde, macht die ganze Sache noch besser. Damit hatte sich der ganze Abend für mich natürlich schon gelohnt. Es wurde aber noch besser. Ein Ire fand Gefallen an der europäischen Runde und auf einmal hatte ich ein Freibier von ihm vor mir stehen. Da sage ich natürlich nicht nein und da diese Runde sehr auffiel, suchten noch ein paar japanische Rentner unsere Gesellschaft. Wer braucht schon Tandempartner, wenn er auch so sehr schnell Gesprächspartner findet? Dass die Rentner Magdeburg und die Halbkugeln kannten, hat sie mir natürlich noch sympathischer gemacht.

Donto Sai

Wir schreiben den 14. Januar 2011 und befinden uns im schönen Sendai. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ist es allen viel zu kalt und die Handschuhe und warmen Unterhosen in fast allen Geschäften sind ausverkauft. Die ganze Stadt friert. Die ganze Stadt friert? Nein, eine kleine Schar unermüdlicher Japaner steht in der Innenstadt in kurzen Hosen und mit einem fast freien Oberkörper bereit. Im Mund einen Glückswunsch und in der Hand eine Gabe und eine Glocke oder eine Lampe. Was konnte dieses Schauspiel, heute 16 Uhr auf den Straßen der Stadt, nur schon wieder bedeuten? Wirklich sicher war ich mir aber nicht, ob mich wirklich diese Frage beschäftigt oder ob es nicht viel mehr noch die Frage ist, warum mich so ein Schauspiel auf den Straßen der Stadt mittlerweile auch nicht mehr überraschen kann.

Zurück im Büro erleuchtet mich eine kleine Internetsuche dann aber doch recht schnell. Es handelte sich um die ersten Vorbereitungen für das sogenannte Donto Sai Festival. Das ist ein in Sendai berühmtes Festival, das jedes Jahr am 14. Januar stattfindet. Ziel des gesamten Festivals stellt es dar, auf einem großen Scheiterhaufen die Neujahrsgestecke und Talismane des letzten Jahres zu verbrennen. Die Tempelindustrie in diesem Land ist natürlich auf der höchsten Stufe des Kapitalismus angelangt. Einen Talisman zu verkaufen, der das ganze Leben reicht, wäre ja finanziell unangebracht. Aus diesem Grund wird kurzerhand erklärt, dass die Talismane nur ein Jahr funktionieren, genau wie die Neujahrsgestecke. Um ihre Wirkung nun ein letztes Mal zu beschwören, opfert man sie auf dem Scheiterhaufen und erbittet Gesundheit, Glück, wirtschaftlichen Erfolg und andere Dinge, die man fürs Leben benötigen kann. Aus diesem Grund müssen die Bittsteller demütig in leichter Bekleidung an dem Scheiterhaufen erscheinen, ihr Opfer bringen und sich dann im Tempel weihen lassen. Wo man sich jetzt als Deutscher seinen Teil über derartigen Aberglauben denken mag, sieht das Ganze in Japan schon etwas anders aus. Offiziell glaubt man zwar auch nicht wirklich daran, schaden kann es aber auch nicht. Dementsprechend schickt jede Firma Vertreter zu dem Feuer am Osaki-Haschiman Schrein, um für das Wohlergehen der Firma im neuen Jahr zu beten. Natürlich machen das nicht die Chefs alleine, sondern die jüngsten Angestellten, offiziell wegen ihrer Gesundheit in der Jugend, in Wahrheit nur, weil sich kein Chef so etwas freiwillig antun möchte. Mit rund 10 Millionen Besuchern im letzten Jahr stellt der Osaki-Hachiman Schrein dabei den Schrein mit den meisten Besuchern in Miyagi dar und wie der Zufall so will, liegt die Uni gleich in der Nähe zum Schrein. Warum sollte ich also meinen Tag im Büro verbringen, wenn ich auch sinnvolleres machen kann? O.k., sinnvoll war es schon, da es mal wieder eine Bücherspende an das Büro gab und die Bücher auf uns Studenten verteilt wurden. Alle geschichtsrelevanten Bücher wurden dabei gleich auf mich verteilt. Ein Meyers Geschichtslexikon, wo noch die Sprache von einem Weltkrieg ist, ist auf jeden Fall interessant zu lesen, nur langsam muss ich mir echt Gedanken machen, wie ich die Bücher nach Deutschland bekomme.

Also stand die Entscheidung fest, ich besuche das Fest. Nur mit wem? Shimizu wollte erst mal noch schlafen, die Ausländer später gehen und so bot sich Okada an, dass ich ihn und einige andere treffen könnte. Gleichzeitig rief Rieko an und fragte mich, ob ich hingehen möchte. Bei der Frage Okada oder Rieko verlor Okada dann knapp. Eigentlich aber nur, da Okada sich erst eine halbe Stunde später treffen wollte und wir uns dann der Gruppe anschließen wollten. Auf dem Weg zum Schrein, wurde ich dann aber fast noch ungehalten. Ein junger Halb-Amerikaner/Halb-Chinese, mit dem ich kaum mal etwas zu tun hatte, war der Meinung, sich uns anschließen zu müssen. In diesem Fall wäre es nett gewesen, wenigstens mal zu fragen und insbesondere nicht Rieko mit der Behauptung imponieren zu wollen, wie gut wir beide befreundet seien. Wenigstens liefen wir dabei Alex in die Arme, mit dem ich wirklich befreundet bin. Ignorierte der Amerikaner vorher meine Protesthaltung ihm gegenüber, die mich weiter Deutsch reden lies, hatte er drei deutschsprachigen nun wirklich nichts mehr entgegen zu setzen und verschwand endlich. Okada und die anderen trafen wir nach langer Suche dann auch, die waren aber schon einmal über das Gelände gelaufen, weil sie uns nicht finden konnten und so mussten wir doch alleine weiter.

Zu dem Fest an sich kann man nur sagen: die spinnen, die Japaner. Es war viel zu kalt für die Kleidung und es war total überlaufen. Trotzdem war es sehr lustig. Die Hungrigen konnten an den Buden zuschlagen, am Tempel konnte noch einmal richtig gebetet werden, um den Scheiterhaufen gab es eine riesige Menschenmenge und im engen Bereich um das Feuer sah man die Läufer, die ihre Opfer brachten. Ein interessantes Schauspiel, das aber von dem Wetter beeinträchtigt wurde. Wir entschieden uns, nach Hause zu gehen und zu kochen. Die provokante Frage von Rieko, die selber überhaupt nicht kochen kann, ob ich überhaupt kochen kann, lies Alex und mich zu Küchenchefs mutieren. Dazu wurde noch Nobu eingeladen und es wurde ein lustiger Kochabend – inklusive mehrstündiger Erzählrunde. Dabei wurde Nobu offiziell zu Alex neuem Tandempartner ernannt und Nobu der Gedanke eingeimpft, Deutsch zu lernen. Also war es insgesamt ein sehr erfolgreicher und lustiger Abend.

Fahrstuhlgeschichten

Was ist das eigentlich mit den Japanern und ihren Fahrstühlen? Bekanntlich sind Fahrstühle das einzige mögliche Fortbewegungsmittel, um in eine höhere Etage zu gelangen und sei es nur, um eine einzige Etage zu überwinden. Zwar verfügt jedes Haus über Treppen, aber in Sanjo und auch in der Universität habe ich noch nie jemanden gesehen, der sie freiwillig nutzt. Dieser Punkt mag aber noch keine wirkliche Besonderheit sein. Das Verhalten von Japanern in Fahrstühlen dagegen ist schon besonders. Es beginnt schon damit, den Fahrstuhl zu rufen. Kein Japaner wird freiwillig den normalen Fahrstuhlknopf nutzen, der Behindertenknopf ist schließlich auf einer für Japaner angenehmeren Höhe. Schon vor der Ankunft des gerade gerufenem Fahrstuhls steht der normale Japaner genau zwei Zentimeter vor der Fahrstuhltür und ist bereit loszuspringen. In der Theorie geht dieses Verhalten auch gut und er springt in den Fahrstuhl, um sofort den Knopf für das „Tür aufhalten“ zu drücken. Dann kommen alle weiteren wartenden Japaner geordnet mit einem „danke“ und einer Verbeugung in den Fahrstuhl, bis die Tür mit Hilfe des „Tür schließen“ Knopfes möglichst schnell geschlossen wird, nicht dass noch jemand angerannt kommt. Leider leben wir nicht in einer idealen Welt und sehr zur Überraschung der Japaner befinden sich auch andere Fahrgäste im Fahrstuhl. Diese haben genau die selben Pläne. Mindestens ein Fahrgast, meistens eine Frau, steht am „Tür offen halten“ Knopf, um ihn bei der Ankunft sofort zu drücken, während der zweite Fahrgast schon sprungbereit an der Tür steht, um endlich wieder den wichtigeren Dingen des Lebens nachgehen zu können. Es kommt dann, wie es kommen muss und beide Parteien springen auf einander zu und können gerade noch 2 Millimeter voreinander die Bremsen reinhauen und kommen irgendwie zum stehen. Ein kurzes „Entschuldigung“ mit Verbeugung später geht man getrennte Wege und das normale Ritual kann anfangen.

Das Problem bei der Situation kommt aber zu dem Zeitpunkt, wo ein Ausländer in dieses Spiel eingreift. Wohl wissend über die japanische Eigenheit, aus dem Fahrstuhl zu stürmen, stehe ich extra schon immer etwas seitlich. Aber irgendwie schaffen sie es doch immer wieder, genau in mich rein zu rennen. Kein Problem, der den Japanern angeborene Verbeugungsreflex springt ein und die Sache ist erledigt – sollte man meinen. Wie sich der Japaner nun verbeugt, natürlich Augenkontakt vermeidend, denn das ist bekanntlich etwas schlechtes, merkt er nun, dass irgend etwas verkehrt ist. Richtig, da wo sonst der Bauch des Gegenübers ist, ist auf einmal eine Jeans zu sehen. Und genau in diesem Moment kommt, egal bei welchem Japaner, ein überraschtes Aufstöhnen und manchmal auch ein Ausspruch, den man wohl am ehesten mit „heilige Scheiße“ übersetzen kann. Man könnte also sagen, sie agieren, als ob sie gerade einen Alien gesehen haben, Der Verbeugereflex wird noch einmal verbessert und die Verbeugung wird unter schnellem Abwenden und Suche für die englischen Worte weitergeführt. Wenn ich die gesammelten Aufschreie so höre, muss ich wirklich schrecklich aussehen. Besonders heute war es aber schlimm und dieselbe Geschichte passierte ganze viermal.

Wenn ich nicht gerade Japaner schockiere, verbringe ich die meiste Zeit aber in meinem Büro. Da ich aber nicht nur selbst forsche, sondern den anderen auch gerne mal ein wenig helfe, kam es heute zu einem interessanten Fall. Nachdem ich mich ein wenig mit meinem zweiten Betreuer über einige Änderungen an einem Text von Rieko unterhalten habe, bekam ich noch einmal gesagt, wie dankbar er für meine Tätigkeiten im Büro ist. Egal, ob ich den anderen Studenten Texte schreibe oder vor anderen Professoren versuche, die Taten und Texte einiger Studenten aus deutscher Sicht zu verteidigen, das sind alles Sachen, die er nicht tun muss und deshalb ist er so froh, dass ich gerade da bin. Na immerhin, es kommt nicht oft vor, dass sich Japaner über die Anwesenheit von Austauschstudenten freuen. Normalerweise werden sie eher als arbeitsaufwendiges Übel angesehen, da ist das schon mal eine positive Ausnahme. Ein Beispiel ist der Fall von Carmen, wo ich heute auf den neuesten Stand gesetzt wurde. Man erinnert sich eventuell noch an die Interviewgeschichte, wo ich ein wenig mitgeholfen habe. Wie es aussieht, hat es die Uni in Japan bis heute nicht geschafft, die Unterlagen übersetzen zu lassen und nach Deutschland zu schicken. Praktisch, wenn man eine Masterarbeit ins Haus stehen hat. So wenig Unterstützung, wie sie bekommen hat oder auch die Fälle von zum Beispiel Laura oder David, wo das ganze Büro kaum mal mit ihnen spricht, da habe ich es wirklich besser erwischt. Viel surrealer war aber die Einreichung meiner Auszugsunterlagen. So langsam muss ich an diesen Trauertag ja auch mal denken und so ging es heute in die Wohnheimverwaltung. Alle vor mir wurden mit einem „hier ist der Termin – auf Wiedersehen“ abgespeist. Kaum gab ich die Unterlagen ab, wurde mein Auszug bedauert und ich erst mal ausgequetscht, wo ich denn hinziehe und was ich jetzt mache. Dafür, dass ich mit denen kaum mal was zu tun hatte, habe ich wohl keinen ganz schlechten Eindruck hinterlassen.

Von Haaren und PCs

Ich wusste es doch, ich kann nicht alleine Schuld haben an all den Computerproblemen, die ich in den letzten Monaten hier in Japan zu verzeichnen hatte. O.k., eine gewisse Teilschuld kann man mir bestimmt geben, aber es muss am Land liegen. Ich befand mich heute spät abends gegen 21.30 Uhr noch in der Uni. Man sollte meinen, dass man um diese Uhrzeit seine Ruhe hat. Aber nein, in meinem Büro waren sogar noch Studenten und ich selbst wartete auf Rieko, die im zweiten Büro unserer Fakultät noch beschäftigt war. Plötzlich klingelte mein Telefon und genau aus meinem Nachbarbüro erreichte mich ein Hilferuf von Ulf und einem Franzosen. Die Festplatte des Franzosen wurde im laufenden Betrieb zerstört. Ohne Probleme startete der Laptop von ihm neu und die externe Festplatte wurde nicht mehr erkannt. Kein Problem, er wird ja die Daten noch irgendwo anders gespeichert haben? Nein, natürlich nicht und so wichtig waren die Daten auch gar nicht, aber es hatte auch die Abschlussarbeit des Franzosen getroffen, an der er noch werkelte und von der natürlich keine Kopien mehr existieren. Da hatten wir den Salat. Ulf versuchte alle Hebel in Bewegung zu setzen, um an die Daten zu gelangen, aber nichts half. Jetzt hatten sich beide einen Schlüssel für das Büro geholt und wollten die Festplatte direkt an einen internen Anschluss koppeln und natürlich kam es, wie es kommen musste, nichts funktionierte. Genau deshalb kam ich ins Spiel und musste helfen, alles wieder ins Lot zu bringen. Wir wollten ja schließlich morgen nicht den großen Bericht in der Zeitung haben ?Vandalen zerstören Uni-Computer?! Der Rechner, den sie geöffnet hatten, hatte natürlich den falschen Anschluss und auf einmal funktionierte das Hochfahren des Rechners nicht mehr. Kein Problem, ich bin ja da und in einer Nacht- und Nebelaktion und immer in der Hoffnung, dass kein Mitglied des Büros noch mal vorbeischaut, reparierten wir den Rechner, bei dem sich die Hälfte des Innenlebens gelockert hatte. Die Festplatte blieb zwar tot, doch brachte ich die beiden wenigstens auf Ideen, wie man eventuell noch an die Daten kommen könnte. Auf solche Nachteinsätze habe ich auf jeden Fall weniger Lust. Auffällig ist aber die Tatsache mittlerweile schon, wie schnell hier einige Geräte den Geist aufgeben. Nicht nur dem Franzosen und mir ist das mittlerweile passiert, sondern auch einige andere sind betroffen und immer ohne vorherige Anzeichen. Ich werde wohl mal mit jemandem sprechen müssen, der sich damit auskennt.

Meinen Tag begann ich aber eigentlich weniger mit dem Reparieren von irgendwelcher Uni-Pcs. Erst einmal galt es, ein Paket nach Deutschland zu schicken. Eigentlich sollte das ja kein Problem darstellen, die Postmitarbeiterin handelte aber leider etwas schizophren. Auf der einen Seite sollte ich das Paket gleich beim Abgeben verschließen, nur damit sie es zwei Minuten später wieder öffnete, weil sie die Zolldeklarierung nicht verstehen konnte. Dabei gebe ich zu, dass man als Europäer mit dem Begriff Neujahrspfeil nicht viel anfangen kann, als Japaner sollte das aber eigentlich anders aussehen. Ein Neujahrspfeil ist ein Talisman in Pfeilform, aber ohne Spitze, den man zum Neujahr kauft und der einem das Glück zufliegen lassen soll. So gab es aber einige Verständnisprobleme, so dass sie alles noch mal selber nachschaute. Kein Problem für mich, ich wollte eh los zur Uni, so lies ich sie das alleine erledigen und fuhr zur Tohoku Universität.

Schon auf dem Weg dorthin fiel mir auf, dass es momentan bei japanischen Friseuren ziemlich günstig sein muss. Normalerweise haben fast alle Japaner schwarzes und dickes Haar. Diese Uniformität wird noch dadurch gestärkt, dass man in der Schule und oftmals auch auf der Dienststelle kein Färben der Haare gestattet. Als Ausgleich werden die Haare hierzulande gerne besonders auffällig gestaltet. Noch nicht mal Männer schrecken davor zurück und so sah ich alleine heute drei Männer mit längeren Haaren und dicken Plastikhaarbändern, die in Deutschland wohl gerade so von Frauen getragen werden würden. Ein anderes beliebtes Spiel ist, dank der Haare größer zu erscheinen, so dass mit Gel das Haar so nach oben aufgestellt wird, dass man größer erscheint. Besonders kleine Japaner sind deshalb oft mit derartigen Frisuren zu entdecken. Gefärbt wird das Haar aber natürlich auch. Falls es im Betrieb nicht erlaubt ist, wird das Haar halt nur für das Wochenende geändert und am Montag wieder die Farbe ausgewaschen. Besonders Frauen aber sehen sowieso oftmals jeden Tag so aus, wie in Deutschland Frauen für besondere Anlässe aufgestylt werden. Nachdem ich mich auf der Fahrt zur Uni schon leicht wunderte, begrüßte mich in der Uni gleich Okada-kun. Dieser trägt seit über vier Jahren die Haare länger und hatte auf einmal einen Kurzhaarschnitt. Damit stellt er ein erneutes Opfer der Friseure hierzulande dar. Auch Shimizu hatte das Schicksal hier schon ereilt. Wenn man bei einem Friseur nicht mit einem Foto des gewünschten Haarschnitts auftaucht, sondern nur einfach sagt, ein kleines bisschen kürzer, ist das Haar schon verloren. Eigentlich traurig, bedenkt man, dass ein normaler Friseurbesuch hierzulande ohne Waschen schon mal 50 Euro kosten kann. Für 10 Euro bekommt man dagegen maximal mit viel Glück einen 10 Minuten Friseur, wo einem in zehn Minuten trocken die Haare geschnitten werden. Für mich ist nach den wiederholten Gruselgeschichten jetzt aber auf jeden Fall klar, das Abenteuer japanischer Friseur brauche ich wirklich nicht.

Hier spielt die Musik

Jede Handlung führt zu einer Gegenreaktion. In den meisten Fällen trifft dies eigentlich auf schlechte Handlungen zu, heute gab es aber mal den entgegengesetzten Fall. Shimizu ist ein großer Musikfan. Seine Sammlung an Musikstücken ist dabei fast unschlagbar. Eine ganze Schrankwand voll mit Musik aus aller Welt fand ich vor einer Weile bei ihm vor. Aus der gesamten Welt? Nein, ein kleines und unbedeutendes Land in der Mitte Europas fehlte ganz eindeutig. Shimizu hatte als Germanist doch wirklich keine Musik aus Deutschland bei sich zuhause. Ein unhaltbarer Zustand, auch wenn einige Professoren an der Fakultät die Meinung vertreten, deutschsprachige Musik wäre es nicht wert, gehört zu werden. Kurzerhand orderte ich bei meinen Eltern eine CD einer meiner Lieblingsbands. In meinem Weihnachtspaket erreichte sie mich dann endlich, eine Best of CD von Silly, inklusive eines meiner Favoriten ?Halloween in Ostberlin?. ?Halloween in Ostberlin? kannte Shimizu sogar schon, da ich es ihm einmal vorgespielt hatte. Kurzerhand bekam er von mir ein Weihnachtsgeschenk in Form dieser CD. Endlich war eine seiner schwärzesten Lücken im CD-Regal geschlossen. Als Shimizu heute das Büro betrat, konnte man ihm schon von weitem ansehen, dass er etwas im Schilde führte. Ich hatte natürlich auch recht mit meiner Annahme und keine Minute später hatte ich ein Neujahrsgeschenk, wie er es nannte, vor meiner Nase liegen. Da ich eine deutsche Band geschenkt hatte, bekam ich japanischen Rock. Es handelt sich um die japanische Rock- und Folkband „Happy End“, die Anfang der siebziger den Rock in Japan salonfähig machte und dabei im Gegensatz zu ihren zeitgleichen Konkurrenten auf japanische Texte setzte.

Ich muss es Shimizu lassen, seine Auswahl war nicht schlecht. Er hat wirklich einen guten Geschmack und dabei auch noch meine Interessen gut mit eingebaut. Die Musik ist auf jeden Fall sehr hörbar. Für japanische Musikverhältnisse in den letzten Jahren ist das aber ein besonderes Kompliment. Natürlich, die klassische japanische Musik ist absolut hörbar und besonders der Teiko Einsatz, riesige Trommeln, immer wieder ein Ohrengenuss. Auch der Rock hat seine guten Seiten, in Clubs und auch im Radio und Geschäften hat aber Anfang der neunziger der J-Pop Einzug gefunden und damit der Untergang der Musikkultur Japans. Nein, so schlimm ist es eigentlich nicht und auch nicht groß anders zu Ländern wie Deutschland, gut finden muss man den J-Pop aber trotzdem nicht 100prozentig. J-Pop umfasst eigentlich alle Arten von moderner japanischer Musik, also auch zum Beispiel Rock und bildet den zweitgrößten Musikmarkt hinter den USA. Das Problem des J-Pop ist aber der Trend von immer stärker werdender Kommerzialisierung. In den Neunzigern wurden junge, gut aussehende Damen Idole, die sich mehr durch ihr Aussehen verkauften, als durch ihre Gesangskünste. Mehr noch, nach einem Run auf Idole als Einzelkünstler entstand daraus eine Welle an Castingbands aus Schönlingen und gut aussehenden Damen, deren Gesang aber gerne mal auf der Strecke bleibt. Aktuellstes Beispiel dürfte die Band AKB48 sein, eine Band bestehend aus 48 jungen Damen, die gerade das 18. Lebensjahr überschritten haben und sich in ihren Videos in die kürzesten und süßesten möglichen Röcke werfen und dementsprechend eine riesige Anhängerschaft haben. Gleichzeitig treten die 48 natürlich nicht auf, sondern es gibt verschiedene Untergruppen, die auftreten können. Die Marketingmaschine hat natürlich auch die Absatzmöglichkeiten solcher Damen gefunden und es gibt alles, was nur möglich ist, von den Damen und ich meine wirklich alles. Die Musik hört sich dagegen maximal so lala an und liegt maximal auf einem Level mit dem deutscher Castingbands, außer dass es hierzulande fast wöchentlich neue gibt. Viel Schlimmer als die Bands, die sich nur dank Sex Sells promoten und sonst kaum etwas bieten, sind dann aber die Vertreter des Schreipops, wo man kaum noch irgend etwas versteht, da anstelle des Gesangs der Schrei eingesetzt wird. Dazu sind die schrillsten Kostüme und Outfits, die nur denkbar sind, natürlich Pflicht. Wer bei dieser Beschreibung an eine gewisse deutsche Kinderband denken muss, deren Musik auch in dieser Richtung liegt und die sogar Japans Hauptstadt im Namen hat, liegt absolut richtig. Die Band stellt nur eine Mischung aus Schrei-Pop und Visual Kai, dem extravaganten Auftritt, dar. Wirklich eigenständig ist von denen nichts, sondern alles ist mehr oder wenig eine Kopie aus Japan. Und ich zitiere einen Großteil meiner Freunde aus dem Büro: bei einer schlechten Kopie kann natürlich nur absolut schlechte Musik entstehen.

Ansonsten, wenn ich mich nicht gerade mit Musik ablenkte, verbrachte ich den Tag, indem ich Shimizu bei einigen Aufgaben geholfen habe und dann kam endlich auch eines der wichtigsten Mitglieder meines Büros wieder zurück. Rieko ist wieder da! Es wurde auch Zeit und nach ihrem Einschneien auf dem Weg nach Hause zu Silvester, war es gut zu sehen, dass sie nicht krank geworden ist. Vier Monate bevor sie für immer nach Deutschland ziehen will, hatte sie jetzt endlich auch mal die Idee, sich um ihre Zukunft zu kümmern. Das war aber leider nur ziemlich oberflächlich, so dass ich eingreifen musste. Zusammen gingen wir alle ihre zukünftigen Beschäftigungsmöglichkeiten durch. Da sie ein Journalismusstudium zur Vertiefung ihres Masters in Germanistik interessieren würde, suchten wir so zum Beispiel Möglichkeiten dies umzusetzen und ich fand wirklich eine, die ihr aber leider noch nicht so zusagte, da sie lieber in München bleiben will. Der einzige Ort, wo der Studiengang ohne einen sehr schweren Deutschtest zu besuchen wäre, liegt doch tatsächlich in einer der wichtigsten Städte Deutschlands, in Magdeburg. Die FH bietet hier einen Journalismuskurs an, der genau ihren Wünschen entsprechen würde und sogar der DAAD gab den Vorschlag, aufgrund der schwierigen Zulassungssituation doch eventuell an eine FH zu gehen. Wirklich überzeugt ist Rieko aber noch nicht von der Idee. Mal schauen, was für Alternativen wir noch finden, aber ich verstehe sie schon zwischen Magdeburg und München gäbe es eventuell schon einige kleine Unterschiede, sei es auch nur, dass wir den besseren Fußballverein haben. 😉

Seijin no Hi

Jugendweihe oder Konfirmation, diese Frage stellt sich jedem Jugendlichen im Alter von etwa 14 Jahren. Natürlich ist diese Entscheidung stark vom Wohnort der Jugendlichen abhängig, trotzdem stellt es einen wichtigen Feierpunkt im Leben der Jugendlichen dar. In Japan sieht das Fest etwas anders aus, was in Anbetracht des Fehlens des christlichen Glaubens auch nicht stark verwundert. Heute war es deshalb für viele Japaner soweit, dass der sogenannte Seijin no Hi stattfand. Seijin no Hi kann grob als „das Alter erreichen“ übersetzt werden und stellt den Tag dar, an dem Japaner, die ihr zwanzigstes Lebensjahr zwischen dem letzten April und dem nächsten erreichen, ihre Volljährigkeit feiern. In Japan ist nicht wie bei uns in Deutschland die Volljährigkeit mit 18 erreicht, sondern erst mit 20. Aus diesem Grund sollte auch jeder Europäer, der auf der Suche nach einer japanischen Freundin ist aufpassen, welches Alter sie hat. Es gab schon Fälle, wo ein falsch eingeschätztes Alter für große Probleme gesorgt hat. Das Seijin no Hi wird auf alle Fälle eigentlich schon seit dem 8. Jahrhundert in einer sehr einfachen Weise gefeiert. Damals wurde dem Japanischen Prinzen eine andere Frisur und Garderobe gegeben, um seiner neuen Rolle im Reich Ausdruck zu geben. Seit 1948 wird das Fest hier in Japan als Feiertag begangen und mittlerweile findet es am 2. Montag des neuen Jahres statt. Wirklich bewusst, um welches Fest es sich heute handelt, das uns eigentlich Unifrei ermöglichte, war es mir nicht. Als ich aber heute abend die Innenstadt rund um die Amüsiermeile Kukobuncho betrat, war mir alles klar. Viele Japaner in Anzügen beziehungsweise Japanerinnen mit Winterkimonos säumten die Straßen und wollten sich für die Nachfeierlichkeiten dementsprechend amüsieren. Kein guter Tag also, um dort vorbei zu fahren. Wobei man sagen muss, die Bedeutung des Festes ist für Japaner um einiges größer als zum Beispiel die Jugendweihe für die meisten Deutschen. Meine Extutorin Kaori hält zwei Jahre später noch die Bilder von sich im Kimono in größten Ehren.

Eigentlich war das Fest für mich aber mehr ärgerlich, als alles andere. Zu gerne hätte ich mir das Schauspiel an irgend einem Schrein angeschaut, aber leider hatte ich meine Zeit anders verplant. Im Büro hatten sich drei Japaner eines ortsansässigen Gymnasiums angemeldet. Nach ersten Meldungen sollte mein zweiter Betreuer sich alleine mit ihnen beschäftigen. Da es um Deutschland ging und wir natürlich auch einen ?echten? Deutschen vorweisen können wurde ich kurzerhand gefragt, ob ich (wenn ich zu viel Langeweile habe) vorbei kommen könnte, um etwas auszuhelfen. Um Hilfe muss man mich meistens nicht zweimal bitten und kurzerhand fuhr ich am Feiertag ins Büro. Fast vier Stunden sollte das gesamte Interview mit uns dauern. Dabei war es aber eigentlich viel anstrengender für uns, als für unsere Gäste, die das Material für irgend eine Arbeit benötigten. Wir standen vor dem Problem, dass unsere Gäste ab der Sekunde meines Erscheinens noch verunsicherter waren, als sie es auch sonst schon waren. Eine Dame sagten in den dreieinhalb Stunden maximal 3 Sätze und die verstand außer ihrer besten Freundin wohl überhaupt niemand. Die Freundin taute erst zum Schluss ein wenig auf und schaute das ganze Interview nur in der Weltgeschichte herum und der Junge der Runde stellte zwar ein paar Fragen, stotterte sich dabei aber einiges zurecht. Trotzdem wurde es interessant, besonders da eine der Hauptfragen einen Geschichtshintergrund hatte, wo ich mich auch anständig einbauen konnte. Eines war aber insbesondere zu sehen. Vor ein paar Tagen habe ich die Mimik, Gestik und Lautsprache der Japaner angesprochen, eine andere Sache zeichnet sie aber noch aus, sie sehen den Gegenüber beim Sprechen nicht an. Was in Deutschland absolut unhöflich ist, mir aber auch manchmal passiert, ist hierzulande genau anders herum anzusehen. Das Anschauen des Gegenübers setzt ihn zu sehr unter Druck beziehungsweise sendet auch die falschen Signale. Aus diesem Grund wird man kaum einmal jemanden finden, der dir in die Augen schaut und wenn, dann nur bei sehr guten Freunden. Auf der anderen Seite kann man aber auch Japaner und japanisierte Ausländer damit zur Verzweiflung bringen, wenn man es macht. Alle 2 Minuten kommt in dem Fall dann die Nachfrage, ob irgend etwas ist. Von daher sei mir keiner böse, wenn ich ihn bei einem Gespräch nicht die ganze Zeit anschaue. In dem Fall arbeite ich noch an der Rückumstellung.

Reik der Museumskritiker

Was passiert, wenn man einen Studenten an einem Sonntag um 3 Uhr nachmittags anruft? Man schmeißt ihn aus dem Bett. Genau diese Theorie habe ich heute mit Alex ausprobiert. Nachdem ich den Vormittag für ein wenig Lernen genutzt hatte dachte ich, eine kleine Tour würde ganz angenehm sein. Alleine loszuziehen stört mich zwar persönlich nicht all zu viel, es muss aber nicht immer sein. Kurzerhand rief ich Alex an und fragte, ob er Lust hat mitzukommen. Nach einem Frühstück in Form von ein paar Onigiris und dem wiederholten Erneuern meines Fahrradschlosses, konnte es dann auch gleich losgehen. Aufgrund der Wetterbedingungen entschieden wir uns, einen Abstecher in das Stadtmuseum Sendais zu machen. Einmal hatte ich es zwar schon mal kurz gesehen, mein Augenmerk lag zu der Zeit aber mehr auf der Nebenausstellung. Gesehen haben sollte man das Museum aber auf jeden Fall einmal. Das Magdeburger Museum könnte sich von dem hier ein wenig abschauen. Ich möchte natürlich nicht behaupten, dass unser Museum schlecht wäre, aber einige Mängel in der Ausführung habe ich bei uns schon bei ein paar Ausstellungen beobachten können. Natürlich sehe ich ein, dass das Kulturhistorische Museum viele besondere Gegenstände bekommt und die darstellen möchte. Aber die Übersichtlichkeit leidet und dazu kommen auch manchmal noch praktische Fehler, wie Lupen einzusetzen, wo selbst ich Probleme habe durchzusehen. Genau in solchen Punkten spielt das Museum Sendai seine Stärken aus. Das Gebäude wurde extra für das Museum erbaut, was natürlich eine perfekte Ausrichtung auf Ausstellungen ermöglicht. Gleichzeitig hat man aber auch große Wege, wo viele Menschen gleichzeitig langströmen können, ohne dass sie die Sicht versperren. Dies wird nicht zuletzt mit Hilfe von weniger Ausstellungsobjekten erkauft, was aber das Gefühl des Überladens verhindert. Nie hat man auch nur kurz das Gefühl, es könnte sich ein Objekt wiederholen und alle Gegenstände behalten den Hauch des besonderen. Man bekommt nie das Gefühl, man hätte schon derartige Gegenstände gesehen und kann jetzt schneller daran vorbei. Gerade im Kulturhistorischen Museum ist das Erschlagen mit immer dem gleichen Gegenstand ein größeres Problem. Historische Bücher sind besondere Gegenstände, die immer Staunen verursachen. Sind aber zwei Räume am Stück damit gefüllt, schaltet der Besucher schnell auf Leerlauf. Da kommt man gleich zum letzten Stärkepunkt der Ausstellung. Die Textausführungen an den Wänden ist genau richtig und nie wird man von Textmassen erschlagen oder mit dem Gedanken geplagt, dass man die Ausstellung nur per Audioguide verstehen könnte. Dazu ist die Ausstellung auch klar gegliedert. Man muss also klar sagen, von den handwerklichen Aspekten hat das Museum eine top Leistung gebracht.

Um so ärgerlicher war dann aber auf einmal unser Rauswurf. Wir waren wirklich so lange im Museum, bis man es schließen wollte. Plötzlich erschienen ein paar Mitarbeiter, die uns wild gestikulierend erklären wollten, dass wir doch bitte gehen sollen. Kein Problem, wir kommen aber wieder. So ging es dann noch auf einen Kaffee und ein paar Udon in die Innenstadt. Irgendwie blieb uns das Glück aber nicht hold und auch in einem Bücherladen, den wir besuchten, erschien auf einmal eine Verkäuferin und wollte uns wegen Ladenschluss rausschmeißen. Für mich als Historiker blieb der Museumsbesuch aber der Höhepunkt, auch wenn es danach auch noch sehr lustig zuging. Wir sollten uns nur nächstes Mal eventuell ein wenig früher entscheiden, dort hin zu gehen. Zwei Deutsche in Läden sorgt wirklich überall für Panik unter den Verkäufern, wir könnten ja Fragen stellen.

Ansonsten hat auch Mayumi Vollzug gemeldet. Das Fleisch ist bei seiner neuen Besitzerin erfolgreich angekommen. Wie sie es zubereiten kann, weiß sie zwar noch nicht, aber bei ihr mache ich mir da weniger Sorgen, als wenn ich es in den Händen halten würde. Offensichtlich ist das Fleisch aber sehr gut, weil sie noch einmal betonte, dass sie so gutes Fleisch noch nie gegessen hätte. Da ist es fast ärgerlich, Vegetarier zu sein. Auf der anderen Seite habe ich aber die Fettstreifen, die ja ein Qualitätsmerkmal sind, gesehen und das hätte ich noch nicht mal als Fleischesser runter bekommen. Da bleibe ich doch lieber erst mal Vegetarier und verzichte freiwillig.

Bergetappe mit Olga

Normalerweise ist es die Weihnachtszeit, in der die Leute dazu tendieren, etwas an Gewicht zuzulegen. Hier in Japan wird kaum Weihnachten gefeiert und ein Großteil der Menschen sieht sowieso viel zu dünn aus. Es gibt aber doch ein Punkt, warum sich selbst die Japaner über Gewichtszunahme im Neujahr aufregen: das Omiyage (das Mitbringsel). Traditionell fahren alle Japaner über Neujahr zurück in die Heimat, um ihre Familien zu besuchen. Da es nun Tradition ist, nach dem Urlaub im Büro eine Spezialität aus dem Urlaubsort mitzubringen, sieht das Büro momentan weniger nach einer Bibliothek der Germanistik, sondern nach einem Supermarkt aus. Man kann sich vorstellen, welche Haufen an Süßigkeiten entstehen, wenn über dreißig Leute Lebensmittel für ebenso viele Leute mitbringen. Das beste Mittel, um den Winterspeck loszuwerden, stellt da natürlich mein Lieblingshobby, das Radfahren dar. Aus diesem Grund traf ich mich heute mit Olga, um ihr ein wenig von den nicht so bekannten Orten in der Stadt zu zeigen.

Unser Hauptziel stellte dabei die Buddha-Statue oben auf dem nördlichen Berg in Izumi dar. Für mich ist die Strecke mittlerweile kein größeres Problem mehr, schließlich habe ich den Weg jetzt schon des öfteren bestritten. Besonders die Tour damals mit Dennis war mörderisch. Bei Olga sieht das etwas anders aus und ihr fehlt einiges an Radfahrerfahrung. Aus diesem Grund wollten wir lieber nur bis zum Fuß des Berges fahren und dann laufen. Womit ich nicht gerechnet hatte, war die Dickköpfigkeit der jungen Dame, die es soweit wie möglich versuchte, den Berg zu bezwingen. Das war eine beeindruckende Willenskraft und sie kam sogar bis zur Hälfte, dann ließen wir es aber doch lieber sein. Besonders der Schnee machte unser Unterfangen ziemlich schwierig. Die letzten drei Tage hat es wirklich mal etwas gefroren und der Regen von vor vier Tagen befand sich zu dem Zeitpunkt noch auf der Straße. Man kann sich die spiegelglatte Fahrbahn vorstellen. Insbesondere ist Sendai offensichtlich auf so etwas überhaupt nicht vorbereitet gewesen und nirgends wurde auch nur ein Hauch Salz gestreut. Das war ein schlimmer Zustand. Trotz einiger Rutschpartien schafften wir es ganz nach oben und Olga sah zum ersten Mal die Statue. Schlecht war nur, dass man schon am Eingang feststellte, dass die Fenster vereist sind und wir nichts durch sie sehen werden können. Nur für ein paar Minibuddha-Statuen, von denen auch noch nicht mal alle zu besichtigen waren, waren wir aber nicht gewillt, unser hart erspartes Geld hinaus zu werfen, so dass wir uns lieber noch ein wenig umschauten.

Also ging es nach einigen Besichtigungen wieder zurück zum Wohnheim. Gut war wie immer der Umstand, dass wo es hoch geht, es auch wieder runter geht und so beschleunigten wir und die Rückfahrt war ziemlich entspannt. Olga war zwar am Ende ziemlich geschlaucht, aber da ich immer Pausen angeboten hatte und sie auch zu nichts gezwungen hatte, gefiel ihr die Tour wohl auch. Trotzdem musste sie sich erst mal erholen. Erholung hätte ich da auch gut gebrauchen können, hatte ich doch heute früh schon viel zu früh wach zu sein, um meine Kamera der Post zu übergeben. Hierzulande ist es nicht wie in Deutschland. Dort heißt es ja gerne mal: „Wir kommen zwischen 9-12 Uhr.“ und im Endeffekt kommen sie dann um 13 Uhr. Hier klingelte heute pünktlich eine Minute nach 9 Uhr die Post unten an der Tür. Zum Glück hatte ich mich vorher schon gezwungen, ja pünktlich Gewehr bei Fuß zu stehen. Aus meiner Pause wurde aber nicht wirklich was. Alex klingelte durch, dass er den Katahiracampus erreichen muss und noch nicht weiß, wie er hinkommen soll. Natürlich fuhr auch gerade kein Bus und sein Orientierungssinn ist auch noch nicht ganz ausgeprägt. Kurzerhand übernahm ich die Führung und im Korso fuhren wir zum Katahiracampus. Damit habe ich endlich auch wirklich alle hier in Sendai gesehen. Ein Filmangebot, was ich im Anschluss von der Skandinaviafraktion erhielt, musste ich aus Zeitgründen absagen, da ich es nicht mehr rechtzeitig zum Kino geschafft hätte. Aber ich entschied mich, ein wenig durch die Innenstadt zu ziehen. Auf einmal erhielt ich von Shimizu die kryptische Botschaft ?Book Off??. Hatte er mich etwa gesehen und nicht hallo gesagt? Kurzerhand schrieb ich zurück und die Lösung war einfach, aber erschreckend. Ein Kumpel von ihm, mit dem er sich gerade getroffen hat, hatte mich in der Innenstadt gesehen. Der Kumpel hatte mich vor 6 oder 7 Monaten das letzte Mal gesehen und ich könnte ihn vermutlich noch nicht mal erkennen, wenn Shimizu neben ihm stehen würde. Aber ich wurde natürlich gleich entdeckt. Ich sage ja, der Ort ist einfach nur ein besseres Dorf, überall wird man erkannt.

Die Rückkehr der japanisch – deutschen Gemeinschaft

Endlich, zwar haben sich Rieko und Kazaoka noch nicht in Sendai eingefunden, das gefährlichste Paar der deutschen Literatur kann dafür endlich wieder gemeinsam Unternehmungen starten. Richtig geraten, Shimizu hat den Weg zurück nach Sendai gefunden. Man kann sich meine Freude gar nicht vorstellen, als ich sein auffälliges Outfit heute Mittag in der Mensa erblickt habe. Gut, mittlerweile spreche ich auch mit den anderen Leuten in meinem Büro ausgiebiger, aber mit Shimizu ist das Ganze noch etwas anderes. In der Mensa war ich zu dem Zeitpunkt aus einem ganz anderen Grund. Ein zweiter alter Bekannter ist endlich zurück. Alex ist vor kurzem wieder aus dem Heimaturlaub zurück gekommen und so trafen wir uns zum Mittag, um Neuigkeiten auszutauschen. Interessant wurde dieses Treffen aber besonders aus einem anderen Grund. Alex berichtete von dem neuesten Fall der Gerüchteküche der Tohoku Universität. In diesem Fall ist ein Koreaner aus seinem Büro betroffen. Der Koreaner lebte mit seiner Freundin hier zusammen in einer Wohnung und als sein Chef in Korea das erfuhr, wurde ihm kurzerhand das Stipendium gestrichen und er musste in die Heimat zurück.

Aber zurück zu Shimizu. Ich hatte auch sofort eine Aufgabe für ihn. Meine Kamera ist zwar noch relativ neu, hat auf meinen Reisen aber schon eine Macke abbekommen. Da ich dafür noch Garantie habe beschloss ich kurzerhand, sie testen zu lassen. Also rief Shimizu bei Pentax an und gab sich für mich aus. Während Shimizu nun alles versuchte, um mein Problem anständig darzulegen und eine Lösung finden zu lassen, belauschte aus der Entfernung mein zweiter Betreuer das Schauspiel und bekam einen Lachanfall. Laut seiner Ansicht werden die Japaner aus allen Wolken fallen, wenn sie mich noch einmal anrufen und ich sie nicht so verstehe. Trotzdem wäre Shota Reik Shimizu, wie er mittlerweile von unserem Betreuer manchmal genannt wird, wenn wir wieder einmal Identitäten wechseln sollten und für den anderen sprechen, seiner Meinung nach so langsam ein gutes Doubel. Für die Verwunderten: Shimizu ist in Wirklichkeit Shimizus Nachname. In Japan wird der aber selbst unter Freunden fast immer als normale Anrede verwendet. Da Shimizu seinen Vornamen nicht unbedingt mag, da er zu häufig ist, habe ich ihn bisher auch äußerst selten in diesem Blog verwendet. Herr Kawamura wird sich aber auf alle Fälle schon wundern, wenn wir das in der Prüfungszeit noch wahr machen und ich Shimizus Rolle übernehme und seine Klausuren schreibe, während er meine schreibt. Für die Unterschiede im Aussehen, finden wir schon eine Erklärung. Die Kamera wird jetzt auf jeden Fall gecheckt und morgen früh wird sie von meiner Wohnung abgeholt. Es ist also nicht wie zum Beispiel bei Acer, wo man selbst verschicken muss und hoffen, dass es schnell ankommt, hier wird es noch persönlich abgeholt. Nein, es ist sogar noch so, dass man fragte, ob ein abholen morgen auch o.k. wäre. Sie hätten es heute auch noch organisiert, das wäre aber aufwendiger. Das war natürlich kein Problem für mich. Alles ist besser, als den Versand bei der Post selbst zu klären.

Am Abend ging es dann zum shoppen in die Innenstadt. Ein paar Kleinigkeiten fehlten mir noch. Da ich bei einem Laden warten musste, beschloss ich meine Zeit in einer der naheliegenden Arkaden zu verbringen. Ich beobachtete Spieler in einer Spielhalle. Selbst spielen wollte ich zwar nicht, aber zuschauen kann ja auch interessant sein. Die Japaner machten mir aber auf jeden Fall Angst. In der unteren Etage war alles mit Greifautomaten zugestellt und ich beobachte 5 Spieler, die allesamt anscheinend spielsüchtig waren. Die Spiele sind natürlich immer nur mit einem Trick zu gewinnen, aber alle 5, die ich beobachtete, wollten sich mit ihren Niederlagen nicht abfinden. 3 haben es dabei geschafft, in 15 Minuten für Statuen, die normalerweise maximal 50 Euro im benachbarten Geschäft kosten, rund 100 Euro zu verschleudern. Dafür, dass es sich um normale Spaßgäste handelte und nicht um Vertreter der Spezies Spieler, war das schon eine traurige Bilanz. Zum Glück interessieren mich derartige Spiele kaum, so dass mir so eine Suchterscheinung erspart bleibt, trotzdem ist es schon beängstigend. Aber es erklärt auch den Perfektionismus der Japaner bei fast allen Arten von Wettkampf. Wer würde sonst bei irgendwelchen Tanzspielen die Reihenfolge des Tanzes auswendig lernen?