Fahrstuhlgeschichten

Was ist das eigentlich mit den Japanern und ihren Fahrstühlen? Bekanntlich sind Fahrstühle das einzige mögliche Fortbewegungsmittel, um in eine höhere Etage zu gelangen und sei es nur, um eine einzige Etage zu überwinden. Zwar verfügt jedes Haus über Treppen, aber in Sanjo und auch in der Universität habe ich noch nie jemanden gesehen, der sie freiwillig nutzt. Dieser Punkt mag aber noch keine wirkliche Besonderheit sein. Das Verhalten von Japanern in Fahrstühlen dagegen ist schon besonders. Es beginnt schon damit, den Fahrstuhl zu rufen. Kein Japaner wird freiwillig den normalen Fahrstuhlknopf nutzen, der Behindertenknopf ist schließlich auf einer für Japaner angenehmeren Höhe. Schon vor der Ankunft des gerade gerufenem Fahrstuhls steht der normale Japaner genau zwei Zentimeter vor der Fahrstuhltür und ist bereit loszuspringen. In der Theorie geht dieses Verhalten auch gut und er springt in den Fahrstuhl, um sofort den Knopf für das „Tür aufhalten“ zu drücken. Dann kommen alle weiteren wartenden Japaner geordnet mit einem „danke“ und einer Verbeugung in den Fahrstuhl, bis die Tür mit Hilfe des „Tür schließen“ Knopfes möglichst schnell geschlossen wird, nicht dass noch jemand angerannt kommt. Leider leben wir nicht in einer idealen Welt und sehr zur Überraschung der Japaner befinden sich auch andere Fahrgäste im Fahrstuhl. Diese haben genau die selben Pläne. Mindestens ein Fahrgast, meistens eine Frau, steht am „Tür offen halten“ Knopf, um ihn bei der Ankunft sofort zu drücken, während der zweite Fahrgast schon sprungbereit an der Tür steht, um endlich wieder den wichtigeren Dingen des Lebens nachgehen zu können. Es kommt dann, wie es kommen muss und beide Parteien springen auf einander zu und können gerade noch 2 Millimeter voreinander die Bremsen reinhauen und kommen irgendwie zum stehen. Ein kurzes „Entschuldigung“ mit Verbeugung später geht man getrennte Wege und das normale Ritual kann anfangen.

Das Problem bei der Situation kommt aber zu dem Zeitpunkt, wo ein Ausländer in dieses Spiel eingreift. Wohl wissend über die japanische Eigenheit, aus dem Fahrstuhl zu stürmen, stehe ich extra schon immer etwas seitlich. Aber irgendwie schaffen sie es doch immer wieder, genau in mich rein zu rennen. Kein Problem, der den Japanern angeborene Verbeugungsreflex springt ein und die Sache ist erledigt – sollte man meinen. Wie sich der Japaner nun verbeugt, natürlich Augenkontakt vermeidend, denn das ist bekanntlich etwas schlechtes, merkt er nun, dass irgend etwas verkehrt ist. Richtig, da wo sonst der Bauch des Gegenübers ist, ist auf einmal eine Jeans zu sehen. Und genau in diesem Moment kommt, egal bei welchem Japaner, ein überraschtes Aufstöhnen und manchmal auch ein Ausspruch, den man wohl am ehesten mit „heilige Scheiße“ übersetzen kann. Man könnte also sagen, sie agieren, als ob sie gerade einen Alien gesehen haben, Der Verbeugereflex wird noch einmal verbessert und die Verbeugung wird unter schnellem Abwenden und Suche für die englischen Worte weitergeführt. Wenn ich die gesammelten Aufschreie so höre, muss ich wirklich schrecklich aussehen. Besonders heute war es aber schlimm und dieselbe Geschichte passierte ganze viermal.

Wenn ich nicht gerade Japaner schockiere, verbringe ich die meiste Zeit aber in meinem Büro. Da ich aber nicht nur selbst forsche, sondern den anderen auch gerne mal ein wenig helfe, kam es heute zu einem interessanten Fall. Nachdem ich mich ein wenig mit meinem zweiten Betreuer über einige Änderungen an einem Text von Rieko unterhalten habe, bekam ich noch einmal gesagt, wie dankbar er für meine Tätigkeiten im Büro ist. Egal, ob ich den anderen Studenten Texte schreibe oder vor anderen Professoren versuche, die Taten und Texte einiger Studenten aus deutscher Sicht zu verteidigen, das sind alles Sachen, die er nicht tun muss und deshalb ist er so froh, dass ich gerade da bin. Na immerhin, es kommt nicht oft vor, dass sich Japaner über die Anwesenheit von Austauschstudenten freuen. Normalerweise werden sie eher als arbeitsaufwendiges Übel angesehen, da ist das schon mal eine positive Ausnahme. Ein Beispiel ist der Fall von Carmen, wo ich heute auf den neuesten Stand gesetzt wurde. Man erinnert sich eventuell noch an die Interviewgeschichte, wo ich ein wenig mitgeholfen habe. Wie es aussieht, hat es die Uni in Japan bis heute nicht geschafft, die Unterlagen übersetzen zu lassen und nach Deutschland zu schicken. Praktisch, wenn man eine Masterarbeit ins Haus stehen hat. So wenig Unterstützung, wie sie bekommen hat oder auch die Fälle von zum Beispiel Laura oder David, wo das ganze Büro kaum mal mit ihnen spricht, da habe ich es wirklich besser erwischt. Viel surrealer war aber die Einreichung meiner Auszugsunterlagen. So langsam muss ich an diesen Trauertag ja auch mal denken und so ging es heute in die Wohnheimverwaltung. Alle vor mir wurden mit einem „hier ist der Termin – auf Wiedersehen“ abgespeist. Kaum gab ich die Unterlagen ab, wurde mein Auszug bedauert und ich erst mal ausgequetscht, wo ich denn hinziehe und was ich jetzt mache. Dafür, dass ich mit denen kaum mal was zu tun hatte, habe ich wohl keinen ganz schlechten Eindruck hinterlassen.

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