Seijin no Hi

Jugendweihe oder Konfirmation, diese Frage stellt sich jedem Jugendlichen im Alter von etwa 14 Jahren. Natürlich ist diese Entscheidung stark vom Wohnort der Jugendlichen abhängig, trotzdem stellt es einen wichtigen Feierpunkt im Leben der Jugendlichen dar. In Japan sieht das Fest etwas anders aus, was in Anbetracht des Fehlens des christlichen Glaubens auch nicht stark verwundert. Heute war es deshalb für viele Japaner soweit, dass der sogenannte Seijin no Hi stattfand. Seijin no Hi kann grob als „das Alter erreichen“ übersetzt werden und stellt den Tag dar, an dem Japaner, die ihr zwanzigstes Lebensjahr zwischen dem letzten April und dem nächsten erreichen, ihre Volljährigkeit feiern. In Japan ist nicht wie bei uns in Deutschland die Volljährigkeit mit 18 erreicht, sondern erst mit 20. Aus diesem Grund sollte auch jeder Europäer, der auf der Suche nach einer japanischen Freundin ist aufpassen, welches Alter sie hat. Es gab schon Fälle, wo ein falsch eingeschätztes Alter für große Probleme gesorgt hat. Das Seijin no Hi wird auf alle Fälle eigentlich schon seit dem 8. Jahrhundert in einer sehr einfachen Weise gefeiert. Damals wurde dem Japanischen Prinzen eine andere Frisur und Garderobe gegeben, um seiner neuen Rolle im Reich Ausdruck zu geben. Seit 1948 wird das Fest hier in Japan als Feiertag begangen und mittlerweile findet es am 2. Montag des neuen Jahres statt. Wirklich bewusst, um welches Fest es sich heute handelt, das uns eigentlich Unifrei ermöglichte, war es mir nicht. Als ich aber heute abend die Innenstadt rund um die Amüsiermeile Kukobuncho betrat, war mir alles klar. Viele Japaner in Anzügen beziehungsweise Japanerinnen mit Winterkimonos säumten die Straßen und wollten sich für die Nachfeierlichkeiten dementsprechend amüsieren. Kein guter Tag also, um dort vorbei zu fahren. Wobei man sagen muss, die Bedeutung des Festes ist für Japaner um einiges größer als zum Beispiel die Jugendweihe für die meisten Deutschen. Meine Extutorin Kaori hält zwei Jahre später noch die Bilder von sich im Kimono in größten Ehren.

Eigentlich war das Fest für mich aber mehr ärgerlich, als alles andere. Zu gerne hätte ich mir das Schauspiel an irgend einem Schrein angeschaut, aber leider hatte ich meine Zeit anders verplant. Im Büro hatten sich drei Japaner eines ortsansässigen Gymnasiums angemeldet. Nach ersten Meldungen sollte mein zweiter Betreuer sich alleine mit ihnen beschäftigen. Da es um Deutschland ging und wir natürlich auch einen ?echten? Deutschen vorweisen können wurde ich kurzerhand gefragt, ob ich (wenn ich zu viel Langeweile habe) vorbei kommen könnte, um etwas auszuhelfen. Um Hilfe muss man mich meistens nicht zweimal bitten und kurzerhand fuhr ich am Feiertag ins Büro. Fast vier Stunden sollte das gesamte Interview mit uns dauern. Dabei war es aber eigentlich viel anstrengender für uns, als für unsere Gäste, die das Material für irgend eine Arbeit benötigten. Wir standen vor dem Problem, dass unsere Gäste ab der Sekunde meines Erscheinens noch verunsicherter waren, als sie es auch sonst schon waren. Eine Dame sagten in den dreieinhalb Stunden maximal 3 Sätze und die verstand außer ihrer besten Freundin wohl überhaupt niemand. Die Freundin taute erst zum Schluss ein wenig auf und schaute das ganze Interview nur in der Weltgeschichte herum und der Junge der Runde stellte zwar ein paar Fragen, stotterte sich dabei aber einiges zurecht. Trotzdem wurde es interessant, besonders da eine der Hauptfragen einen Geschichtshintergrund hatte, wo ich mich auch anständig einbauen konnte. Eines war aber insbesondere zu sehen. Vor ein paar Tagen habe ich die Mimik, Gestik und Lautsprache der Japaner angesprochen, eine andere Sache zeichnet sie aber noch aus, sie sehen den Gegenüber beim Sprechen nicht an. Was in Deutschland absolut unhöflich ist, mir aber auch manchmal passiert, ist hierzulande genau anders herum anzusehen. Das Anschauen des Gegenübers setzt ihn zu sehr unter Druck beziehungsweise sendet auch die falschen Signale. Aus diesem Grund wird man kaum einmal jemanden finden, der dir in die Augen schaut und wenn, dann nur bei sehr guten Freunden. Auf der anderen Seite kann man aber auch Japaner und japanisierte Ausländer damit zur Verzweiflung bringen, wenn man es macht. Alle 2 Minuten kommt in dem Fall dann die Nachfrage, ob irgend etwas ist. Von daher sei mir keiner böse, wenn ich ihn bei einem Gespräch nicht die ganze Zeit anschaue. In dem Fall arbeite ich noch an der Rückumstellung.

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