Wohnen in Japan

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Dieser Spruch ist wohl jedem meiner geneigten Leser hier bekannt. Was ich bis heute noch nicht wußte ist die Tatsache, dass dieser Spruch wohl aus Japan stammen muss. Aber der Reihe nach: Wie in jedem Land gibt es in diesem Wohnheim Studenten, die für ihre Wohneinheit Verantwortung übernehmen. Als Ausgleich bekommen sie dafür eine längere Wohnzeit zur Verfügung gestellt und müssen sich nur etwas um die neuen Studenten kümmern und bei der Ausrichtung der Wohnheimspartys mit zur Hand gehen. Kein Wunder also, dass dieser Posten sehr beliebt ist, da das Wohnheim im Vergleich zu richtigen Wohnungen um einiges billiger ist. Dieser Fakt ist aber auch in Göttingen zum Beispiel nicht anders, egal ob der Verantwortliche Haussprecher oder Advisor heißt. In Deutschland stellen sich Studenten zur Wahl und dann wird demokratisch abgestimmt, hier in Japan läuft das etwas anders ab. Es darf sich jeder Japaner und mit großen Ausnahmen auch noch ein Koreaner mit perfekten Japanischkenntnissen bewerben. Die alten Advisor machen daraufhin ein Casting und die besten Studenten werden genommen. So kann es aber auch zu dem Fall kommen, dass zwei Studenten aus einer Wohneinheit gewählt werden. Wie geht man in solchen Fällen nun vor? Eigentlich sollte man meinen, einer zieht den Kürzeren und wird in eine andere Wohneinheit gesteckt und der andere bleibt in seiner originalen Wohneinheit, da er alle Probleme innerhalb dieser schon kennt. Dieses Vorgehen wäre in Japan aber viel zu leicht, wie meine Mitbewohner Abe und Kim feststellen mussten. Es wäre ja ungerecht, wenn einer der Bewerber benachteiligt werden würde, kurzerhand werden beide aus der Wohneinheit entfernt. Dieses Vorgehen ist nur dann schlecht, wenn keine Wohneinheiten für Graduiertenstudenten, also mit eigener Dusche und Toilette, mehr zur Verfügung stehen. Kurzerhand müssen beide jetzt in Wohneinheiten des anderen Typus umziehen und sind natürlich dementsprechend unzufrieden. Riekos Antwort auf die Frage, wieso solch eine Entscheidung gefällt wurde und nicht wenigstens einer verbleiben durfte, war kurz und bündig: So ist es halt gerecht. Da kann man wirklich nur sagen: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.

Aber auch wer sich eine eigene Wohnung leisten will, hat es nicht viel einfacher, wenn ich meinen Bekannten glauben darf. Nicht nur, dass Vermieter- und Maklergebühren fällig werden, Ausländer werden im Allgemeinen verdächtigt, potentielle Mietnomaden zu sein, die bei ihrer Abreise verbrannte Erde hinterlassen. Kein Wunder also, dass kein Japaner gerne an Ausländer vermietet und vor der Vermietung sicherheitshalber Interviews mit den Bewerbern und vor allem mit deren Bürgen führt. Bürgen? Ja, in Japan bekommt nicht einfach irgendwer eine Wohnung, man braucht einen Bürgen, der im Notfall für Reparaturen oder Mietzahlungen einspringen kann. Bei Studenten sind das zumeist die Betreuer, aber sobald man nicht mehr studiert, kann das richtig problematisch sein. Ich kenne Fälle, wo Ausländer seit ewigen Zeiten in Japan leben und viele sehr enge Freunde haben, aber keiner bereit ist, zu bürgen. So kann ein Zusammenziehen mit der Freundin schon manchmal sehr beschleunigt werden. WGs darf ein Ausländer so zum Beispiel auch nicht führen. Ein Kumpel wollte eine Dreier-WG mit zwei anderen Ausländern aufmachen. Das gestattete der Vermieter nicht, nur im Anschluss eine WG mit zwei Japanern und einem Kanadier zu gestatten. Man merkt, die Wohnungssuche hat es hier manchmal in sich.

Ich selber wollte heute in der Uni einiges mit meinen werten Kommilitonen abklären, aber wider Erwarten tauchte in der gesamten Zeit meiner Anwesenheit kein einziger von ihnen auf. Solch einen Fall hatte ich auch noch nicht. Als Ausgleich kam es auf einmal zu einer Invasion von fremden Studenten, die offensichtlich bei einer Vortragsreihe von Professor Morimoto waren und nun im Büro eine Party organisieren wollten. Kurzerhand hatte ich auch eine Scheibe Brot und etwas Aufstrich in der Hand. Deutsches Brot nebenbei, also sehr lecker. Trotzdem reichte es mir nach ewiger Vorstellungsorgie und einigen Verständnisproblemen dann doch, so dass ich lieber ging und bei Rieko im Büro um Asyl bat, was mir auch gönnerhafter Weise gewehrt wurde. So konnten die Studien weiter vorangehen, wenn auch in ungewohnter Umgebung. Aber immerhin, selbst da fanden mich meine Kommilitonen, so dass ich auch gleichzeitig wieder in die Resümeegeschichte eingebunden werden konnte. Wenn ich irgendwann nicht mehr da bin, werden die schon was vermissen, da bin ich mir sicher.

Vom Kochen und schwarzen Humor

Der heutige Tag hat eines ganz eindeutig gezeigt: Japaner verstehen keinen schwarzen Humor. Schade eigentlich, denn so ganz unverbreitet ist dieser ja in Deutschland nun nicht. Als ich heute im Büro saß, bot ich der deutschen Professorin etwas Schokolade an. Die Frage, ob sie es annehmen kann oder nicht, denn es könnte ja vergiftet sein, überraschte mich nicht sonderlich, so dass ich das Spiel einfach mitspielte. Ein kleiner Schlagabtausch an Kommentaren in diese Richtung folgte und uns beiden war klar, dass das nur ein großer Spaß war. Nicht so aber bei den Japanern. Als die Professorin den Raum verlassen hatte, blieben nur fragende Gesichter zurück und ein armer Deutscher, der das eben Geschehene erst einmal in aller Ausführlichkeit erklären durfte. Wie aber erklärt man Leuten, die kaum Deutsch sprechen, bitte schwarzen Humor? Das war ein fast unlösbares Problem. Ich versuchte es trotzdem und ich glaube, sie haben es wenigstens etwas verstanden. Auf der positiven Seite wurde Riekos deutsche Zusammenfassung ihrer Masterarbeit sehr gelobt, offensichtlich haben wir nicht so extrem daneben gelegen. Was erwartet man aber auch, wenn ein wirklich alter Student, in die sechzig Jahre zählt er immerhin schon, auch ein 55 Seiten Resümee seiner Arbeit abgibt. Da die Flut der Abschlussarbeitsresümees der Bachelorstudenten mittlerweile aber im Büro einfliegt, bin ich momentan ein viel gefragter Mensch. Deutsch ist halt keine leichte Sprache, so dass meine Hilfe gerne mal in Anspruch genommen wird, was auch so öffentlich von den Professoren vorgeschlagen wird. Ich mache es aber auch wirklich gerne, so dass ich ihnen heue schon viel helfen konnte.

Helfen musste ich mir aber auch selber und nur Alex ist daran schuld. O.k., das hört sich vielleicht etwas hart an, aber für heute war ich mit Nobu, Rieko und ihm zum Essen verabredet, da Nobu noch nie Milchreis gegessen hatte und sich dieses Gericht nicht wirklich vorstellen konnte. Kurzerhand entschieden wir, es ihm zu zeigen und heute war der große Tag. Da gibt es nur ein kleines Problem: Alex ist Veganer und der Hauptbestandteil von Milchreis, neben Reis, ist nicht wirklich Vegan. Alternativen mussten also her. Gut, dass es Sojamilch gibt. Aber nur Sojamilch und Reis fand ich dann doch etwas dürftig, also suchte ich Vanillezucker. Natürlich blieb dieser Versuch aber nicht erfolgreich, außer dass einige Verkäufer beim Anblick eines Ausländers jetzt davon rennen, habe ich nichts erreichen können. Sie bemühten sich alle sehr, aber helfen konnten sie mir in fünf Läden nicht. Kurzerhand kaufte ich eine Vanilleschote und schmiss noch Schale von einer Zitrone in den Topf und der Milchreis stand. Passenderweise waren auch andere Gäste heute da, die zusammen mit Kim feierten. So viele misstrauische Blicke wie heute, habe ich bei einem Kochversuch noch nie bekommen. Kein Asiat konnte sich vorstellen, dass das schmecken soll. Wenn ich da an die Gruselgeschichten von seinen Milchreiserfahrungen in Deutschland denke, die er selbst heute noch zum Besten gibt, bin ich aber nicht wirklich verwundert. Wohlweislich, dass der Reis nicht allen schmecken muss, hatte ich kurzerhand auch noch alles für Kartoffelsalat besorgt. Kartoffelsalat, der nicht aussieht wie Kartoffelbrei, ist hierzulande auch ziemlich unbekannt, so dass wir da die nächsten Blicke hatten. Meinen Gästen schmeckte es aber auch sehr gut, auch wenn ich viel improvisieren musste. Kartoffelsalat in veganer Ausführung hatte ich bis dato schließlich auch noch nicht hergestellt. Anschließend gab es von meinen Japanern noch Süßigkeiten und wir schauten das Spiel der japanischen Nationalmannschaft. Meinen Japanern hat es auf alle Fälle sehr gut gefallen und bei meiner Abschiedsfeier, von der ich bis jetzt offiziell noch nicht mal etwas wusste (schließlich hatte ich nicht mal eine in Göttingen vor mittlerweile 10 Monaten geschafft) wollen sie mich gebührend verwöhnen. Wenn mein Japanisch mich nicht ganz verlassen hat, hat Nobu auch noch irgend etwas anderes vor, da lasse ich mich aber überraschen. Es ist schon fies, dass es hierzulande viele Verschwörungsmöglichkeiten gibt. Mit Deutsch sprechenden Leuten wird im Notfall auf Deutsch gewechselt und ist ein Asiat in der Sprache bewandert, reden wir einfach schneller. Dasselbe machen die Japaner natürlich auch im Japanischen, so dass ich nicht genau weiß, was mich erwartet. Aber mal schauen. Es heißt ja schließlich nicht umsonst, kommt Zeit, kommt Rat. Nachdem mich alle Gäste verlassen hatten, schaute ich mit den verbliebenen Japanern noch Fußball zu Ende. Die Japaner gewannen nach Elfmeterschießen gegen Südkorea. Südkorea spielte? Keine Frage, dass mein Koreaner auch nicht weit war. Beim Ausgleich in der 121. Minute hallte ein Aufschrei durch das Haus, als ob Nordkorea endlich besiegt wurde. Man könnte meinen, alle Koreaner haben genau in diesem Moment aufgeschrien. Trotzdem (und gerade für den Hausfrieden sehr wichtig) haben die Japaner gewonnen, auch wenn sie nur das Nötigste gegeben haben. Dadurch dürfte es am 29. im Finale spannend werden und meine Mitbewohner werden alle schauen.

Ein echter Inkan

Wer kennt das nicht? Man möchte irgend einen Vertrag abschließen und muss seine Unterschrift auf diesem hinterlassen. Im Zweifelsfall wird diese Unterschrift noch einmal mit der Unterschrift des Betreffenden auf dem Personalausweis abgeglichen und der Vertrag wird rechtsgültig. Dieses Verfahren ist wohl so in jedem westlichen Land anzutreffen und für uns das normalste Vorgehen auf der Welt. In Japan dagegen sieht diese Geschichte etwas anders aus. Man könnte sogar so weit gehen festzustellen, dass die Japaner eine Methode entwickelt haben, um sich von den Ausländern abzugrenzen. Anstelle der Unterschrift ist der sogenannte Inkan oder umgangssprachlich Hanko in Gebrauch. Dabei handelt es sich um Namensstempel, die auf den Besitzer registriert sind. Die Namensstempel sind dabei sehr private Gegenstände und in den meisten Familien wird der erste als Geschenk zur Geburt hergestellt und dabei aus besonders teuren Materialien, wie Elfenbein, geschnitzt. Ohne Hanko kann man hierzulande wirklich nichts machen und selbst bei Geldauszahlungen, wie bei dem Deutschkurs vor einer Weile, wurde nach einem Hanko gefragt und nur widerwillig wurde mir die Unterschrift gestattet. Das alles hat mit dem heutigen Tag ein Ende. Ich bin offiziell Besitzer eines Hankos!

Als ich am Samstag mit Rieko durch die Stadt zog, war meine große Stunde gekommen. Endlich hatte ich jemanden mit sehr guten Japanischkenntnissen dabei, der die Formalitäten klären konnte. Kurzerhand wurden die Hankogeschäfte abgeklappert und der beste Stempel für meine Zwecke gesucht. Ein ziemlich kompliziertes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass es entweder die 105 Yen ( 1 Euro) billigen Standardstempel oder die in die hundert Euro gehenden Edelstempel zu kaufen gibt. Im Endeffekt hatte ich aber Glück und mit Riekos Hilfe fand ich einen passenden Laden, dem ich die Kanjis für meinen Namen hinterlassen konnte. Fertiggestellt wurde der Hanko dann am heutigen Tag. Damit bin ich jetzt in der Lage, alle wichtigen Dinge zu tun, die ich schon immer mal tun wollte. O.k., außer einen Kredit aufzunehmen oder ein Haus zu kaufen, dazu hätte ich noch eine andere Version benötigt, aber immerhin heiraten könnte ich schon auf diesem Weg. Gut, dass es da noch das Problem mit der fehlenden Freundin gibt, aber schön, wenigstens die Möglichkeit zu haben.

Heiraten läuft hierzulande eh ein wenig anders ab als in Deutschland, wie ich gestern bei meiner Radtour erleben musste. Prinzipiell reicht es, einen einfachen Zettel auszufüllen und von beiden Partnern abstempeln zu lassen und nachdem das Dokument beim zuständigen Rathaus abgegeben wurde, ist man offiziell verheiratet. Nun gibt es mehrere Möglichkeiten. Beliebt ist wohl auch die Ehe ohne große Hochzeit, aber es gibt auch andere Versionen. Gut anzuschauen ist garantiert die religiöse Variante in einem Tempel, nur muss man dafür wirklich religiös sein und natürlich auch das entsprechende Kleingeld zur Verfügung haben. Ungleich billiger ist da ein Hochzeitshaus. Inspiriert von amerikanischen Filmen wünschen sich heutzutage viele eine Märchenhochzeit. In diesem Fall kommen die Häuser, meist im Stil einer europäischen Kirche erbaut, ins Spiel. Sie bieten den Paaren alle Möglichkeiten, eine Traumhochzeit im edlen Ambiente zu veranstalten. Normalerweise sind diese Feste zwar auch teurer, aber immer noch billiger als in einem Tempel zu feiern. Gut angenommen wird es auf jeden Fall, betrachtet man die Masse an parkenden Autos vor der Tür des Gebäudes.

Auf jeden Fall besitze ich nun so einen Stempel und in Deutschland wird er als Anschauungsobjekt gebraucht. Aber neben dem visuellen Part habe ich noch die perfekte Idee zur Nutzung. Anstelle von Unterschriften auf der Anwesenheitsliste in der Uni, wird ab jetzt nur noch gestempelt, mal schauen was die Professoren zu einem derartigen Plan sagen.

Oh wie liebe ich mein Fahrrad…….

Seit Wochen freue ich mich mittlerweile schon auf ein Event, das am heutigen Sonntag stattfinden sollte. Vor vier Wochen entdeckte ich das Poster einer japanischen Beatles Revival Band. Wohl wissend, dass Shimizu großer Beatles Fan ist, entschieden wir, heute gemeinsam den Auftritt zu verfolgen. Leider haben wir aber einen Fehler gemacht, wir haben nur im Internet auf der Bandseite den Termin überprüft und zu meinem Schrecken durfte ich heute Mittag feststellen, dass das Konzert schon gestern stattfand und sich auf der Homepage ein Schreibfehler befand. Ausgezeichnet, alle Vorbereitung umsonst und Shimizu entschied sich auch lieber, dann weiter für seine Prüfungen zu lernen. Japaner sind halt bekanntlich wirklich nur mit Gewalt zu überzeugen, irgendwelche Vorbereitungen für Klausuren auch nur für eine Stunde zu vernachlässigen, wobei sie das mit dem Vernachlässigen auch ohne hinbekommen. So oft wie heute bei Shimizu das Handy besetzt war, hat er auch mehr mit dem Handy gespielt, als das er gelernt hat. Hoffentlich klappt es dann jetzt beim nächsten Auftritt der Band, ich hätte es zu gerne gesehen.

Als Ausgleich für meinen Ärger über die vermasselte Möglichkeit, habe ich mich kurzerhand mit meinem Rad auf die Spur begeben. Den Kopf bekommt man bekanntlich ja an der frischen Luft frei. Eigentlich plante ich nur eine kurze Runde um den Block, acht Stunden später war ich aber doch schlauer, dass aus einmal um den Block nichts wird. Irgendwie erreichte ich das absolute Reichenviertel der Stadt, inklusive seines eigenen Edeloutlets. Man kann über japanische Preisgestaltung sagen, was man will, aber irgendwie stehen sie doch alle auf Outlets und auch auf Gebrauchtmärkte. Das Outlet in diesem Bezirk umfasste wohl die doppelte Größe des Outlets in Wolfsburg. Alle großen und kleinen Marken waren dabei vertreten und die Kunden strömten in Massen in die Geschäfte. Das Ganze muss auch so gut gehen, dass man sich alleine von mir gesehene 15 Einweiser leisten kann. Mitarbeiter, die den Leuten nur den Weg zeigen, den ganzen Tag Schilder zu den Parkplätzen hochhalten und auf den Parkplätzen die freien Stellplätze anzeigen. Trotz Outlets waren die Preise aber doch etwas zu hoch für meinen Geschmack, so dass ich meine Runde nördlich und östlich der Stadt weiter vollzog, frei nach Star Trek: Um dorthin zu gehen, wo noch nie ein Ausländer zuvor gewesen ist. So weit hergeholt ist diese Theorie auch noch nicht einmal, wurde ich doch überall mit Argusaugen beobachtet. An der Stadtgrenze und in den Nachbarorten wurde das zweite Hobby der Japaner klar. Gibt es in Deutschland je nach Ort auch immer mal ein oder zwei Gebrauchtwarenhändler, so gibt es die hierzulande wirklich an jeder Ecke. Und sie sind wirklich gut besucht, auch von den Anzugträgern oder von Autofahrern, deren Autos klar zeigen, dass sie es nicht nötige hätten. Dafür werden dann auch Geschäfte über 3 Etagen mit zum Teil wirklich guter Auswahl geboten. Aber auch ansonsten war es eine sehr entspannte Fahrt, die nur leider viel zu lange dauerte und auf viel zu viele Berge führte. Trotzdem hatte ich wirklich Spaß, nur auf der Heimfahrt traf ich durch Zufall noch Katoh und mit ihm konnte ich irgendwann kaum noch mithalten, da die Beine doch langsam schwerer wurden. Ich sollte vermutlich mehr trainieren.

Die Qual der Wahl

Die Qual der Wahl zu haben, ist eindeutig nicht für mich geeignet. Für den heutigen Tag hatte ich viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Welche die Beste sein sollte, konnte ich mich aber nicht so wirklich entscheiden. Auf dem Hauptcampus veranstaltete die BWL der Tohoku Universität ein Tanz- und Gesangsfest. Jeder Ausländer, der Langeweile hatte, konnte sich dabei zum Affen machen, was den vielen Facebookbildern zufolge auch sehr gut gelang und wohl ziemlich spaßig war. Für mich sind solche Feste aber bekanntlich nicht so interessant, so dass diese Option schon einmal herausfiel. Alternativ hatte ich auch noch eine Einladung zu einem Geburtstag. Fumino, eine mir entfernt bekannte Japanerin, feierte mit einigen meiner ausländischen Freunde Geburtstag. Eigentlich ein guter Grund zu erscheinen, wenn ich mit Fumino jemals wirklich etwas zu tun gehabt hätte und die feiern nicht eh immer gleich ablaufen würden. Als ich mich schon fast damit abgefunden hatte, zur Geburtstagsfeier zu gehen, meldete sich Rieko zu Wort, ob ich ihr nicht beim Brille aussuchen zur Seite stehen könnte. Da sage ich natürlich nicht nein und kurzerhand verabredeten wir ein Treffen in der Innenstadt.

Wider Erwarten fand ich mich aber viel zu früh in der Innenstadt ein. Noch viel Zeit und nichts zu tun, was macht man in solchen Fällen am besten? Die Standardantwort auf diese Frage müsste shoppen heißen, darauf hatte ich in der total überfüllten Stadt und ohne wirklichen Einkaufsplan eigentlich keine wirkliche Lust. Zum Glück fiel mir daraufhin die Rückseite des Bahnhofs ein. Auf den letzten Erkundungstouren Richtung Meer hatte ich doch ein paar Tempel gesehen, die könnte man sich eigentlich mal genauer anschauen. Womit ich aber nicht gerechnet hatte, war die Anzahl sehr anschauungswürdiger Tempel. Eine große Zahl sehr schöner Tempel lag vor mir und auf meiner Erkundungstour. Wieso hatte ich die bis jetzt noch nie gesehen? Einer der Tempel war schöner als der andere und alle lagen sie wirklich schön durch die Umwelt begrenzt. Dass mal ein Tempel zwischen den Wohnhäusern erscheint, ist für Japan dabei nicht wirklich seltsam, aber die große Anzahl dagegen schon. Während ich von Tempel zu Tempel rannte, vergaß ich deshalb die Zeit und andauernd erhaschte ich die Blicke der Leute in der Umgebung, die meiner Anwesenheit nicht wirklich über den Weg trauten. Plötzlich war es aber so weit, ich hatte keine Zeit für die Rückkehr mehr. Per Laufschritt schaffte ich es gerade noch so zum Treffpunkt.

Es wurde eine sehr lustige Shoppingrunde, in der wir beide unseren Spaß hatten. Als Ausgleich für die Strapazen entschieden wir uns im Anschluss, etwas „echt Deutsches“ zu essen – einen Döner. In Sendai gibt es genau ein türkisches Restaurant und das besuchten wir deshalb heute. Es gab einen normalen und einen Gemüsedöner. Das Fazit der Testgruppe fiel aber nur mittelmäßig aus. Nicht nur sind die Döner viel teurer, sie sind auch noch um einiges kleiner und die Zutaten teilweise auch sehr dem japanischen Geschmack angepasst. Trotzdem konnte man es zur Abwechslung mal essen. Der beste Teil kam aber erst zuhause. Rieko und ich wollten noch in Ruhe essen, als plötzlich Abe und Kim im Wohnzimmer erschienen. Warum, habe ich zwar nicht mitbekommen, aber offensichtlich wollte Abe gerade sein Zimmer aufräumen, so dass er ein Bürogolf-Set aufbaute. Der dazu gehörige Teppich war aber so zerknüllt, dass meine beiden Mitbewohner kurzerhand das Bügeleisen herausholten, um den Teppich gerade zu machen. Rieko gefiel die Lockerheit und leichte Verrücktheit meiner Mitbewohner sehr. So verbrachten wir den Abend mit den Beiden, ehe Nobu sich auch noch spontan anschloss. Kurzerhand wurde das Spiel der Koreaner im Asia Cup angesehen. Das Treffen mit Rieko war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Die restlichen Aktivitäten hätten nie die Möglichkeit gegeben, sich wirklich mit Japanern zu unterhalten. Aus diesem Grund bin ich shr zufrieden mit meiner Entscheidung. Und ich habe so den Tag sehr genossen.

Hier spielt die Musik

Wieso muss die Post in diesem Land eigentlich jedem Klischee über sich gerecht werden? Gestern hatte Shimizu dankbarerweise für heute Vormittag einen Termin mit der Post vereinbart, bei dem mir meine reparierte Kamera wieder überreicht werden sollte. Zwischen 8 und 13 Uhr wollten sie dafür da sein. Wie nicht anders zu erwarten, klingelte es zwei Minuten nach 8 schon auf dem Haustelefon. Da ich dieses nicht schnell genug erreichen konnte, hatte ich Glück im Unglück. Als ich unten angekommen war, wollte der Lieferdienst schon wieder mit meinem Paket abfahren. Mit Mühe und Not konnte ich dieses Schicksal aber zum Glück noch einmal abwenden. Endlich habe ich wieder eine Kamera, es wurde auch Zeit. Alles funktioniert wieder. Das hoffentlich einmal meiner Pechsträhneim Hinblick auf sich selbst zerstörende Elektrogeräte in meinem Besitz entgegen. Über Pentax ansich als Serviceleister kann ich in diesem Zusammenhang auch nur lobend sprechen. Wenn man den Dokumenten glauben darf, haben sie fast alle Teile der Kamera durch neue ersetzt. O.k., wie die alle kaputt gewesen sein sollen, erschließt sich mir nicht wirklich. Ich gehe aber einfach mal davon aus, dass der Fehler anders nicht eingrenzbar gewesen sein wird. Auf jeden Fall habe ich dank Garantie jetzt eine fast 100 Prozent neue Kamera. Das heißt, ich habe es auch endlich wieder leichter, irgend welche Fotos zu machen.

Ansonsten habe ich heute den Tag im Büro verbracht. Besonders ein Buch über die Vorwehen des Zweiten Weltkrieges hielt mich dabei in Beschlag. Aus Erfahrungen mit Jie, einem alten Mitbewohner von mir, hatte ich ja schon eine grobe Idee, was Chinesen von den Japanern halten, aber dieses Werk schlug alle meine Erwartungen um Längen. Ich habe ein Buch einer chinesischen Autorin in die Hände gespielt bekommen, die die Ereignisse plastischer darstellen, als ich es zum Beispiel bis dato je in einem Buch über Deutschlands Taten gesehen habe. Gleichzeitig habe ich aber nie den Abscheu gegenüber einer anderen Nationalität dazu auch derartig stark herauslesen können. Es ist auf jeden Fall interessant, diese Buchmeinung mit dem Wissen der Japaner zu vergleichen und genau dies betrieb ich heute und versuchte, die goldene Mitte zwischen beiden Meinungen zu finden. Da Japan selbst heute aber noch nicht den besten Ruf bei seinen Nachbarländern errungen hat, ist es immer wieder interessant, mit Japanern und Asiaten aus den Nachbarländern über Geschichte zu sprechen, die Divergenz ist beeindruckend. Aber auch anderweitig beschäftigten wir uns im Büro vernünftig. Mein zweiter Betreuer fand eine alte Prinzen-CD eines ehemaligen Professors. Also nutzte ich die Gelegenheit, um eine der bekanntesten ostdeutschen Bands vorzustellen und sie kam auch wirklich gut an. Shimizu hat mittlerweile einen Ohrwurm und lag mir noch den gesamten Abend mit dem Prinzensong ?Tiere sind zum essen da? in den Ohren.

Abends wurde aber eines klar: Nur im Büro herumsitzen, schadet eindeutig der Konzentration. Ein wenig Luft kann nicht schaden. Kurzerhand entschied ich mich, einer meiner Lieblingsablenkungsmethoden zu folgen. Mit dem Rad ging es herunter in die Innenstadt und kurzerhand streifte ich durch die Einkaufsmeile. Gerade wenn alle Geschäfte geschlossen sind, blüht diese erst richtig auf. Anstelle von Geschäften finden sich alle Arten von Künstlern und Performern dort ein. Auch heute sollte ich Glück haben und eine ortsansässige Band nutzte die geschlossene Arkade als Hintergrund für ein Livepromokonzert. Zwar standen am Anfang nur Frauen um die Herren herum, mit der Zeit wurde es aber voller, da viele spontan verweilten, um der Musik zu folgen. Das ist der entscheidende Vorteil von Sendai. Wenn man etwas Abwechslung sucht, findet man sie sehr schnell und ein gutes Livekonzert hat schließlich auch noch niemandem geschadet.

Und ich danke meinem Management ….

Ein Hoch auf mein Management, es hat mal wieder alles richtig gemacht! Nachdem Thomas am Dienstag endlich die Zusage für seinen neuen Job in Deutschland bekommen hatte, war es heute an der Zeit, ihm persönlich zu gratulieren. Schweren Herzens verließ ich die Uni zur Abwechslung mal vor 22 Uhr und fuhr zum MafuMafu. Die Tatsache, dass er ab dem 4. März seine neue Stelle beginnen wird, wird vermutlich einen herben Rückschlag für das Cafe darstellen. Zwar betont er immer, wie gut die anderen Mitarbeiter sind, aber ohne ihn als zentraler Punkt wird schon etwas fehlen. Besonders, da er immer die Person darstellt, die Gespräche erzeugt und sich besonders um die Belange der Kunden kümmert. Neben der Gratulation interessierte mich aber noch ein anderer Faktor sehr: Wie lief nun das Treffen in der Schule ab? Wie es aussieht, war die Absage dank meiner Managerin Rieko die einzig richtige Entscheidung, denn es war wohl grausam. Die Redner waren auf ein derartig langes Programm nicht vorbereitet und die Schüler unterschieden sich nicht sonderlich von europäischen Schülern und gaben einigen der Referenten wohl eine extrem schwierige Zeit. 80 Minuten einem Ausländer in gebrochenem Japanisch zuzuhören, ist halt nicht jedermanns Sache. Das Problem hätte man mit einem Englisch-Befehl in Windeseile beheben können, aber offensichtlich hat die Schule sich das Ganze ja anders vorgestellt. Da kann ich nur froh sein, dass ich Rieko hatte und sie sich für mich informierte und mich bei meinem Absagebeschluss bestärkte. Ein Hoch auf meine Managerin! Mein zweiter Manager war heute dafür auch am Werk. Da warte ich mehrere Stunden morgens, ob die Post meine Kamera mitbringt und die rufen Shimizu an und sprechen mit ihm ab, dass die Kamera morgen kommt. Dabei war ich mir sicher, dass wir meine Telefonnummer weitergereicht hatten, aber offensichtlich haben sie seine Nummer bei seinem ersten Anruf bei Pentax gespeichert. Das ist wirklich eine der Sachen, wo ich froh bin, wenn ich wieder deutschen Boden betrete, ich bin nicht mehr so extrem auf die Hilfe anderer angewiesen. Ich mache solche Dinge halt doch lieber möglichst eigenständig.

Überrascht hat mich dagegen heute der Blick in den Zeitungskiosk. Eigentlich wollte ich nur schauen, was die japanischen Zeitungen über den Anfang der Saison berichten, aber 50 Prozent der Zeitungen hatten verdächtig junge Spieler auf dem Cover. Es handelte sich um die Berichte über die vor ein paar Tagen stattgefundene Highschool (Gymnasium) Fußballmeisterschaft. Jetzt bitte mal ehrlich die Hände heben, wer schon freiwillig Turniere der A oder eher noch B oder C Jugend seines Teams verfolgt hat. Hier in Japan ist das offensichtlich etwas anderes. Jährlich treten die besten Teams des Landes in einem großen Turnier im Nationalstadion an, um den Meister auszuspielen. Später am Abend stieß ich im Fernsehen auf eine Wiederholung der besten Spiele zur Primetime, also scheint die Berichterstattung über das Turnier wirklich ausladend. Auch die Zeitungen überschlugen sich. So gab es alleine vier Zeitungen, die nur Hochglanzbilder der Teams und Spieler beinhalteten. Die Kinder werden wie Superstars gehandelt und offensichtlich schaffen auch einige wirklich den Sprung in die erste Liga. Wer jetzt denkt, dass dies ein kleines Ereignis mit viel Werbung und wenig Resonanz ist, der irrt sich ebenfalls. Auf Bildern der Spiele konnte man eindeutig erkennen, wie groß die Zuschauerzahlen im fast ausverkaufen Nationalstadion waren. Eindeutig handelt es sich dabei aber um ein Phänomen, was in Deutschland wohl nie möglich wäre. Aber nicht nur im Fußball gibt es diese Turniere. In mehreren Wochen fängt auch wieder das Koshien, das japanische Schulbaseballturnier an. Und auch in anderen Sportarten werden diese Nationalturniere unter großer Zuschauerresonanz abgehalten. Zu schade, dass ich mit Sendai dafür aber immer zu weit ab vom Schuss liege. Zu gerne hätte ich wirklich mal eines der Turniere besucht, aber man kann ja nicht immer alles sehen.

Japanische Kulanz

Wer kennt die Situation nicht? Man hat einen Großeinkauf vollzogen und nach ein paar Stunden oder noch besser Tagen hat man den Kassenzettel in der Hand und irgend etwas stimmt da nicht. Der Kassierer hat einen Fehler gemacht. Egal, ob doppelt über den Scanner gezogen oder eine falsche Zahl eingetippt, so etwas ist ärgerlich und kostet in den meisten Fällen extra Geld. Natürlich hat man keine Chance, das Geld jemals wieder zu sehen und schon kann man sich nur noch ärgern und sich zum wiederholten Male vornehmen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Es geht aber auch anders, schließlich sind wir hier in Japan, dem Land, wo der Kunde auch noch wirklich König ist. Vor zwei Wochen waren Rieko und ich einkaufen. Dabei hat sie sich Nudeln geholt. Nudeln sind hierzulande kein 50 Cent-Objekt, wie in Deutschland, sondern kosten bei normal großen Packungen schon mal 3 Euro. An der Kasse dann das erste Problem: Der Verkäufer weigerte sich, die Nudeln zu verkaufen, da sie schon leicht zerbrochen waren. Rieko wurde noch einmal losgeschickt, um neue zu holen. Ein freundlicher Zug des Verkäufers, der aber zu dem angesprochenen Problem führen sollte. Rieko kam also wieder, überreichte die Nudeln und der Verkäufer zog sie wieder über den Scanner. Die Nudeln wurden also noch einmal abgezogen. Gemerkt haben wir diesen Umstand aber nicht gleich, sondern Rieko sah nach einer Woche den Zettel und wunderte sich, wo die zweite Packung herkam. Nachdem sie sich an den Vorfall erinnerte, schrieb sie nicht etwa die drei Euro ab, sondern rief erst einmal im Supermarkt an. Die Mitarbeiter versprachen, sich zu kümmern und Rieko sollte bei Zeiten vorbeikommen. Diese Zeiten waren nun heute, genau zwei Wochen nach dem Einkauf gekommen. Endlich schaffte sie es zu den Öffnungszeiten der Information in den Laden und sie bekam tatsächlich ohne die kleinste Diskussion ihr Geld zurück. Mehr noch, weil sie ja nun Auslagen für das Telefonat hatte, wurde ihr sogar noch das Telefongeld erstattet. Man stelle sich so etwas Mal in Deutschland vor! Dort hätte man schon nach drei Minuten angenommen, man wolle den Laden betrügen und hierzulande bekommt man nach zwei Wochen sogar noch sein Telefongeld zurück. In Japan weiß man auf jeden Fall noch, was das Wort Kundenservice bedeutet und man entschuldigte sich sogar noch tausend Mal bei ihr.

Kurioser ging es dagegen heute im Büro zu, als ich es betrat. Ich weiß ja nicht, was ich davon halten soll, aber meine Mitstudenten sind offensichtlich ziemlich jung geblieben. Als ich die Tür öffnete ,tanzte der 26jährige Okada gerade zu einigen Fernsehturnübungen. Das war ein Bild für die Götter, kann ich nur sagen. Einige Damen hatten auf Youtube einen recht kuriosen, vermutlich weil er so Japanisch war, Fitnesskurs aufgemacht. In jedem anderen Land der Welt hätte man ihn vermutlich wegen Zuckungen auf irgend welche Krankheiten untersucht, hier in Japan ist es möglich, so etwas mit ernstem Gesicht im Aufenthaltsraum (nein, eher sogar in der Bibliothek) zu vollziehen, ohne dass einer der anderen anwesenden Studenten lacht. Das Gute an solchen Aktionen ist aber eindeutig, dass die Studenten im Büro immer gelassen bleiben. Noch nie habe ich bei uns einen der Japaner erlebt, die nur gestresst sind und 23.5 Stunden im Büro sitzen, über Poblemen brüten und in der verbleibenden halben Stunde im Büro dösen. Diese Beschreibung ist dabei noch nicht einmal weit hergeholt, da ich derartige Studenten hier auch kenne. Auf der anderen Seite habe ich Kazaoka, der mir den Schal geschenkt hat, heute getroffen. Als Dank für das Geschenk überreichte ich ihm feierlich deutsche Schokolade und einen Wimpel von Deutschlands bestem, wenn auch nicht bestplaziertem Team. Er bekam gleichzeitig den Hinweis, dass er mit mir ins Stadion gehen muss, wenn er wirklich in Berlin studiert.

Wenigstens bin ich bald wieder in der Lage, diesem Hobby zu frönen, auch wenn ich bis dahin noch über den japanischen Spielplan der nächsten Saison trauere. Vegalta hat doch wirklich an dem Spieltag, wo ich noch hier bin, ein Auswärtsspiel in Hiroshima und das erste Heimspiel ist zwei Tage nach meiner Abreise. Ich hatte so gehofft, dass es anders herum ist. Da der Spielplan aber erst gestern veröffentlicht wurde, war es zu spät, dies in meine Abreisepläne einfließen zu lassen. Das Spiel gegen den amtierenden japanischen Meister hätte ich aber zu gerne gesehen.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft – Geschenke in Japan

Merke, in der Nähe von Japanern sollte man seine Worte sehr weise und vorsichtig wählen, sie nehmen sie sehr genau. Ein Rückblick auf die Jahresendfeier des Büros in der Mitte des Dezembers: In einer ruhigen Minute hatte ich mir Kazaoka geschnappt. Kazaoka ist ein älterer Japaner, der gerade von einem Ein-Jahres-Aufenthalt in Bonn in das schöne Sendai zurückgekehrt ist. Aus vorherigen Gesprächen mit ihm war mir bekannt, dass er ebenfalls ein Fußballfan ist. Mehr noch, sein Bruder hat in der Jugendmannschaft von Jubilo Iwata gespielt. Iwata, das ist gleichzeitig der Fußballverein, von dem ich als erstes etwas gehört habe, als ich mich Ende der Neunziger zum ersten Mal über japanischen Fußball informierte. Als Verein mit blau-weißem Logo und großen Erfolgen dank seiner Jugendarbeit, hatte ich mir als Ziel gesetzt, ihn wenigstens ein Mal zu schauen. Als Jubilo nun sein Gastspiel in Sendai gab war es endlich so weit. Aber einen Schal beziehungsweise den Handtuchersatz für Schals gab es zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwerben. Kein Problem, ich habe ja Kazaoka. In der ruhigen Minute fragte ich ihn, ob er mir nicht eines der Handtücher und eine Anstecknadel besorgen kann. Kein Problem, über Neujahr war er in der Heimat und machte sich auf die Jagd. Erfolgreich war diese aber nicht. Nach Neujahr war der Fanshop noch geschlossen, so dass er mit einem normalen Laden vorlieb nehmen musste. Dort fand er etwas, wenn auch etwas anderes, als ich erwartet hatte. Zurück in der Gegenwart traf ich ihn heute endlich das erste Mal, seit dem Neujahr. Sofort als er mich sah, rannte er los und brachte mir meine Lieferung. Zwei Anstecknadeln, eine von Jubilo und eine von den S-Puls waren vorhanden. Dazu gab es noch einen echten Schal vom Erzrivalen Jubilos, den S-Puls. Ein Handtuch hat er nicht gefunden, also wurde es der Schal, der ein Geschenk für mich darstellte. Alles protestieren half nichts, wenn ein Japaner etwas schenken will, dann macht er es. Dadurch besitze ich nun einen sehr schönen Schal, der einfarbig schwarz und auf der anderen orange ist und sehr dezent den Vereinsnamen darauf stehen hat. Da so ein Schal hier in Japan wirklich teuer ist, werde ich morgen erst mal einen Austausch durchführen und Kazaoka im Ausgleich mit einem FCM-Fanartikel beschenken. Ob das ein Wimpel oder Schal wird, muss ich aber noch entscheiden.

Diese Situation ist aber typisch für Japan. Man muss sehr aufpassen, weil Japaner es auch mögen, teure Geschenke zu machen. Wenn jemand bei einem Essen zahlen möchte, kann einem gleich klar sein, dass das vom Aussucher gewählte Restaurant einen dementsprechend hohen Preis hat. Viel schlimmer wird es aber bei Geschenken. Nach einem Geschenk bekommt man mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Gegengeschenk im gleich hohen Wert zurück. Das fängt schon bei Schokolade an. Gebe ich zum Beispiel Nobu etwas deutsche Schokolade, habe ich am nächsten Tag mit hoher Wahrscheinlichkeit einen großen Haufen japanische Schokolade vor der Tür liegen. Das schöne ist, es gleicht sich alles aus. Auf der anderen Seite ist es natürlich sehr anstrengend, wenn man jemandem nur eine Freude machen möchte. Um es mit Thomas Worten zu meinem gewonnenen Fleisch noch einmal auszudrücken. ?Schenke das Fleisch einer Frau. Entweder sie heiratet dich, oder sie schläft wenigstens mit dir.? So unrealistisch, wie sich dieser Spruch anhört, ist er aber wirklich nicht.

Auf der anderen Seite haben wir Zuwachs im Büro bekommen. Für zwei Wochen ist ein Gastprofessor in Sendai, der den Studenten über andere Fachthemen berichten wird. Der Herr ist ein alter Bonnveteran und kann nach seinem zweijährigen Deutschlandaufenthalt besser Deutsch, als alle Professoren der Fakultät zusammen. Wie er das Herz der restlichen Studenten erreichen kann, hat er auch raus, was seine Art sehr interessant macht. Um das Eis mit den Studenten zu brechen, denen er etwas über klassische Musik berichten wollte, holte er kurzerhand seinen iPod mit Klaviersoftware heraus und lies eine Studentin kurz etwas vorspielen. Innerhalb weniger Minuten war dadurch das Eis gebrochen. Auch in anderen Gesprächen schaffte er es in wenigen Minuten, näher an die Studenten zu gelangen, als es vermutlich den meisten Professoren der Fakultät in mehreren Jahren gelingt. Es ist auf jeden Fall sehr interessant, sich mit ihm zu unterhalten, besonders da er auch Göttingen kennt. Da er aber auch in Japan sehr viel herumgereist ist, konnte er mir auch gleich noch Tipps über Sapporo geben. Die Reise haben wir schließlich heute auch bezahlt. Man glaubt gar nicht, was es für ein komisches Gefühl es ist, mit 2.200 Euro herumzureisen, die nicht alleine mir gehören. Um so erleichterter war ich, es wenigstens abgeben zu können. Eigentlich hätte ich gerne per Karte gezahlt, das Reisebüro in Japan nimmt aber keine. Dementsprechend waren wir nicht die einzigen Leute, die heute in bar bezahlten und in der kurzen Zeit in der wir zahlten, gingen grob geschätzt 12.000 Euro über den Tisch. Man stelle sich solche ein Vorgehen mal in Deutschland vor. Auf jeden Fall bleibt jetzt nur noch, auf gutes Wetter zu hoffen und dann auf Hokkaido unseren Spaß zu haben. Ich bin gespannt!

Fragen Sie bitte meine Managerin!

Eine Schule besuchen und den Japanern etwas über die Heimat erzählen, das Ganze hat sich auch zu gut angehört. Heute früh erhielt ich von Thomas auch die Ansage, dass ich den Job sicher habe und meine Vorfreude stieg. Anbei an der Mitteilung war auch der Hinweis, dass ich einen Fragebogen ausfüllen muss. Nichts leichter als das. Lieblingsberühmtheit in Japan? Shunsuke Nakamura, Honda und Hasabe. Die Richtung meiner Fragebogenantworten sollte damit schon relativ gesetzt werden. Besonders bei den Festen half mir Rieko anständig aus, fehlten mir doch Ideen für mehr große Feste in Deutschland. Dank ihres Hinweises über Hexen in der Uni, kam ich auf die Walpurgisnacht, ein Thema was ein größeres regionales Fest ist und für Japaner sehr interessant sein könnte. Kaum hatte ich den Fragebogen fertig, erhielt ich einen Anruf von der Veranstalterin des gesamten Schulbesuches. Ausgezeichnet, könnte ich so etwa endlich erfahren, was mich dabei erwartet? Leider verlief das Gespräch nicht so wie erwartet und meine Gesprächspartnerin war ziemlich schwer zu verstehen. Kurzerhand bekam Rieko das Handy in die Hand und ich fühlte mich wie ein Star. Die große Stunde meiner Managerin war gekommen. Reiko blühte förmlich auf, mir alle Informationen zu besorgen. Aber was für ein Schreck, alles sollte in Japanisch sein, auch der Frageteil, so hatte ich mit Thomas nicht gewettet. Kurzerhand wurde das Gespräch durch die beiden unterbrochen und mir die Möglichkeit der Klärung gegeben. Thomas klang aber sehr optimistisch, dass das alles sehr leicht wird und auch keine Vorbereitung benötigen wird. Solch ein Optimismus kann ansteckend sein und ich begann mich schon wieder auf den Event zu freuen, wollte bei meiner Zusage aber diesmal alles wissen. Wieder ging mein Management zu Werke. In kürzester Zeit hatte sie alles heraus bekommen, aber was war das? Ich sollte 80 Minuten auf Japanisch tiefste fachspezifische Details vortragen? Ich kenne kaum jemanden, der als Ausländer dazu in der Lage wäre. Eine Option gäbe es aber noch. Rieko beriet sich mit der Verantwortlichen und ich hätte einen Übersetzer mitnehmen können. Shimizus Gesicht, als er begriff, was das für seinen Mittwoch bedeuten würde, war unbezahlbar und das Bild, was wir abgegeben hätten, wäre es wohl sogar wert gewesen. Mit Shimizu kann ich zwar einiges unternehmen, aber diese 80 Minuten wären selbst für uns beide zu viel. Es hätte wohl darin geändet, dass Shimizu einfach irgend etwas berichtet hätte. So musste ich schweren Herzens also doch absagen, bekam aber das Versprechen, nächstes Mal sofort angerufen zu werden, wenn es so etwas noch einmal gibt. Wobei, das ist nicht richtig, meine Managerin wird sofort angerufen, schließlich fand die Verantwortliche die Gespräche mit Rieko so interessant.

Na ja, im Endeffekt bleibt zu vermelden, mal verliert man und mal gewinnen die anderen. Man kann nicht immer Glück haben. Vielleicht klappt es ja in der Zeit nochmal. Ich bin auf jeden Fall froh, dass Rieko alles geklärt hat. 80 Minuten hätte ich auf jeden Fall nur mit meinem gesamten Beraterstab auf Japanisch füllen können. Eine Kombination aus meinem Betreuer, Shimizu und Rieko hätte wohl Wunder gewirkt. Aber nicht alles ging so kolossal schief. Nein eher war der Tag sehr interessant. Zum einen nutzten wir die Abwesenheit der meisten Studenten, um eine lustige vier Personen Gesprächsrunde zu betreiben, die ziemlich informativ wurde. Zum anderen wurde mir Sendai-ban, der örtliche Dialekt näher gebracht. Dialekte sind in Japan nicht so weit verbreitet, wie in Deutschland, wo fast jede Stadt ihren eigenen hat. Aber Sendai hat einen eigenen. Daneben gelten eigentlich nur noch der Osaka- und Hiroshima-Dialekt als besonders schlimm und schwer zu verstehen. Nun kann ich gerade mal einfaches Japanisch, schon wird es wieder versaut. So schlecht machte ich mich auf jeden Fall nicht, den größten Lacher hatte ich aber mit Deutsch auf meiner Seite. An der Tür klopfte es und der Klopfer kam trotz rufen nicht in den Raum. Entnervt, dass Japanisch nicht wirkte, rief ich ?herein?. Wie sich herausstellte, ist dieses Wort von der Aussprache aber fast identisch mit dem echten Sendaier Einlassruf. Wer hat sich da wohl von wem inspirieren lassen?