Japanische Kulanz

Wer kennt die Situation nicht? Man hat einen Großeinkauf vollzogen und nach ein paar Stunden oder noch besser Tagen hat man den Kassenzettel in der Hand und irgend etwas stimmt da nicht. Der Kassierer hat einen Fehler gemacht. Egal, ob doppelt über den Scanner gezogen oder eine falsche Zahl eingetippt, so etwas ist ärgerlich und kostet in den meisten Fällen extra Geld. Natürlich hat man keine Chance, das Geld jemals wieder zu sehen und schon kann man sich nur noch ärgern und sich zum wiederholten Male vornehmen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Es geht aber auch anders, schließlich sind wir hier in Japan, dem Land, wo der Kunde auch noch wirklich König ist. Vor zwei Wochen waren Rieko und ich einkaufen. Dabei hat sie sich Nudeln geholt. Nudeln sind hierzulande kein 50 Cent-Objekt, wie in Deutschland, sondern kosten bei normal großen Packungen schon mal 3 Euro. An der Kasse dann das erste Problem: Der Verkäufer weigerte sich, die Nudeln zu verkaufen, da sie schon leicht zerbrochen waren. Rieko wurde noch einmal losgeschickt, um neue zu holen. Ein freundlicher Zug des Verkäufers, der aber zu dem angesprochenen Problem führen sollte. Rieko kam also wieder, überreichte die Nudeln und der Verkäufer zog sie wieder über den Scanner. Die Nudeln wurden also noch einmal abgezogen. Gemerkt haben wir diesen Umstand aber nicht gleich, sondern Rieko sah nach einer Woche den Zettel und wunderte sich, wo die zweite Packung herkam. Nachdem sie sich an den Vorfall erinnerte, schrieb sie nicht etwa die drei Euro ab, sondern rief erst einmal im Supermarkt an. Die Mitarbeiter versprachen, sich zu kümmern und Rieko sollte bei Zeiten vorbeikommen. Diese Zeiten waren nun heute, genau zwei Wochen nach dem Einkauf gekommen. Endlich schaffte sie es zu den Öffnungszeiten der Information in den Laden und sie bekam tatsächlich ohne die kleinste Diskussion ihr Geld zurück. Mehr noch, weil sie ja nun Auslagen für das Telefonat hatte, wurde ihr sogar noch das Telefongeld erstattet. Man stelle sich so etwas Mal in Deutschland vor! Dort hätte man schon nach drei Minuten angenommen, man wolle den Laden betrügen und hierzulande bekommt man nach zwei Wochen sogar noch sein Telefongeld zurück. In Japan weiß man auf jeden Fall noch, was das Wort Kundenservice bedeutet und man entschuldigte sich sogar noch tausend Mal bei ihr.

Kurioser ging es dagegen heute im Büro zu, als ich es betrat. Ich weiß ja nicht, was ich davon halten soll, aber meine Mitstudenten sind offensichtlich ziemlich jung geblieben. Als ich die Tür öffnete ,tanzte der 26jährige Okada gerade zu einigen Fernsehturnübungen. Das war ein Bild für die Götter, kann ich nur sagen. Einige Damen hatten auf Youtube einen recht kuriosen, vermutlich weil er so Japanisch war, Fitnesskurs aufgemacht. In jedem anderen Land der Welt hätte man ihn vermutlich wegen Zuckungen auf irgend welche Krankheiten untersucht, hier in Japan ist es möglich, so etwas mit ernstem Gesicht im Aufenthaltsraum (nein, eher sogar in der Bibliothek) zu vollziehen, ohne dass einer der anderen anwesenden Studenten lacht. Das Gute an solchen Aktionen ist aber eindeutig, dass die Studenten im Büro immer gelassen bleiben. Noch nie habe ich bei uns einen der Japaner erlebt, die nur gestresst sind und 23.5 Stunden im Büro sitzen, über Poblemen brüten und in der verbleibenden halben Stunde im Büro dösen. Diese Beschreibung ist dabei noch nicht einmal weit hergeholt, da ich derartige Studenten hier auch kenne. Auf der anderen Seite habe ich Kazaoka, der mir den Schal geschenkt hat, heute getroffen. Als Dank für das Geschenk überreichte ich ihm feierlich deutsche Schokolade und einen Wimpel von Deutschlands bestem, wenn auch nicht bestplaziertem Team. Er bekam gleichzeitig den Hinweis, dass er mit mir ins Stadion gehen muss, wenn er wirklich in Berlin studiert.

Wenigstens bin ich bald wieder in der Lage, diesem Hobby zu frönen, auch wenn ich bis dahin noch über den japanischen Spielplan der nächsten Saison trauere. Vegalta hat doch wirklich an dem Spieltag, wo ich noch hier bin, ein Auswärtsspiel in Hiroshima und das erste Heimspiel ist zwei Tage nach meiner Abreise. Ich hatte so gehofft, dass es anders herum ist. Da der Spielplan aber erst gestern veröffentlicht wurde, war es zu spät, dies in meine Abreisepläne einfließen zu lassen. Das Spiel gegen den amtierenden japanischen Meister hätte ich aber zu gerne gesehen.

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