Normalerweise ist es die Weihnachtszeit, in der die Leute dazu tendieren, etwas an Gewicht zuzulegen. Hier in Japan wird kaum Weihnachten gefeiert und ein Großteil der Menschen sieht sowieso viel zu dünn aus. Es gibt aber doch ein Punkt, warum sich selbst die Japaner über Gewichtszunahme im Neujahr aufregen: das Omiyage (das Mitbringsel). Traditionell fahren alle Japaner über Neujahr zurück in die Heimat, um ihre Familien zu besuchen. Da es nun Tradition ist, nach dem Urlaub im Büro eine Spezialität aus dem Urlaubsort mitzubringen, sieht das Büro momentan weniger nach einer Bibliothek der Germanistik, sondern nach einem Supermarkt aus. Man kann sich vorstellen, welche Haufen an Süßigkeiten entstehen, wenn über dreißig Leute Lebensmittel für ebenso viele Leute mitbringen. Das beste Mittel, um den Winterspeck loszuwerden, stellt da natürlich mein Lieblingshobby, das Radfahren dar. Aus diesem Grund traf ich mich heute mit Olga, um ihr ein wenig von den nicht so bekannten Orten in der Stadt zu zeigen.
Unser Hauptziel stellte dabei die Buddha-Statue oben auf dem nördlichen Berg in Izumi dar. Für mich ist die Strecke mittlerweile kein größeres Problem mehr, schließlich habe ich den Weg jetzt schon des öfteren bestritten. Besonders die Tour damals mit Dennis war mörderisch. Bei Olga sieht das etwas anders aus und ihr fehlt einiges an Radfahrerfahrung. Aus diesem Grund wollten wir lieber nur bis zum Fuß des Berges fahren und dann laufen. Womit ich nicht gerechnet hatte, war die Dickköpfigkeit der jungen Dame, die es soweit wie möglich versuchte, den Berg zu bezwingen. Das war eine beeindruckende Willenskraft und sie kam sogar bis zur Hälfte, dann ließen wir es aber doch lieber sein. Besonders der Schnee machte unser Unterfangen ziemlich schwierig. Die letzten drei Tage hat es wirklich mal etwas gefroren und der Regen von vor vier Tagen befand sich zu dem Zeitpunkt noch auf der Straße. Man kann sich die spiegelglatte Fahrbahn vorstellen. Insbesondere ist Sendai offensichtlich auf so etwas überhaupt nicht vorbereitet gewesen und nirgends wurde auch nur ein Hauch Salz gestreut. Das war ein schlimmer Zustand. Trotz einiger Rutschpartien schafften wir es ganz nach oben und Olga sah zum ersten Mal die Statue. Schlecht war nur, dass man schon am Eingang feststellte, dass die Fenster vereist sind und wir nichts durch sie sehen werden können. Nur für ein paar Minibuddha-Statuen, von denen auch noch nicht mal alle zu besichtigen waren, waren wir aber nicht gewillt, unser hart erspartes Geld hinaus zu werfen, so dass wir uns lieber noch ein wenig umschauten.
Also ging es nach einigen Besichtigungen wieder zurück zum Wohnheim. Gut war wie immer der Umstand, dass wo es hoch geht, es auch wieder runter geht und so beschleunigten wir und die Rückfahrt war ziemlich entspannt. Olga war zwar am Ende ziemlich geschlaucht, aber da ich immer Pausen angeboten hatte und sie auch zu nichts gezwungen hatte, gefiel ihr die Tour wohl auch. Trotzdem musste sie sich erst mal erholen. Erholung hätte ich da auch gut gebrauchen können, hatte ich doch heute früh schon viel zu früh wach zu sein, um meine Kamera der Post zu übergeben. Hierzulande ist es nicht wie in Deutschland. Dort heißt es ja gerne mal: „Wir kommen zwischen 9-12 Uhr.“ und im Endeffekt kommen sie dann um 13 Uhr. Hier klingelte heute pünktlich eine Minute nach 9 Uhr die Post unten an der Tür. Zum Glück hatte ich mich vorher schon gezwungen, ja pünktlich Gewehr bei Fuß zu stehen. Aus meiner Pause wurde aber nicht wirklich was. Alex klingelte durch, dass er den Katahiracampus erreichen muss und noch nicht weiß, wie er hinkommen soll. Natürlich fuhr auch gerade kein Bus und sein Orientierungssinn ist auch noch nicht ganz ausgeprägt. Kurzerhand übernahm ich die Führung und im Korso fuhren wir zum Katahiracampus. Damit habe ich endlich auch wirklich alle hier in Sendai gesehen. Ein Filmangebot, was ich im Anschluss von der Skandinaviafraktion erhielt, musste ich aus Zeitgründen absagen, da ich es nicht mehr rechtzeitig zum Kino geschafft hätte. Aber ich entschied mich, ein wenig durch die Innenstadt zu ziehen. Auf einmal erhielt ich von Shimizu die kryptische Botschaft ?Book Off??. Hatte er mich etwa gesehen und nicht hallo gesagt? Kurzerhand schrieb ich zurück und die Lösung war einfach, aber erschreckend. Ein Kumpel von ihm, mit dem er sich gerade getroffen hat, hatte mich in der Innenstadt gesehen. Der Kumpel hatte mich vor 6 oder 7 Monaten das letzte Mal gesehen und ich könnte ihn vermutlich noch nicht mal erkennen, wenn Shimizu neben ihm stehen würde. Aber ich wurde natürlich gleich entdeckt. Ich sage ja, der Ort ist einfach nur ein besseres Dorf, überall wird man erkannt.