Wir schreiben das Jahr 2010, die ganze Welt ist der Fußball Weltmeisterschaft verfallen. Die ganze Welt? Nein, ein großer Ausländer im kleinen Japan, weigert sich standhaft, sich zu unterwerfen.
Leider ist das Ganze nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Dank meiner Bekanntschaften vom gestrigen Tag, galt es heute, sich das Spiel der Deutschen gegen England anzuschauen. Eigentlich war dies in einer großen Runde vorgesehen. Mehrere von Melanies Freunden waren genau so angemeldet, wie alle Vertreter der Deutschen in Sanjo, die Bewohner der Unit 4/3 und selbst Orsolya hatte ihr Kommen angekündigt. Leider kristallisierte sich im Laufe des Tages heraus, dass der leichte Nieselregen immer heftiger wurde. Zwar schaffte ich es, mit Orsolya etwas durch die Stadt zu ziehen, aber wirklich angenehm war das nicht. Dafür nervten die Japaner fast mit ihrer Zuvorkommenheit. Ich erklärte einem Japaner auf Japanisch, was ich will. Dieser rannte zum Telefon und forderte eine Englisch sprechende Kollegin an – nur, um im Anschluss zu bemerken, dass ich ja eigentlich Japanisch mit ihm gesprochen hatte. Also erklärte er mir schon ein wenig und die ansprintende Kollegin war eigentlich überflüssig. Wenn dies einmal passieren würde, hätte ich ja noch Verständnis. Dieses Schauspiel passierte mir aber häufiger, so dass es langsam anfing zu nerven.
Später, gegen Abend, sollte es dann endlich zum Treffpunkt gehen. Leider sagten alle angemeldeten Leute einfach fünf Minuten vor dem Losgehen ab. Immerhin konnte Moritz noch Kylie, unsere Australierin, rekrutieren. Also ging es gemeinsam, im strömenden Regen, in die Stadt. Was soll ich sagen? So lange habe ich noch nie in die Stadt gebraucht. Moritz hat kein Fahrrad, also ging es zu Fuß los. Einen Regenschirm hatte er natürlich auch nicht, so dass Kylie ihn unter ihren Schirm zog und sie Arm in Arm und heftig flirtend in Richtung Innenstadt zogen. Ein von mir spendiertes Eis wurde dann sogar durch gegenseitiges Füttern verdrückt. An sich überhaupt kein Problem und sogar zu begrüßen, leider verlangsamte das die Beiden noch um so mehr und Melanie wartete schon. Im Endeffekt rannte ich vor, um sie nicht noch mehr warten zu lassen und die beiden hätten noch beinahe den Anpfiff verpasst. Nachdem wir noch kurz mit meiner Tutorin gesprochen hatten (Notiz an mich: Diese Stadt ist zu klein, aber wenigstens hat mir mal endlich einer bestätigt, das sie wie ein Kind aussieht.) ging es endlich in eine Kneipe. Es handelte sich um die Kneipe eines Engländers, die ziemlich klein und eng ist. Diese Enge trägt aber auch zum Flair der Kneipe bei. Da der Besitzer Engländer war, stand ich vor dem Problem, welches der beiden Übel ich jetzt anfeuern sollte. Als erprobter Brasilien-Anfeurer im Deutschen Weinzelt 2002, entschied ich mich für die Deutschen. Immer schön das Gegenteil der Mehrheit auswählen. Wir bildeten zu dritt den Gegenpool zu den restlichen Kneipenbesucher. Kylie zog es vor, neutral zu bleiben. Das Spiel der Engländer führte aber ab dem 4:1 zu kuriosen Szenen. Engländer fingen an, Deutschland anzufeuern und wir mussten nach Aufforderung des Kneipenbesitzers eine kleine Deutschlandfahne prominent unterm Fernseher platzieren. Insgesamt war es eine feucht-fröhliche Runde und eine sehr entspannte Atmosphäre. Ich werde bestimmt nicht zum letzten Mal in der Kneipe gesessen haben. Schwer war es nur für Giovanni, einem Kumpel aus dem Sprachkurs. Der musste das erneute Ausscheiden eines Italieners mit anschauen. Gleichzeitig habe ich mit ihm, im Trikot des besten Teams der Welt (wenn es auch gerade unter seinem eigentlichen Level spielt), eine kleine Geschichtsstunde über das Pokal der Pokalsieger-Finale gehalten. Der Name Seguin, als Torschütze, ist heute noch in Milan bekannt. Wobei ich das Trikot nicht freiwillig an hatte. Melanie bestand aber darauf, dass ich wenigstens etwas Deutsches an habe und das Trikot wurde von ihr als solcher Gegenstand angesehen. Mir bleibt jetzt nur zu hoffen, dass Deutschland Argentinien besiegt und wir so noch einmal eine derartige Party machen können. Gegen Argentinien ist Melanie nämlich leider nicht in Sendai.
1 Kommentar
hut ab, anfeuern in der höhle des löwen =D