Heute stand ein ruhiger Tag für mich an. Meine Tutorin hatte keine Zeit und meine Kommilitonen auch nicht. Zu allem Überfluss war die Tür zum Büro auch nicht offen, was also machen? Ich entschied mich, Sendai etwas zu erkunden, wozu ich in letzter Zeit am Wochenende nie komme. Da dazu die Sonne auch noch perfekt war, schnappte ich mir mein Rad und machte mich auf den Weg. Ziel sollte eine Parkanlage im Norden der Stadt werden, die mir Google Maps anzeigte.
Der Weg war auf jeden Fall nicht zu verfehlen, galt es doch nur, einer Straße immer weiter zu folgen. Zu meiner Überraschung fuhr ich schon nach knapp dreißig Minuten an der Konzerthalle des Sendaier Symphonie Orchester vorbei und nur zehn Minuten später am Stadion. Wieso dies für mich eine Überraschung darstellte, ist leicht erklärt. Egal, wo ich hin möchte, wenn ich nach dem Weg frage, wird mir immer die U-Bahn oder Busverbindung genannt. Zum Beispiel ging ich gerade gestern zur Touristeninformation und fragte, wie ich zur Sendaier Konzerthalle gelangen kann. Die Antwort war ein wirrer Plan von U-Bahn- und Buslinien. Nicht anders sah Mayumis Aussage darüber aus, dass ich mit der U-Bahn zum Fußballstadion fahren muss, das ist ja so weit entfernt. Dabei hatte ich in beiden Fällen klar gemacht, mein Rad nutzen zu wollen. Als ich deshalb vor kurzem meine Europa-erfahrenen Japaner befragte, wurde mir auch gleich der Kopf gewaschen. Man erklärte mir, wie Japaner den europäischen Drang nach Spaziergängen sehen. Für Japaner bedeutet spazieren gehen, eine Strecke abzulaufen, die man in zehn Minuten erreichen kann. Als besagte Japaner dann in Europa gefragt wurden, ob sie spazieren gehen wollen und zusagten, konnten sie ihr Unglück über die lange Strecke gar nicht fassen.
Aber zurück zum Thema. Besonders das Stadion hat mir gefallen. Für eine Stadt wie Sendai hat es genau die richtige Größe und für wichtige Spiele gibt es im Notfall ja noch das WM-Stadion. Nur eins verwirrte mich. Nirgends in der Nähe des Stadions war mal ein Hinweis auf den Verein zu finden. Gut, es hingen ein paar Wimpel an den Laternen am Stadion, aber das tun sie auch in der restlichen Stadt. Von Hinweisen am Stadion oder gar Ticketshops beziehungsweise einem Fanshop konnte gar keine Rede sein.
Mein eigentliches Ziel verfehlte ich aber dann offensichtlich doch. Eventuell sollte ich mir doch mal ein Navigationsgerät zulegen, denn eigentlich kann man das grüne Areal laut der Karte gar nicht verfehlen. Nach knapp zwei Stunden, Berg hoch und Berg runter, erreichte ich die Autobahn und den nördlichen Stadtrand. Von dem versprochenen Park war aber weit und breit nichts zu sehen. Da stand ich nun in der Pampa. Ein Gebiet, in das sich vermutlich nicht all zu viele Ausländer verirren, wie mir die Reaktionen der Anwohner zeigten. So wurde mein Vorbeifahren an einer sehr idyllisch gelegenen Schule durch die Schüler ausgiebig lautstark bewertet. Besonders die Höhe meines Rades wurde dabei kommentiert. Im Endeffekt lief auch noch ein älterer Japaner auf mich zu und fragte mich, was ich denn suche. Ich muss mich doch verfahren haben, der Bahnhof ist doch die andere Richtung. Bis ich ihm erklärt hatte, dass ich den Bahnhof nicht suche vergingen einige Minuten. Aber immerhin nett, dass man gleich versuchte, sich um mich zu kümmern. Die Strecke war auf jeden Fall sehr schön. Und die Ruhe, die auf dem Weg herrschte, war perfekt, um dem hektischen Alltag im Stadtinneren etwas zu entkommen. Nur werde ich mit dem Rad wohl nie wirklich lange Strecken fahren können. Wenn ich mir vorstelle, wie ich damit mit den Amerikanern nach Tokyo gefahren wäre. Ich hätte vermutlich nicht mal die halbe Strecke geschafft. Schon die Minireifen, die japanische Räder auszeichnen, hätten die Fahrt zur Qual gemacht. So habe ich im Endeffekt mal einiges von der Stadt gesehen und ein wenig Sport gehabt. Das perfekte Ausgleichsprogramm zum morgen wieder einsetzenden Stress. Zu dem Konzert und zum Fußball, werde ich aber auf jeden Fall mit dem Rad fahren.
2 Kommentare
hat die 2.ubahn linie mittlerweile eröffnet?
Autor
Ja, ist sie und eine den Berg hoch, zum zweiten Campus, ist auch fast fertig.