Festival – Tag zwei war der Plan für heute, aber erst mal hieß es, ein anderes Hindernis aus dem Weg zu räumen. Gestern hatte ich eine Benachrichtigung im Postkasten, dass mein Paket aus Deutschland nicht abgegeben werden konnte. Also habe ich Nobu um 21.00 Uhr beauftragt, dort anzurufen. Es wurde verabredet, dass das Paket heute zwischen 8 und 12 erneut zugestellt wird. Man muss die Post hier echt lieben. Nicht nur, dass das Anrufen vierundzwanzig Stunden möglich ist, nein – Punkt 8 Uhr klingelte es und mein Paket war endlich da. Damit wird mir auch das Fahrradfahren erleichtert, da ich endlich eine lange Sattelstange besitze. Geklaut werden kann mir der Sattel auch nicht mehr, da es z.B. Katoh nicht mal geschafft hat, sich auf das Fahrrad mit neuem Sattel draufzusetzen.
Anschließend ging es in die Innenstadt. Wir kamen auch gerade rechtzeitig für eine Artistikshow mit Leitern. Leider standen wir falsch, so dass wir die schwächsten Artisten erlebten. Aber selbst die waren schon beeindruckend und aus der Ferne konnte man die starke Leistungen der anderen Gruppen sehen. Wobei, das Sehen war so eine Sache. Vor mir stand eine alte Dame und versuchte verzweifelt, die Kamera so hochzuhalten, dass sie das Geschehen ohne Köpfe fotografieren kann. Da das Hochstrecken aber bedeutete, dass die Kamera in meiner Schulterhöhe war, nahm ich ihr die Kamera ab und machte schnell die Bilder. Meine Größe überraschte sie so, dass sie eine halbe Stunde später mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihrem Enkel wiederkam und ihren Mann ein Foto von uns vieren machen ließ. Dann unternahm sie noch den Versuch, dass das sehr junge Enkelkind mit mir sprechen sollte. Das Kind war verdammt süß, weigerte sich aber zu sprechen. (Hätte ich bei einem komischen großen Typen, der auch noch anders aussah, vermutlich auch gemacht.) Ältere Kinder störte das weniger. So hatte an gleicher Stelle ein Mädchen auf den Schultern ihres Großvaters ihren Spaß, meine Haare zu begutachten und sich dibisch zu freuen, wenn ich mit ihr interagierte.
Nachdem dies erledigt war, ging es entlang der Fressbuden zu einer frühneuzeitlichen Waffendemonstration. Besonders auffällig war, dass die Japaner es lieben, alles aufzuspießen. Ob Fisch, Würstchen, Okonomiyaki, alles gab es in Spießform. Auf dem Weg traf unsere japanisch-vietnamesisch-deutsche Delegation dann noch Felix und seinen Vater, der dank eines Abstechers bei einer Geschäftsreisegerade Japan besucht. Zusammen ging es weiter, die Waffentechnik zu begutachten und dann einen mittelalterlichen Schwertkampf anzuschauen. Dieser enttäuschte mich leider etwas, da er in Form von Schattenkämpfen ausgeführt wurde und die Kontrahenten immer weit voneinander abbremsten. Wobei es auch besser so war, da bei vollständig ausgeführten Schlägen der Held der Geschichte schon im ersten Kampf durch eine Ungenauigkeit verloren hätte. Bei diesem Stück sah ich dann auch eine meiner japanischen Kommilitoninnen. Diese sehr kleine Dame ignorierte mich und reagierte auch nicht auf Begrüßungen, als ich hinter ihr stand. Sie versuchte verzweifelt, über die vor ihr stehenden Reihen von Japanern hinwegzuschauen. Da mir ein ins Gesichtfeld stellen für die Begrüßung aber zu plump war, entschied ich mich für eine andere Art. Schnell wurde die Dame an der Hüfte gepackt und einen Meter über die Erde gehoben. Nach einem markbetäubenden Schrei der Überraschung erkannte sie mich endlich und sie konnte sich vor Lachen gar nicht mehr beruhigen. Ich entschuldigte mich noch ein paar Mal, obwohl ich sagen muss, das Ergebnis war mir diese Begrüßung wert.
Anschließend gingen die später hinzu gekommenen Laura und Orsolya und meine Wenigkeit dann noch zur Bühne in der Nähe des Rathauses und lauschten den Bands. Zwar waren einige, wie die Flamenco-Truppe, nach meinem Geschmack nicht ganz so gut, aber dafür riss die Trommelband zum Schluss noch einmal alles heraus. Zwar fehlte der Band die Leichtigkeit weltweit bekannter Bands wie Yamato, trotzdem konnte sich der Auftritt sehen lassen. Der Jubel der ansonsten heute sehr zurückhaltenden Zuschauer kannte keine Grenzen mehr, als auch noch der zum Fest gehörende Tanz zum Abschluss gespielt wurde. Mit dieser Aktion beendeten wir auch diesen Abend und kehrten in die Heimat zurück. Es lässt sich auf jeden Fall festhalten, dass japanische Feste von der Grundhaltung genau so ablaufen wie deutsche. Nur das Zuschauer-Aktive-Verhältnis ist hier etwas anders. Während in Deutschland solche Veranstaltungen bei guter Leistung stark beklatscht werden, passiert dies in Japan kaum. Dagegen sind die aktiven Mitglieder des Festivals viel motivierter. Wer in Deutschland schon einmal Umzüge von Dorfkapellen gesehen hat, die nicht genug zu trinken bekamen, kann sich vorstellen, was ich meine. In Sendai mussten die Tänzer ewig umherziehen und trotzdem zeigten sie Topleistungen. Selbst die Rentner der Truppe schafften es nach drei Stunden immer noch, das Tanzbein zu schwingen. Ansonsten ist sich das Ganze schon ziemlich ähnlich.
1 Kommentar
das foto von diesen einem trommler is göttlich!