Die Japaner haben offensichtlich immer noch Angst vor mir, anders kann ich mir nicht erklären, warum man mir nichts von dem heutigen Fest berichtet hat. Als ich heute die Supermärkte betrat, wurde mir ziemlich schnell klar, dass hier irgend etwas nicht stimmt. An den Sushi-Verkaufsständen bildeten sich lange Schlangen und überall waren Teufelsmasken angebracht. Was konnte das nur bedeuten? Nachdem Shimizu mich nicht aufgeklärt hatte, blieb die Frage an meiner zweiten Vertrauensperson hängen, Rieko. Aus ihr bekam ich es auch heraus. Heute fand in Japan ein Teufelsfestival statt. Zu Ehren dieses Anlasses werden Bohnen gekauft und gegessen sowie Teufelsbilder und im Falle von Kindern die als Teufel verkleideten Eltern mit diesen Bohnen beworfen. Immerhin, hier zeigen Eltern ihren Kindern, was diese in bestimmten Ausnahmefällen eh von ihren Eltern vermuten – ihr wirkliches Gesicht. Nein, Spaß bei Seite, dieses Vorgehen wird einzig und alleine durchgeführt, um die Dämonen zu verdrängen und ein erfolgreiches Jahr zu sichern. Die zweite Tradition beinhaltet das Sushi. Es werden besondere und extrem dicke Sushirollen zum Verkauf angeboten. Diese müssen beim Essen in eine bestimmte Himmelsrichtung gehalten werden, um die Gesundheit des Essenden für das nächste Jahr zu sichern. Dieses Essen kann extrem kuriose Ausmaße annehmen, wie zum Beispiel bei Okada, der sich von allen abwendete und zum Fernseher im Büro aß, bis wir heraus bekamen, dass dies wegen des Festivals geschah. Das mit den Bohnen hätte ich auch gerne gemacht, aber leider wurde mir das zu spät gesagt. Ein paar Dämonen wären mir garantiert zum bewerfen auch noch eingefallen. Vermutlich war das aber der Grund, warum man es mir erst gar nicht gesagt hat. Egal, es gibt ja immer noch nächstes Jahr. Falls ich also mit Bohnen bewaffnet durch die Uni Göttingen renne und Leute bewerfe, nichts dabei denken, ich versuche mir dann nur ein erfolgreiches Jahr zu verschaffen und ein paar Dämonen zu beseitigen.
Überrascht hat mich dagegen noch eine ganz andere Sache. In Sachen Kreativität sind uns die Japaner um Welten voraus, was nicht zuletzt an dem Büro liegt, über das wir verfügen. In den letzten Wochen hatte ich schon immer gesehen, wie Shimizu irgendwelche Texte auf Japanisch in den Pc tippt, hatte es aber immer auf irgendwelche Hausarbeiten geschoben. Weit gefehlt, Shimizu hat einen Roman geschrieben. Abe-San eine deutschlanderfahrene Japanerin, hat ihn bei dieser Tätigkeit noch stark unterstützt, indem sie für die zeichnerische Untermalung gesorgt hat. Für die wichtigsten Kapitel hat sie Zeichnungen angefertigt, die das Geschehene wiederspiegeln. Für das Korrekturlesen waren Hori-San und Okada zuständig, die den ganzen Text x-Mal kontrollieren mussten. Der letzte Schritt kam dann durch meinen zweiten Betreuer. Mit Professor Morimotos Unterstützung hat er Buchpapier besorgt und das Ganze in ein handliches A5 Format geschnitten. Heute war es dann so weit und er druckte nach einigen Feinjustierungen an unserem besten Drucker Shimizus Werk aus und mit Leim wurde das Ganze geklebt. Jetzt wird noch ein Cover entworfen und fertig ist Shimizus erster Roman. So ganz selbstverständlich ist solche Unterstützung durch die Professoren für ein derartiges Projekt ja nicht, von daher ist die gesamte Ausführung schon sehr beeindruckend. Jetzt gibt es nur noch ein kleines Problem. Bisher gibt es nur drei Ausführungen. Zwei für den Schreiber und die Illustratorin und eines für das Büro. Woran dabei das Problem liegt? Ich will natürlich auch meine handsignierte Version des großen Schriftstellers! Da kann er noch so viel behaupten, die Geschichte ist schlecht, ich will sie haben und sie in an einen Ehrenplatz neben meine Arbeiten stellen. Irgendwann schaffe ich es dann auch, die Geschichte durchzulesen, auch wenn ich mein Leben lang für die Übersetzung der Kanjis per Hand benötige, aber das ist es mir wert. Aus diesem Grund Shimizu, ran an die Druckerpresse und fertige meine Version an!
2 Kommentare
Hallo Reik!
Wenn Du in Göttingen (oder auch G.-Rodensl….?) Bohnen benötigst, bitte
an Annegret wenden , (aber erst Ernte im Garten abwarten).
Autor
Ach, so oft brauche ich keine Bohnen und Teufel bewerfen ist erst wieder im nächsten Januar. Nebenbei ist der Einsatz von Bohnen durch Japaner auch ziemlich seltsam. Normalerweise nutzt die japanische Küche sehr selten Bohnen. Die Gründe für diese Tradition würden mich ja schon einmal interessieren.
Egal, trotzdem aber noch einmal vielen Dank für das Angebot!