Jetzt weiß ich, was mir in Sendai noch fehlt! Ich benötige eine Rugbyausrüstung. Jedes Jahr vom 2. bis zum 5. Januar findet in Japan der Neujahrsverkauf statt. Keine Frage, das Schauspiel kann ich mir nicht entgehen lassen und vielleicht findet man ja etwas Brauchbares. Das Ganze muss man sich wie den Winterschlussverkauf in Deutschland vorstellen, nur etwas auf japanische Verhältnisse angepasst. Um die Spannung etwas zu erhöhen, wird die Ware des letzten Jahres in Wundertüten angeboten. Diese Wundertüten haben einen bestimmten Wert und es wird garantiert, dass der Wert der Tüten den Einkaufspreis übersteigt. Natürlich ist man dem nicht ganz ausgeliefert. Es wird bei Kleidung eine Größe angegeben und teilweise auch verraten, was drin ist. Trotzdem gibt es genug Fälle, wo man es nicht sicher weiß. Man ist im Endeffekt also auf sein Glück angewiesen. Trotz der Tatsache, dass es sich eigentlich um etwas wie einen Winterschlussverkauf handelt, ist der Inhalt der Tüten aber nicht nur auf Kleidung beschränkt. Fast jedes Geschäft der Stadt hat irgend etwas im Angebot. Man findet Wundertüten bei Bäckern, Kaffeeläden, Elektronikgeschäften. Und bei Don Quijote, dem großen Kaufhaus, in dem man alles findet, sogar Weltkriegsuniformkostüme, stehen sogar Wundertüten vor der ab-18-Abteilung. Man merkt schon, wenn man möchte, kann man einiges bekommen. Aus diesem Grund standen die Japaner auch schon um 7 Uhr in der Schlange für die besten Tüten. Wenn man bedenkt, dass um 10 Uhr erst die meisten Läden öffnen, ist das sehr beachtlich. Um 8 Uhr war mir nach der Tour gestern dann aber doch ein wenig zu früh und ich ging erst um 10 Uhr in die Stadt. Das war ein großer Fehler.
In diesem Moment wäre eine Rugbyausrüstung wirklich praktisch gewesen. Ich war nur am ausweichen und vor Japanern aus dem Weg springen. Die Stadt war überlaufen. Offensichtlich geht es Japan auch noch sehr gut, es wurden wirklich riesen Einkäufe getätigt. Yodobashi war so überfüllt, dass sie den zweiten Eingang als alleinigen Ausgang bestimmten, um den Strom der Menschen besser steuern zu können. Dazu wurde auch alles gekauft, was nicht niet- und nagelfest war, egal ob es reduziert war oder nicht. In Modegeschäfte traute ich mich lieber erst gar nicht hinein, wenn ich mir nicht eine Schlacht um mein Leben liefern wollte. Da japanische Mode mir sowieso nicht passt und meine Modeberaterin Rieko eh noch nicht zurück ist, verzichtete ich doch dankend auf die Tüten. Ich hätte zwar zum Beispiel einen billigen Addidastrainingsanzug bekommen können, der aber nicht 100 Prozent gepasst hätte und außerdem habe ich auch genug davon. Der Rest war auch nicht so meine Richtung. Man muss den Japanern aber lassen, gut vorbereitet sind sie. Man konnte sogar den Stand eines Paketdienstes finden, um seine Tüten nach Hause liefern zu lassen. Mir wurde der Stress nach 2 Stunden Kampf pur dann aber doch zu viel und ich suchte eine Alternative.
In diesem Moment fiel mir Mayumi mit ihrer Schwester ein, die gerade in Izumi unterwegs sein wollten. Nebenbei gibt es auch noch einen Laden, der Mode verkauft, bei dem ich mir auch vorstellen könnte, noch mal zuzuschlagen, bevor ich Japan verlasse und der liegt in Izumi. Also Rad geholt und in den absoluten Nordteil der Stadt gefahren. In Izumi war alles etwas ruhiger, trotzdem gab es auch hier genug Dinge in Tüten zu kaufen. Mayumi fand ich zwar nicht, aber wenigstens konnte ich so ein wenig stöbern. Mein Modeladen, auch bekannt als Vegalta Sendai Fanshop, hatte auch offen, aber leider gab es nur die Trikots von vor zwei Jahren und in Größe S zu halbwegs zahlbaren Preisen. Ich kann mir echt nicht vorstellen, wer in Deutschland bereit wäre, für ein heruntergesetztes Trikot noch 100 Euro auszugeben. Ich glaube, ich sollte nächstes mal Megumi, Mayumis Schwester, ein Clubtrikot zum Tausch anbieten, schließlich habe ich eines dank der Trikotverlosung doppelt. Mit ein wenig Glück kommt es ja zum Trikottausch. Problematisch ist nur, dass ein Clubtrikot natürlich einen viel höheren Wert hat, insbesondere den idellen Wert. Mh, schwere Entscheidung, vielleicht habe ich ja zum Beginn der nächsten Saison Glück, aber Vegalta wechselt leider zu selten das Aussehen der Trikots. Manche Preise sind hierzulande wirklich jenseits von gut und böse. Entnervt von den Preisvorstellungen verließ ich Izumi und fuhr weiter die Außengrenze der Stadt entlang. Die Landschaft ist o.k. und es gibt noch einiges an Geschäften, wo man immer mal etwas finden kann. Leider wurde es zu schnell dunkel und ich wollte einen direkten Weg Richtung Innenstadt nehmen. Das war ein großer Fehler. Als ich auf einmal auf einem Berg mit wenigen Lichtern stand und in weiter Entfernung Izumi zu erahnen war, machte ich mir schon Sorgen. Aber nach langer beschwerlicher Suche, fand ich irgendwie den Weg zurück in die Stadt. Hier in Japan merkt man aber auch schnell, wenn etwas nicht richtig läuft. Wenn keine Leute auf der Straße sind oder in deiner Nähe schnell die Seite wechseln, an Bushaltestellen kein Hauptbahnhof mehr dran steht und sich die Frequenz der Kombinis erschreckend verringert, ist das ein klares Zeichen, dass irgend etwas falsch ist. Mit viel Glück fand ich aber doch noch den Weg und konnte mich nach Hause retten. Zwar ohne Einkauf, aber mit der Gewissheit, gegen die rücksichtslosen shoppingsüchtigen Japaner bestanden zu haben.
1 Kommentar
grummel ich wollte eigentlich neujahr allein schon wegen der tüten nach japan, die perfekte kombination aus shopping und glücksspiel 😛