Es gibt Traditionen, die man partout nicht brechen sollte. Eine dieser Traditionen ist das Verfahren. Was hätte ich verpasst, wenn ich mich nicht regelmäßig absolut verfahren würde! O.k., ich hätte eine absolute Zeitersparnis gehabt, aber das wäre ja langweilig. Aus diesem Grund war es für mich auch nicht groß verwunderlich, als ich heute nach einer kleinen Radtour in den Norden der Stadt auf einmal in Tomiya raus gekommen bin. Tomiya ist der nächste Ort nördlich Sendais, aber man merkt den Übergang kaum. Von daher ist das gar nicht so überraschend, dass man sich schnell verfahren kann. Dieser kleine Umweg von einigen Kilometern hätte mir also kaum weh getan, hätte es da nicht einen kleinen Faktor gegeben: Ich hatte zwei Stunden später eine Verabredung am Hauptbahnhof. Man kann sich mein Rennen gegen die Zeit kaum vorstellen. In bester Jan Ulrich Manier, nur mit Melonpandoping anstelle von anderen Methoden, schoss ich die Straße nach Sendai zurück. Trotz meines normalen Fahrrads schaffte ich es, auf diesem Weg sogar einige Räder mit Motor abzuhängen. Und das alles nur für einen deutschen Herrenabend!
Um genau zu sein, ein Herrenabend mit Felix und Tetsu. Besonders für Felix war es wichtig, pünktlich da zu sein. Er ist extra für seine Freundin, mit der er 6 Wochen vor seinem Abflug erst zusammen gekommen ist, zurück nach Japan gekommen und nur noch zwei Tage da. Unter solchen Umständen darf man natürlich niemanden warten lassen. Eigentlich war ein Besuch des Mafumafus angesetzt, der musste aber leider wegen eines Ruhetages ausfallen. Dementsprechend ging es für uns in den Irish Pub. Wir hörten uns wirklich an wie alte Leute, als wir über die guten alten Zeiten und von früher sprachen. Ein wenig komisch ist es schon, aber man kann einen eindeutigen Bruch zwischen den neueren Studenten und uns feststellen. Die neuen sind nett, keinen Zweifel, aber sie haben halt einen anderen Wissensstand über das Leben hier, als wir ihn schon erreicht haben. Wie sollte es auch anders sein, aber das verhindert das große Zusammenleben zwischen den beiden Gruppen. Kein Wunder, dass sich vor einem halben Jahr die Deutschen erst gar nicht gezeigt haben.
Das wirkliche Highlight war aber nach dem Pubbesuch festzustellen: Bier weckt ja bekanntlich den Magen und wir beschlossen, essen zu gehen. Da leider fast alles schon geschlossen hatten, ließen wir uns in einem koreanischen Restaurant nieder. Der erste Besuch eines solchen Restaurants für mich in Japan. Was soll man sagen, es war eine Erfahrung. Deutschland hat ja sowieso das Problem, dass viele Menschen nur ?asiatisches Essen/chinesisches Essen? kennen, was einen Zusammenschluss verschiedener asiatischer Küchen, angepasst auf den europäischen Magen, darstellt. Es ist einfach fast unmöglich, das wirkliche asiatische Essen in Deutschland zu erhalten und nach dem heutigen Essen wundert es mich auch nicht warum. Fast jeder Deutsche würde vor derartigem Essen zusammenzucken. Es war verdammt lecker, aber auch sehr seltsam. Wie es sich für die koreanische und chinesische Küche gehörte, bestellten wir mehrere Sachen und probierten dann von allem etwas. Unter anderem erhielten wir eine Suppe, die nur aus verschiedensten Meerestieren bestand. Egal ob Garnele, Krabbe oder exotischere Sachen, alles war vertreten und wollte aus der Schale gepuhlt werden. Selbst normale Sachen, wie ein normales Fischstück, hatte noch die Gräten im Inneren. Da artet das Essen schon in Arbeit aus. Dazu war es auch noch richtig scharf. Eine Vorspeise, die zum Beispiel gereicht wurde, war eine Algensuppe mit Tonnen an Pfeffer drin. Sie war ohne viel Wasser zum Nachspülen kaum essbar. Trotzdem oder gerade wegen der Exotik und weil es so ein großer Unterschied zur japanischen Küche darstellte, war es sehr lecker. Eigentlich verwunderlich, dass fast alle japanischen Restaurants in Deutschland von Koreanern geführt werden, ihre Küche ist so anders und eigentlich auch nicht schlecht. Nur weil die japanische Küche gerade ein Modetrend ist, wird die koreanische Küche leider in unseren Breiten etwas ignoriert. Eines weiß ich aber ganz bestimmt, wenn in Deutschland noch einmal jemand zu mir sagt, lass uns asiatisch Essen gehen, ich werde zusammenzucken. Die Raserei nach Hause hat sich auf jeden Fall dafür gelohnt.