Neujahrsessen

Schlafen kann ich, wenn ich tot bin! Dieses Lebensmotto von mir sollte sich heute als nützlicher erweisen, als ich es mir vorgestellt habe. Kaum hatten wir um 9.30 Uhr das Wohnheim wieder erreicht, hieß es schon wieder Vorbereitungen für das nächste Ereignis zu treffen. Eigentlich ist es ziemlich deprimierend, wenn man weiß, dass deine Freunde sich gerade in das bequeme Bett schmeißen können und die Beine hochlegen, während für einen selber eine neue Tour in Richtung Izumi ansteht. Auf der anderen Seite war es natürlich ein Essen bei Mayumis Eltern. Das ist ein Ereignis, was man leider nicht all zu oft erleben dürfte. Gesagt getan und schon wurden die Vorbereitungen getroffen. Für Mayumi lag der Fleischgutschein schon griffbereit, für den Rest der Familie wollte ich eigentlich noch eine Flasche deutschen Wein besorgen, aufgrund des geschlossenen Mayamas blieb mir aber leider nicht groß etwas anderes übrig, als mich mit Schokolade zu begnügen. Einmal Lebkuchen, Spekulatius und Rumkugeln sollten eigentlich ausreichen.

So vorbereitet konnte es losgehen, schließlich wollte ich Mayumi nicht warten lassen. Pünktlich drei Minuten vor der Zeit erreichte ich nach 45 Minuten Fahrt Izumi. Eigentlich hätte ich es auch schneller geschafft, aber wie schon am Morgen, wo mich 45 rote Ampeln ärgerten, erwischte mich eine Rotphase. Schlecht, wenn man nicht wie früher geschehen die Farbblindheit vorschieben will. Mayumi stand auch schon mit laufendem Motor für mich bereit. Kurzerhand wurde das Fahrzeug gewechselt und ich lernte endlich nach 9 Monaten auch mal ihren Mann kennen. Mit ihr ging es nun zu einem Nostalgietripp durch ihre Heimat, der in ihrem Elternhaus endete. Dort wurden wir schon erwartet. Die ganze Familie hatte sich eingefunden. Selbst die Großmutter und die 91jährige Urgroßmutter saßen für den Ausländer bereit. Ich war der erste Ausländer im Haus seit über 15 Jahren, wo ein paar Philippiner einmal kurz vorbeischauten. Bevor ich aber groß zur Vorstellung gelangen konnte, hatte mich der Hausherr auch schon wieder aus dem Zimmer geschleift und führte mich erst einmal durch das Haus. Ich sollte ja den richtigen Eindruck bekommen. So wurde mir der Schrein für die Vorväter genauso gezeigt, wie die Familienschätze der letzten 200 Jahre. Die Familie scheint wohl einmal sehr bedeutend gewesen zu sein und hat Katanas (japanische Langschwerter) und Musketen hergestellt. Stolz wurden mir die verschiedenen Typen von Waffen gezeigt und auch die alten Unterlagen, die alle noch erhalten sind. Das war ein Traum für alle Historiker, besonders wenn man bedenkt, wie traurig die Übersicht über meine Vorfahren so ist. Nachdem das vollzogen war, konnte es endlich zum Essen gehen.

Die Mutter von Mayumi stand die ganze letzte Woche wohl in der Küche, denn es wurde ein Festessen aufgefahren. Fisch in allen Sorten, Salate und kleine Gaumenfreuden standen bereit. Nachdem das herbe Essen mit einer Austernsuppe vollzogen war, kam die obligatorisch Motschitorte zum Vorschein, um die schon gut gefüllten Mägen mit dem Klebereisgemisch noch weiter zu füllen. Als ob das aber nicht reichen würde, wurde zum Ende noch der Lebkuchen geöffnet und etwas selbst gemachte Torte serviert. Dabei wurde ich ausgefragt und man bemühte sich, mir den Aufenthalt so entspannt und perfekt wie möglich zu machen. 20 Mochis und zwei Neujahrsstatuen wechselten dabei auch noch genauso den Besitzer, wie zwei selbst hergestellte Kisten, die an die Damen meines Haushaltes gehen sollen. Man hatte an alles gedacht. Ich persönlich vollzog auch noch einen Austausch mit Megumi, der Schwester von Mayumi. Gegen einen FCM-Handyanhänger wurde ein Vegalta Bleistift mit einer kleinen Figur dran getauscht. Man kann mir auf jeden Fall nicht vorwerfen, ich würde keine Werbung betreiben. Als sich der Abend zum Ende neigte, musste ich noch für Fotos posieren, schließlich will man meine Anwesenheit ja auch dokumentieren können. Besonders die Mutter agierte dabei extremst mit ihrem Handy. Zum Abschluss wurde ich dann auch noch mal losgeschickt, um die anderen Räume zu fotografieren. Mein Fotoapparat landete dabei kurzerhand in Megumis Händen, um mich mit den Waffen in der Hand abzulichten. Die junge Dame war sowieso ziemlich sympathisch, auch wenn ihre Mutter es gleich wieder übertreiben musste. Kurz vor meiner Abreise fragte sie mich, ob ich eine Freundin habe. Als ich eben dies verneinte, wurde mir kurzerhand Megumi angeboten. Besagte Dame war gar nicht so glücklich, von ihrer Mutter zum Angebot gebracht zu werden, wie man sich das so vorstellen kann. Es war auf jeden Fall ein großer Spaß und ich soll doch irgendwann wieder kommen. Sogar für die Ahnen wurde mir gezeigt, wie ich am Schrein beten muss. Es ist wirklich eine Schande, dass man solche Möglichkeiten wie heute nicht öfter hat, aber ich bin Mayumi wirklich dankbar, dass sie mir das ermöglicht hat. Zum Abschied war das Auto dann auch noch mal von allen Familienmitgliedern flankiert und jeden musste ich zum wiederholten Male verabschieden. Erst dann konnte es zurück nach Izumi zu meinem Rad gehen, mit dem ich mich wieder Richtung Heimat, zwar hundemüde, aber um viele wirklich schöne Erfahrungen reicher, aufmachte.

2 Kommentare

    • Brigitte auf 2. Januar 2011 bei 16:14

    Hallo lieber Reik, auch von mir die besten Wünsche für das neue Jahr.
    Mögen alle deine Vorstellungen in Erfüllung gehen. Verlebe die letzten
    Wochen weiter in so netter Gesellschaft. Ich verlebte den Jahreswechsel
    in Thüringen (Eisenach).

    • Regine sagt auf 2. Januar 2011 bei 20:24

    Auch Regine übermittelt dir für 2011 alle guten Wünsche, noch eine schöne Zeit in Japan und dass es bei so vielen Frauen doch noch mit
    einer Freundin klappt. Wir haben in Eisenach oft an dich gedacht, da
    unser Bedienung eine Ausländerin war, aber nach Rückfrage stellte sich heraus, dass sie keine Japanerin, sondern eine Thailänderin war.
    Gefeiert haben wir (Brigitte und Truppe) auch feuchtfröhlich mit tollem
    5-Gang-Menue. Wir holen heute den Schlaf nach, mach es am besten auch einmal!

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