Speisen wie die oberen Zehntausend

Da war doch noch was? Genau, vor einer Weile habe ich einen 5.000 Yen Restaurantgutschein beim Lions Club gewonnen! Was soll ich also damit machen? Natürlich könnte ich auf einen besonderen Anlass warten, aber die Gefahr ist da viel zu groß, dass er gar nicht mehr zum Einsatz kommt. Da gehe ich doch lieber nach dem Motto ?Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen? vor. Kurzerhand habe ich Victoria, unsere Halb-Amerikanerin, Halb-Chinesin zum Essen eingeladen. Alleine in einem Restaurant zu essen ist mir dann doch etwas zu peinlich und außerdem musste ich mich eh noch dafür bedanken, dass sie mir trotz Zeitmangel bei der Organisation der Hokkaidoexkursion so sehr geholfen hat. So ein Restaurantbesuch bedarf aber einiger Vorbereitungen, besonders dann, wenn es sich um ein Edelrestaurant handelt und zeitgleich am Morgen eine SMS kommt, ob wir uns zu Fuß treffen können, mit ihrem Kleid will sie ungern mit dem Rad fahren. Ich war ja bereit, mich gut anzuziehen, das bedurfte jetzt aber spezieller Vorbereitungen.

Das erste Problem stellte mein Hemd dar. Das war zwar gewaschen, aber mit dem Bügeln stehe ich etwas auf Kriegsfuß. Es ist nicht so, als ob ich das nicht machen würde, aber unser Bügeleisen funktioniert meist nicht so, wie es soll. Ein Glück, dass in diesem Moment gerade mein koreanischer Mitbewohner Kim die Unit betrat. Kurzerhand wurde er nach den notwendigen Einstellungen am Bügeleisen gefragt. Nach einer Erklärung, dass ich gleich mit einer jungen Dame essen gehe, wurde mir kurzerhand das Hemd entrissen und er bügelte es für mich. Er besorgte sogar noch schnell Kleidungsauffrischer, um das Hemd perfekt vorzubereiten. Wie war das mit dem Spruch, einmal dumm angestellt, reicht fürs ganze Leben? Ein Problem beseitigt, bleiben noch zwei andere. Ich habe natürlich kein Sakko hier in Japan, denn sind wir ehrlich: Wie hoch war die Chance, dass ich eines hierzulande gebrauchen kann? Ein weißes Hemd und Stoffhose reichen für die meisten Zwecke ja auch. Kurzerhand ging ich alle meine Möglichkeiten durch. Die Japaner fielen allesamt aufgrund von Größenproblemen aus und bei Ausländern sah es auch nicht groß anders aus. In diesem Moment kam mir die Erleuchtung in Form von Antii, der ist zwar stärker gebaut als ich, aber nur minimal kleiner. Einen Anruf (inklusive Wecken um 15 Uhr) später, hatte ich die Zusage, mir eins aussuchen zu dürfen, wenn er wirklich wach ist. Es schien wohl eine anstrengende Nacht gewesen zu sein. Jetzt blieb nur noch ein Problem. Die Dame hatte sich doch wirklich über uns lustig gemacht, dass wir keine Krawatte besitzen. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen und kurzerhand wurde eine eingekauft. Leider kommen die Teile immer ungebunden. Was ist das eigentlich für ein Betrug? Ab jetzt kaufe ich nur noch vorgebundene! Zum Glück gibt es aber die Geheimwaffe aller verzweifelten Junggesellen: Google. 45 Minuten und 15 Videoanleitungen später hatte ich es wirklich geschafft, die Krawatte war gebunden. Keine Meisterleistung, aber immerhin das Ziel erreicht. Also schnell zu Antii, das etwas zu weite, aber ansonsten gut passende Sakko besorgt, nur um dann festzustellen, dass die dunkelblaue Krawatte natürlich überhaupt nicht dazu passt. Also noch mal shoppen. Gott, ich liebe unsere Kombinis! Bevor ich aber das Haus verlassen konnte, musste ich mich noch eimal von meinem Koreaner begutachten lassen. Der zupfte noch mal kurz den Kragen zurecht und endlich konnte es losgehen. Im Laden wurde noch schnell eine halbwegs vernünftig aussehende Krawatte besorgt und der Verkäufer gezwungen, mir sie schnell zu binden. Endlich konnte es losgehen.

Im Hotel wurde auch schnell klar, dass unsere Aufmachung nicht verkehrt war. Das Hotel ist nicht umsonst eines der teuersten der Stadt. Zum Essen standen ein Chinese, ein Japaner, ein Franzose und ein Steakrestaurant zur Verfügung. Die Wahl fiel auf den Chinesen, der im Verhältnis noch günstig war und gleichzeitig Victoria die Vergleichsmöglichkeit lies. Eine gute Wahl, bedenkt man, dass beim Franzosen das billigste Menü bei 150 Euro anfing. Hier waren es wenigstens nur 80 Euro. Wirklich begeistert war das Personal aber nicht, uns zu sehen und mangels fehlender Reservierung hätten wir beinahe wieder gehen müssen. Es klappte aber doch und wir beschlossen, uns eine bunte Mischung zu bestellen. Von Reis, über Haiflossen und Gemüse war einiges dabei und es war verdammt lecker. Nur schon beim ersten Blick sah man, wie luxuriös alles war. Unter normalen Umständen hätte ich so ein Restaurant, wo das billigste Teilgericht in der kleinen Portion 20 Euro kostet, wohl nie aufgesucht. Trotzdem war es ein großer Spaß und der Service, wo man vom Koch begrüßt wird, absolut zuvorkommendes Personal einen bedient und der kostenlose Tee einer der besten Tees war, den ich wohl je getrunken habe, war eine interessante Erfahrung. So unterhielten wir uns, hielten das Personal auf Trab und kamen leicht über den Gutscheinwert, aber damit kann ich leben. Da wir schon die Schließzeiten um 45 Minuten ohne Klage des Personals verlängerten beschlossen wir, keinen Nachtisch zu uns zu nehmen, sondern zogen noch mal los und aßen als wohl bestangezogenste Kunden in einer Crêpes- und Eisbar noch einen Crêpe. Vorher mussten wir unsere Outfits aber noch auf Zelluloid bannen und fragten dazu auch einen Japaner. Der war sich aber zu fein für so etwas, was man ihm eigentlich auch hätte gleich ansehen können und so musste sein kleiner Sohn uns fotografieren. Schade, dass der Kleine unsere Füße nicht drauf bekommen hat, aber trotzdem haben wir perfekt in das Etablissement hineingepasst. Schade eigentlich, dass ich wohl nie soviel Geld verdienen werde, um in solchen Restaurants Stammkunde zu werden. Aber es war eine Erfahrung, die sich sehr gelohnt hat und Victoria hatte wohl auch ihren Spaß. Gut war auch zu wissen, dass ich mich auf meine Freunde verlassen kann. Die Vorbereitungen haben sie perfekt unterstützt, auch wenn ich Kim morgen wohl noch mal erklären muss, dass es kein Date in dem Sinne war. Trotzdem herrlich, wie er um mich besorgt war.

3 Kommentare

    • Dieter auf 1. Januar 2011 bei 11:10

    Nobel Nobel!! War ja fast wie Sylvester bei den Hiltons…
    Apropos: Alles, alles Gute für 2011, lieber Großneffe!

    • Sven auf 1. Januar 2011 bei 15:50

    Was viel erschreckender ist, er borgt sich ein Sakko und kauft sich eine, nein, sogar zwei Krawatten! Und das alles freiwillig! Vielleicht kommt doch noch der positive Kern raus! 🙂

    • admin auf 1. Januar 2011 bei 18:01
      Autor

    Der war schon immer da, ihr wolltet ihn nur nicht sehen. In Magdeburg habe ich halt nicht so viel Gründe, mir ein Sakko anzuziehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.