Den Ausländer bitte nicht anstarren oder füttern!

Kaum denkt man, die guten alten Tage seien vergangen, da fängt das alte Schauspiel von vorne an. Der eine oder andere Leser des Blogs kann sich bestimmt noch an die Anfangszeiten meiner Besuche im Büro erinnern. Ich brauchte das Büro nur zu betreten, um den ganzen Raum zur Ruhe zu bringen. Keiner traute sich, ein Wort zu sagen und die nächsten zehn Minuten war Stille, bis man sicher war, dass ich in meiner Ecke saß und nicht versuche, jemanden anzusprechen. Nach ein paar Wochen hatte ich den Zustand überwunden und dank der Hilfe von Kaori und Shimizu verbesserte sich die Situation schlagartig. Heute durfte ich zu meiner großen Freude ein Revival der Situation erleben. Die Freizeit bis Neujahr hat angefangen und kaum noch Menschen befinden sich in der Uni. Bis auf Rieko sind eigentlich alle meine vertrauten Japaner schon in die Heimat gefahren und haben mich alleine gelassen. Gleichzeitig bedeutet die Freizeit auch Zeit für die arbeitende Bevölkerung und aus diesem Grund haben es sich mehrere ehemalige Studentinnen zur Aufgabe gemacht, ihr altes Büro aufzusuchen. Viel hat sich laut ihren Bekunden nicht geändert, das Büro sieht noch fast so aus wie zu ihren Zeiten. Eine neue Sache gab es dann aber doch noch zu bewundern, und die brachte sie dann doch alle zur Verzweiflung: Wir haben jetzt einen echten Deutschen! Dass ich der erste Austauschstudent bin, das hatte ich ja schon früher vernommen. Dass aber keiner sich traut, in meiner Anwesenheit zu sprechen, kenne ich zwar von früher, ich hatte aber ernsthaft gehofft, diesen Zustand vor 9 Monaten hinter mir gelassen zu haben. Es traute sich wirklich keiner, etwas in einer Gegenwart zu sagen. Die Scham, dass ihr Deutsch zu schlecht ist oder die Gefahr, dass ich eine Kopie der deutschen Professorin der Fakultät sein könnte, war doch so groß. Zu Zeiten, als mein zweiter Betreuer nicht im Raum war, war der schlimmste Zustand erreicht. Wirklich niemand traute sich, auch nur ein Wort zu sagen, aber die Augen waren alle auf mich gerichtet. Meine Güte, ich bin ein wenig größer und meine Augen im Verhältnis ebenfalls, aber ich bin doch kein Monster (jedenfalls meistens nicht)!

Es sollte aber der Tag des Starrens bleiben. Im Büro waren zu viele Augenpaare in meine Richtung gerichtet und ich wollte den Besuch der Ehemaligen nicht mit meiner Anwesenheit belasten. Also ging ich zu Rieko und stürzte mich in meine Lieblingsbeschäftigung: Rieko das Leben in München ausreden und sie in die Richtung oberhalb des Weißwurstäquators zu lotsen. Bis jetzt hatte ich noch keinen Erfolg, aber ich bin ja noch ein paar Wochen da. Am Abend ging es wie eigentlich seit Wochen gemeinsam nach Hause, als man unüberhörbar ihren Magen vernehmen konnte. Keine leichtere Sache als das und kurzerhand besuchten wir ein Ramenrestaurant. Man muss diese Art von Restaurants lieben. Zwar sind Pizza und Döner in Deutschland auch nicht schlecht, die ganzen Nudelrestaurants in Japan werde ich aber absolut vermissen. Das Problem heute war nur, wir waren die einzigen Kunden. Eine Japanerin und ein Ausländer zu allem Überfluss auch noch. Laut Riekos Bekundungen ist der Koch der gesprächigste Koch aller Zeiten. Er ist sogar etwas berühmt, da er für eine Firma, die Instantramen verkauft, ein Curryramengericht entwickelt hat. Heute war davon aber wirklich nichts festzustellen. Zwar ruhten vier Augenpaare auf mich, er traute sich aber nicht, ein Wort zu verlieren, worüber er sich bei der Verabschiedung bei Rieko auch auf Japanisch entschuldigte. Er traute sich aber nicht, wegen dem langen Ausländer. Ich glaube, ich muss doch mal wieder Fotos machen um festzustellen, ob ich wirklich so erschreckend (mittlerweile) aussehe, dass halb Japan sich nicht mehr in meine Nähe traut oder woran es liegt. Nur einmal schaffte ich es wirklich, den Koch zu beruhigen, weshalb er sich dann ja auch bei Rieko entschuldigte. Am Wochenende hatte Rieko ja das richtig teure ?All you can eat? bezahlt und mir auch so noch was ausgegeben, so dass ich heute einfach ohne sie zu fragen bezahlte. Rieko war natürlich strickt dagegen und wollte für uns zahlen. Der Koch verstand zwar die Worte nicht, konnte anhand unserer Gestik aber schnell deuten, worüber wir gerade debattierten. Er lachte laut los, nur um Rieko auf Japanisch zu erklären, dass sie es aufgeben soll, ich sehe zu überzeugt von meinem Standpunkt aus. Immerhin, vielleicht ist er danach ja mutiger im Zusammenhang mit Ausländern, zu wünschen wäre es.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.