Frohe Weihnachten aus Sendai!

Es ist Weihnachten, was macht der gute Student an solchen Tagen also? Er geht natürlich in die Universität. Frei nach diesem Motto schwang ich mich natürlich aufs Fahrrad und nahm meinen Stammplatz im Büro ein. Natürlich war ich nicht der Einzige. Eigentlich alle Studenten, die auch sonst die Uni besuchen, waren heute ebenfalls da. So unter anderem Shimizu, der es wirklich schaffte, sein Bewerbungsschreiben durch die harte Kontrolle der deutschen Professorin zu bekommen. Ein Punkt in der Bewerbung ist zwar immer noch nicht hundert prozentig den Umständen entsprechend, aber solange es angenommen wurde, wollen wir uns ja nicht beschweren. Viel mehr hat mir ein anderer Student heute aber zu denken gegeben. Okada, mit dem ich mich manchmal unterhalte, wollte mir laut Shimizu wohl eine Mail schreiben. Das scheiterte nicht etwa an seinen Sprachkenntnissen, sondern an den unklaren sozialen Begebenheiten zwischen uns. Wie es aussieht, spricht er mich nur so selten freiwillig an, weil ihm nicht klar ist, wie er mich ansprechen soll. Er ist eigentlich zwei Jahre älter, ich behandle ihn aber nicht so, sondern wie einen Gleichaltrigen, da ich sein Alter nie wusste. Damit habe ich aber offensichtlich das Standessystem Japan ausgeschaltet. Ohne ein funktionierendes Standessystem funktionieren die Japaner aber auf der anderen Seite wiederum nicht. Laut Shimizu hat er wohl die ganze Zeit nur spekuliert, wie er mich zum Beispiel ansprechen soll. ?Sehr geehrter? war zu formell, ?Hallo? hätte ja wieder zu informal sein können. Shimizus Hinweis, dass er so etwas bei mir locker sehen soll, hat er leider gekonnt ignoriert und so blieb es bei dem Versuch, mir eine Mail zu schreiben. Das gibt einem natürlich zu denken, ob man nicht noch mehr versuchen sollte, dass Standessystem hierzulande einzuhalten. Wenn man aber das Alter der Japaner kaum einschätzen kann und der Stand auch sonst nicht klar wird, was soll ich bitte tun?

Jemand, den diese Problematik überhaupt nicht stört, ist Rieko. Aus diesem Grund begab ich mich auch nach der Uni mit ihr in die Innenstadt. Sie wollte ihre beste Freundin in Sendai treffen und ich leistete ihr bis zum Treffen Gesellschaft. Eigentlich war ich sogar noch länger eingeplant, da mich besagte Freundin vor zwei Tagen spontan auch eingeladen hatte mit zu kommen, leider hatte ich da schon anderen für eine Weihnachtsfeier zugesagt. Eigentlich schade, denn die beiden wollten Eislaufen gehen und standen vorher noch nie auf Kufen oder Rollen. Man kann sich das Schauspiel des ersten Eisbetretens vorstellen. Für mich bedeute es, sportlich zu werden und ich rannte mehrere Male um den Eisring, um Anweisungen und Tipps zu verteilen. Ich wollte schließlich nicht, dass sie sich öfter hinschmeißen. Eigentlich versuchten die Beiden, mich auch noch öfter aufs Eis zu lotsen. Mit Schuhen drei Nummern zu klein hätte das aber leider keinen Sinn gemacht. Leider hatte ich bei der ganzen Aktion aber noch viel zu viel Spaß, so dass ich die anderen zu Hause innerlich verfluchte, als sie mich an unser Treffen erinnerten. So verabschiedete ich die Beiden und konnte nur hoffen, dass sie sich nicht noch etwas brechen. Wirklich sicher sahen sie zu dem Zeitpunkt noch nicht aus.

Also ging es weiter im Text und zurück nach Sanjo, wo ich eigentlich die übliche 5er Gruppe erwarte. Was ich fand, war dagegen überhaupt nicht nach meinem Geschmack, denn eine übergroße Schwedengruppe hatte sich zu uns gesellt. Soviel zu ruhigen Weihnachten, wäre ich doch bei den Mädels geblieben. Dieser Gedanke verflüchtigte sich zum Glück ziemlich schnell, so dass es doch noch ein guter Abend wurde. Es gab sehr zum Schock der anwesenden Japaner Milchreis, die wohl groteskeste Vergewaltigung von Reis, die sich ein Japaner vorstellen kann. Dazu gab es Weihnachtskuchen und relativ schnell lichteten sich auch die Reihen. Für jemanden, der nicht groß feiern will, sondern etwas Zeit mit Freunden verbringen wollte also genau das Richtige. Zusammen wurde ein japanisches Monopoly Spiel heraus geholt, ein wenig gezockt und viel geredet, was will man mehr. Passenderweise fiel dazu heute auch der erste Schnee, der auch liegen blieb. Man kann also von weißen Weihnachten sprechen.

Ich wünsche auf jeden Fall allen Lesern ein frohes, schönes und geselliges Weihnachtsfest. Genießt die Feiertage und die Weihnachtsessen!

2 Kommentare

    • Ilka+Sven auf 25. Dezember 2010 bei 00:37

    Wir wünschen Dir ein schönes japanisches Weihnachtsfest!

    • Carsten auf 25. Dezember 2010 bei 18:18

    Lieber Reik,
    auch ich wünsch dir frohe Weihnachten!
    Viele Grüße aus dem verschneiten Norddeutschland!!

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.