Wie war das nochmal?: „Ich werde nie Lehrer, denn ich will nicht vor desinteressierten Schülern stehen und versuchen, denen irgend etwas beizubringen!“ Wenn das so weitergeht wie bisher, kann ich wirklich bald einen solchen Job antreten. Erfahrungen kann ich mittlerweile genug als Referenz vorweisen. Das normale Unterrichten mache ich ja schon seit ewigen Zeiten, das ist ja bekannt. Egal ob Mayumi, Shimizu, Tetsu oder andere, die Sprache zu vermitteln ist an sich nicht das große Problem. Aber heute kamen das erste Mal die anderen Aufgaben eines Lehrers zu meinem Beschäftigungsfeld hinzu. Ich saß ganz gemütlich im Büro und arbeitete nichts Böses ahnend an meinen Büchern, als die deutsche Professorin auf einmal das Büro betrat. Dabei hatte sie einen von einer Studentin geschriebenen Artikel, den sie nicht lesen konnte. Kurzerhand wurde der Studentin der Artikel vorgelegt und sie durfte die Worte deuten. Natürlich wäre es ohne weiteres möglich gewesen, jetzt einfach nur die Fehler anzustreichen, aber das wäre ja viel zu einfach gewesen. Nein, die Professorin versuchte verzweifelt, die richtigen Worte zu finden und da kam ich ins Spiel. Ich wurde kurzerhand in den Satzfindungsprozess mit einbezogen. Gar kein so leichtes Unterfangen, hatte die Studentin doch einen wunderschönen Schachtelsatz über die halbe Seite geschrieben. Da stand ich nun mit der Aufgabe da, den Satz zu teilen, die Worte möglichst beizubehalten und dann noch die kritischen Worte der Professorin ertragen, so habe ich mir meinen Nachmittag vorgestellt. Dazu bestand die Professorin darauf, einige Formulierungen, die so im Deutschen nie verwendet werden würden, aber angeblich einen höheren Sinn hätten, weiterhin zu verwenden. Na egal, solange sie sich noch einreden kann, die Studenten würden etwas bei den Artikeln mit Bewusstsein schreiben, soll es mir recht sein. Ich dagegen sehe täglich, wie sie einfach nur Formulierungen aus ihren Sprachdatenbanken kopieren. Es war ein grausames Unterfangen, aber es klappte irgendwie. Ich bekam sogar ein ?Lob?, dass ich ja trotz der Tatsache, dass ich kein Germanist bin, eine Art Sprachgefühl entwickelt hätte. Danke auch, es ist ja nicht so, als ob die Historiker so etwas nicht brauchen würden! Mir war deshalb nicht ganz klar, ob man eben meine ganze Zunft beleidigt hat oder es ein echtes Kompliment darstellte. Persönlich bin ich aber nur froh, dass Shimizu mir seine Texte immer rechtzeitig in die Hand drückt und ich deshalb vorher schon derartige Fälle verhindern kann.
Für das ?Kompliment? konterte ich aber kurze Zeit später gleich wieder. Die Professorin versuchte Shimizu davon zu überzeugen, für einen Auslandssprachkurs nach München zu gehen. Erst einmal lasse ich mir nicht gerne in meine Konvertierungsversuche herein reden und auf der anderen Seite soll der Junge nach Deutschland und nicht in den Freistaat. Kurzerhand ging eine Diskussion über die Vor- und Nachteile verschiedener Standorte los, die besonders Shimizu amüsierten. Ich meine, was ist es für ein Argument, das München bevorzugt, weil man schnell Venedig erreichen kann. Shimizu will gut und günstig leben und viel von Deutschland sehen und nicht Venedig. Alles im allem stellte dieser Versuch aber kein Problem für mich dar. Mit allem was mir zur Verfügung stand, verteidigte ich das Gebiet nördlich des Weißwurstäquators und besonders meine beiden Heimatstädte. Mal schauen, wer sich am Ende durchsetzt. Bisher sieht es aber gut aus, dass er auf die richtigen Argumente hört und etwas nördlicher bleibt.
So kann man also auch seinen Tag verbringen. Die Studentin hat von der Professorin den Auftrag bekommen, noch ein paar Sätze zu schreiben und diesmal gleich zu mir zu kommen. Und Shimizu hat auch den Hinweis erhalten, dass sein Tutoriumspartner ihm bei seiner Bewerbung helfen kann. Gut, dass der davon so viel weiß. Ich frage mich echt langsam, ob – wenn das so weiter geht-, nicht bald einmal ein Gehalt angemessen wäre. Immerhin mache ich momentan einige Jobs der Professoren mit.
2 Kommentare
„Ich dagegen sehe täglich, wie sie einfach nur Formulierungen aus ihren Sprachdatenbanken kopieren“ so schafft man es aber ziemlich weit nach oben in der pisa-wertung 😛
Autor
Auswendig lernen wie beim Toeic Test können sie halt, das muss man ihnen lassen.