1982 ist Rieko geboren? Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich heute Riekos Studentenausweis sah. Zugegeben, das Alter seiner Mitmenschen zu schätzen ist hierzulande aber auch schon ziemlich schwer. Asiaten sehen wirklich allesamt jünger aus als Europäer. Im Vergleich zu meinen Mitstudenten sehe ich aus wie ein alter Großvater und das soll etwas heißen, werde ich in Deutschland doch immer als wesentlich jünger eingeschätzt. Hier in Japan gilt aber eine andere Philosophie. Möchte man das Alter von jemandem herausfinden, schätzt man das Alter desjenigen nach europäischem Standard ein und rechnet dann noch einmal 5 Jahre drauf. Nichts einfacher als das, wäre da nicht die beliebte Frage aller Frauen, ?Wie alt schätzt du mich denn??. Eine grausame Frage in Deutschland, noch grausamer aber in Japan, wo die Leute bewusst jung und kindlich aussehen wollen.
Den Tag dagegen verbrachte ich in meiner üblichen Manier im Büro. Schon bei meiner Ankunft winkte mich mein Dozent heran, doch schneller zu gehen, Shimizu nervt die Leute mit dem Adventsquiz und ich soll es doch bitte endlich lösen. Nichts leichter als das, aber im Raum erwartete mich ein göttliches Bild. Zwei PCs, mehrere Ausdrucke mit der Frage und mehrere Studenten mussten Shimizu helfen und sahen keinen grünen Zweig. Ich habe ja langsam das Gefühl, der Gute übertreibt es etwas, aber da muss ich mich irren.
Danach konnte es aber zu wichtigen Dingen des Lebens kommen. Ich habe eine neue Gesprächspartnerin. Gestern rief David an und fragte, ob ich seiner Brieffreundin einen Fragebogen ausfüllen könne, bei dem es einige Fragen über Deutschland zu beantworten gilt. Nichts leichter als das, bei Fragebögen helfe ich doch immer sehr gerne aus. Wer weiß denn auch, wann ich mal wieder welche benötige. Kurz nach Mitternacht kam dann die Mail der Japanerin im besten Japanisch. Nach langer Übersetzung war der Sinn endlich verstanden und die Behauptung mit dem Fragebogen widerlegt. Die junge Dame will mich ebenfalls als Brieffreund, da sie nach der Uni eventuell in Deutschland arbeiten will. So hatten wir zwar nicht gewettet, aber nichts leichter als das. Jeder Japaner, den ich aufhalten kann nach Bayern zu gehen, ist eine sehr gute Tat. Aus diesem Grund gab ich 6 heute anwesenden Japanern übrigens auch einen Vortrag über den Freistaat Bayern und seine Zugehörigkeit zu Deutschland. Die Zuhörer scheinen es auf jeden Fall verstanden zu haben und die deutsche Professorin war weit entfernt. Auf jeden Fall stand ich jetzt vor dem Problem, wie ich am besten eine Antwort verfasse. Aber wozu habe ich einen Tutor? Shimizu hat gut von mir gelernt und ohne groß zu fragen, dachte er sich eine eigene witzige und freche Antwort aus, die ihr aber gleichzeitig weiter half. Irgendwie war es aber zu sehr Shimizus Stil und ich hätte den Text wohl nie so verfasst, was die anderen schon scherzhaft feststellten. Wir hatten sogar schon überlegt, ob wir ihr einfach seine Telefonnummer geben, damit sie mit ihm sprechen kann, schließlich sprechen sie die gleiche Sprache. Nach dieser Feststellung fing unser Betreuer an uns zu fragen, ob wir sicher sind, nicht mit einander verwandt zu sein. Ob unser zweiter Vorname etwa der des jeweilig anderen sei. Jetzt schreiben wir schon unter dem jeweils anderen Pseudonym und ergänzen uns viel zu sehr. Lustig war es alle Mal. Dann habe ich Shimizu auch noch richtig auf japanisch beleidigt. Er hörte partout nicht auf mich, was ich ja verstehen kann und in kürzester Zeit schaffte er es, den kompletten Text zu löschen. Mein lang gezogenes Baka (Japanisch für Dummkopf) fand sogleich Beifall der restlichen Anwesenden, die mir allesamt erklärten, wie realistisch der Ausspruch klang. Auf jeden Fall haben wir ihr geantwortet und ich habe eine neue Konversationspartnerin. Wieso nicht, ich kann schon ein wenig erzählen.
Anschließend betrat Rieko noch das Büro. Kurz bevor ich los wollte fiel ihr ein, dass sie noch unbedingt Hilfe beim Scannen benötigt. Ich wollte zwar gerade los, um mit den anderen Pizza zu verspeisen, aber einer Dame in Not musste ich unbedingt helfen. Dementsprechend verbrachten wir die Zeit bis 22 Uhr noch damit, ihre Magisterarbeit zu überarbeiten. Nach dieser Nachtschicht wollten wir nur raus aus dem Gebäude. Kurzerhand ging es eine Runde Ramen essen und anschließend in Richtung Heimat. Rieko ist aber immer freundlich, da helfe ich sowieso gerne.