Wer erinnert sich als Göttinger Student nicht liebend gerne an die guten alten Evaluationsbögen, die am Ende des Semesters bei uns die Runde machen. Genau! Fragen wie: Bewerten sie den Aufwand des Seminars in Relation zu den erhaltenden Punkten!, sorgen für die Erheiterung der Studenten und laute Würfelgeräusche, wenn man sich die zu vergebende Punktzahl ausdenkt. Transparent ist die Auswertung auch nicht und echte Probleme können nicht wirklich angesprochen werden. Für den Studenten stellt sich die Situation deshalb in etwa wie folgt dar: Vom auswertenden Amt, bekommt der Professor eine Auswertung aller Fragebögen und kann daraus nichts ersehen und schon gar nichts ändern. Für die Studenten auf der anderen Seite gibt es auch keine Handhabe, irgend etwas an nicht optimalen Seminaren zu ändern, wenn der Professor ausnahmsweise mal uneinsichtig ist. Heute habe ich von der deutschen Professorin hier in Sendai einmal Einblick in die allgemeine Situation in Japan bekommen. Die Evaluationsbögen machen hier auch die Runde und bestehen immerhin aus knapp dreißig Punkten. Die Auswertung wird im Anschluss ins Internet gestellt und ist für jeden einsehbar. Sollten sich bei der Bewertung Probleme ergeben, ist der Professor verpflichtet, im Internet Verbesserungsvorschläge zu machen, wie er derartige Probleme im nächsten Semester aus dem Weg räumen kann. Diese werden auch online angezeigt. Sollte er wider Erwarten dieses Problem auf dem nächsten Bewertungsbogen wieder haben, muss er schon langsam um seine Anstellung bangen. Welches System jetzt besser ist, sei dahingestellt. Die Wahrheit liegt vermutlich, wie immer, in der Mitte.
Ansonsten habe ich heute die meiste Zeit des Tages im Büro oder beim Kanji-Lernen verbracht. Eine sinnvolle Beschäftigung bei dem Nieselregen des Tages. Durch meine Kollegen hatte ich auch das erste Mal die Möglichkeit, einem Kolloquium der deutschen Literatur zu folgen. Ich muss sagen, ich bleibe dabei: Ich bin falsch hier. Also, für das Besprochene konnte ich mich nicht so recht begeistern, aber immerhin habe ich sechzig Prozent des Vortrages verstanden. Das war aufgrund der Fülle an Fachwörtern auf Japanisch schon nicht schlecht. Trotzdem verwunderte mich das Kolloquium etwas. Es wurde weder geklatscht, noch wurden wirklich freundliche Worte für die Vortragende gefunden. Dieser Zustand soll sich wohl auch durch die Uni hindurch ziehen, wie mir einige andere Ausländer berichteten. Auch die Präsentationsart gefiel mir nicht sonderlich. Sitzend, am Blatt klebend und eine überfüllte PowerPoint-Präsentation sorgten nicht gerade dafür, das Ganze spannender zu machen. Meine Professorin berichtete mir aber später, dass der Einsatz von PowerPoint hier noch etwas komplett Neues ist. Deshalb kann man über diese Fehler hinweg sehen. Trotz aller Langeweile, werde ich wohl öfter mal bei den Kolloquien vorbei schauen, da es kaum eine bessere Möglichkeit gibt, die Sprache zu lernen. Dass es für mich uninteressant war, lag auch eher an der Tatsache, dass es halt nicht mein Fach ist und mich der Vergleich zweier deutscher Schriftsteller und dann noch sehr oberflächlich, nicht so sehr interessiert. Vielleicht wird nebenbei ja in den nächsten Kolloquien auch mal diskutiert, nachdem in Geschichtsseminaren nur der Professor sprach und alle ruhig waren. Selbst heute, hätte ich der Meinung eines Fragestellers gerne widersprochen, aber da ich das erste Mal da war und die anderen es zwar auch komisch fanden, aber nichts sagten, habe ich mich lieber zurück gehalten.