Alltag

Mhhh – eigentlich brauche ich die Unterlagen für das Stipendium gar nicht, ich bleibe einfach gleich hier! Mit einer Wohnung und meinem alten Büro fühlt sich es gar nicht so an, als ob ich nur kurz zu Gast bin, aber der Reihe nach. Der Eine oder Andere erinnert sich eventuell noch an meine Kämpfe gegen Windmühlen – auch bekannt als die japanische Verwaltung. Nach Punkten führe ich, aber die Japaner versuchen alles, um es spannend zu machen. Vor mehreren Monaten schickte ich Orsolya zum Internationalen Büro der Uni, um Details über das Stipendium zu erfahren. Damals wurde ihr mitgeteilt, dass es reicht, wenn ich im Dezember erscheine und dann alles gemacht wird. Schon der Freitag hat diese Aussagen Lügen gestraft und dass ein internationales Büro kein Englisch kann, begeistert mich auch sehr. Als wir heute hier erschienen, wurden wir gleich empfangen und erkannt. Man wollte mir aber keine Unterlagen schicken, sondern rief meine speziellen Freunde in der Verwaltung der Geisteswissenschaften an, dass diese mir Details besorgen.

Kurzerhand gingen wir also dort rüber und man las uns stur einen Ausdruck aus dem Internet vor, weil man selber nicht mehr wusste. Nun habe ich in relativ kurzer Zeit unendlich viele Formulare zu beschaffen um die Bewerbung noch auf den Weg zu bringen, Dinge die man in den letzten Monaten schon hätte erledigen können. Egal, kurzerhand ging ich hoch ins Büro und arbeitete dort daran. Trotz zweijähriger Abwesenheit werde ich dort noch wie ein Mitglied aufgenommen und kann dort ein- und ausgehen. Es fühlte sich wie früher an. Interessant wurde dabei das Treffen mit meiner alten deutschen Professorin, die es in zwei Sätzen schaffte, sowohl den Osten Deutschlands und Göttingen zu beleidigen, ein Talent, was mich veranlasste, schnell zu verschwinden, ehe ich einen Streit anfange.

Gleichzeitig war heute auch deutscher Tag an der Uni. An den Vorbereitungen dafür habe ich mich dank des Internets auch beteiligen können. Nun ergab es sich, dass die Herren und Damen auf dem Campus standen und Kekse verteilten. Einer der Beteiligten war doch wirklich mein alter Bekannter Endo, ein Student, der in Paderborn ein Austauschjahr gemacht hat und den ich mit anderen Sendaiern in Göttingen empfangen habe und dem ich später auch noch half. Da er unter anderem wegen eines Animes zur Walpurgisnacht wollte, ohne überhaupt zu wissen, was das ist, fragte ich ihn gleich zur Begrüßung, ob er denn da war. Seine Reaktion war aber nicht die Erwartete. Ich dachte, mit dieser Aussage ist nach der ersten Überraschung klar, um wen es sich beim Fragesteller handelt. Dem war aber nicht so, denn Endo verstand die Welt nicht mehr und das Gespräch verlief im Sand. Erst viel später, als ich abends Facebook öffnete, fand ich eine Entschuldigung und ob ich es denn war, mit dem er heute gesprochen hat und ob ich in Japan bin. Offensichtlich hat der neue Haarschnitt wirklich mehr Wirkung, als ich gedacht habe, den Katoh war auch unter den Verteilern und den hab ich vor drei Monaten das letzte Mal gesehen und trotzdem hat er mich nicht erkennen können. Ich glaube, ich werde mir diese Anomalität noch ein wenig zu nutzen machen, vielleicht hat der Haarschnitt ja so etwas Gutes
Am Abend ging es dann Essen in eine Sushibar, gleich neben Orsolyas Wohnung. Sushi in Japan ist sowieso schon dem Deutschen um Welten voraus, selbst im Kaiten, also Fließband. Sushi aber, was dieser Sushimeister auf den Tisch zauberte, war unbeschreiblich. Obwohl wir die normalen Sorten hatten, schmeckte keines der Sushis so wie in den anderen Läden. Das ganze Sushi zerging auf der Zunge und fühlte sich fast wie Sashimi an. Wie wir erfuhren, hatte es uns – als einige der wenigen Ausländer überhaupt – in den Laden des berühmtesten Sushimeisters Sendais verschlagen, bei dem unter anderem die Spieler der Rakuten Eagel ein und aus gehen. Dafür, was für ein Laden es war, waren die Preise noch sehr günstig und wir bekamen sogar noch eine kostenlose Nachspeise. Wenn irgend möglich, muss ich zu dem wieder hin. Ich glaube, ich kann in Deutschland nach dem Besuch kein Sushi mehr essen und ich muss mir deshalb den Geschmack erhalten.

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