Die verlorene Seele

Endlich ist es da, mein Treffen mit zwei Profs. Zuerst galt es, Masami, meine alte Göttinger Bekannte, zu treffen. Die junge Dame hat sich nicht verändert und spricht immer noch perfekt Deutsch. Dankbarerweise, auch wenn ich sie nicht danach gefragt hatte, hat sie mir ein Treffen mit einem potentiellen Betreuer besorgt. Leider hat sie dabei einen wichtigen Punkt vergessen, warum ich ihn überhaupt treffen wollte. So wurde es ein sehr überraschendes Gespräch, weil er nicht wusste, was ich von ihm will. In Japan, in dem nichts über Hierarchien geht, war er nun sehr überrascht, dass ich gerade zu ihm wollte. Er scheint aber nicht abgeneigt zu sein. Zu meinem Glück hatte er auch ein perfektes Buch bereitliegen, welches im Prinzip meine Forschungspläne (nur für den Amazonas) beschrieb. Sein Deutsch ist schon einmal perfekt, was in Anbetracht der Tatsache, dass er seinen Doktor in München gemacht hat, kaum überrascht. Bei jemandem, der bei der Sieboldsammlung aushilft, einem der Vorgänger meiner Forschungsobjekte, fühle ich mich auf jeden Fall in guten Händen. Und auch wenn er sich eine Bedenkzeit erbeten hat, schien es doch so, als ob er mich vermutlich betreuen wird. Hinzu kommt, dass er Herrn Habermas, den Vater meiner Professorin, verehrt, was bei ihm nochmals Eindruck gemacht hat. Und meine Masterarbeit hat ihm auch sehr zugesagt.

Im Anschluss an dieses Gespräch ging es zurück ins Lab. Als altes Inventar werde ich zum Glück immer noch erkannt und durfte sofort Platz nehmen und dort warten. Umso größer dann der Schock bei Leuten, die mich kannten. Meine Haare waren doch tatsächlich anders! In Erwartung, dass ich sie auf Japanisch nicht verstehe, wurde auch gleich hinter meinem Rücken darüber geredet und das Wort Ikeman, was so viel wie ?gutaussehender Mann? und ?gute Partie? bedeutet, fiel dabei. Eine Bekannte bot mir auf meine Beschwerde über kalte Ohren sogar an, einen Schal zu stricken. Brauchte ich aber nicht und die Damen des Labs wären mir eh zu jung, aber wenigstens kam kurze Zeit einer, der mich verstand: Shimizu erschien und seine Reaktion war die Erste seit dem Haarschnitt, die mich verstand. Er meinte nur, dass ich meine Seele verloren habe und er war entsetzt. Ich wusste es schon immer, nur Shimizu versteht mich :-P.

Endlich erschien auch Professor Morimoto. Es dauerte über eine Stunde, aber letztendlich erklärte er sich bereit, meine Idee, ein japanisches Stipendium zu beantragen, zu unterstützen. Wenn alles klappt, bin ich also bald wieder Teil seines Büros. Zu diesem Zweck musste ich aber erst einmal in das internationale Büro. Eigentlich sollte man erwarten, die könnten dort Englisch, schließlich kümmert man sich um Ausländer. Aber natürlich gab es nur Eine, die es beherrschte. Diese übersetzte fleißig, doch nach langem Herumfragen, erhielt ich die falsche Auskunft. Kurzerhand versuchte ich unter meinen Freunden jemanden zu finden, der flüssig Japanisch sprechen kann und mein Problem schildern könnte, leider waren aber alle im Stress. So wartete ich eine Weile auf einen Rückruf. Als ich es schon aufgeben wollte und endlich von dannen zog, tauchte die letzte Ansprechpartnerin aus dem internationalen Büro auf. Sie sprach mich an und bat mich, ihr den Fall noch einmal zu erklären. Halb Japanisch und Englisch versuchten wir uns zu verständigen. Besonders, was ich in Sendai mache, wo ich doch gar kein Student mehr hier bin, wollte ihr so gar nicht klar werden. Nach langem hin und her und einer Meisterleistung im ?mit Händen und Füßen? sprechen gelang es mir, ihr den Fall klar zu machen. Und am Dienstag kann sie mir wohl mehr über das weitere Vorgehen berichten. Hoffen wir mal, dass alles klappt.

Nach einem weiteren längeren Aufenthalt im Büro, ging es dann in die Innenstadt. Das Mafumafu ist wieder offen. Yusuke, mein alter Kumpel, erwartete mich schon vor der Tür und nach langen Umarmungen ging es rein. Was für ein Lacher, als einer der neuen Angestellten mich als Neukunde erkannt haben wollte! Stark mussten wir das Lachen unterdrücken. Das Mafumafu ist aber nicht mehr das Alte. Ohne Thomas hat es seine Seele verloren. Das Angebot ist kleiner, das Bier schlechter und es fehlt das Verbindungsglied zwischen den Besuchern. Kurzerhand machten wir eine Stammkundenrunde auf, auch wenn mich von denen keiner erkannte. Erst als ich ein paar Bilder von früher zeigte, erkannten sie einen Typen mit langen Haaren, den sie auch sehr gut kannten. Tja, dreimal darf der geneigte Leser raten, wer dieser langhaarige Herr war. Aber es bleibt dabei, ein schlechtes Mafumafu ist besser als gar keins und falls ich wirklich wiederkomme, wird mir Yusuke einen Platz im Mafumafu als Nebenjob besorgen. Vielleicht werde ich ja der neue Thomas?

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