Irgendwie war das anders geplant. Orsolya habe ich erfolgreich nach Ungarn verfrachtet, Shimizu ist mit seiner Freundin unterwegs und nur Mohamed hätte Zeit. Nun gibt es das Problem, dass Mohamed zwar Zeit hätte, ich ihn aber nicht immer mit Essen gehen nerven will. Eigentlich war auch für diesen Samstag ein Treffen mit meinen ehemaligen Mitbewohnern geplant, nur leider musste dieses ebenfalls ausfallen, da diese leider keine Zeit hatten und zu großen Teilen gar nicht mehr in Sendai wohnen. Was sollte ich also tun?
Kurzerhand nahm ich mein Fahrrad und fuhr in die einzige Region, die ich früher schon immer erkundete und die mir noch auf meinen Touren fehlte – Izumi. Izumi ist der äußere Stadtteil im Norden der Stadt und gekennzeichnet durch eine Vielzahl an Geschäften. Neben diesen harten Fakten ist der Stadtteil auch für einen halben Herzinfarkt meinerseits verantwortlich. Als letztes Jahr das große Erdbeben stattfand, sollte Rieko gerade nach Izumi fahren und mein Fußballtrikot umtauschen. Wie ich nun in Abu Dhabi wartete, erreichte mich die Schlagzeile auf einer deutschen Nachrichtenseite: ?Sendai zerstört?. Aufgeregte weitere Nachforschungen später wurde diese Meldung revidiert, aber es sollte große Zerstörungen in Izumi geben, worauf ich stark um Riekos Gesundheit besorgt war. Im Endergebnis hatte sie den Umtausch des Trikots auf später verschoben und war deshalb niemals in Gefahr, der Schock saß trotzdem tief. Meine Tour ergab, dass das Gebiet wirklich härter getroffen worden sein muss. Einige Straßen haben immer noch die hüglige Form der aufgerissenen Böden, welche bei dem Erdbeben entstanden, trotzdem war es eine Reise wert. In Izumi fand gerade ein Stadtteilfest statt und viele Izumi-Bewohner liefen in Yukata herum und wie immer wurde sehr gutes Essen geboten.
Nach meiner sieben Stunden Izumi- und Sendaitour, ging es alleine in die Stadt. Ein Restaurant wollte ich noch unbedingt sehen und wenn niemand mit mir geht, gehe ich auch alleine. Es handelt sich um mein Okonomiyaki-Restaurant, wo ich wirklich Stammkunde war und diesmal auch die Abwesenheit von Rieko bemerkt wurde. Das Essen war trotzdem genial und die Frage sei in den Raum gestellt, warum es in Deutschland kein Okonomiyaki gibt. Auf dem Weg in das Restaurant verschlug es mich auch noch einmal in den örtlichen Donquijote. In diesem Laden des Karstadttyps gibt es wirklich alles, was sich der Mensch nur wünschen kann oder auch nicht wünschen sollte. Von Radiergummis für die Zahnreinigung, über 4 Zentimeter Augenwimpern bis zu Lebensmitteln ist hier alles vertreten. Highlight sind aber die Klamotten. Nicht, dass auch nur ein mir bekannter Europäer derartige Sachen tragen würde, schlimmer noch – die Japaner tragen es wirklich. Verkaufsschlager sind dabei momentan Hüte mit Design. Dabei sind nicht normale Schirmmützen gemeint, sondern ganze Figurenköpfe, wie ein Pikachu oder auch ein kompletter Fisch. Normalerweise könnte man sich noch erklären, dass die Japaner sich diese Mützen als blödes Geschenk kaufen. Preise jenseits der vierzig Euro sprechen da aber eigentlich eine andere Sprache.
Auf jeden Fall war der Tag cool, wenn auch zu heiß. Nur die Tatsache, dass ich in ein paar Tagen wieder durch Göttingen fahren werde, wo man mit der Strecke Izumi bis Hauptbahnhof schon die gesamte Stadt durchquert hat, ist schon komisch. Momentan kann ich mir noch gar nicht vorstellen, nach Hause zu fahren. Nicht zuletzt da ich einen echten Haustürschlüssel für Orsolyas Wohnung habe, fühlt es sich alles so natürlich an, dass ich am liebsten den Aufenthalt verlängern würde.