Es gibt viele Sachen, die ich machen wollte, während ich in Sendai bin. Orsolyas Verletzung bringt uns jetzt etwas aus dem Plan, denn ihre Lauffähigkeit ist eingeschränkt und ich bin mit meinem etwas zügigeren Gang zum Fußballstadion nicht unschuldig. Dementsprechend ruhig verlief der heutige Tag. Bei den aktuellen Temperaturen ist das auch besser, denn schon bei der kleinsten Bewegung ist man durchgeschwitzt. Ein Ziel gab es aber, welches leicht erreichbar ist und unbedingt begutachtet werden musste – Sanjo. Mein altes Wohnheim steht etwa fünf bis zehn Minuten von meiner aktuellen Unterkunft entfernt.
Kurzerhand schnappte ich mir Todesfalle und fuhr zu Sanjo. Ein komisches Gefühl ist es, einen Ort zu besuchen, an dem so viele Erinnerungen hängen. Beim Betreten von Sendai ging das Gefühl schnell vorbei, denn ich hatte Dennis als Anker dabei. Dieses Mal war es schlimmer, denn ich war alleine. Sanjo hat sich kaum verändert und unbemerkt ging mein Blick als erstes in die gewohnte Richtung, zu Orsolyas Fenster. Von dort aus ging es über Tobias Wohnung zu meiner, in der wohl jetzt ein Japaner wohnt. Ins Internationale Haus musste ich sogar hinein, um etwas nachzuschauen und alles war wie zuvor. Ich konnte förmlich das Gefühl spüren, in mein altes Zimmer zu gehen. Die einzige Änderung war eigentlich nur, dass der alte Sportplatz weg ist. Anstelle des Sportplatzes, wo unter anderem das Kochfest stattfand, befinden sich heute Notunterkünfte für die Tsunamiopfer.
Nach Sanjo war mein Radvergnügen ungebrochen. Katoh, ein alter Freund, hatte am Morgen bei Skype geschrieben, dass er über neunzig Minuten nach Izomi benötigt hat, dem nördlichsten Stadtteil. Das konnte nicht sein und ich testete es auf einer Parallelstraße aus. Selbst mit Todesfalle war die Tour nach vierzig Minuten erledigt und Katoh kann kein Rad fahren. Dafür gab es viele nostalgische Gefühle auf der Strecke, weil ich dieser so häufig gefolgt bin und unter anderem damals hier meine Geldbörse verloren hatte. Das Highlight gab es aber in einem Laden auf der Strecke. Wie viele Verkäufer benötigt man für einen Einkauf? Ich habe jetzt in Japan gelernt, man benötigt 5 Verkäufer. Als ich mit meiner DVD zum Schalter kam, kamen alle auf mich zugetürmt. Der Erste nahm die Hülle entgegen, der Zweite brachte den Inhalt und verschloss die Verpackung, der Dritte zeigte mir die Kosten und der Vierte gab mir das Rückgeld. Der Fünfte im Bunde war dann dafür zuständig, meine Erwerbung zu übergeben. Man merkt also, die Japaner wissen, dass der Kunde König ist.